Quantenchemische Standardprogramme

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Quantenchemische Standardprogramme
Prof. Dr. Bernd Hartke, Universität Kiel, [email protected]
Quantenchemische Standardprogramme
Die wichtigsten Vertreter und ihre Stärken:
Gaussian: weltweit etabliert; HF-SCF, DFT, Geometrieoptimierung
Q-Chem: linear skalierende Implementationen von HF, DFT, MP2
Turbomole: für PC-Cluster; RI-DFT, RI-MP2, RI-CC2
Molpro: hochgenaue, korrelierte Rechnungen für angeregte Zustände kleiner Moleküle
Gamess, Dalton: wichtigste freie Programme
... ...
Für periodische Festkörper, semiempirische Rechnungen, Moleküldynamik, usw. andere
Programme zuständig.
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Quantenchemie für den Hausgebrauch:
Führende freie Quantenchemie-Programme: z.B.
Dalton:
• homepage: http://www.kjemi.uio.no/software/dalton/dalton.html
• RHF, beschränktes ROHF, DFT, MP, CI, CC, R12-MP2, CASSCF
• große Basissatzbibliothek
• integral-direkte und parallele Rechnungen möglich
• Geometrieoptimierung, auch mit inaktiven Variablen oder zu Übergangszuständen;
analytische Gradienten u.a. für MP2 und CCSD, neuerdings auch für CCSD(T) (!)
• angeregte Zustände, viele Eigenschaften (inkl. NMR), Solvensmodelle
• Nachteile: z.Z. noch keine vorcompilierte Windows-Version,
keine semiempirischen Methoden
Gamess:
• existiert in zwei Varianten: Gamess-US und Gamess-UK
• homepages: http://www.msg.ameslab.gov/GAMESS/GAMESS.html
bzw. http://wserv1.dl.ac.uk/CCP/CCP1/gamess.html
• MNDO/AM1/PM3, RHF, ROHF, UHF, DFT, MP2, CC, CI, GVB, MCSCF, EOM
• große Basissatzbibliothek
• integral-direkte und parallele Rechnungen möglich
• Geometrieoptimierung, auch für Übergangszustände und Reaktionswege
• angeregte Zustände, viele Eigenschaften (inkl. NMR), Solvensmodelle
• vorcompilierte Windows- und Mac-Versionen verfügbar (auch zur Einbettung in
Chem-Office)
Graphische front-/back-ends auch erhältlich, z.B.:
• Ghemical-GMS zum graphischen Molekülaufbau und als front- und backend für
Gamess:
http://www.uiowa.edu/ ghemical/ghemical-gms.shtml
• Molden als backend-viewer:
http://www.cmbi.ru.nl/molden/molden.html
• GOpenMol als backend-viewer:
http://www.csc.fi/gopenmol/
• GabEdit zum graphischen Molekülaufbau und als front- und backend für Gaussian/Molpro:
http://lasim.univ-lyon1.fr/allouche/gabedit/
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Informationsquellen für Gaussian
• online-Manual im Programm
• WWW-Manual auf der Gaussian-homepage:
http://www.gaussian.com/ → Tech Support“ → Gaussian 03 online manual“
”
”
• Gaussian User’s Reference, Gaussian Programmer’s Reference,
ca. $50–60, siehe home page
• James B. Foresman und Æleen Frisch: Exploring Chemistry with Electronic Structure
”
Methods“, 2. Ausgabe, Gaussian Inc., Pittsburgh, 354 Seiten, paperback $42.-, ISBN
0-9636769-3-8
• Computational Chemistry mailing List (CCL):
http://www.ccl.net/
Verfügbarkeit von Methoden in Gaussian: siehe Manual;
in der Praxis wichtig: analytische Gradienten!
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Kurzanleitung Gaussian:
Eingabe:
Achtung: input-Syntax sehr starr und kryptisch
(besonders wichtig: Leerzeilen sind signifikant!)
Verschiedene Möglichkeiten zur Erzeugung desselben input-files:
• per Hand“ mit Lieblings-Texteditor (ohne Formatierung!)
