KFZ-Hersteller streiten um Abgasnormen
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KFZ-Hersteller streiten um Abgasnormen
Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 11.05.2007 KFZ-Hersteller streiten um Abgasnormen 1. Lernziele Die Schülerinnen und Schüler sollen ... 1. die aktuellen Pläne der Europäischen Union zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei Kraftfahrzeugen kennen lernen. 2. die Reaktion des Verbandes der europäischen Automobilhersteller (ACEA) auf die EU-Pläne sowie den Streit innerhalb des Verbandes bzgl. der Umsetzung der Vorgaben erfassen. 3. erkennen, wie ökonomische und ökologische Ziele in vielen Fällen miteinander in Konflikt geraten. 2. Aufgaben 1. Fassen Sie die Pläne der Kommission der Europäischen Union (EU) zur zukünftigen Reduzierung des CO2-Ausstoßes bei Kraftfahrzeugen zusammen. Welche zeitlichen Vorgaben sind hierin enthalten? 2. Verdeutlichen Sie mit Hilfe der angehängten Grafik, welche Konsequenzen die Beschlüsse konkret für die europäische Automobilindustrie haben. Wer ist von ihnen besonders betroffen? 3. Wie schätzt der europäische Automobilherstellerverband ACEA die grundsätzliche Notwendigkeit eines verstärkten Klimaschutzes ein? Mit welchen Argumenten lehnt er die konkreten Pläne der EU-Kommission ab? Worin sieht er die wesentlichen Probleme bzw. ungerechtfertigten Forderungen an die Automobilindustrie? 4. Inwiefern sorgen die politischen Vorgaben auch für Streit innerhalb des Verbandes? Welche Interessengruppen stehen sich im ACEA konflikthaft gegenüber? Welche Probleme resultieren für den Gesamtverband aus diesem internen Streit? 5. Verdeutlichen Sie am vorliegenden Beispiel, wie in vielen Fällen ökonomische und ökologische Zielsetzungen miteinander in Konflikt geraten. Finden Sie weitere Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit, die diese Konstellation bestätigen. Welche Herausforderungen und Handlungsvorgaben ergeben sich in diesem Zusammenhang für die politischen Entscheidungsträger? 1 Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 11.05.2007 KFZ-Hersteller streiten um Abgasnormen Beim Klimaschutz sieht auch die Wirtschaft Handlungsbedarf - doch einige Vorgaben der Politik gehen ihr zu weit 5 10 Die europäische Automobilindustrie will die Pläne der EU-Kommission zur Einführung gesetzlicher Abgasnormen nicht mittragen. Das verlautete gestern aus dem europäischen Automobilherstellerverband ACEA in Brüssel. Hintergrund ist ein heftiger Streit zwischen den Unternehmen über die Frage, wie die Vorschläge der Kommission branchenintern umgesetzt werden. EU-Industriekommissar Günter Verheugen und EU-Umweltkommissar Stavros Dimas hatten im Februar beschlossen, den Kohlendioxidausstoß von Neuwagen ab 2012 auf durchschnittlich 120 Gramm pro Kilometer zu begrenzen. 130 Gramm sollen die Automobilhersteller durch „fahrzeugtechnische Verbesserungen“ bei ihren Modellen erbringen. Weitere zehn Gramm sollen durch flankierende Maßnahmen wie den verstärkten Einsatz von Biokraftstoff eingespart werden. Heute liegt der CO2Durchschnittswert bei über 160 Gramm pro Kilometer. 15 20 25 Verheugen und Dimas hatten der Branche lediglich die Vorgabe gemacht, einen europaweiten Durchschnittswert von 130 Gramm pro Kilometer zu erreichen. Welcher Hersteller bei seiner Flotte wie viel Prozent CO2 einsparen muss, soll die Industrie selbst aushandeln, bevor die Kommission bis Mitte 2008 einen Gesetzentwurf vorlegen wird. Jetzt ringt der Dachverband ACEA um eine Formel, die den unterschiedlichen Interessen gerecht wird. Eigentlich wollten die Vorstände der führenden europäischen Autobauer schon bei ihrer letzten ACEA-Sitzung am 30. April einen Schlüssel für die brancheninterne Verteilung der Lasten präsentieren. Doch die Verhandlungen sind nach Angaben aus Verbandskreisen ins Stocken geraten, weil die italienischen und französischen Produzenten mit den deutschen Herstellern keinen Kompromiss finden. So verlangen Marken wie Fiat und Peugeot eine CO2-Gutschrift für bereits geleistete Umweltanstrengungen. 