Sachenrecht

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Sachenrecht
Sachenrecht
Einleitung
Einleitung
Rechtsobjekte – Sachen (RES)
Rechtssubjekte – Träger von Rechten und Pflichten  sind Rechtsfähig
Rechtsfähigkeit
Sklaven gelten als rechtsunfähig  sie werden als Sachen angesehen und daher sind sie auch
Vermögensunfähig.
In manchen Fällen sind sie doch geschäftsfähig, wenn sie für ihren Eigentümer (DOMINUS)
Rechte und Pflichten begründen  Eine Haftung von Sklaven gibt es nicht weil sie
gewaltunterworfen sind  Es handelt sich um eine Naturalobligation
Haften: Einstehen müssen mit dem Vermögen.
Als frei geboren, beginnt sogleich die Rechtsfähigkeit. Der NASCITURUS wird als geboren
angesehen, insofern es seinem Vorteil dient.
Stellung im Familienverband
Hauskinder stehen unter der Familiengewalt (PATRIA POTESTAS) des Hausvaters (PATER
FAMILIAS), ebenso die Ehefrau in einer MANUS-Ehe. Gewaltunterworfene (trotz STATUS
LIBERTATIS) sind vermögensunfähig, außer nach der EMANZIPATION (=Entlassung aus der
Gewalt).
Handlungsfähigkeit
Fähigkeit durch eigenes Handeln Rechte und Pflichten zu begründen.
• Geschäftsfähigkeit: Fähigkeit durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln Rechte und
Pflichten zu begründen.
• Deliktsfähigkeit: Fähigkeit durch eigenes unerlaubtes Handeln einem anderen
verpflichtet zu werden.
Infantes (0-7 Jahre): völlig Handlungsunfähig  Geschäfte sind unwirksam, außer beim
mitwirken eines TUTORS.
PUPILLUS (7-14 Jahre): beschränkt Geschäftsfähig  Nur Geschäfte zu seinem
Vermögensvorteil (NEGOTIUM CLAUDICANS): Ware liefern  kein Vorteil; Kaufpreis
erhalten  Vorteil
zB PATER FAMILIAS stirbt  PUPILLUS wird gewaltfrei  kann Vertrag abschließen
PUBERES = Mündigkeit (ab 14 Jahren): unbeschränkte Handlungsfähigkeit
MINOR (14-25 Jahre): voll Geschäftsfähig  Vertrag ist wirksam, wird aber vom Prätor
besonders geschützt bei Übervorteilung durch:
• Bußklage
• EXCEPTIO DOLI
• RESTITUTIO IN INTEGRUM
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Lukas Müller | 02.01.2012
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Sachenrecht
Einleitung
Sonderfälle:
PUPILLUS: beschränkt Geschäftsfähig  nur Geschäfte zu seinem Vermögensvorteil
(NEGOTIUM CLAUDICANS)
FURIOSUS (Geisteskranker): Geschäfts- und Deliktsunfähig  CURATOR FURIOSI muss
bestellt werden um Geschäfte abzuwickeln
PRODIGUS (Verschwender): Durch Entmündigung Geschäftsunfähig  nur Geschäfte zu
seinem Vorteil
In allen drei Fällen gibt es keine Verfügungsbefugnis, dies scheitert an der dinglichen
Berechtigung. Frauen benötigen auch nach Erreichen der Mündigkeit einen
Geschlechtervormund. Diese Frauentutel ist jedoch später bloße Formsache.
Sachenrechte
Sachenrechte vermitteln eine Herrschaftsbefugnis die
• Direkt auf die Sache gerichtet ist
• ausschließlich (absolut) gilt  Sachenrechte = dingliche Rechte
Dingliches Recht: Ermöglicht dem Berechtigten sein Recht im Klageweg gegen jedermann
geltend zu machen  ACTIO IN REM (nur bei körperlichen Sachen möglich)
Sachenrechte haben einen Typenzwang und die Zahl der dinglichen Rechte ist begrenzt.
