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* * Sonnabend, 22. BERLINER KURIER SONNABEND, 22. JUNI 2013 IIm m Bauch Bauch des des Potsdamer Potsdamer Platzes Platzes Juni 1941 Deutschland überfällt die Sowjetunion. 1978 Entdeckung des „Charon“, des größten Mondes des Pluto. Geburtstag des Tages Foto: dpa 5 Der Potsdamer Platz von der Leipziger Straße aus gesehen. Mehr als 10 000 Menschen leben und arbeiten hier. Der CSUPolitker Peter Gauweiler wird 64 Jahre alt. 48 Zahl des Tages 007 Menschen mehr als 2011 arbeiteten im letzten Jahr direkt oder mittelbar für den öffentlichen Dienst Berlins – insgesamt waren es 186 316. Direkt für das Land Berlin und die Bezirke waren 126 205 tätig. Der Rest ist u. a. bei der BVG, bei den Theatern und Hochschulen beschäftigt. Knapp 60 Prozent der Mitarbeiter sind Frauen. 215 Nancy Wruck entsorgt. Boujemaa Baja fährt. Vor 50 Jahren Sportwagen-Mangel in der DDR beklagt 16 000 Geburten in Berlin 1962, aber nur 7100 „Sportwagen“ in der Planung: Der Großhandel machte sich da seine Gedanken. Eine Mit- arbeiterin meldete der BZA, dass die Menge der „Muttis“, die sich einen solchen Kinderwagen für das nicht mehr ganz so kleine Kind gebraucht kaufen, zu hoch angesetzt sei. Fragen? Wünsche? Tipps? Redaktion: Tel. 030/23 27 59 75 (Mo.–Fr. 10–18 Uhr) 10178 Berlin, Karl-Liebknecht-Str. 29 E-Mail: [email protected] Abo-Service: Tel. 030/23 27 77 (Mo.–Fr. 7–20 Uhr, Sa. 7–14 Uhr) Michael Kleeb sortiert. Frank Schubert, Fahrer von „Deutsche See“, schiebt seinen Rollwagen durch das VEZ. Hier unten in den Katakomben hört alles auf das Kommando von Rampenmeister und Chef Klaus-Dieter Krüger (kleines Foto). 15 Meter unter dem Potsdamer Platz wird der Müll von mehr als 200 Großkunden gesammelt und für die Abholung vorbereitet. KURIER-Reporter tauchten ab: Wie 10 000 Menschen aus der Unterwelt versorgt werden Von MARCUS BÖTTCHER und VOLKMAR OTTO (Fotos) P rustend schiebt Frank Schubert seinen Rollwagen. Darauf: Shrimps, ligurischer Fischsalat und Heilbutt-Kokos-Würfel. Die Zelluloidverpackung und das kalte Licht von Neonröhren lässt die „Deutsche See“-Ware unspektakulär erscheinen. Wie so vieles im gigantischen unter- irdischen Ver- und Entsorgungszentrum unter der Glitzerwelt des Potsdamer Platzes. Vor 20 Jahren begannen hier die Bauarbeiten. Der KURIER stieg hinab und zeigt den Blick in den Bauch, den Maschinenraum. Der Potsdamer Platz ist eine Kleinstadt für sich. Mehr als 10 000 Menschen leben und arbeiten hier, es gibt drei Hotels, Dutzende Restaurants, Geschäf- te ohne Ende, eine kleine Grünanlage. Dort, im Tilla-DurieuxPark, treffen wir Klaus-Dieter Krüger. „Haben Sie hier im Quartier einen Lkw, Liefer- oder Müllwagen gesehen? Das Fehlen fällt shoppingwütigen Berlinern und hunderttausenden Touristen pro Tag nicht auf“, erzählt der Projektmanager. Lkw und Müll sind aber trotzdem da. 15 Meter unter der Erde, unter dem Marlene-DietrichPlatz, im 4800 Quadratmeter großen Ver- und Entsorgungszentrum (VEZ), betrieben durch die Firma Alba. Krüger arbeitet seit 40 Jahren für den Konzern, seit der VEZ-Eröffnung 1998 ist er hier der Chef. Für den Job verzichtet er auf oberirdischen Glamour und Sonnenlicht – ist dafür aber ganz nah dran am Pulsschlag des Potsdamer Platzes. Knapp 200 Lastwagen täglich rauschen über die Zufahrtsrampe vom Tiergartentunnel herein. An einer der 19 Rampen docken sie an, liefern Klamotten, Gemüse, Uhren oder auch Bananen für das BlueMax-Theater. Die transportiert Trucker Boris vom Fruchthändler Weihe ran. „Die Bananen werden bei der Show der ,Blue-Man-Group’ ins Publikum geworfen. Morgen bringe ich dann kiloweise neue Kisten.“ 365 Tage im Jahr läuft der Lie- ferbetrieb, all dies unter den wachsamen Augen von Chef Krüger und seinen zehn Mitarbeitern. Unmissverständlich steht auf einem Schild: „Den Anweisungen des Rampenmeisters ist unbedingt Folge zu leisten.“ Doch die gigantische Organisation hat eine zweite Seite. Wo Produkte tausendfach angeliefert werden, muss tonnenweise Müll entsorgt werden. Ebenfalls im VEZ. Täglich kurvt Boujemaa Baja mit einem kleinen Elektro- Von der B96 fahren täglich bis zu 200 Lastkraftwagen in das unterirdische Ver- und Entsorgungszentrum. zug unter den 17 Gebäuden des Potsdamer Platzes entlang und sammelt insgesamt 500 Container (Fassungsvermögen: je 1100 Liter) ein. Über einen Barcode wird der Müll jedes der mehr als 200 Kunden auf einer Waage abgewogen und kann so bis auf 100 Gramm genau abgerechnet werden. Mehr als 3000 Tonnen Abfall kommen so im Jahr zusammen. Klaus-Dieter Krüger: „Oberirdisch bekommt man von diesen gigantischen Mengen nichts mit. Besonders stolz bin ich aber auf Folgendes“: An leeren Behältern vorbei führt der Rampenmeister uns zu Michael Kleeb. Der 51-Jährige bedient eine deutschlandweit einzigartige Dehydrieranlage. Bei Kleeb kommen die Essens-Reste aus mehr als 30 Restaurants an. Er sortiert Fremdkörper (Servietten, Besteck) heraus und schickt den Abfall durch die Maschine. Sie entzieht mit ihren rasierklingenscharfen Tellermühlen den Speiseresten das Wasser und reduziert das Volumen. Aus 15 000 240-Liter-Behältern werden so nur noch 5000. „Für manche mag die Arbeit auf den ersten Blick eklig sein, aber man gewöhnt sich an alles“, so Kleeb. Noch während sein Lachen verhallt, kehrt Frank Schubert ins VEZ zurück. Der Fisch ist ausgeliefert, der Rollwagen leer. Fast 20 Minuten war er in den schier unendlich langen Gängen unterwegs.