kindergarten …le mans… kindergarten

Transcrição

kindergarten …le mans… kindergarten
KINDERGARTEN
…LE MANS…
KINDERGARTEN
FÜR MOTORSPORTFREUNDE IST LE MANS MEHR ALS NUR EINE RENNSTRECKE. ES IST EIN MYTHOS.
RATIONAL IST DAS NICHT ZU ERKLÄREN, SAGT HOTELCHEF DOMINIC MÜLLER.
ABER ES IST ZU ERFAHREN. UND AM BESTEN IM EIGENEN KLASSIKER. STEIGEN SIE EIN?
Text und Fotos: Dominic Müller
////////////////////////////////
IN KÜRZE
LE MANS LIVE
Bei Travel Destinations dreht sich seit
15 Jahren alles um Motorsport. Der britische Reiseveranstalter bringt seine
Kunden als offizieller Partner des veranstaltenden Automobile Club de L‘Ouest
(ACO) nach Le Mans, zu den 24 Stunden
am Nürburgring, nach Spa oder Monaco.
Ob mit oder ohne Auto, allein, zu zweit,
als Club – alles ist machbar. Das Team von
Travel Destinations kümmert sich um Tickets und Versicherungen, um die Unterkunft und viele weitere Details.
Mehr dazu: www.traveldestinations.co.uk
E
inmal an der Le Mans Classic teilnehmen! Ein Traum … Doch wie es der Zufall will, trifft man Petrol Head Andrew Melley von Travel Destinations, wird eingeladen und aus dem Wunsch wird Plan. Mehr noch: Es geht nicht
nur ums dabei sein – sondern ums mitfahren! Selber den Klassiker über die dreizehneinhalb Kilometer heiligen
Asphalt scheuchen.
Muss man Le Mans erklären? Diesen Hochgeschwindigkeitskurs, der seit 1923 Mensch und Maschine aufs Äußerste fordert?
Hier werden Mythen geboren, Motorsportgeschichte geschrieben, Rekorde gebrochen, aber auch Skurrilitäten geschaffen
– und nicht zu vergessen, auch Filmgeschichte. Le Mans hat Steve Mc Queen unsterblich gemacht. Ein Sieg in Le Mans
überstrahlt im Motorsport alles. Damals und heute!
Bei den Le Mans Classic muss kein Fahrzeug mehr 24 Stunden überstehen. Aber es wird immer noch mit dem Messer
zwischen den Zähnen gekämpft, unterteilt in sechs Klassen, den so genannten Grids von 1923 bis 1979. Am Freitag ist
freies Training, Qualifying am Samstag, das Hauptrennen am Sonntag. Bei allem Ehrgeiz: Natürlich zählt auch das Drumherum. Mit 150 000 Besuchern sind die Le Mans Classics ein Volksfest mit unzähligen Attraktionen.
Für die Unterkunft haben wir die Wahl zwischen feudalem Château, modernem Hotel, Zelt oder Flexotel. Für letzteres
haben wir uns entschieden: ein Wohncontainer mit sechs Quadratmetern, das Auto neben der Tür, zwei Betten und fünf
Minuten zum Renngeschehen. Mein Co-Pilot Markus ist ein alter Freund aus Hamburg. Wir sind schon die Allgäu-Orient
Rallye 2011 zusammengefahren, verstehen uns blind und haben den gleichen Level Benzin im Blut.
Aber jetzt mal der Reihe nach: Abfahrt ist am Freitag, 4. Juli gegen 8 Uhr. Als Gefährt eine 72er Ölklappe (Porsche 911)
mit wunderbarem RS-Motor im Heck. Wie heißt es so schön: Mit dem 11er kann man vom Kindergarten zur Rennstrecke
fahren. So machen wir es! Töchterchen Marla bekommt einen Shuttle zum Kindergarten, wir gehen auf die Bahn und
laufen gegen 16 Uhr in Le Mans ein. Andrew begrüßt uns, zeigt uns die Unterkunft: Handtuch und Bademantel (mit Le
Mans Sticker), außerdem Licht, Steckdose, zwei Klappstühle, ein Tisch, zwei Betten, zwei Stoffregale. Neben den Contai-
42
43
RITTER – das 4-Sterne-Magazin aus Durbach
i
i nern stehen Ford GT 40, Morgan Aero, Ferrari California, Porsche 911, Lotus
Exige – mehr braucht der Petrol Head nicht. Es gibt einen extrem sauberen
Toiletten- und Duschwagen und ein Verpflegungszelt.
Jetzt aber an die Strecke! Denn Le Mans ist eine einzige benzingetränkte
Party. Unzählige Automobil-Clubs sind vor Ort, (gefühlt allein 300 Morgans
aus Great Britain). Das Moto Village bietet Autokino, Steilwandfahren wie
1923 mit herrlichen alten Indians.
