RIND - Tierarzt Owschlag
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RIND - Tierarzt Owschlag
Ausgabe RIND 01 2012 Bei Kälberdurchfall schnell handeln 0 Kälberhaltung: Gesetzliche Regelung für die Milchkühe von morgen 0 Serie Klauenerkrankungen: Pijl‘s Rotation der medialen Hinterklaue – Teil 2 otiert Kurz n 0 Rindergrippe: Ganzjährig ein Problem 0 Buchtipp: Anatomie der Haussäugetiere 0 Kleine Menge, große Wirkung: Spurenelementmangel in der Jungviehaufzucht Erscheint quartalsweise ISSN 1867-4003 2|3 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Die wirtschaftlichen Einbußen bei Durchfallerkrankungen sind nach wie vor hoch: Verantwortlich dafür sind die Kosten für Behandlung und Untersuchung, verminderte Gewichtszunahmen, deutlich erhöhter Arbeits- und Betreuungsaufwand und Todesfälle. Außerdem sind an Durchfall erkrankte Tiere empfänglicher für Sekundärinfektionen. Häufig sind neugeborene Kälber und Kälber in den ersten vier Lebenswochen betroffen, weil ihre Abwehrkräfte noch nicht so stark sind. Früher war vor allem die Kalbezeit Hochsaison für Durchfall, heute tritt die Erkrankung das ganze Jahr über auf, wie Dr. Heike Engels und Dr. Michael Götz berichten. Hauptsymptom bei Durchfall ist der häufige dünnflüssige Kotabsatz. Bei schweren Erkrankungen setzen Kälber bis zu 10 % des Körpergewichtes als wässrigen Kot ab, bei extrem starkem Durchfall können die Flüssigkeitsverluste sogar bis zu 20 % der Körpermasse betragen. Den Grad der Austrocknung kann man durch eine aufgezogene Hautfalte am Rippenbogen beurteilen. Bei stärkerer Austrocknung bleibt die Hautfalte stehen. Wenn die Kälber schon so dehydriert sind, dass die Augäpfel einsinken, liegen sie meist schon fest. Die Schleimhäute sind kühl und trocken, das Tier hat Untertemperatur und kühlt weiter aus. Die weiteren Folgen des vermehrten Kotabsatzes sind Elektrolytverlust, eine metabolische Azidose (Übersäuerung) und Energiemangel. Für gerade geborene Kälber kann diese Belastung schnell den Tod oder doch zumindest eine starke Schwäche und Entwicklungsverzögerung bedeuten. Foto: Dr. Michael Götz Jeder Betrieb betroffen Die Kälber können die Diakur-Lösung an einem Nippel schluckweise zwischen den Mahlzeiten aufnehmen. Alois Kiermaier in Haideröd bei Vilshofen kennt das Problem Kälberdurchfall nur zu gut. Immer wieder kommt ein durchfallkrankes Kalb auf seinem Betrieb vor, ein Patentrezept zur Vorbeugung hat er wie so viele Berufskollegen noch nicht gefunden. Er bewirtschaftet einen Familienbetrieb (63 ha) mit 60 Kühen im neugebauten Laufstall, zieht die Nachzucht selbst auf und mästet männliche Tiere selbst aus. Die Kälber sind bei ihm in Iglus unter dem Stallvordach untergebracht und gerade erst war wieder ein Kalb betroffen; ein Zwillingskalb, welches drei Wochen zu früh zur Welt kam. „Normalerweise behandele ich die Kälber selber mit einer Elektrolyttränke, wenn sie Durchfall haben. Ich verabreiche sie zusammen mit der Milch und gebe den Kälbern zusätzlich noch zwei bis drei Mal Tee zwischen den Mahlzeiten“, verrät Kiermaier sein Rezept. Doch dieses Kalb war sehr schwach und nahm keine Flüssigkeit mehr zu sich, so dass Alois Kiermaier schließlich den Tierarzt rufen musste. Der betreuende Tierarzt Dr. Josef Endl aus Vilshofen vermutet, dass bei dem Kalb wegen der Frühgeburt die Muttertierschutzimpfung nicht genügend gewirkt hat. „Das kommt zum Glück selten vor“, weiß der Tierarzt. „Kälberdurchfall ist eine akute Krankheit. Wir müssen schnell – ideal am ersten Tag – reagieren.“ Denn Durchfall bedeutet, dass das Tier keine Nährstoffe mehr aufnehmen kann und Flüssigkeit verliert. Es wird schnell schwächer, verliert seine Abwehrkräfte und ist den Krankheitskeimen ausgeliefert. Je länger der Durchfall dauert, desto stärker bleibt das Kalb in seiner Entwicklung zurück. Viele Erreger beteiligt Haupterreger in der ersten Lebenswoche ist E. coli, in der zweiten und dritten Foto: Dr. Michael Götz Foto: Dr. Michael Götz Tierarzt Dr. Josef Endl und die Bircheneders vor den Kälberiglus. (von links nach rechts) Eine Gruppenbucht auf dem Betrieb von Alois Kiermaier in Haideröd. Kälber brauchen Licht, Luft und Platz. Lebenswoche überwiegen dann die rota- und coronavirusbedingten Durchfälle. Doch auch Kryptosporidien und Kokzidien spielen als Durchfallerreger eine immer stärkere Rolle. „Früher waren vor allem Rota- und CoronaViren sowie E. coli-Bakterien beteiligt“, berichtet Dr. Endl. „Da heute jedoch etwa 90 % der Betriebe eine Muttertierschutzimpfung durchführen, kommen diese Erreger wesentlich weniger vor. Dafür haben sich die Kryptosporidien stark ausgebreitet und sich zu einem Problem entwickelt. Etwa der Hälfte der Milchviehbetriebe macht das zu schaffen.“ Bei lange andauernden Durchfällen durch Kryptosporidien bleiben die Kälber im Wachstum zurück, da die Kryptosporidien die Dünndarmzotten „vernichten“. „Man kann es vergleichen mit einem Rasen, den der Rasenmäher zu tief schneidet“, so Dr. Endl.. „Das Kalb ist für die nächste Zeit entscheidend geschädigt und braucht Zeit, um sich wieder zu erholen.“ Ältere Tiere stehen mit den gleichen Erregern wie Kälber in Kontakt, bei ihnen bleiben jedoch in der Regel die Krankheitserscheinungen aus. Viren vermehren sich im Darm des infizierten Tieres, schädigen die Darmzellen und werden dann mit dem Kot und den abgestorbenen Darmzellen ausgeschieden. So verbreiten sich die Viren im gesamten Tierbestand. Bei älteren Tieren werden schnell neue Darmzellen nachgebildet, so dass die Darmzellschädigung zu keinen klinischen Symptomen führt. Kälber haben diese Fähigkeit nur begrenzt, weshalb sie mit akutem Durchfall reagieren. Durch die Schädigung der Darmzellen dringen allerdings auch weitere Erreger wie Bakterien in den Darm ein und lösen Sekundarinfektionen aus. Doch nicht alle Arten von Durchfall werden von Krankheitskeimen ausgelöst. Fehler in Tränketechnik und Haltung der Kälber können auch Durchfall verursachen. Wenn die Milch oder der Milchaustauscher nicht warm genug sind, dann gelangen sie nicht in den Labmagen, sondern in den Pansen, wo die Milch nicht gerinnen kann. Auch eine zu große Milchmenge kann zu Verdauungsproblemen führen. 