”
• G03W-Eingabe-Fenster: minimale Hilfen (Abschnitte, Syntax-Check)
• GaussView: grafische Moleküleingabe, menügesteuerte Optionenwahl
Hauptabschnitte:
% section: (auch link 0 section) allgemeine Steuerungsoptionen, wie memory-Größe,
Anzahl Prozessoren, Name des checkpoint files; kann komplett fehlen;
# section: (auch route section) komplette Angaben darüber, welche Art(en) von Rechnung(en) gemacht werden sollen;
Achtung: einige keyword options erfordern weiteren input, der dann im Abschnitt
molecule specification auftaucht;
title section: beliebige Kommentare des Benutzers, vom Programm ignoriert
charge,multiplicity: eine Zeile mit zwei Zahlen: Gesamtladung des Moleküls ( 0“ =
”
neutral, +1“ = Kation, -1“ = Anion) und Multiplizität 2S + 1 des elektronischen
”
”
Gesamtspins S (also: 1“ für Singulett mit S = 0, 3“ für Triplett mit S = 1, usw.)
”
”
molecule specification: Molekülgeometrie, als Z-Matrix oder in kartesischen Koordinaten
(Einheiten: Längen in Ångstrøm, Winkel in Grad); ggf. weiterer input zu Optionen
aus der route section.
Eingabe-Beispiel:
Ein Wassermolekül nahe Gleichgewichtsgeometrie, RHF in 3-21G-Basis, Z-Matrix:
# HF/3-21G
water molecule
0 1
O
H1 O ROH
H2 O ROH H1 ANG
ROH 0.956
ANG 104.5
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Alternative Angabe der Geometrie: kartesische Koordinaten:
# HF/3-21G
water molecule
0 1
O 0.0 0.0 0.0
H1 0.0 0.0 0.956
H2 0.925549 0.0 -0.239363
Das Hilfsprogramm GaussView erzeugt aus der graphisch per Maus eingegebenen Molekülgeometrie intern ebenfalls eine Z-Matrix:
# HF/3-21G
water molecule
0 1
O
H1 1 B1
H2 1 B2 2 A1
B1 0.96
B2 0.96
A1 109.471221
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Ausgabe: Kurzübersicht
• konstante, allgemeine Informationen (ggf. wichtig: Versionsangabe)
• input-Echo, z.T. inkl. Interpretation
• verschiedene Darstellungen der Molekülgeometrie, inkl.:
– Z-Matrix und kartesische Koordinaten
– Abstands-Matrix
– Bindungswinkel
– Symmetrie (Punktgruppe)
wichtig: Überprüfen, ob mit gewünschter Geometrie identisch!
• Basissatz-Echo (ohne Zusatzoptionen nur sehr summarisch)
• Kurzinformationen vom Integralprogramm
• Kurzinfo zum initial guess
• Echo SCF-Konvergenzoptionen
• HF-SCF: nur das Endresultat; mit Zusatzoption #P auch Informationen zu den
einzelnen SCF-Iterationsschritten
• einige aus der Wellenfunktion berechnete Größen und Eigenschaften:
– Orbitalenergien und -symmetrien
– Mulliken-Partialladungen
– Multipole (Ladung, Dipol, Quadrupol, . . . )
• Kurzzusammenfassung der Ergebnisse zur Archivierung
• variabler Sinnspruch
• CPU-Zeit und (Integral-)File-Größen
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Einige wichtige link-0-Befehle:
• %Mem=N : memory-Größe in MegaWords (1 word = 8 bytes), default: 6MW; (mit
Einheiten-Angabe auch Größen in Bytes möglich, z.B.: %Mem=1GB)
• %Chk=<filename>: Name für das checkpoint-file, für restarts nach Programmabbrüchen, Fortsetzungsläufe (Wellenfunktion als initial guess für veränderte Basis,
teiloptimierte Geometrie für weitere Geometrieoptimierungen, usw.)
