Retten statt Ruinieren? - Rechtsanwaltskanzlei LIKAR

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INSOLVEN ZRECHTSÄNDERUNGSGESET Z 2010
Retten statt Ruinieren?
Das neue Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG 2010) ging am 20.08.2009 in Begutachtung,
wurde am 21.04.2010 vom Plenum des Nationalrats beschlossen und tritt am 01.07.2010 in
Kraft.
Kernpunkt der Reform ist der neu geschaffene Sanierungsplan. Des Weiteren soll mit dem
IRÄG 2009 ein einheitliches Insolvenzverfahren mit einheitlichen Verfahrensregelungen
geschaffen werden. Das Insolvenzverfahren ist entweder als Konkursverfahren oder – im Fall
der Vorlage eines Sanierungsplans noch vor Eröffnung – als Sanierungsverfahren zu
bezeichnen. Wird im Sanierungsplan eine Quote von zumindest 30 % angeboten und ist das
Verfahren qualifiziert vorbereitet, soll der Schuldner die Eigenverwaltung unter Aufsicht
eines Sanierungsverwalters erhalten.
1. Inhalt und Ziele:
Das auf Sanierung ausgerichtete Ausgleichverfahren wird laut statistischen Erhebungen in der
Praxis kaum genützt. Sanierungen kommen stattdessen häufig nur mit Hilfe des
Zwangsausgleichs im Rahmen des Konkursverfahrens zustande. Bei Eröffnung eines
Konkursverfahrens wird aber von Seiten der Schuldner eine Stigmatisierung befürchtet.
Deshalb stellen Schuldner Konkurseröffnungsanträge häufig zu spät, wodurch die Sanierung
erschwert wird.
Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise werden Sanierungen nunmehr erleichtert. Anstelle
der
Unterteilung
Insolvenzverfahren,
in
Konkurs-
welches
bei
und
Ausgleichsverfahren
rechtzeitiger Vorlage
eines
tritt
ein
einheitliches
Sanierungsplanes
als
Sanierungsverfahren, ansonsten als Konkursverfahren zu bezeichnen ist. Damit sollen die
Schuldner zu einer früheren Antragstellung motiviert werden. Um die Sanierung im
Insolvenzverfahren zu fördern, soll dem Schuldner für einen beschränkten Zeitraum der
Spielraum zur Vorbereitung der notwendigen Maßnahmen gegeben werden: So ist die
Auflösung von Verträgen durch Vertragspartner des Schuldners nur in Ausnahmefällen mehr
möglich und der Zugriff der gesicherten Gläubiger weiter aufgeschoben.
UID-Nummer ATU64482508, P-Code: P630339, DVR-Nummer 3000005
Firmenbuchgericht: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz
Landes-Hypothekenbank Steiermark AG, BLZ 56000, Kto.Nr. 20101000061
-2-
Der Zwangsausgleich wird ab 01.07.2010 als Sanierungsplan bezeichnet werden. Die
Anforderungen an den Sanierungsplan werden im Wesentlichen beibehalten. Gegenüber dem
Zwangsausgleich ist der Sanierungsplan vor allem in drei wesentlichen Punkten verbessert:
Die Annahme eines Sanierungsplans wird dadurch erleichtert, dass die Kapitalquote von
derzeit 3/4 auf die einfache Mehrheit (Kopfmehrheit der erschienenen Gläubiger) reduziert
wird. Es wird daher ausreichen, wenn die Gesamtsumme der Forderungen der zustimmenden
Konkursgläubiger mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Forderungen der anwesenden
Konkursgläubiger beträgt.
Weiters ist ein sogenanntes absolutes Wiederaufleben nicht mehr zulässig.
Überdies wird nach vollständiger Erfüllung des Sanierungsplans dem Schuldner die
Möglichkeit gegeben, eine Löschung aus der Insolvenzdatei zu erwirken, um im
Geschäftsverkehr nicht mehr durch Bekanntmachung eines früheren Insolvenzverfahrens
beeinträchtigt zu sein.
2. Verträge bei Konkurseröffnung:
Die Fortführung und damit die Sanierung des Unternehmens kann derzeit auch am Verhalten
von Vertragspartnern des Unternehmens scheitern, insbesondere wenn die Vertragspartner
Verträge über wiederkehrende Leistungen kündigen, was derzeit aus Anlass der
Konkurseröffnung zulässig ist. Es wird daher das ordentliche Kündigungsrecht und das
Rücktrittsrecht des Vertragspartners wegen Verzugs des Schuldners vor Verfahrenseröffnung
ausgeschlossen. Durch diese Maßnahmen soll die Fortführung des Unternehmens im
Insolvenzverfahren erleichtert werden.
3. Gesicherte Gläubiger:
Absonderungsrechte
werden
durch
die
Konkurseröffnung
nicht
berührt.
Die
Absonderungsgläubiger können versuchen, ihre Ansprüche durch Verwertung des
Absonderungsguts auch während des Konkursverfahrens geltend zu machen. Eine Ausnahme
ist schon derzeit in § 11 KO für eine Frist von 90 Tagen ab Konkurseröffnung vorgesehen.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Erfüllung des Absonderungsanspruchs die Fortführung des
Unternehmens gefährden könnte. Die Praxis zeigt, dass diese Frist zu kurz ist, weil die
Berichtstagsatzung in der die Weichenstellung über das weitere Schicksal des Unternehmens
getroffen werden soll, spätestens nach 90 Tagen stattzufinden hat und hierauf dem
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Unternehmer jedoch noch weitere 90 Tage zur Verfügung stehen, um im Rahmen des
Verfahrens einen Zwangsausgleich zu erreichen. Es wird daher diese Frist von 90 Tagen
verdoppelt.