Arten von Sachenrechten:
•
•
•
•
•
Eigentum:
-
originärer Eigentumserwerb (OCCUPATIO / USUCAPIO [Ersitzung])
Derivativer Eigentumserwerb:
o Dingliche Berechtigung  man muss Eigentümer sein oder
eine Verfügungsbefugnis haben
o IUSTA CAUSA
o TRADITIO (Übergabe)
Dienstbarkeit (SERVITUTES)
Pfandrecht (PIGNUS)
Erbpacht (EMPHYTEUSIS)
Erbbaurecht (SUPERFICIES)
ACTIO IN REM (die Klage) beim:
• Eigentum  REI VINDICATIO
• Dienstbarkeit  VINDICATIO SERVITUTIS
• Pfandrecht  VINDICATIO PIGNORIS
• Erbpacht  VINDICATIO UTILIS
• Erbbaurecht  ACTIO DE SUPERFICIE
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Sachenrecht
Besitz
Besitz (POSSESSIO)
Besitz ist die gewollte faktische Sachherrschaft. Besitz erwirbt man mit animo et corpore.
ANIMUS: Eigenbesitzwille  ANIMUS REM SIBI HABENDI
CORPUS: faktische Sachherrschaft / körperliches Naheverhältnis
• CORPUS bei unbeweglichen Sachen: Betreten des Grundstücks  Ausnahmen:
 Publizität
 Dauerhaftigkeit
 Soziales Umfeld (keine Einwirkungsmöglichkeit Dritter)
• CORUPUS bei beweglichen Sachen: Übergabe / Ergreifen
NATURALIS POSSESSIO
Ein anderer übt das Corpus für den POSSESSOR aus.
Besitzmittler (bei gewaltfreien Inhabern):
Fremdbesitz  Beispiel für einen DETENTOR: Mieter, Pächter, Verwahrer, usw.
Fremdbesitzwillen = ANIMUS REM ALTERI HABENDI  nur beim Besitzmittler, dieser hat
unmittelbaren Fremdbesitz. POSSESSOR hat dann mittelbaren Eigenbesitz.
Besitzdienerschaft (bei gewaltunterworfenen Inhabern):
Sklave dient als verlängerte Hand seines Gewalthabers  POSSESSOR ist unmittelbarer
Eigenbesitzer
Fehlerfreier (echter) Besitz: IUSTA POSSESSIO
… wer eine Sache nicht durch Gewalt, nicht durch heimliches Entziehen und nicht zum
Prekatium (NEC VI – NEC CLAM – NEC PRECARIO) erhalten hat. IUSTA POSSESSIO ist die
Voraussetzung für den Interdiktenschutz (Verbot von Gewaltanwendung). Betrachtet wird
allein, ob der eine gegenüber dem anderen fehlerfrei oder fehlerhaft besitzt (nur im Verhältnis
der beiden Streitparteien).
Rechtmäßiger Besitz
Besitzer aufgrund einer IUSTA CAUSA  Jedes auf Übereignung abzielende Geschäft zB Kauf,
Schenkung, Darlehen, usw
FURTUM (Diebstahl)
Der Dieb (FUR) muss die Absicht haben sich zu bereichern. Das FURTUM setzt DOLUS
(Vorsatz) voraus.
Klagen (können kumulativ angewendet werden):
• ACTIO FURTI  pönale Klage (Recht auf Buße)
• CONDICTIO FURTIVA  Sachverfolgende Klage (Rückgabe der gestohlenen Sache)
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Sachenrecht
Besitz
Besitzerwerb
Originär
… erwirbt Besitz, wer ihn aus eigener Machtvollkommenheit, ohne Hilfe eines Vormannes
begründet.
Beispiele:
• OCCUPATIO  Ergreifen von Sachen, die in niemandes Besitz und Eigentum stehen
(RES NULLIUS)
• FURTUM  wobei nur originärer Besitz und nicht Eigentum erlangt wird
Derivativ
… wird Besitz im Zusammenwirken mit einem Vormann erlangt  TRADITIO vom Veräußerer
an den Erwerber notwendig.
Besitzerwerb SOLO ANIMO
TRADITIO BREVI MANU: Detentor kann durch Vereinbarung mit dem Possessor durch
TRADITIO BREVI MANU Besitz erwerben  Possessor gibt ANIMUS REM SIBI HABENDI auf
und Detentor fasst erlaubterweise Eigenbesitzwillen.