8 Mehr Trinklust bei Kälberdurchfall. haftlich wissensc ft geprü Am Stadion 2-4, 26871 Papenburg, www.vuxxx.de Telefon: 04961-98288-0, FAX: 04961-98288-24 4|5 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Foto: Dr. Michael Götz In der Natur nimmt das Kalb die Milch über den ganzen Tag verteilt in kleinen Portionen auf. Bei der Kälbertränke sollte man die Milch deshalb auf mindestens zwei bis drei Portionen pro Tag verteilen. Nicht zuletzt spielt auch die Wasserversorgung eine Rolle. Das Kalb soll so bald wie möglich sauberes Tränkwasser aufnehmen können. Auch schlechte Stallhygiene und Zugluft können das Auftreten von Durchfallerkrankungen begünstigen. Blick in den Offenstall von Josef Bircheneder. Vorne die Gruppenbuchten für die Kälber, hinten für die ein- bis zweijährigen Rinder. Schnell handeln Wie man bei Durchfall richtig vorgeht, hängt vor allem vom Zustand des Kalbes ab, denn für die optimale Behandlung ist die Schwere des Durchfalles entscheidend. Der Tierarzt prüft, wie straff die Haut des Kalbes ist und wie tief die Augen in den Augenhöhlen liegen. Wenn das Kalb ausgetrocknet ist und nicht mehr trinkt, setzt er einen Ohrvenenverweil-Katheder. Auf diese Weise kann der Landwirt dem Kalb täglich selber eine abgesprochene Menge Kochsalzlösung verabreichen, bis es wieder kräftig genug ist, um selber zu trinken. Für Kälber, die noch trinken, empfiehlt Dr. Endl ein Diätfuttermittel (z.B. Diakur® Plus), das nicht nur Elektrolyte liefert, sondern den Darm zusätzlich beruhigt und schädliche Bakterien bindet. Zusätzlich helfen kann der den Darm beruhigende Wirkstoff Butylscopolaminiumbromid (Buscopan®). Da Durchfälle oft nicht nur einem einzigen, sondern in der Regel einer Mischung verschiedener Erreger zuzuordnen sind, ist die Erregeridentifizierung für den Therapieerfolg und für das weitere strategische Vorgehen von großer Bedeutung. Antibiotika helfen nur gegen Bakterien, aber nicht gegen Viren oder Kryptosporidien. Allein aufgrund der klinischen Symptome wie Kotkonsistenz oder des Allgemeinbefindens des durchfallkranken Kalbes kann kaum ein Rückschluss auf den Einzelerreger bzw. die auslösenden Erreger gezogen werden. Wichtig für den Erregernachweis ist die Auswahl der repräsentativ erkrankten Tiere bei der Kotprobe. Alle oben beschriebenen darmschädigenden Erreger können innerhalb der ersten drei bis fünf Krankheitstage im Kot nachgewiesen werden. Üblich ist die Diagnostik im Labor, für den schnellen Erregernachweis gibt es mittlerweile auch Schnellteststreifen von verschiedenen Anbietern, mit denen es möglich ist, innerhalb von wenigen Minuten vor Ort noch beim durchfallkranken Kalb die vier wichtigsten Erreger (Rota- und Coronaviren, E.coli, Kryptosporidien) zu identifizieren. Nach der Analyse der Kotprobe im Labor, deren Resultat nach 36 bis 48 Stunden vorliegt, kann der Tierarzt dann das erregerspezifische Antibiotikum einsetzen. Warum Elektrolyte als Tränke bei Durchfall? Elektrolyte sind Stoffe in wässriger Lösung, deren Verteilung im Körper ein empfindliches Gleichgewicht bildet, das wiederum Grundlage für viele wichtige biochemische Prozesse im Körper ist. Zu den wichtigsten Elektrolyten des Elektrolythaushaltes gehören Natrium, Kalium und Magnesium sowie Chlorid und Bicarbonat. Vollmilch enthält zwar ausreichend Elektrolyte und Puffersubstanzen, um den laufenden Bedarf eines gesunden Kalbes zu decken, die Gehalte reichen aber nicht aus, um die bei Durchfall entstehenden Verluste auszugleichen, weshalb es Elektrolytränken gibt. Dr. Endl setzt speziell Diakur® Plus ein, weil es das Kalb mit lebensnotwendigen Elektrolyten und Puffersubstanzen versorgt und der vorhandene Zitrustrester mit einer Lecithinschicht versehen ist, die die im Darm befindlichen Durchfallerreger bindet und mit dem Kot aus dem Darm transportiert. „Zudem wirkt das Natriumbicarbonat der Azidose entgegen. Vorteilhaft ist zudem, dass man bei der Verabreichung von Diakur nicht auf die Milch verzichten muss, das heißt, dass das Kalb weiterhin mit Nährstoffen versorgt wird. Noch vor etwa 15 Jahren dachten wir, man müsse die Milch ganz weglassen. Inzwischen geben wir die komplette Milchmenge und zusätzlich noch Diakur, entweder in zusätzlichen Einzelgaben oder mit Milch gemischt.“ Damit sich das Diätfuttermittel löst, müssen die Milch bzw. das Wasser auf 40 °C erwärmt werden. Wichtig sei, dass ein Durchfallkalb die doppelte Menge an Flüssigkeit aufnehme, die es normalerweise erhält. „Gehen wir von einem 60 kg Kalb aus, das normalerweise 6 Liter Milch oder Milchaustauscher pro Tag erhält, bekommt es zusätzlich 6 Liter Diakur.“ Dr. Endl sieht Diakur für die Behandlung von Durchfällen nicht als Alleinmittel, aber als ein wichtiges Hilfsmittel. „Es kann auch zur Vorbeugung dienen, wenn der Infektionsdruck hoch ist, zum Beispiel, wenn in kurzer Zeit viele Kälber zur Welt kommen. Damit haben wir sehr gute Erfolge“, so Dr. Endl. Vorbeugung ist alles Angesprochen darauf, wie sich Durchfall vorbeugen lässt, rät Dr. Josef Endl: „Das allerwichtigste ist die optimale und frühzeitige Versorgung mit Biestmilch. Die Kälber sollten die Biestmilch in den ersten vier Stunden nach der Geburt erhalten. Der Grund dafür ist, dass die Kuh Abwehrkörper nicht über die Gebärmutter, sondern ausschließlich über die Milch an das Kalb weitergibt und das Kalb die Antikörper immer schlechter aufnehmen kann, je länger die Geburt zurückliegt.