• %NProc=N : Anzahl der Prozessoren; N = 1 (seriell) ist default; N > 1 nur auf
Parallelmaschinen möglich (Obergrenze je nach Computer und Queue-Limits; N > 8
oft nicht mehr sinnvoll)
Einige wichtige route-section-Keywords:
• Guess = . . . : Wahl des initial guess:
(default): Harris-Funktional (ein vereinfachter, nicht-iterativer DFT-Ansatz) oder
Hückel, je nach Atomtyp
P
Core: core“-Hamiltonian
ĥ(1) (G=0)
”
Huckel: extended-Hückel-Theorie (nicht-iterativ, semiempirisch)
Read: als initial guess wird die Wellenfunktion (Dichtematrix) genommen, die sich
im angegebenen checkpoint-file befindet (z.B. Resultat einer vorigen Rechnung
mit kleinerem Basissatz)
• SCF = . . . : Beeinflussung der HF-SCF-Rechnung:
Direct: direkte SCF-Rechnung (keine Abspeicherung der Integrale); nötig, wenn
Integralfile zu groß wird; default: in-core, solange möglich, dann semi-direkt
NoDIIS: Abschalten des defaultmäßig eingeschalteten DIIS
QC: quadratisch-konvergentes SCF (Alternative zu DIIS)
Tight: strengere Konvergenzkriterien; nötig, wenn diffuse Orbitale in der Basis; ist
defaultmäßig eingeschaltet bei Geometrieoptimierungen
Sleazy: Gegenteil von tight“; ggf. nützlich in Geometrieoptimierungen bei schlechter
”
Anfangsgeometrie
• GFPrint: erzeugt im output eine ausführliche Tabelle der verwendeten Basisfunktionen.
• GFInput: erzeugt im output eine komprimierte Tabelle der verwendeten Basisfunktionen, die (ggf. per Hand modifiziert und dann) in Kombination mit dem Gen-keyword
zur freien, benutzerbestimmten Basissatzeingabe in späteren Rechnungen gebraucht
werden kann.
• opt = . . . : lokale Geometrieoptimierung durchführen; sehr viele spezielle SubOptionen.
• freq = . . . : Frequenzrechnung durchführen.
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Geometrieoptimierung mit dem
opt“-keyword:
”
Wenn keine weiteren Optionen angegeben werden, führt Gaussian eine lokale Geometrieoptimierung aller Freiheitsgrade in automatisch erzeugten, redundanten internen Koordinaten
durch, unabhängig davon in welchem Format/Koordinaten die Anfangsgeometrie eingegeben wird. Die Optimierungsmethode ist im Prinzip ein quasi-Newton-Algorithmus mit
Rational Function Optimization und einigen anderen speziellen Tricks (H. B. Schlegels
Berny-Algorithmus“, im Gaussian-Jargon).
”
Beispiel: obiger H2 O-input plus opt“-keyword in der route-section. Beachte:
”
• Input-Geometriespezifikation in kartesischen Koordinaten (statt z-Matrix) ändert nichts
am output
• absichtlich oder zufällig(!) in der input-Geometrie enthaltene Symmetrie bleibt erhalten
(weil der Gradient dieselbe Symmetrie hat) (hier: beide OH-Bindungslängen gleich;
Versuch: optimiere lineares und fast-lineares Wasser)
• Definitionen und Werte aller redundanten internen Koordinaten werden am Anfang
(Werte aus der input-Struktur) und am Ende (optimierte Werte) ausgegeben; bei
Zwischenschritten sieht man auch, wie diese Werte geändert werden (Achtung: andere
Einheiten! Bohr und Bogenmaß statt wie sonst Ångstrøm und Grad)
Mit der Option ModRedundant (AddRedundant ist synonym) u.a. durchführbar (zahlreiche weitere Möglichkeiten im online-manual):
partielle Optimierung: ausgewählte Koordinate(n) können eingefroren werden, ihre Werte
bleiben während der Optimierung erhalten;
Beispiel: Einfrieren des Bindungswinkels bei der Wasser-Optimierung:
# HF/6-31G∗ opt=ModRedun
water molecule, local optimization with fixed bond angle
0 1
O
H1 O ROH1
H2 O ROH2 H1 ANG
ROH1 1.0
ROH2 0.965
ANG 104.5
2 1 3 F
Potentialflächen-Scan: ausgewählte Koordinate wird schrittweise verändert, an jedem
Punkt werden alle anderen Koordinaten optimiert; Geometrie- und Energieänderungen
werden am Ende tabelliert;
Beispiel: in obigem input letzte Zeile durch 1 2 s 5 0.4“ ersetzen, dann wird der
”
O-H1-Abstand von 1.0 bis 3.0 erhöht, in Schritten von 0.4
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Potentialflächenscan ohne Optimierung: verwende anstelle von opt=ModRedundant
das keyword scan“; dazu sind Schrittanzahl und Schrittweite der Spezifizierung von
”
(Z-Matrix-)Variablen hinzuzufügen.