Beispiel:
Verkäufer -------------- Käufer (hat die Sache inne)
• Zunächst Leihe, Miete /Pacht oder Verwahrung
• Dann verkauft der Verkäufer die Sache dem Käufer
 Animus ist gegeben, weil der Käufer einvernehmlich/erlaubterweise Eigenbesitzwillen
fasst. Corpus ist zu bejahen, da es unwirtschaftlich ist wenn eine Übergabe erfolgt.
CONSTITUTUM POSSESSORIUM: Jemand fasst Eigenbesitzwillen hinsichtlich einer
Sache, die er nicht inne hat und der Detentor vermittelt die Sachherrschaft.
Beispiel:
Verkäufer (hat die Sache inne) -------------- Käufer (Sache wird dem
Käufer/Eigentümer nicht übergeben)
• Verkäufer verkauft die Sache dem Käufer
• Verkäufer hat aber weiterhin Leihe, Miete /Pacht oder Verwahrung
 Animus ist gegeben, weil der Käufer einvernehmlich/erlaubterweise Eigenbesitzwillen
fasst. Corpus ist zu bejahen, da es unwirtschaftlich ist wenn eine Übergabe erfolgt.
Das Traditionssurrogat ersetzt die körperliche Übergabe bei TRADITIO BREVI MANU und
CONSTITUTUM POSSESSORIUM. Dies widerspricht aber nicht der Regel NEMO SIBI IPSE …
(Niemand kann bloß durch eigenen Willensentschluss seine Besitzlage verbessern). Wenn
NEMO SIBI IPSE … nicht eingehalten wird fehlt es an der IUSTA CAUSA.
Besitzerwerb durch Gewaltunterworfene
Gewaltunterworfene (zB Sklaven, Hauskinder, Gattin in einer MANUS-Ehe) sind nicht
vermögensfähig  Gewaltunterworfene erwirbt Besitz für seinen Gewalthaber:
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Sachenrecht
Besitz
Mit eigenem Willen und fremden Körper (ANIMO NOSTRO CORPORE ALIENO)  ANIMUS
und CORPUS müssen gegeben sein.
CORPUS:
• Gewaltunterworfene dient als verlängerte Hand
• Gewaltunterworfene stellt konkrete Sachherrschaft her
ANIMUS:
• IUSSUM (Anordnung für ein bestimmtes Erwerbsgeschäft)
• PECULIUM (Generalermächtigung zum Besitzerwerb)
Besitzerwerb durch Gewaltfreie „Stellvertreter“
Freie Personen können nicht direkte Stellvertreter beim Besitzerwerb sein.
Ausnahmen:
• CURATOR (Beistand für Geisteskranke oder Verschwender)
• TUTOR (Vormund für einen Unmündigen)
• PROCURATOR (Vermögensverwalter)
Besitzerhaltung
ANIMUS und CORPUS wird weniger streng beurteilt.
Bewegliche Sachen: Besitzerhaltung nur bei aufrechter CUSTODIA
(Gewahrsame/unmittelbare Einflusssphäre)
Unbewegliche Sachen: Besitzerhaltung SOLO ANIMO möglich
SERVUS FUGITIVUS
Sklave der sich dem Zugriff des Herren durch Flucht entzieht.
1. Keine Anwendung auf Sklaven findet das Kriterium der CUSTODIA, da Sklaven wichtige
Wirtschaftsfaktoren sind. Besitzerhaltung an Sklaven SOLO ANIMO wird zugelassen  Nur so
lange bis ein Dritter den Sklaven in Besitzt nimmt.
2. Sachen die der Sklave auf die Flucht mitgenommen hat gehen dem POSSESSOR nicht
verloren, weil der SERVUS FUGITIVUS im Besitz des Herren steht und als Besitzdiener
fungiert.
3. Der DOMINUS kann durch den flüchtigen Sklaven Besitz erwerben  Es wird ein
PECULIUM angenommen
Besitzerhaltung/Verlust bei unbeweglichen Sachen ohne Besitzmittler/Diener:
Besitzerhaltung SOLO ANIMO möglich mit Blick auf die Wiederherstellung des CORPUS.