“ Er rät jedem Kuhhalter, immer eingefrorene Biestmilch von älteren Kühen auf Vorrat zu haben und zwar in Portionen von einem halben bis zu einem Liter. Sie wird in dem Fall schonend aufgetaut, wenn die Mutter bei der Geburt stirbt oder eine Euterentzündung hat. Hilfreich ist sie auch bei Erstkalbskühen, wenn bei ihnen die Milchproduktion verzögert anläuft. Die Kühe, von denen die Biestmilch stammt, müssen schon länger im Bestand stehen, so dass bestandesspezifische Antikörper vorhanden sind. Es kommt auch vor, dass neu geborene Kälber keine Milch trinken wollen, weil sie zu schwach sind. Gute Erfahrungen hat der Tierarzt in solchen Fällen mit Tränkekanistern gemacht. Damit kann der Landwirt dem Kalb in den ersten vier Stunden nach der Geburt wenigstens ein bis eineinhalb Liter Biestmilch eingeben. Über einen Schlauch gelangt die Milch direkt in den Magen des Kalbes. Muttertierimpfung macht Sinn Wie Alois Kiermaier wendet auch Josef Bircheneder in Windorf bei Vilshofen die Muttertier-Schutzimpfung an. Wie bereits erwähnt ist auch dies eine gute Möglichkeit zur Vorbeuge gegen die gängigsten Durchfallerreger beim Kalb (Rota- und Coronaviren sowie E. coli). „Das Prinzip liegt dabei in der Impfung hochtragender Kühe und Färsen mit dem Ziel, dass diese viele Antikörper bilden, die dann mit der Biestmilch auf das Kalb übertragen werden und das Kalb so vor den drei Durchfallerregern schützen“, erklärt Dr. Endl. Aber man kann noch mehr tun: Bircheneder hat vor einem Jahr einen Offenstall für das Jungvieh gebaut, in dem die Tiere viel Platz haben. Auf einer Seite des Stalles stehen zehn Einzeliglus für Kälber, die unter zwei Wochen alt sind. 8 6|7 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Ein Iglu als Krankenbucht mit Wärmelampe und aufgehängtem Infusionsbeutel. Fazit Foto: Dr. Michael Götz Foto: Dr. Michael Götz Auf der anderen Seite befinden sich eingestreute Gruppenbuchten für die älteren Kälber. „Ich habe festgestellt, dass die Kälber gesünder sind, wenn sie viel Licht, Luft und Platz haben. Der Krankheitsdruck ist dann deutlich niedriger. Früher, als wir die Tiere enger „zusammengepfercht“ haben, waren die Probleme größer.“ Josef Bircheneder hält auf 49 ha Fläche 65 Fleckvieh-Milchkühe (Milchleistung ca. 8.000 kg/Jahr), verkauft die männlichen Tiere. Auch auf Hygiene legt der Landwirt großen Wert. Nach jedem Ausstallen reinigt und desinfiziert er die Iglus, die auf einer betonierten Fläche stehen. Nach Möglichkeit stallt er im Rein-Raus-Verfahren ein und aus. Bis die nächsten Kälber kommen, stellt er die Iglus aufrecht, damit die UV-Strahlen der Sonne noch vorhandene Keime abtöten. Gut wäre es, wenn sich die Kälber zwischen den Iglus nicht belecken könnten, doch so lange sie gesund seien, spiele das eine untergeordnete Rolle, stimmt ihm Dr. Endl zu. Infusion über einen OhrvenenverweilKatheder. Dr. Heike Engels, Dr. Michael Götz Foto: Dr. Michael Götz Kälberdurchfälle sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Je schneller man reagiert, desto weniger leiden die Tiere und desto kleiner sind die wirtschaftlichen Schäden. Schnelle Behandlung heißt, innerhalb eines Tages eine Elektrolyttränke verabreichen und in schweren Fällen Flüssigkeit über Infusionen geben. Die Durchfallerreger sind in jedem Bestand zu finden, deshalb gilt es, die Abwehr der Kälber zu stärken und Vorbeuge zu betreiben. Zur Vorbeugung sind das Management hinsichtlich Biestmilchgabe, Haltung und Hygiene zu optimieren sowie Muttertierschutzimpfungen zu überlegen. n Die Iglus im Offenstall von Josef Bircheneder befinden sich unter Dach und auf einer Betonplatte. Kälberhaltung: Gesetzliche Regelung für die Milchkühe von morgen Die Neufassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) vom 31. August 2006 legt die Mindestanforderungen fest, die bei der Haltung von Kälbern bis zu einem Alter von sechs Monaten in Ställen zu beachten sind, um den natürlichen Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden. Die korrekte Einhaltung wird im Rahmen von Cross Compliance Kontrollen geprüft. Verstöße führen zu Kürzungen der EU-Direktbeihilfen. Uwe Weddige erklärt, worauf es ankommt. Foto: Weddige Die Kälber fühlen sich wohl, wenn sie viel frische Luft und Licht erhalten. Für die Kälberaufzucht gelten die gleichen allgemeinen Anforderungen wie für alle landwirtschaftlichen Nutztiere. Oft handelt es sich um Formulierungen, die jeder ordnungsgemäß wirtschaftende Landwirt bzw. Tierhalter selbstverständlich einhält. Dazu gehört, dass alle Tiere bedarfsgerecht mit Qualitätsfutter und Frischwasser in ausreichender Menge und Qualität versorgt werden. Dies erfordert auch, dass Tröge und Tränken regelmäßig gesäubert werden und der Wasserdurchfluss richtig eingestellt ist. Die Forderung nach Sachkenntnis und Eignung der betreuenden Personen sowie die tägliche Kontrolle dürfte in landwirtschaftlichen Betrieben kein Problem sein. Rutschfeste Böden und viel Platz Von Ställen und Einrichtungen darf keine Verletzungsgefahr ausgehen. Deshalb müssen z. B. die Böden rutschfest und trittsicher sein. Die Bewegungsfreiheit darf nicht so eingeschränkt sein, dass den Tieren hierdurch vermeidbare Schmerzen und Leiden entstehen. Der aus der Bewegungsfreiheit resultierende Mindest-Platzbedarf ist bei Kälbern bis sechs Monaten geregelt. regelmäßige Prüfung der Einhaltung der Werte stattfinden. Die Funktion elektrisch betriebener Fütterungs- bzw. Lüftungsanlagen muss durch ein Notstromaggregat gesichert sein. Ein Alarmgerät ist gefordert. Tiere dürfen weder in ständiger Dunkelheit noch in künstlicher Beleuchtung