Im Gegensatz zu opt=ModRedundant“ mit geeigneten Optionen wird bei scan“
”
”
keine einzige Koordinate optimiert, sondern alle anderen Koordinaten auf ihren
angegebenen Werten festgehalten.
Experiment: Bestimme näherungsweise die Rotationsbarriere von Ethan durch einen Potentialflächenscan über einen geeigneten Diederwinkel (experimenteller Wert: 12.25 kJ/mol).
Probiere aus, wie groß die Geometrie- und Energieunterschiede sind zwischen (a) einem
scan des Diederwinkels mit Optimierung aller anderen Koordinaten und (b) einem scan
des Diederwinkels bei festgehaltenen Werten aller anderen Koordinaten (z.B. bei den
Werten im Energieminimum des Diederwinkels).
Frequenzrechnung mit dem freq“-keyword:
”
Mit diesem keyword führt Gaussian eine Normalkoordinatenanalyse durch und berechnet
aus den zweiten Ableitungen die Schwingungsfrequenzen dieser Normalkoordinaten. Beachte:
• Analytische zweite Ableitungen sind nicht für alle Methoden in Gaussian vorhanden;
bei anderen Methoden werden automatisch numerische finite Differenzen verwendet
(teuer!).
• Per Definition (siehe Vorlesung) ist dieses Vorgehen nur dann sinnvoll, wenn die
eingegebene Geometrie einem stationären Punkt entspricht, mit genau der Basis und
der Methode, mit der auch die Frequenzen berechnet werden sollen. ⇒ Die keywords
opt und freq können in einem einzigen input kombiniert werden, dann macht Gaussian
zuerst eine Optimierung und dann eine Frequenzrechnung (normalerweise ist immer
nur ein Typ von Rechnung pro Job erlaubt; tatsächlich wird ein opt freq“-Job
”
auch als zwei sukzessive Jobs gerechnet, siehe output).
• Gaussian hängt daran per default eine komplette Auflistung thermodynamischer
Daten. Mit der Option ReadIsotopes“ kann man dabei nicht nur die verwendeten
”
Isotopenmassen ändern, sondern auch Druck und Temperatur.
• Schon in harmlos erscheinenden Fällen können die höchsten Pseudo- Frequenzen“ der
”
Gesamtmolekül-Rotation vergleichsweise dicht an den niedrigsten echten Frequenzen
liegen, vor allem, wenn letztere z.B. (gehinderte) Rotationen von Molekülteilen
sind. Beispiel: Ethan, RHF/6-31G(d), höchste Gesamtmolekül-Rotation: 24.7 cm−1 ,
Rotation um C-C-Achse: 326.4 cm−1 .
Experiment: Frequenzrechnung für Ethan.
Optimierung von Übergangszuständen:
Erfolgt auch mit dem opt“-keyword. Verschiedene Strategien sind möglich. Sind stationäre
”
Zustände für Edukt und Produkt bekannt, aber keine Näherung des Übergangszustands,
versuche einen quadratic synchronous transit“ mit opt=QST2“. Dabei ist nach der
”
”
Molekülspezifikation für das Edukt eine Leerzeile, eine weitere Titelzeile, eine Leerzeile
und die Molekülspezifikation für das Produkt (inkl. Ladung und Multiplizität) anzugeben
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(Achtung: exakt dieselbe Reihenfolge für die Atome benutzen wie im Edukt!). Gaussian
benutzt dann die QST-Interpolation zwischen Edukt und Produkt, um eine Näherung für
den Übergangszustand zu finden, der dann mit dem Berny-Algorithmus genau lokalisiert
wird.