POSSESSOR verliert erst Besitz, wenn er auf einen Wiederbemächtigungsversuch verzichtet
oder scheitert, indem er den Eindringlich nicht vertreiben kann.
Besitzerhaltung/Verlust bei unbeweglichen, Besitzmittlern/Dienern anvertrauten
Sachen: Werden Besitzmittler/Diener gewaltsam vertrieben, dann geht die POSSESSIO sofort
verloren. In allen anderen Fällen (Tot, fortziehen, Geisteskrankheit des Besitzmittlers/Dieners)
erhält der Besitzer seinen Besitz SOLO ANIMO aufrecht, so lange bis er von dem Ereignis
erfährt.
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Sachenrecht
Eigentum
Eigentum
Der Eigentümer (DOMINUS) hat das umfassende dingliche Recht (Vollrecht) die Sache für sich
zu haben  Die Sache ist ihm umfassend zugeordnet (Substanz und Nutzung rechtlich
zugewiesen)
IUSTA POSSESSOR kann eine Sache mit einem Besitzinterdikt herausverlangen. Die
Eigentumsklage ist die REI VINDICATIO  endgültige Klärung der rechtlichen Zuordnung.
Befugnisse des Eigentümers
Der Eigentümer ist befugt …
• eine Sache zu benützen und andere an der Benützung einer Sache zu hindern.
• Früchte aus einer Sache zu ziehen. Früchte  Wiederkehrender Ertrag einer
Muttersache, der gezogen wird ohne Beeinträchtigung der Substanz der Muttersache.
• in der Substanz einer Sache eingreifen (verändern, verarbeiten, zerstören)
• anderen Personen an einer Sache beschränkte dingliche Rechte einzuräumen (zB
Dienstbarkeit, Pfandrecht, usw)
• sich einer Sache zu entledigen, ohne es einem anderen zu übertragen, indem er die Sache
derelinquiert.
• einen Sklaven frei zu lassen  Sklave wird dadurch zum Rechtssubjekt
Eigentumsbeschränkung: zB Ehegattenschenkungsverbot, Bauvorschriften muss man
einhalten, usw
Miteigentum
Mehrere Personen (Miteigentümer) haben gemeinsam dieselben Rechte an einer Sache.
CONSORTIUM
Stirbt der PATER FAMILIA, erwerben die zuvor ihm Gewaltunterworfenen seine
Vermögensrechte. Den Erben kommt das Eigentum gemeinsam zu. Keinem gehört ein
bestimmter Anteil  Gemeinschaftliche Verfügung
Jeder Miterbe kann die Beendigung der Gemeinschaft und die Aufteilung des Vermögens
fordern.
CONDOMINIUM
Miteigentum nach ideellen Anteilen (Quoten) zB 1/8  Miteigentümer haben freie Verfügung
über ihren Anteil.
Arten des Eigentumserwerbs
•
•
•
Übereignungsgeschäft
Ersitzung
Natürlicher Eigentumserwerb
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Lukas Müller | 02.01.2012
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Sachenrecht
Eigentum
Übereignungsgeschäft
Veräußerer überträgt dem Erwerber Eigentum durch Abwicklung eines Verfügungsgeschäfts.
Die Rechtsposition des Erwerbers leitet sich von der des Veräußerers ab
 derivativer Eigentumserwerb: Niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst
hat – NEMO PLUS IURIS TRANSFERRE POTEST QUAM IPSE HABET
Grundsätzlich sind drei verschiedene Arten von Verfügungsgeschäften zu unterscheiden. Die
MANCIPATIO und IN IURE CESSIO sind altrömische Verfügungsgeschäfte, die nur römischen
Bürgern offen stehen und ziviles Eigentum verschaffen. Im Laufe der Zeit gewinnt aber die
TRADITIO größere Bedeutung, da sie auch Nicht-Römern offen steht.
MANCIPATIO
Sie ist ein Formalakt und fordert acht Personen (neben dem Veräußerer und Erwerber auch
einen Waagehalter und fünf Zeugen). Der Erwerber muss auf die RES MANCIPI greifen, nach
einem bestimmten Wortlaut seinen Erwerb behaupten und mit einer Münze auf die Waage
schlagen. Der Veräußerer schweigt dazu.