ohne angemessenen Tagesrhythmus gehalten werden. Bei konkreten Platzangaben besteht leider häufig ein Unterschied zwischen Empfehlungen und Ausführung. Diese müssen nicht zwangsläufig tierschutzwidrig sein. Sollten hier Verletzungen auftreten, sind entsprechende Veränderungen sofort vorzunehmen. Außerdem dürfen Kälber nicht in Anbindung gehalten werden. Die Verordnung schreibt eine Möglichkeit zur Absonderung kranker Tiere vor. Nicht neu, aber erforderlich, ist die ordnungsgemäße Führung eines Bestandsbuches bzw. die Dokumentation über medizinische Behandlungen. Außerdem sind Aufzeichnungen über die Zahl der verendeten Tiere vorgeschrieben. Das Stallklima muss tiergerecht sein, es sind max. 20 cm³ Ammoniak, 3000 cm³ Kohlendioxid, 5 cm³ Schwefelwasserstoff je m³ Luft zulässig. Auch im Interesse der Gesundheit von Mensch und Tier sollte eine In Deutschland beträgt die max. erlaubte Schlitzweite für Spalten für Kälber bis sechs Monate 2,5 cm bei einer Fertigungstoleranz von +/- 3 mm, die Auftrittsbreite muss mindestens 8 cm betragen. Bei Verwendung von Gummibelägen auf dem Betonspalten dürfen die Schlitzweiten 3,0 cm betragen. Die Bereitstellung einer trockenen und sauberen Liegefläche sollte selbstverständlich sein. 8 8|9 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Bei Kälbern bis zwei Wochen muss die Liegefläche eingestreut sein. Bei Einzelhaltung der kleinen Kälber ist unbedingt auf die Boxenmaße und auf die Platzvorgaben bei Gruppenhaltung zu achten. Die Werte gelten für die Haltung in Ställen, wobei diese auch bei den üblichen Iglus und Kälberhütten umzusetzen sind. Verstöße gegen die messbaren Flächenvorgaben führen auf jeden Fall zu Sanktionen. Ausreichend Biestmilch, frische Luft und Licht Kälber müssen innerhalb der ersten sechs Stunden nach der Geburt Biestmilch bekom- men. Ab dem achten Tag ist den Tieren Raufutter oder sonstiges rohfaserreiches Futter zur Verfügung zu stellen. Bei Einzelhaltung müssen die Seitenwände für einen Sicht- und Berührungskontakt durchbrochen sein, außer bei kranken Tieren. Kälber im Alter zwischen zwei und acht Wochen sollten möglichst auch in Gruppen gehalten werden. Es ist ein Tier-Fressplatzverhältnis von 1 : 1, ausgenommen Abruffütterung, vorgeschrieben. Werden die Kälber in Einzelboxen gehalten, so müssen diese die in der Tabelle genannten Abmessungen aufweisen. Es ist darauf zu achten, dass alle über zwei Wochen alten Kälber jederzeit Zugang zu Wasser haben. Die Vorgabe des Eisengehaltes von mind. 30 Milligramm je kg Milchaustauschertränke für Kälber bis 70 kg Lebendgewicht ist durch die Deklaration nachzuweisen. Kälber über acht Wochen sind grundsätzlich in Gruppen zu halten, es sei denn, es sind weniger als drei Kälber im Betrieb vorhanden, die sich nach Alter oder Gewicht für eine Gruppe eignen. Die Kälberställe müssen mit Lichtöffnungen und elektrischer Beleuchtung ausgestattet sein. Bei einer möglichst gleichmäßigen Verteilung im Lebensbereich der Kälber soll eine Lichtstärke von mindestens 80 Lux erreicht werden. Kälberstall in Futterkamp In dem Kälberstall, der 2007 in Futter- Anforderungen an die Haltung von Kälbern bis 6 Monate Alter Anforderungen Bis 2 Wochen alte Kälber Boxenmaße innen: Länge mind. 120 cm Breite mind. 80 cm > 2 – 8 Wochen alte Kälber Bei Einzelhaltung in Boxen, Maße innen: Länge mind. 180 cm (Trog innen) 160 cm (Trog außen) Breite mind. 100 cm > 8 Wochen alte Kälber in Ställen Gruppenhaltung, Boxenmaße, falls Ausnahmeregelung zutrifft: Länge mind.: 200 cm (Trog innen) 180 cm (Trog außen) Breite mind.: 120 cm Mindestbodenfläche bei Gruppenhaltung Buchtenfläche in einer Bucht bis 150 kg Lebendgewicht 150 bis 220 kg Lebendgewicht > 220 kg Lebendgewicht kamp errichtet wurde, ist ausreichend Platz für ca. 100 Kälber bis zu einem Alter von sechs Monaten. Neben Einzeliglus stehen Gruppeniglus für die größeren Kälber zur Verfügung. Da bei Kälbern besonderer Wert auf die stallklimatischen Verhältnisse gelegt wird und aus hygienischen Gründen eine getrennte Unterbringung von anderen Tiergruppen sinnvoll erscheint, bieten sich besonders offene Baulösungen an. Iglu- und Hüttensysteme kommen den Bedürfnissen der Kälber sehr nahe. Der neue Stall erfüllt nicht nur die Vorschriften nach der TierSchNutztV, sondern er bietet auch eine Vielzahl von Möglichkeiten Haltungsund Fütterungsfragen zu klären und neue Lösungen zu demonstrieren. mind. 1,5 m² / Tier mind. 1,7 m² / Tier mind. 1,8 m² / Tier Fazit Im Rahmen der Cross Compliance Kontrollen wird die Einhaltung der BundesTierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geprüft. Bei der Vielfalt der rechtlichen Anforderungen macht es Sinn, kritisch zu prüfen, ob einzelne Haltungsauflagen, vielleicht aus Unkenntnis, nicht eingehalten werden. Das bietet gleichzeitig die Chance, Schwachpunkte im Management abzustellen und den Aufzuchterfolg nachhaltig zu verbessern. In vielen Betrieben besteht Handlungsbedarf, denn die Nichteinhaltung der genannten Bestimmungen kann zu empfindlichen Kürzungen der Direktzahlungen führen.n Uwe Weddige aktuell 10 | 11 TIERGESUNDHEIT RIND Serie Klauenerkrankungen: „Pijl's Rotation der medialen Hinterklaue“ – Teil 2 Foto: René Pijl Im 7. Teil der Serie Klauenerkrankungen berichtet René Pijl aus Jever über das Klauenleiden „Pijl's Rotation der medialen (inneren) Hinterklaue“. Im 2. Teil zu diesem Thema berichtet René Pijl über die anatomischen Abweichungen und den wahrscheinlichen Einfluss der Zucht. Die Dorsalansicht von einem linken Hinterbein, nicht beschnitten, wo die mediale Klaue sich vor die Laterale schiebt. Foto: René Pijl Das Röhrbein 3 verschiedener Tiere. Die Gelenkwalzen sind nicht erwartungsgemäß positioniert. Wie schon in Teil 1 (nachzulesen