Experiment: Bestimme die Rotationsbarriere von Ethan etwas genauer als eben: Bestimme
dazu den Übergangszustand zwischen zwei Rotations-Minima mit der QST-Methode.
Verifiziere anschließend durch eine Frequenzrechnung, daß es sich dabei tatsächlich um
einen Sattelpunkt 1. Ordnung handelt, mit genau einer imaginären Frequenz (wird von
Gaussian als negative Frequenz angezeigt).
Reaktionswege
Ausgehend vom Übergangszustand als input-Geometrie kann Gaussian mit dem keyword
irc“ Reaktionswege verfolgen. Dazu müssen zu Beginn die Kraftkonstanten (2. Ablei”
tungen) bekannt sein; also müssen sie entweder von einer vorigen Frequenzrechnung am
Übergangszustand eingelesen oder mit der Option CalcFC“ neu erzeugt werden.
”
Z.Z. nachteilig: Bei input in kartesischen Koordinaten erzeugt Gaussian den Reaktionsweg
auch in kartesischen Koordinaten, was unübersichtlich ist. Bei input als Z-Matrix wird
der Reaktionsweg in Z-Matrixkoordinaten erzeugt. Redundante interne Koordinaten sind
nicht verfügbar.
Moleküleigenschaften
• verschiedene Populationsanalysen: keyword
Pop“
”
Pop=esp: Partialladungen aus Anpassung ans elektrostatische Potential
Pop=nbo: volle natural-bond-order-Analyse
• Atoms-in-Molecules ist über das Extra-keyword
• keyword
AIM“ zugänglich;
”
NMR“ berechnet NMR-Eigenschaften.
”
Experiment: Bestimme ein Reaktionsprofil für die SN 2-Reaktion
F− + H3 C-Cl → F-CH3 + Cl−
(Anmerkung: Wie in der Vorlesung besprochen, macht HF-SCF prinzipielle Fehler bei
Bindungsdissoziationen, daher sollten die Resultate dieser Übung nicht allzu ernst genommen
werden.)
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RHF vs. UHF:
Methoden-keyword UHF“ (statt RHF“) erzwingt eine unrestricted-Rechnung, auch wenn
”
”
der elektronische Zustand ein Singulett ist.
Experiment: Erstelle mit einem starren Potentialflächenscan (Gleichgewichtswerte für die
anderen Koordinaten) eine Dissoziationskurve für eine OH-Bindung im Wassermolekül, von
etwas unterhalb des Gleichgewichtsabstands bis zu etwa 5 Å; einmal für RHF und einmal für
UHF. Beachte die exakte Übereinstimmung beider Resultate am Gleichgewichtsabstand, die
Divergenz der RHF-Lösung von der energetisch niedrigeren UHF-Lösung bei hinreichender
Auslenkung der Bindung (exp. Bindungsdissoziationsenergie: 125.9 kcal/mol) und die
Spinkontamination der UHF-Lösung, angezeigt durch die S2 -Werte.
Hinweis: Das Programm ist nicht in der Lage, zur UHF-Lösung zu konvergieren, wenn
die für die SCF-Prozedur geratene Input-Wellenfunktion RHF-Eigenschaften hat. Letzteres ist aber default (bei Singuletts). Dies kann verhindert werden durch die Option
guess=mix,always“. Dabei sind beide(!) Optionsmodifikationen nötig, eine alleine reicht
”
nicht! mix“ mischt closed-shell- und open-shell-Orbitale und erzeugt dadurch einen guess,
”
der hier effektiv ein Triplett ist. Am Gleichgewichtsabstand kollabiert dieser guess in der
SCF-Prozedur jedoch wieder zum Singulett. Da das Programm innerhalb eines PES-scans
default-mäßig für den jeweils nächsten Schritt die konvergierte Wellenfunktion des vorigen
Schritts als input-guess nimmt (was gewünscht sein kann, da man so SCF-Zyklen sparen
kann), erhält man mit guess=mix“ alleine doch wieder nur die RHF-Lösung für alle
”
Punkte. Also muß zusätzlich mit guess=always“ dieses Verhalten unterbunden und bei
”
jedem weiteren Punkt ein erneuter guess (genauso wie beim ersten Punkt) erzwungen
werden.