Mit der MANCIPATIO können allerdings nur RES MANCIPI (= italische Grundstücke,
bestimmte Feldservituten, Zug- und Tragtiere [Rinder, Pferde, Esel, Maultiere und Maulesel]
sowie Sklaven) erworben werden.
Die Voraussetzungen für den Eigentumserwerb durch MANCIPATIO sind:
• ziviles Eigentum des Veräußerers (dingliche Berechtigung des Vormannes)
• korrekter Vollzug des Formalaktes
Anders als bei der formlosen TRADITIO erwirbt der Empfänger auch dann ziviles Eigentum,
wenn es an einer gültigen IUSTA CAUSA mangelt. Sollte sich später allerdings herausstellen,
dass die Übereignung ungerechtfertigt war, so kann der Veräußerer mit der CONDICTIO
INDEBITI verlangen, dass ihm die Sache oder deren Wert zurückgegeben wird.
IN IURE CESSIO
Sie ist ebenfalls ein abstraktes, derivatives Verfügungsgeschäft, das einen Formalakt verlangt.
Die beiden Parteien müssen gemeinsam vor dem Prätor erscheinen, der Erwerber muss die
Sache als sein Eigentum beanspruchen und der Veräußerer darf dies nicht bestreiten. Mittels IN
IURE CESSIO können auch RES NEC MANCIPI veräußert werden.
TRADTITIO
Sie ist auch nichtrömischen Bürgern zugänglich und kennt keinen bestimmten Formalakt  ist
also ein kausales formfreies Verfügungsgeschäft. Sie hängt allerdings von drei
Voraussetzungen ab:
• Dingliche Berechtigung des Vormannes (Eigentümer oder Verfügungsbefugt  NEMO
PLUS IURIS TRANSFERRE POTEST QUAM IPSE HABET)
• Besitzübertragung - MODUS (entweder durch TRADITIO oder durch
Traditionssurrogate [TRADITION BREVI MANU, CONSTITUTUM POSSESSORIUM])
• IUSTA CAUSA (ErwerbsTITEL)
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Lukas Müller | 02.01.2012
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Sachenrecht
Eigentum
Anders als MANICIPATIO und IN IURE CESSIO ist die TRADITIO ein kausales
Verfügungsgeschäft. Der MODUS führt nur auf Grundlage einer gültigen IUSTA CAUSA zu
einer Übereignung.
Allerdings kann mit der TRADITIO nur Eigentum an RES NEC MANPICI übertragen werden.
Wird eine RES MANCIPI nicht manzipiert, sondern tradiert, so wird der Empfänger nicht
unmittelbar, sondern erst nach Ablauf der Ersitzungsfrist ziviler Eigentümer (nach IUS CIVILE)
Wird einer RES MANCIPI bloß tradiert, wird der Erwerber vom Prätor aber besonders
geschützt. Er erwirbt nicht bloßen Ersitzungsbesitz, sondern bonitarisches Eigentum. Als
bonitarischer Eigentümer besitzt er genau wie der zivile Eigentümer Rechtsschutz gegenüber
Jedermann. Seine Klage ist die ACTIO PUBLICIANA und nicht die REI VINDICATIO.
Eigentumserwerb durch Ersitzung (USUCAPIO)
1. Ersitzung bei Vorliegen eines Formmangels, wenn nämlich eine RES MANCIPI bloß
tradiert wurde (der Erwerber hat hier zunächst nur bonitarisches Eigentum).
2. Ersitzung wegen mangelnder Berechtigung des Vormannes, nach dem Versuch eine
Sache derivativ zu erwerben.
3. Ersitzung einer ruhenden Erbschaft.
Ersitzung nach Formmangel
Dies kann in zwei Situationen bedeutsam sein:
• Jemand okkupiert eine herrenlose RES MANCIPI: Der Okkupierende wird
zunächst bonitarischer Eigentümer, nach Ablauf von einem Jahr (bei beweglichen
Sachen) oder von zwei Jahren (bei unbeweglichen Sachen) ziviler Eigentümer.
• Jemand erwirbt eine RES MANCIPI durch TRADITIO: Auch hier erlangt der
Erwerber zunächst bonitarisches Eigentum, nach Ablauf der Frist ziviles.