in „Tiergesundheit aktuell Rind 3 2011“) beschrieben, ist die Verbreitung von Pijl´s Rotation in Milchviehbetrieben enorm, eine Steigerung von 7,5 % auf 49,1 % innerhalb von 10 Jahren. Tiere mit oder ohne Rotation sind prozentual gleich an anderen Klauenleiden erkrankt. Der Weidegang hat leider keinen positiven Einfluss, so kann die Stallhaltung als mögliche Ursache wahrscheinlich ausgeschlossen werden. Vielen ist diese Abweichung noch nicht aufgefallen, weil das Wissen über die korrekte Positionierung der Hornschuhe fehlt. Die beiden Fesselbeine sind identisch. Aber dafür sind die Kronbeine unterschiedlich von der Länge. Völlig unerwartet ist das mediale (mittlere) Kronbein kürzer als das Laterale (seitlich außen). Theoretisch muss dadurch die Winkelung der medialen Klaue unterschiedlich sein zur Lateralen. Die Strecksehne sollte kürzer sein und die Beugesehne dafür länger. Werden die Dorsalwände beim angehobenen Bein auf eine Ebene gebracht, stellt man fest, dass die Klauen in Länge und Auftrittsfläche identisch sind. Ein Grund mehr, die Abweichung höher am Unterfuß zu suchen. Beim Laufen der Tiere mit einer Rotation ist zu sehen, dass sie etwas unsicher sind beim Auftreten. 8 Was machen die Knochen? Der Vermutung des Autors wurde bestätigt, nachdem er einige Unterfüße von betroffenen Kühen ausgekocht und die verschiedenen Knochen miteinander verglichen hat. Die drei verschiedenen unteren Teile der Röhrbeine zeigen an den Gelenkwalzen ein unerwartetes Bild. Wird der gesunde Knochen betrachtet, sind die Gelenkwalzen fast gleich positioniert. Wird oberhalb der Gelenkwalzen geschaut, ist die Beule oberhalb vom längeren Knochenende, also an der Außenseite des Beines deutlich zu sehen. Foto: René Pijl Beim Knochen des linken Hinterbeins ist alles gespiegelt. Werden die Spalten zwischen den Gelenkwalzen betrachtet ist zu sehen, dass bei den betroffenen Beinen diese nach vorne enger werden im Gegensatz zum Gesunden, wo sie parallel verlaufen. Beim Messen der Klauenbeine, sie stecken im Hornschuh, sind keine Unterschiede in der Dorsalwandlänge aufgefallen. Linkes Bein, wo das mediale (innere) Kronbein kürzer ist wie das Laterale. aktuell 12 | 13 TIERGESUNDHEIT RIND Logisch, weil bei einer gesunder Klaue die Kuh auf ihrer Innenklaue (medial) steht und die Außenklaue bringt die Stabilität im Stehen und Gehen. Ein etwas unflexiblerer Gang ist also zu erklären über die nicht identische Sehnengestaltung der medialen und lateralen Klaue. Zusammengefasst liegt eine komplett andere Situation vor als theoretisch erwartet. Anstatt einer längeren Knochenverbindung an der vorstehenden Klaue ist das genaue Gegenteil zu sehen. Weitere mögliche Einflüsse In Teil 1 ist der Einfluss des Stalls als Ursache schon mehr oder weniger ausgeschlossen. Werden verschiedene Liegebeschaffenheiten betrachtet, sind zwar Unterschiede zu registrieren, aber meistens nicht zu erklären. Eine Gummimatte ohne Einstreu mit der niedrigsten Prävalenz ist nicht die optimale Form der Liegebuchtgestaltung. Gerade bei einer guten Matratze mit guter Einstreu aus Sägemehl erwartet man weniger Rotation, doch auch hier fehlgelegen. Fazit: die Liegeflächengestaltung kann nicht der ausschlaggebenden Faktor sein. Jahr Pijl's Rotation (%) Anzahl der beobachteten Tiere 2000 2001 8,8 4,4 159 1037 3,9 1764 2016 1878 2002 2003 2004 2005 2006 22,2 34,6 34,7 50,1 1694 1760 2007 2008 64,9 70,8 1591 2158 2009 71,9 2582 2010 62,2 1791 Foto: René Pijl Die Datenbank des Autors besagt, dass Erstkalbinnen verhältnismäßig häufig betroffen sind. Das spricht für einen Einfluss der Klauenpflege. Da ein Rind erst mit drei Jahren und zwei Monaten den Körperbau abgeschlossen hat, können die Klauen erst mit frühestens zwei Jahren geschnitten werden. Noch gravierender wird es, wenn nach den neusten Kenntnissen das Wachstum in dem Hornschuh erst ab einem Alter von vier Jahren endet. Leider erreichen viele Tiere dieses Alter gar nicht. Der neuste Stand sagt, fast 50 % der Erstkalbinnen erreichen die zweite Laktation nicht. Kühe mit oder ohne Pijl's Rotation haben alle zu kämpfen mit anderen, meistens zusätzlichen Klauenerkrankungen. Möglicherweise vererben manche Bullen Pijls Rotation. Doch diese Bullen vererben nicht automatisch alle Klauenerkrankungen. Es kann gut sein, dass der eine Bulle viel Klauenrehe vererbt, aber dafür z.B. weniger Rotation. Tab 1: Vorkommen von Pijl's Rotation nach Jahr, Prozent und Anzahl bei Erstkalbinnen in der erste Laktation Auch in extremen Fällen wie hier sind die Hornschuhe, nach korrektem Beschnitt, identisch. Fazit René Pijl Foto: René Pijl Pijl's Rotation ist eine Deformation der medialen Hinterklaue. Die Klaue rotiert in drei möglichen verschiedenen Variationen. Das Geläuf wird beeinträchtigt über ein etwas unsicheres Platzieren der Klaue auf der Erde. Die Haltungsform scheint nicht der ausschlaggebende Entstehungsfaktor zu sein. Das Problem kommt aus dem Röhrbein mit einer abweichenden Bildung einiger Gelenke und Knochen. Die Hauptursache liegt aller Wahrscheinlichkeit nach in der Zucht, weil bestimmte Väter-Linien eine sehr schwache Resistenz zeigen. Tiere mit oder ohne Pijl's Rotation zeigen genauso viele andere Klauenleiden.n Eine so extreme Form in der Stellung zeigt sich bis jetzt nur noch selten, spielt aber eine klare negative Rolle beim Geläuf der betroffenen Tiere. ert noti z r u K Die respiratorischen Erkrankungen gehören neben dem Durchfall zu den wichtigsten und verlustreichsten Kälberkrankheiten. Vor allem in der kalten Jahreszeit, aber auch bei Witterungsumschwüngen in Herbst oder Frühjahr besteht erhöhte Gefahr, dass Rinder, vor allem Kälber, Jungvieh und Mastbullen, an der Rindergrippe erkranken. Schnupfen beim Menschen ist