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Orbitalanalyse
keyword pop=regular“ bzw. pop=full“ gibt zusätzlich zur üblichen Populationsanalyse
”
”
(default ist pop=minimal“) einige bzw. alle Molekülorbitale (MO-Energien und SCF”
Koeffizienten). Daraus (oder aus einer graphischen Aufbereitung dieser Information) kann
man ersehen, welche Orbitale in Korrelationsmethoden berücksichtigt werden (sollen) und
welche nicht.
Graphische Orbitaldarstellung mit GaussView: nach einer Rechnung, nach Öffnen des
outputs (oder des checkpoint-files); entweder (einfacher, aber schlechtere graphische Qualität)
via Edit → MOs“ oder (schwieriger, aber bessere Qualität) via Results → Surfaces“
”
”
(siehe: www.gaussian.com → Tech Support → Visualization Tutorial“)
”
Unterschiedliche Niveaus für verschiedene Eigenschaften:
Traditionell werden häufig mit teuren Korrelationsmethoden nur single-point-Rechnungen
für Molekülgeometrien durchgeführt, die vorher mit HF oder DFT optimiert wurden. Das
ist nur dann vernünftig, wenn der Einfluß der teureren Methoden auf die Geometrie nur
noch sehr klein ist (was richtig sein kann, aber nicht muß!).
In ähnlicher Weise werden manchmal HF- oder DFT-Frequenzen (und daraus bestimmte
Größen, wie Nullpunktsenergiekorrektur, thermodynamische Daten, Schwingungsspektren)
innerhalb einer Untersuchung mit besseren Methoden für die Geometrien und Energien
kombiniert, was wiederum nur unter der analogen Einschränkung sinnvoll ist. Zusätzlich ist
in diesem Fall zu beachten, daß die übliche Normalkoordinatenanalyse streng genommen
nur exakt an einem Extremwert (Minimum, Sattelpunkt) gültig ist.
Configuration Interaction: CISD
Das Methoden-keyword CISD“ veranlaßt eine CISD-Rechnung. Dabei macht Gaussian
”
per default die frozen-core-Näherung, korreliert also nur Valenzorbitale (Vorsicht: das ist
nicht in allen Programmpaketen default!). Im Prinzip kann das durch die Option fc=full“
”
abgestellt werden. Aus mehreren Gründen ist die frozen-core-Näherung jedoch sehr sinnvoll:
Sie beschleunigt die Rechnung durch Weglassen von Korrelationsanteilen, die nahezu gleich
bleiben und bei Energiedifferenzbildung herausfallen; verwendet man sie nicht, braucht
man eigentlich spezielle Zusatz-Basisfunktionen zur core-core- und core-valence-Korrelation,
die die Rechnung noch weiter verteuern würden. Andererseits kann die Korrelation mit
weiteren Optionen auch auf noch kleinere Untergruppen der MOs beschränkt werden.
Abgesehen von der Notwendigkeit der Verwendung hinreichend großer 1e− -Basissätze ist
CISD ansonsten ein black-box-Verfahren.
Aus der output-Angabe norm(a)“ kann man ein Maß für die Wichtigkeit der Elektro”
nenkorrelation in der vorliegenden Rechnung gewinnen (neben der Energieerniedrigung):
1/norm(a) ist der Koeffizient der HF-Determinante in der CI-Wellenfunktion; je näher
dieser Wert bei Eins liegt, desto unwichtiger ist die Korrelation.
Experiment: Führe eine CISD-Rechnung für das Wassermolekül am Gleichgewichtsabstand
in 6-31G-Basis durch (diese Basis ist eigentlich zu klein!). Kann man am output erkennen,
ob eine frozen-core-Näherung gemacht wird? Vergleiche die Energien mit und ohne frozencore-Näherung; ist der Energieunterschied in chemischen Zusammenhängen relevant? Ist
eine Korrelationsbehandlung hier wichtig?
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Coupled Cluster:
Die Methoden-keywords CCD“, CCSD“ und CCSD(T)“ veranlassen die entsprechenden
”
”
”
CC-Rechnungen.