Ziviles, wenn auch nur auf eine Formalposition beschränktes, Eigentum hat während der
Ersitzung des bonitarischen Eigentümers der Veräußerer.
Klage des zivilen Eigentümers  REI VINDICATIO
Klage des bonitarischen Eigentümers  ACTIO PUBLICANA
Ersitzung aufgrund der mangelnden Berechtigung des Vormannes
Dies kann in drei Situationen Bedeutung erlangen:
• Dem Veräußerer fehlt es an Eigentum bzw. Verfügungsbefugnis: Gemäß dem
Grundsatz NEMO PLUS IURIS, TRANSFERRET POTEST QUAM IPSE HABET wird der
Empfänger zwar Besitzer, aber nicht Eigentümer.
• Jemand erwirbt von einem Geschäftsunfähigen (PUPILLUS, FURIOSOS,
PRODIGUS): Aufgrund der mangelnden Geschäftsfähigkeit kommt bereits das
Verpflichtungsgeschäft nicht gültig zustande ( keine IUSTA CAUSA), ohne
Genehmigung des Beistands (TUTOR/CURATOR)
• Auch beim Erwerb von einem voll Geschäftsfähigen kann es an einer
gültigen IUSTA CAUSA mangeln, etwa, wenn im Kausalgeschäft kein
Konsens vorliegt.
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Lukas Müller | 02.01.2012
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Sachenrecht
Eigentum
In einigen dieser Fälle begnügen sich die Juristen mit einer vermeintlichen CAUSA (=
Putativtitel). Aufgrund des guten Glaubens (BONA FIDES) des Empfängers, der irrtümlich
annimmt, es gebe eine gültige CAUSA, lassen sie eine USUCAPIO (Ersitzung) zu.
Vorraussetzungen für die Ersitzung:
RES HABILIS (ersitzungsfähige Sache): Sachen die außerhalb des Privatrechtsverkehrs
stehen können nicht ersessen werden (Sachen die im öffentlichen Gebrauch stehen, Sachen des
göttlichen Rechts). Die LEX ATINIA legt fest, dass auch gestohlene Sachen (RES FURTIVA)
nicht ersessen werden können.
TITULIS (IUSTA CAUSA): Der Besitz des Ersitzenden muss durch einen Rechtsgrund
qualifiziert sein. Dieses Problem wird aber zunehmend gelockert, indem die BONA FIDES die
fehlende IUSTA CAUSA heilt:
• beim Erwerb vom beschränkt Geschäftsfähigen verlangen die Juristen vom Erwerber
bloß guten Glauben. Unterliegt der Erwerber dem Irrtum, er habe es mit einem voll
Geschäftsfähigen zu tun, dann wird die Ersitzung zugelassen.
• wenn beim Erwerb vom voll Geschäftsfähigen das Titelgeschäft misslungen ist, kann ein
Putativtitel zur Ersitzung berechtigen: Dabei gilt ebenfalls die BONA FIDE als
Rechtfertigungsgrund.
BONA FIDES (Gutgläubigkeit): Der Erwerber ist dann gutgläubig, wenn er sich über
bestimmte Umstände des Geschäfts im Irrtum befindet, zB wenn der Erwerber über die
Berechtigung des Vormannes oder die Geschäftsfähigkeit geirrt hat.
Die BONA FIDES ist als Ersitzungsvoraussetzung im Zeitpunkt des Besitzerwerbs an der Sache
erforderlich, später nicht mehr  MALA FIDES SUPERVENIENS NON NOCET – Schlechter
Glauben, der sich nachträchlich einstellt, schadet der Ersitzung nicht.
 Juristenkontroverse: Fruchterwerb eines Ersitzungsbesitzers, der nachträglich MALA
FIDE (schlechtgläubig) wird.
o PROPONIUS und PAULUS  lassen keinen Fruchterwerb zu
o JULIAN  schon, bis die Sache von ihrem Eigentümer vindiziert wird
POSSESSIO: Die Ersitzung beginnt, sobald der Erwerber die POSSESSIO am Gegenstand
erlangt. Ersitzungsbesitzer ist bloß fehlerfreier (echter) Besitz. Nur der ununterbrochene Besitz
führt zum Eigentumswerber.