Aber vor allem kann man direkt an die Rennstrecke und ins Fahrerlager.
Nirgendwo erlebt man historischen Motorsport so nah: Man sitzt im Bistro
auf der Ecke vorm Paddock, und an uns vorbei fahren Bentley Blower von
1926, Porsche RSR, Ferrari 250LM, Lola T210 aber auch historische Busse,
Reifentransporte samt Mechanikern, alte Mopeds und Vespas.
Just startet Grid 3 für die Baujahre 1957 bis 1961 und es ist null Uhr in der
Nacht! Das Feld zieht im Kampfmodus an uns vorüber. Markus zeigt mir mit
Vom Urbeginn der
Schöpfung ist dem
Wein eine Kraft
beigegeben, um den
schattigen Weg der
Wahrheit zu erhellen.
DAS FELD ZIEHT IM KAMPFMODUS VORBEI –
UND WIR HABEN GÄNSEHAUT AUF DER TRIBÜNE
LE MANS CLASSIC
Da schlendert man
durch den Paddock
und steht plötzlich
vor einem „langen“
Porsche 907, Bj. 1967
(gr. Foto), der gerade
warm läuft. Auf den
Türen steht noch das
Duo von damals: Gerhard Ritter und Jochen
Rindt schieden mit defekter Nockenwelle in
Runde 103 aus. Heute
pilotiert Jürgen Barth
den Boliden, während
wir im Porsche 911
Marla in den Kindergarten bringen (unten)
und dann in Le Mans
an den Start gehen
(rechts)
Tränen in den Augen seinen Unterarm: Seine 587 zarten Härchen stehen alle
senkrecht – Gänsehaut!
Obwohl wir ohne Frau und Kind, oder gar berufliche Verpflichtungen ausschlafen könnten, sind wir um 7 Uhr wach. Heute Morgen fahren wir selber auf der Strecke, den Goldie artgerecht bewegen. Sammeln ist erst um
9:50 Uhr, also ganz ruhig noch einen Kaffee trinken und Magazine wälzen.
Kaum auszuhalten. Fahrerbriefing, Sicherheitshinweise, Haftungsausschluss?
Fehlanzeige. Die Franzosen zeigen, dass es auch ohne geht.
Der einsetzende Regen tut dem Spaß keinen Abbruch. Im Gegenteil, Goldie
kann seinen Gewichtsvorteil wunderbar ausspielen. Erstaunlich zivilisiert bewegt
sich das Fahrerfeld über die Strecke. Man winkt sich zu, filmt sich, jubelt,
grüßt die Zuschauer, liefert sich kleine kurze Manöver mit dem Nebenmann
ohne es zu übertreiben. Dennoch spürt man, was die Profis hier leisten. Was
es bedeuten mag von 340 auf 60km/h in der Mulsanne Corner runter zu
bremsen, oder warum sich so viele in der Esses verabschieden (weil sie nämlich nach rechts abschüssig ist). Zur Krönung des Vormittags vernaschen wir
einen Lotus Exige. Unser Containernachbar. Der ist uns nicht böse, sondern
sieht das Manöver als „brilliant!“. So sind die Briten eben.
Der Ausflug auf die Rennstrecke und das Vermeiden jeglicher Blechschäden
muss gefeiert werden. Also mit der Tram (fährt direkt hinterm Flexotel ab)
nach Le Mans Centre. Le Mans selber ist nicht sonderlich attraktiv aber wir
finden in der sehr guten Brasserie La Bohéme Austern, ein phantastisches
Entrecôte und einen Rosé Sancerre …
Zum Rennen am Abend suchen wir uns Plätze auf der Tribüne über der Box.
Dem klassischen Le Mans Start (Fahrer läuft über die Startgerade, springt ins
Auto, zündet und fährt los), folgen Einführungsrunde und fliegender Start.
Die Boliden donnern vorbei. Markus hält mir wieder seine 587 senkrechten
Unterarmhärchen hin, ich habe aber selber mit dem großen Kribbeln im Bauch
zu kämpfen: Vielleicht doch in den Goldie steigen und dem Feld hinterher
jagen? Rational ist hier nichts mehr zu holen!
Nach den Rennen am Sonntag geht es heim. Diesmal mit Zwischenstopp in
Troyens, einer wunderbaren mittelalterlichen Stadt mit ganz besonderem Fachwerkstil und 18(!) Kathedralen. Montagmorgen sind wir wieder in Durbach.
Pünktlich zur Mittagszeit hole ich Töchterchen Marla vom Kindergarten ab.
„Papi, wo warst Du?“ „In Le Mans!“ Sehen Sie: geht doch!
44
45
RITTER – das 4-Sterne-Magazin aus Durbach
www.danner-weingut.de