Beachte:
• Nicht-iterative MP-Resultate sind Zwischenergebnisse der iterativen CC-Verfahren
und werden daher bei CC-Rechnungen üblicherweise mit ausgegeben.
• in vielen Situationen, in denen man CC braucht, ist auch der Beitrag der triples
wichtig.
• Verfügbarkeit von analytischen Gradienten/Frequenzen hängt von der genauen Methodenwahl ab: z.Z. in Gaussian keine analytischen CCSD(T)-Gradienten!
• keyword T1diag“ (nicht in GaussView verfügbar, muß per Hand hinzugefügt werden)
”
produziert zusätzlich die sog. T1 diagnostic“ von Lee und Taylor, die etwas über
”
den Multireferenzcharakter des Problems auszusagen versucht: bei T1 >= 0.02 sind
”
ernsthafte Zweifel angebracht, ob eine single-reference-Behandlung (inkl. coupledcluster) hinreichend verläßliche Resultate liefert“. (Beachte: CCSD(T) verträgt mehr
Multireferenzcharakter als CCSD.)
(T1 ist etwas veraltet: nicht größenkonsistent, daher Probleme bei größeren Molekülen
und keine Vergleichbarkeit bei verschieden großen Molekülen; besser: D1 diagnostic,
die jedoch in Gaussian (noch) nicht implementiert ist.)
Beispiele für Moleküle, die schon im elektronischen Grundzustand und im Gleichgewicht/GeoMinimum Multireferenz-Charakter haben: O3 , (NO)2 , usw.
Mit Sicherheit ebenfalls in dieser Hinsicht problematisch:
• Übergangszustände:
– kommen oft tiefliegenden elektronisch angeregten Zustaenden nahe, evtl. sogar
(vermiedene) Kreuzungen damit
– Bindungsdissoziation ist eine genuine Multireferenz-Situation
• angeregte Zustände:
bis auf reine high-spin-Zustände sind alle open-shell-Zustände zwangsläufig Linearkombinationen mehrerer Slaterdeterminanten ⇒ single-reference-Methoden potentiell
ungeeignet
MCSCF:
Das Methoden-keyword CASSCF“ veranlaßt eine CASSCF-Rechnung. Bei geeigneter Wahl
”
des aktiven Raums liefert sie eine qualitativ richtige Beschreibung der Dissoziation und
ist damit ein notwendiger erster Schritt zur quantitativen Beschreibung der Dissoziation.
Schon bei kleinsten Molekülen ist jedoch ein sich über alle MOs erstreckender aktiver
Raum zu groß für die vorhandenen Computerressourcen. Die korrekte Beschränkung des
aktiven Raums ist jedoch nicht trivial. Daher wird CASSCF hier nicht weiter behandelt.
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MP-Störungstheorie:
Die Methoden-keywords MP2“, MP3“, MP4“ usw. veranlassen die entsprechenden
”
”
”
MP-Rechnungen, unter Mitnahme aller jeweiligen Anregungstypen.
• Weitere keyword-Varianten erlauben eine Beschränkung der Anregungstypen, z.B.
eine MP4SDQ“-Rechnung ohne die (teuren) triples.
”
• default: restricted“ für Singuletts, unrestricted“ (UMPn) für höhere Spin-Multiplizitäten.
”
”
• Verfügbarkeit von analytischen Gradienten/Frequenzen hängt von der genauen Methodenwahl ab.
• Gaussian versucht, automatisch einen optimalen Algorithmus zu wählen (bzgl. in-core,
konventionell, semi-direkt, direkt), in Abhängigkeit vom Speicher- und Plattenplatz
⇒ diese sollten richtig eingestellt sein!:
– Speicher: %mem“ in der route-section: soviel wie möglich (nach Abzug des
”
Platzes fürs Betriebssystem)
– Platte: maxdisk“: entweder als keyword oder (besser?) in der route-section:
”
im Prinzip soviel wie möglich (auf 32bit-Systemen aber ggf. Probleme mit der
2GB-Grenze)
Experiment: Führe einen Dissoziations-Scan für das Wassermolekül auf MP4-Niveau
durch. Achte auf ggf. erratisches Verhalten der verschiedenen output-MP-Resulate bei
größeren Bindungslängen!