eher harmlos und äußert sich vorrangig in einer Entzündung der Nasenschleimhaut. Beim Rind dagegen treten Entzündungen der Nasenschleimhaut nur selten als selbständige Erkrankungen auf, sondern meistens im Verlauf von infektiösen Atemwegs- oder Allgemeinerkrankungen wie der BHV-1-Infektion, BVD und vor allem dem Komplex der Rindergrippe. Die Rindergrippe, auch enzootische Bronchopneumonie des Rindes genannt, ist eine hochansteckende Infektion, die besonders junge Tiere befällt und zu den infektiösen Faktorenkrankheiten zählt. Man unterscheidet zwei Formen: Die saisonale Grippe der Jungrinder und die nicht-saisonal auftretende Grippe der Kälber („Crowding“), der Verlauf der Erkrankungsformen ist jedoch gleich. Die saisonale Grippe tritt vorzugsweise bei Jungrindern alljährlich wiederkehrend auf. Es können aber auch ältere Tiere erkranken. Die wirtschaftlichen Verluste umfassen sowohl Todesfälle als auch Behandlungs- und Medikamentenkosten sowie die Spätschäden durch Kümmerer. Die Ursachen für die Erkrankung sind vielschichtig, ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren ist verantwortlich. Die Haltung großer Tierzahlen auf engem Raum, eine kontinuierliche Stallbelegung und unzureichende Hygiene im Betrieb bereitet den Erregern den Weg. Als Erreger selber kommen zahlreiche Viren und Bakterien in Betracht, häufig folgt auf eine Virusinfektion eine bakterielle Infektion insbesondere durch Pasteurellen (P. multocida), Staphylokokken, Clamydien, Mykoplasmen sowie Bordetellen. Diese Keime siedeln sich auf den Schleimhäuten des Atmungstraktes und insbesondere in der Lunge an und vermehren sich. Durch diese Sekundärerreger kann es dann zu schweren Lungenentzündungen kommen. 8 aktuell 14 | 15 TIERGESUNDHEIT RIND Vor allem Kälber gefährdet Besonders problematisch ist die Zusammenführung der Tiere bei Neuzukauf („Crowding“), wie es in Bullenmastbetrieben häufig der Fall ist, da jede Herde ihr eigenes Erregerspektrum hat, gegen das sie immun ist. Die neu hinzukommenden Tiere bringen jedoch andere Erreger in die Herde und treffen selber auf neue Erreger: für das Immunsystem eine echte Herausforderung. Deshalb beobachtet man in diesen Situationen und bei Witterungswechsel (Herbst, Abkühlung, hohe Luftfeuchtigkeit) häufig ein „Aufflackern“ der Infektionen. Foto: Werkbild Generell erkranken vorrangig Tiere, die eine geschwächte Immunabwehr haben. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Kälber sind deshalb besonders gefährdet, da sie nach dem Abflauen der maternalen Immunität durch die Biestmilch etwa ab der sechsten Lebenswoche bis zum Aufbau eines eigenen stabilen Immunsystems sehr anfällig für Erkrankungen aller Art sind. Außerdem sind manche Kälber immunschwach, wenn sie nicht genügend Antikörper über die Biestmilch erhalten haben. Bei älteren Rindern mit einem schon ausgeprägteren Immunsystem bewirken äußere Einflüsse wie anstrengende Transporte, Futterumstellungen, Zugluft, hoher Schadgasgehalt oder hohe Luftfeuchtigkeit eine Abnahme der Abwehrkraft. Weiterhin kann eine Mangelernährung oder ein Fehlen wichtiger Vitamine und Spurenelemente in der Ration zu einer allgemeinen Schwäche führen. Auch ein Parasitenbefall reduziert die Abwehr und macht anfällig für Infektionen. Vor allem Kälber sind gefährdet, an Rindergrippe zu erkanken. Speziell die neu zugestallten und dadurch deutlich gestressteren Tiere erkranken dann, anschließend kann die Infektion auch auf die anderen Rinder übergreifen. Bakterien bekämpfen Bei der Behandlung der Rindergrippe steht die Bekämpfung der bakteriellen Sekundärerreger im Vordergrund. Wenn mehrere Tiere einer Gruppe erkrankt sind, ist die Gruppenbehandlung sinnvoll. Dafür eignen sich bestimmte lang wirksame Antibiotika. Buchtipp: Die Veterinärmedizin erfährt einen ständigen Wandel: Im Studium treten praxisbezogene Lehr- und Lernziele in den Vordergrund, bei niedergelassenen Tiermedizinern und Klinikern kommt es neben anatomischen Basics und Standardtechniken immer mehr auf Spezialkenntnisse und Befundung mit modernen bildgebenden Verfahren an. Mit der gerade aktualisierten und erweiterten 5. Auflage des Buches „Anatomie der Haussäugetiere“ werden Sie den Anforderungen von Studium und Praxis gerecht und sind fachlich up to date. Didaktisch hervorragend aufbereitet und klar strukturiert – so wird Lernen und Nachschlagen zum Vergnügen. Über 1100 brillante Abbildungen machen die Anatomie lebendig und klinische Untersuchungsgänge „be-greifbar“ und verständlich. Die aktualisierte und erweiterte 5. Auflage bietet Ihnen zusätzlich die Möglichkeit, „VetAnatomie online“ zu nutzen, eine einzigartige, kontinuierlich erweiterte Bilddatenbank mit weiteren knapp 1000 Abbildungen und ergänzenden Texten, um das eigene Wissen für die Prüfung gezielt zu hinterfragen. Ein unschlagbares Doppel: Lehrbuch & Online-Zugang in einem Band! Dieses Buch ist für den Tiermedizinstudenten nahezu unerlässlich, um die Prüfungen in Anatomie zu bestreiten, es ist aber auch für jeden biologieinteressierten Leser und Tierbesitzer geeignet. Für die Praxis ist es ein gutes Nachschlagewerk. Erhältlich ist das Buch im Verlag Schattauer, www.schattauer.de, ISBN 78-3-7945-2832-5, und es kostet 159 Euro. Seit Ende Mai 2011 gibt es ein neues Antibiotikum zur Therapie und metaphylaktischen Behandlung von Rindern mit Atemwegserkrankungen mit Beteiligung von Mannheimia (M.) haemolytica, Pasteurella (P.) multocida und Histophilus (H.) somni. Es hat den Wirkstoff Tildipirosin und ist ein halbsynthetisches Langzeit-Makrolid-Antibiotikum. Es kann beim Rind nicht nur zur Therapie, sondern auch zur vorbeugenden Behandlung zum Schutz größerer Tierbestände metaphylaktisch eingesetzt werden. n Thomas Wengenroth