TEMPUS: Der ununterbrochene Ersitzungsbesitz lässt den Besitzer originär ziviles Eigentum
erwerben.
• Bei beweglichen Sachen nach Ablauf eines Jahres
• Bei unbeweglichen Sachen nach zwei Jahren
Ein Erbe kann die vom Erblasser begonnene Ersitzung eintreten, in allen anderen Fällen fängt
eine neue Ersitzung an.
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Sachenrecht
Actio Publiciana
ACTIO PUBLICIANA
Als Kläger bei der ACTIO PUBLICIANA kommen demnach in Frage:
1. Der Ersitzungsbesitzer, der eine Sache vom Nichteigentümer bzw. nicht
Verfügungsbefugten, vom beschränkt Geschäftsfähigen oder aufgrund eines Putativtitels
erworben hat (→ Ersitzung zur Heilung eines Rechtsmangels).
2. Der bonitarische Eigentümer, dem eine RES MANCIPI vom zivilen Eigentümer auf
Grund einer IUSTA CAUSA bloß tradiert wurde (→ Ersitzung zur Heilung eines
Formmangels).
3. Der zivile Eigentümer, der eine Sache von einem zivilen Eigentümer derivativ
erworben hat. Ihm kommt die ACTIO PUBLICIANA dann zustatten, wenn er das
Eigentum des Vormannes im Prozess nicht oder nur schwer nachweisen kann, wohl aber
das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen.
Einreden (EXCEPTIONES) und Gegeneinreden
(REPLICATIONES)
Einreden sind Verteidigungsmittel des Beklagten, die eine Verurteilung verhindern, sofern sie
bewiesen werden können, Die EXCEPTIO richtet sich gegen die ACTIO.
Mit einer Gegeneinrede kann der Kläger wiederum die Einrede bekämpfen. Die REPLICATIO
richtet sich gegen die EXCEPTIO
EXCEPTIO IUSTI DOMINI
„wenn die Sache nicht Eigentum des Beklagten ist“
Klagt der Ersitzungsbesitzer den zivilen Eigentümer mit der ACTIO PUBLICIANA, so steht dem
zivilen Eigentümer die EXCEPTIO IUSTI DOMINI zur Verfügung.
Erhebt der Beklagte diese Einrede und kann er sein Eigentum beweisen, so wird der
Ersitzungsbesitzer nicht gegen ihn obsiegen.
Daher bleibt die Position des Ersitzungsbesitzers (der erst nach vollendeter USUCAPIO
Eigentum erlangt hätte) schwächer als jene des zivilen Eigentümers.
REPLICATIO REI VENDITAE ET TRADITAE
„oder wenn der Beklagte das Grundstück, um das prozessiert wird, bereits verkauft und
übergeben hat“
In diesem Fall klagt der bonitarische Eigentümer seinen Vormann, der noch ziviler Eigentümer
ist, mit der ACTIO PUBLICIANA. Wenn der zivile Eigentümer die EXCEPTIO IUSTI DOMINI
dagegenhält, kann der Kläger wiederum die REPLICATIO REI VENDITAE ET TRADITAE
einbringen und somit obsiegen.
Somit ist der bonitarische Eigentümer stärker als sein Vormann, der nur noch ein NUDUM IUS
QUIRITIUM, ein ziviles Eigentum, das dem bonitarischen Eigentümer gegenüber prozessual
nicht durchgesetzt werden kann.
actio_publiciana.doc
Lukas Müller | 02.01.2012
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Sachenrecht
Actio Publiciana
CASE 130 – Pomponius:
T hat von Titius ein Grundstück gekauft und tradiert erhalten, das S gehört. Später stirbt S
und wird von Titius beerbt. Titius erwirbt wieder Besitz am Grundstück und verkauft und
übergibt es M.
Der im Zeitpunkt der TRADITIO bestehende Mangel an der Berechtigung des Vormannes wird
durch das Erbe geheilt und der Erwerber so gestellt, als hätte er die Sache vom Eigentümer
erhalten (Konvaleszenz). T wird bonitarischer Eigentümer
Titus hat nach dem Erbgang nur ein NUDUM IUS QUIRITIUM. Verkauft und tradiert er das
Grundstück, so kann er diesen gemäß dem Grundsatz NEMO PLUS IURIS,… nicht zum
bonitarischen Eigentümer machen. T dringt mit der ACTIO PUBLICIANA gegen M durch.