30 35 Umgekehrt fürchten deutsche Hersteller wie Porsche und BMW, für ihre schweren, PS-starken Modelle überdurchschnittlich stark belastet zu werden. „Das ist ein knüppelharter Grabenkampf um Marktanteile und um die Verteilung der Kosten“, sagt ein an den Verhandlungen beteiligter ACEA-Verantwortlicher. Eine Einigung sei „im Moment sehr unwahrscheinlich“. 40 Führende EU-Beamte warnen den Automobilverband vor einer andauernden Fehde: „Wenn es der betroffenen Industrie nicht gelingt, geschlossen aufzutreten, kämpft im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren jeder gegen jeden“, verlautete aus der Kommission. Die internen Konflikte zwingen den ACEA nun zu einer Rückzugslinie. Die Verbandsoberen wollen bei ihrer nächsten Sitzung am 8. Juni die Kommission auffordern, der Branche mehr Zeit für die Umsetzung der strengen Abgaswerte zu 2 Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 11.05.2007 45 50 55 60 65 70 75 geben. Da die Arbeit an der CO2-Gesetzgebung sich noch bis 2009 hinziehen werde und neue Modelle eine lange Vorlaufzeit hätten, sei eine drastische Reduzierung der Emissionen bis 2012 gar nicht machbar, heißt es in Brüssel. Die Automobilbauer bräuchten Planungssicherheit bis 2015. Der ACEA könnte diese Position mit dem Argument verteidigen, dass die Hauptkonkurrenz aus Japan ebenfalls ein Abgas-Limit zwischen 135 und 138 Gramm je nach Modell ab 2015 beschlossen hat. Auch den von Brüssel verlangten Höchstwert von 130 Gramm CO2 wollen die Chefs der Automobilkonzerne nicht akzeptieren und stattdessen zusätzliche Belastungen wie die Euronormen 5 und 6 sowie die neuen Sicherheitsbestimmungen zum Fußgängerschutz in die Berechnung mit einbeziehen. Der europäische Gesetzgeber zwinge die Autobauer zu stärkeren Katalysatoren und schwereren Frontpartien, was sich negativ auf die Abgaswerte auswirke. Daher sei ein CO2-Höchstwert von 135 Gramm das Äußerste. Der Präsident von ACEA, Fiat-Chef Sergio Marchionne, hat die Marschrichtung der Industrie bereits kürzlich mit öffentlichen Äußerungen angedeutet. Marchionne nannte die Auflagen der Europäischen Union „unverschämt teuer und unrealistisch“. Der Zeitrahmen bis 2012 sei „Unfug“. Die Kommission hält ungeachtet der brancheninternen Widerstände am Zeitplan und an ihren Grenzwerten fest. „Das Kollegium hat eine Entscheidung getroffen. Dabei bleibt es“, stellte die Sprecherin von Umweltkommissar Dimas klar. Auch nach Angaben von Industriekommissar Verheugen ist zumindest der beschlossene Höchstwert von 120 Gramm CO2 „nicht verhandelbar“. Allerdings verlautete aus Verheugens Umfeld, eine flexible Lösung sei möglich, wenn beispielsweise mehr als zehn Gramm CO2 durch „externe Faktoren“ eingespart würden. Entscheidend sei, dass es bei der verabredeten Obergrenze bleibe. Auch im Europaparlament werden Stimmen laut, die mehr Rücksicht auf die Lage der Automobilwirtschaft verlangen. „Die Beschlüsse der Kommission dürfen nicht das letzte Wort sein“, sagte der FDP-Europaabgeordnete und Umweltexperte Holger Krahmer dem Handelsblatt. Die Europaabgeordneten sind an der Gesetzgebung beteiligt. Quelle: Scheerer, M., Handelsblatt, Nr. 091, 11.05.07, 8 3 Wirtschaft aktuell im Unterricht vom 11.05.2007 4