aktuell 16 | 17 TIERGESUNDHEIT RIND Kleine Menge, große Wirkung: Spurenelementmangel in der Jungviehaufzucht Foto: Kalchreuter Ziel der Jungviehaufzucht ist es, eine gesunde, leistungsfähige und langlebige Kuh heranzuzüchten. Aus ökonomischen Gründen wird ein immer früheres Erstkalbealter angestrebt. Dies setzt eine reibungslose Aufzuchtphase vom 1. Lebenstag an ohne schwerwiegende Durchfall- und/ bzw. Atemwegserkrankungen voraus. Die Fütterung spielt hier eine große Rolle, denn vor allem die Spurenelemente bzw. deren Mangel kann schwerwiegende Folgen haben. Dr. Siegfried Kalchreuter beschreibt, worauf zu achten ist. Mangelndes Stehvermögen aufgrund von Selen- oder Manganmangel. Eine ausgewogene Fütterung des Muttertieres einige Wochen vor dem Abkalben (Transitfütterung) wirkt sich positiv auf den Abkalbevorgang sowie auf die Kolostralmilchqualität aus, was wesentlich zur Vitalität des Neugeborenen beiträgt. Die ersten Lebensmonate spielen für eine optimale Entwicklung und für das spätere Leistungsvermögen eine entscheidende Rolle. Hierzu gehört auch eine frühzeitige Pansenentwicklung mit bestem Heu und Kraftfutter. In dieser Zeit besteht ein enormes Zellwachstum der Organe. Bekanntlich erreichen Lunge und Nieren 40 % der Masse des ausgewachsenen Tieres. Bei Herz, Leber und Milz liegt dieser Wert um 30 %. Nicht zu vergessen ist das intensive Knochen- und Muskelwachstum im ersten Lebensjahr. Während in den meisten Betrieben, abgesehen von extensiver Weidehaltung, die Nährstoffversorgung mit Energie und Eiweiß gesichert ist, muss bei Stallbegehungen leider immer wieder festgestellt werden, dass die Mineralstoffergänzung in Menge und Zusammensetzung vielfach aus Sparsamkeitsgründen nicht den Leistungsanforderungen angepasst ist. Schadbilder und Verhaltensstörungen sind dann die Folgen. Neben Kalzium und Phosphor beeinflussen Spurenelemente (SE) nicht unwesentlich die Entwicklung des Tieres. Ihr Bedarf liegt weit unter dem der Mengenelemente (Ca, P, Mg, Na); deshalb werden auch Erkrankungen infolge Fehlversorgung erst viel später klinisch sichtbar. Ausbleichung der Haarfarbe (sogenannte Kupferbrille) aufgrund von Kupfermangel. (Foto: Kalchreuter) Spurenelemente haben vielfältige Wirkung Als kleine Mengen mit großer Wirkung greifen die SE in Stoffwechselvorgänge verschiedener Organe wie Knochen, Klauen, Muskulatur, Haut, Geschlechtsorgane (z.B. Eierstöcke) sowie in das Zentralnervensystem ein, haben wesentlichen Anteil am Aufbau der Immunität gegen virale und bakterielle Erkrankungen und wirken als Katalysatoren an vielen enzymatischen und hormonellen Prozessen mit. So setzt der Gehalt an SE im Futter eine Grenze, über die hinaus ein weiterer Futteraufwand nichts bringt! In der Vergangenheit war Thomasmehl, alljährlich auf Wiesen und Äcker ausgebracht, wegen seines Reichtums an SE der Inbegriff von Gesundheit, Leistung und Fruchtbarkeit. Inzwischen stellt sich heraus, dass vielerorts erhebliche Versorgungslücken bestehen. Der Bedarf bzw. die notwendige Ergänzung an SE, sei es über entsprechende Dünger bzw. Mineralfutter, kann durch Futteranalysen und Blutuntersuchungen belegt werden. Allerdings gibt es einige Faktoren, die eine ausreichende Versorgung und Verwertung von SE im Tier beeinträchtigen: Futter von Sand-, Heide -, Moor- oder Granitverwitterungsböden, Düngungspraktiken mit einseitigen N-Gaben und hohen Verdickte Karpalgelenke aufgrund von Manganmangel.(Foto: Kalchreuter) 8 aktuell 18 | 19 TIERGESUNDHEIT RIND Foto: Kalchreuter Nitratgehalten im Futter, extreme Nutzungsintensität bei fünf bis sieben Schnitten vom Grünland; Wechselwirkungen zwischen Mineralien (Antagonismen bei Kalzium, Eisen, Molybdän) und nicht zuletzt das Pansenmilieu mit gestörter Wieder-kau-tätigkeit und Speichelbildung bei zu geringem Strukturfutteranteil in der Ration (latente Pansenazidosen) führen zu schwerlöslichen Verbindungen im Pansen, so dass die Verwertung/ Absorption der SE beeinträchtigt ist. Stresssituationen jeglicher Art, beispielsweise wie Überbelegung, Gruppen mit zu großen Gewichts- bzw. Altersunterschieden, erhöhen ebenfalls den SE-Bedarf. Nagesucht an Gitterstäben von Iglus deuten auf Spurenelementmangel hin. Vitalitätsverlust und Trinkschwäche des Neugeborenen Kälber, die durch wenig „Leben“ mit schwachem Saug- und Schluckreflex auffallen, werden meist mit einem Eisen (Fe)-Mangel geboren. Aufgrund von Blutarmut und zu geringer Versorgung des Zellstoffwechsels mit Sauerstoff schwächeln die Tiere und sind anfällig für Durchfälle und Atemwegserkrankungen. Man schätzt, dass 20 % der Kälber mit FeMangel geboren werden. Zwar enthält das Kolostrum des Erstgemelkes bis zu 12 mg Fe/l, der Gehalt fällt aber sehr schnell auf nur 0,5 mg Fe/l ab, so dass der tägliche Bedarf von 150 bis 250 mg Fe nicht mit reiner Vollmilch gedeckt werden kann. Versierte Milchviehhalter verabreichen ihren neugeborenen Tieren prophylaktisch z.B. 1000 bis 1500 mg Eisen-Dextran per Injektion, um den gefürchteten Abfall des Fe-Blutspiegels in den ersten vier Tagen aufzufangen. Kuh und Kalb besser versorgt. Die erste Selen + Vitamin E-Pille. haftlich wissensc ft geprü Am Stadion 2-4, 26871 Papenburg, www.vuxxx.de Telefon: 04961-98288-0, FAX: 04961-98288-24 Lebensschwäche von Neugeborenen mit Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen sowie Minderwuchs werden auch bei JodMangel immer wieder in meeresfernen Gegenden beobachtet. Um die Versorgung mit SE bei den meist zu wenig beachteten hochträchtigen Färsen wie auch bei Trockenstehern sicherzustellen, haben sich Langzeitboli mit Selen, Kupfer und Kobalt bewährt. Sie werden auch bei Mutterkühen eingesetzt, damit die Neugeborenen, über das mütterliche Blut versorgt, einen guten Start