CASE 133 – Neratius:
N verkauft eine Sache des E zuerst an A und dann an B. Wem steht die ACTIO PUBLICIANA
zu?
Neraz entscheidet, dass demjenigen die ACTIO PUBLICIANA zusteht, dem die Sache zuerst
übergeben wurde. Diese Lösung ergibt sich aus dem derivativen Eigentumserwerb: Mit der
Übergabe an den ersten Käufer wird das Verfügungsgeschäft vollzogen und es geht Eigentum
über.
Zwei Nichteigentümer verkaufen und übergeben eine Sache unabhängig von einander an zwei
verschiedene Personen. Welcher der beiden Käufer hat die ACTIO PUBLICIANA?
Neraz entscheidet, das auch in diesem Fall derjenige das stärkere Recht hat, dem die Sache
zuerst tradiert worden ist.
CASE 132 – Ulpianus:
Beim Erwerb von verschiedenen Nichtberechtigten stellen Ulpian und Julian darauf ab, wer
Besitzer der Sache ist, unabhängig davon, ob ihm die Sache als Erstem oder als Zweitem
übergeben worden ist.
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Lukas Müller | 02.01.2012
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Sachenrecht
Klagen
Klagen im römischen Sachenrecht
REI VINDICATIO – Eigentumsklage
ACTIO COMMUNI DIVIDUNDO – Auflösung eines Condominiums
ACTIO FAMILIAE ERISCUNDO – Auflösung eines Consortiums
ACTIO FURTI – Pönale Diebesklage
CONDICTIO FURTIVA – Sachverfolgende Diebesklage
CONDICTIO INDEBITI – Rückabwicklung bei ungerechtfertigter Berreicherung
ACTIO PUBLICIANA – Klage des bonitarischen Eigentümers
VINDICATIO USUSFRUCTUS – Klage des Nießbrauchers auf Herausgabe
ACTIO CONDUCTI – Klage das Pächters auf Herausgabe
ACTIO AD EXHIBENDUM – Trennungsklage bei Accessio
EXCEPTIO DOLI (PRAETERITI/PRAESENTIS) – Einrede
ACTIO IN FACTUM – Klage für Wertersatz der verlorenen Nebensache (Accessio)
ACTIO DE TIGNO IUNCTO – Wertersatz für fremdes eingebautes Material beim Hausbau
VINDICATIO PRO PARTE – Quantitätsvindikation
ACTIO NEGATORIA – Schutz gegen Eigentumsstörungen
EXCEPTIO REI VENDITE ET TRADITE – Schutz des bonitarischen Eigentümers
INTERDICTUM UTI POSSIDETIS – letztem Fehlerfreiem Besitzer eines Grundstückes
INTERDICTUM UTRUBI – der im letzten Jahr den längsten fehlerfreien Besitz hatte
EXCEPTIO IUSTI DOMINII – für den zivilen Eigentümer gegen den Ersitzungsbesitzer
REPLICATIO REI VENDITE ET TRADITE – bonitarischer Eigentümer gegen den Vormann
 Oder REPLICATIO DOLI (wenn kein Emptio Venditio)
ACTIO CONFESSORIA/VINDICATIO SERVITUTIS – Klage des Servitutsberechtigten
VINDICATIO UTILIS – Klage des Erbpächters
ACTIO FIDUCIA DIRECTA/CONTRARIA – Klagen für Treugeber/Treuhänder
ACTIO PIGNERATICIA IN PERSONAM DIRECTA/CONTRARIA – Pfandbesteller/Gläubiger
EXCEPTIO REI SIBI PIGNERATAE – Einrede des vorrangigen Pfandgläubigers
EXCEPTIO REI SIBI QUOQUE PIGNERATAE – Einrede des besitzenden Pfandgläubigers
REPLICATIO REI SIBI ANTE PIGNERATAE – Nichtbesitzender vorrangiger Pfandgläubige
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