Basissatzüberlagerungsfehler, counterpoise-Korrektur
Bei Angabe des keywords counterpoise“ führt Gaussian eine automatische counterpoise”
Korrektur des BSSE durch. Dazu muß man allerdings:
• mit counterpoise=n die Anzahl n der Fragmente vorgeben
• bei der Geometriespezifikation bei jedem Atom dazuschreiben, zu welchem Fragment es
gehört (in kartesischen Koordinaten ist die Syntax trivial, bei Z-Matrizen schwieriger)
Vorsicht!:
• Gaussian macht dann mehrere Rechnungen; der relevante output versteckt sich in
wenigen Zeilen ganz am Ende (vor dem Archiv-dump)
• einzelne Fragmente können eine andere Ladung und/oder Spin-Multiplizität als das
Ausgangsmolekül haben! → erweiterte Syntax dafür nutzen.
Experiment: Beobachte in einer MP2-Rechnung, wie die counterpoise-Korrektur mit
wachsendem Basissatz kleiner wird. Vergleiche mit analogen Resultaten in einer DFTRechnung (dort sollte BSSE wesentlich kleiner sein).
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Dichtefunktionaltheorie:
Ersatz des Methoden-keywords RHF“ durch ein geeignetes Kürzel für ein Austausch”
Korrelations-Funktional liefert eine (Kohn-Sham-)DFT-Rechnung. Voransetzen eines U“
”
vor das Funktional liefert eine unrestricted“ Rechnung.
”
Die Auswahl an Funktionalen in Gaussian98 war relativ beschränkt und umfaßte nur
traditionelle LDA-, GGA- und Hybrid-Funktionale, praktisch keine moderneren. In Gaussian03 kann man einige moderne Funktionale per keyword wählen (z.B. VSCX, HCTH,
PBE1PBE, usw.) und sich zudem beliebige eigene (Hybrid)Funktionale durch Addition
vorhandener Funktionale mit frei vorgegebenen Koeffizienten zusammenstellen. (In inoffiziellen β-Versionen von molpro gibt es sogar die Möglichkeit, völlig freie funktionale
Formen als Dichtefunktional vorzugeben.)
Technische Tips:
• verwende
scf=tight“, besonders bei diffusen Basisfunktionen;
”
• Auswahl des numerischen Integrationsgitters erfolgt über die Int“-Option. Der default
”
Int=fineGrid“ ist durchaus für Produktionsrechnungen geeignet; schlechtere Gitter
”
können gewählt werden, sind aber nicht empfehlenswert; bei Konvergenzproblemen in
der Geometrieoptimierung und bei Frequenzrechnungen sollte man Int=UltraFine“
”
wählen.
Experiment: Frequenzrechnung für Ethan mit default-grid und ultra-fine vergleichen: die
verbesserte Qualität äußert sich hauptsächlich darin, daß die niedrigen Frequenzen viel
genauer Null sind und nicht (falsch) negativ.
Time-dependent HF / DFT:
Die Option TD“ bei HF- oder DFT-Rechnungen liefert einen einfachen und schnellen
”
Zugang zu elektronisch angeregten Zuständen: Mit default-Parametern erhält man die Anregungsenergien und Übergangsdipolmomente für die niedrigsten drei angeregten Zustände
(Anzahl der Zustände mit Options-Modifikation NStates beeinflußbar). In Gaussian03 gibt
es noch keine analytischen Gradienten für angeregte Zustände in TDDFT, Geometrieoptimierung mit numerischen Gradienten funktioniert, ist aber (wie immer) langsam; dabei
state of interest“ (in dem optimiert werden soll) mit keyword root=n“ wählbar (dabei
”
”
ist n=1 der erste angeregte Zustand). Analytische Gradienten gibt es für die älteren
Alternativ-Methoden CIS oder (schlechter) TDHF (RPA). Volle (analytische) Geometrieoptimierungen und numerische Frequenzen angeregter Zustände mit TDDFT sind z.Z. in
turbomole (ab Version 5.6) verfügbar.
Experiment: Optimiere Wasser mit TD-DFT: in einem der unteren angeregten Zustände
sollte es linear sein.