haben. Foto: Kalchreuter Ausgeprägte Trinkschwäche bis zur Schlucklähmung sowie geschwächte Immunität mit erhöhter Anfälligkeit für Infektionskrankheiten (Durchfall, Grippe) treten bei Selen (Se)-Mangel auf. Diese Tiere werden bereits mit einem sehr niedrigen Se-Blutspiegel geboren (meist unter 40 µg/ Blutserum; optimal wäre ca.70 µg/l). Denn Grundfutteranalysen weisen in der Regel einen unter der Nachweisgrenze liegenden SeGehalt auf (<0,05 mg/kg TM). Aufgrund synergistischer Wirkung von Se und Vitamin E sollte bei Se-Mangel unbedingt auf ein höheres Vitamin E -Angebot geachtet werden. Die Vitamin E/Se-Injektion 10 Tage vor dem Abkalbetermin hat sich als Prophylaxe bewährt. Bei Bestandsproblemen müsste der SeGehalt in der Gesamtration generell auf 0,2 bis 0,3 mg Se/kg TM angehoben werden. Ähnliche Symptome zeigen Kälber bei Kupfer (Cu)-Mangel, wenn bei hochträchtigen Muttertieren eine Cu-Unterversorgung bestand und die Entwicklung des Zentralnervensystems beim Fötus beeinträchtigt wurde. Die Milchviehration sollte mindestens 10 bis 12 mg Cu/kg TM betragen. Gegenseitiges Belecken und Besaugen mit Haarballenbildung im Labmagen kann vorkommen. Wachstums- und Entwicklungsstörungen Skelettanomalien wie verdickte Karpalgelenke, Überköten im Fesselgelenk, Stuhlbeinigkeit wegen verkürzter Sehnen haben bereits neugeborene Kälber bei Mangan (Mn)-Mangel. Dieser Zustand kann bis zu 14 Tage andauern und ist nicht mit Vitamin DMangel zu verwechseln. Am Vorderfußwurzelgelenk sind Auftreibungen und die Kälber gehen unsicher; die Stellung der Vorderextremitäten ist steif und hängend. Jungrinder haben eine geringe Rumpfentwicklung, wenig Bauchumfang und in nicht wenigen Fällen Verdickungen der Sprunggelenke. Außer dem Knochenstoffwechsel ist Mn speziell an den Geschlechtsfunktionen beteiligt. Ein Mangel beim Jungvieh führt zu Verzögerung der Geschlechtsreife und ungenügenden Befruchtungsergebnissen (kleine und funktionslose Eierstöcke). Direkter Mn-Mangel entsteht über das Futter von Böden mit hohen Kalk- und Magnesiumgehalten bei sehr hohen pH- 8 Impressum Herausgeber VetM GmbH & Co. KG Am Stadion 2 - 4 26871 Papenburg Tel: 0 49 61 - 9 82 88 - 17 Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26 E-Mail : [email protected] Impressum Foto: Kalchreuter Redaktion VetM GmbH & Co. KG Am Stadion 2 - 4 26871 Papenburg Tel: 0 49 61 - 9 82 88 - 17 Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26 E-Mail : [email protected] Ansaugen der jugendlichen Euteranlage mit Risiko einer Färsenmastitis. Realisation VetM GmbH & Co. KG Am Stadion 2 - 4 26871 Papenburg Tel: 0 49 61 - 9 82 88 - 17 Fax: 0 49 61 - 9 82 88 - 26 E-Mail : [email protected] ISSN 1867-4003 20 aktuell TIERGESUNDHEIT RIND Werten (alkalisch), da die pflanzliche Resorption des Mn aus dem Boden mit steigendem pH-Wert abnimmt. Auffallend sind Mangelsymptome nach einem extremen Trockenjahr aufgrund ungelöster Mineralien im Boden. Ein sekundärer Mn-Mangel als Bestandsproblem kann auch infolge eines Eisen-Mangan-Antagonismus aufgrund von eisenhaltigem Trinkwasser entstehen. Veränderungen an Knochen und Gelenken werden auch bei Kupfer (Cu)-Mangel beobachtet; im Extremfall sogar Lähmungserscheinungen. Auch der Entwicklungs- und Nährzustand ist beeinträchtigt. Auffallend ist die Ausbleichung der Haarfarbe (sogenannte Kupferbrillen), wobei schwarze Haare mausgrau bzw. rote Haare fahlgelb werden. Wachstumsstörungen, Abmagern mit Schwund der Muskulatur und degenerative Muskelerscheinungen (Myodystrophie, mangelndes Stehvermögen, Muskelzittern, erschwerte Atmung, Herzrhythmusstörungen stehen im Zusammenhang mit Selen (Se)-Mangel. Verhaltensstörungen wie Lecksucht und Zungenspiel Abgesehen von Strukturmangel in der Ration rufen Kupfer-, Kobalt-, Mangan- oder Zink -Mangel ausgeprägtes Lecksuchtverhalten hervor: Nagesucht an Gegenständen wie Holzbalken, Trennwände, Holzkrippen und Gitterstäbe von Iglus mit Benagen und Fressen von Holz, Erde, Metalle, gegenseitiges Belecken und Besaugen mit Haarballenbildung im Labmagen, Kleidung usw., Massieren und Ansaugen der Schamlippen, Ansaugen der jugendlichen Euteranlage mit Risiko einer Färsenmastitis), aber auch stereotypes Zungenspiel, -schlagen oder -rollen mit verkrampften Kopf- und Halsbewegungen. Fazit Obwohl von der Nachzucht eine immer kürzere „Jugendzeit“ bei früherem Erstkalbealter und steigenden Einsatzleistungen abver- Foto: Kalchreuter Besonders empfindlich gegenüber Kobalt (Co)-Mangel (beeinträchtigte Vitamin B 12Synthese) sind Kälber und Jungrinder, deren Entwicklung infolge von Durchfällen und Abmagern gehemmt ist. Die Geschlechtsreife ist erheblich verzögert. Stereotypes Zungenspiel, -schlagen oder -rollen sind Hinweise. langt wird, wird die Mineralstoffversorgung in Menge und Qualität beim Jungvieh oft vernachlässigt. Empfindliche Leistungseinbußen und Verhaltensstörungen sind die Folgen. Gerade im ersten Lebensjahr, wenn Wuchs und Ausbildung der inneren Organe erfolgen, kommt der SE-Versorgung eine besondere Bedeutung zu. Damit das Neugeborene vom 1. Lebenstag an frohwüchsig ist, bedarf es während der Trockenstehzeit der Muttertiere, insbesondere in der Transitphase, neben ausreichender Phosphorversorgung auch der SEErgänzung. Grundsätzlich sollte die Harmonie von Boden-Pflanze-Tier nachhaltig beachtet werden durch entsprechende Düngungsmaßnahmen einschließlich der SEVersorgung unter Berücksichtigung der Boden- und Futteranalysenergebnisse: „Boden und Düngung machen das Tier“. Artgerechte Aufstallung mit Gruppenhaltung unter Vermeidung von Überbelegung bedeutet stressfreie Aufzucht mit bedarfsgerechter Futteraufnahme und folglich normalem Pansenmilieu mit optimaler SE-Verwertung. n Dr. Siegfried Kalchreuter