4. Verwertung:
Der Absonderungsgläubiger kann auch die seit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
laufenden Zinsen begehren. Es wird in § 48 Abs 1 IO aber eine Einschränkung der Zinsen auf
die bei vertragsgemäßer Zahlung vereinbarte Höhe vorgesehen. Diese Beschränkung der
Zinsen gilt während des Insolvenzverfahrens, höchstens aber sechs Monate. Außerdem fällt
die Beschränkung weg, wenn das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens
nach § 123a IO aufgehoben wird. Ist der Absonderungsgläubiger zugleich Insolvenzgläubiger
und sind die (weiteren) Zinsen nicht mehr gedeckt, so wirkt sich dies nicht mehr auf den
Teilnahmeanspruch des Absonderungsgläubigers an der allgemeinen Masse aus (s § 132 Abs
6 IO). Das bedeutet, dass durch den Zinsenlauf (und Kosten) kein Ausfall entstehen kann,
wenn der Absonderungsgläubiger bei Eröffnung voll besichert ist; ein zu diesem Zeitpunkt
bereits bestehender Ausfall kann sich nicht mehr vergrößern.
Um die Insolvenzmasse und damit den zu verteilenden Betrag zu vergrößern, wird
vorgesehen,
dass
gem
§
12d
IO
die
Zwangsverwaltung
mit
Eröffnung
des
Insolvenzverfahrens erlischt.
Eine Sanierung des Unternehmens kann auch durch dessen Übertragung auf einen Dritten
geschehen. Um das Unternehmen nicht zu einem unangemessen niedrigen Preis verkaufen zu
müssen, kann in Zukunft das Unternehmen vom Masseverwalter nicht nur ein Jahr,
verlängerbar um ein weiteres Jahr, fortgeführt werden, sondern kann nach § 115 Abs 4 IO die
Jahresfrist auch mehrmals, jedoch höchstens insgesamt um zwei Jahre, erstreckt werden.
Voraussetzung hiefür ist wie derzeit, dass die Schließung dem gemeinsamen Interesse der
Gläubiger widerspricht oder andere gleich wichtige Gründe vorliegen.
5. Sanierungsplan:
Ein notwendiges Element des Sanierungsverfahrens ist der Sanierungsplan, der jedoch auch
im Konkursverfahren dem Schuldner zur Verfügung steht. Er entspricht im Wesentlichen dem
alten Zwangsausgleich.
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•
Abstimmung: Die Annahme eines Sanierungsplans wird dadurch erleichtert, dass die
Kapitalmehrheit von derzeit drei Viertel auf die einfache Mehrheit der bei der
Tagsatzung anwesenden Insolvenzgläubiger, die schon derzeit bei der Kopfmehrheit
maßgebend ist, reduziert wird (§ 147 Abs 1 IO).
•
Ist eine Forderung strittig oder durch ein Absonderungsrecht gesichert, so ist eine
Entscheidung über das Stimmrecht nicht immer zu treffen, sondern nur, wenn dies
aufgrund des Abstimmungsergebnisses von Bedeutung ist (§ 93 Abs 3 und 4 IO).
•
Einem Absonderungsgläubiger, der zugleich Insolvenzgläubiger ist, steht ein
Stimmrecht als Insolvenzgläubiger überhaupt nur dann zu, soweit er dies begehrt (§
93 Abs 2 IO).
•
Wirkungen: Bei Bestätigung des Sanierungsplans ist die gesicherte Forderung mit dem
Wert der Sache begrenzt, an der das Absonderungsrecht besteht (§ 149 Abs 1 IO). Der
Absonderungsgläubiger hat im Fall des Sanierungsplans somit das Absonderungsgut
freizugeben, wenn die gesicherte Forderung mit einem Betrag in der Höhe des Werts
des Absonderungsguts beglichen wird. Ein neuerliches Ansteigen der gesicherten
Forderung durch das Anfallen von Zinsen bei verspäteter Zahlung (ausgehend vom
bereinigten, mit dem Wert des Absonderungsguts begrenzten Stand) wird dadurch
nicht gehindert.
•
Das so genannte absolute Wiederaufleben kann nur mehr ausnahmsweise vereinbart
werden, uzw wenn bereits in den letzten fünf Jahren vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens ein Sanierungsplan abgeschlossen worden ist.
•
Erfüllung: § 66 AO über die vorläufige Feststellung bestrittener oder des Ausfalls der
durch ein Absonderungsrecht teilweise gesicherter Forderungen zur Verhinderung des
Verzugs wird als § 156b IO übernommen. Gegen diese vorläufige Entscheidung ist in
Zukunft kein Rekurs zulässig. Um Verzug bei einer strittigen Forderung zu
verhindern, reicht es aus, wenn die Forderung mit dem festgesetzten Betrag
sichergestellt wird, Zahlung ist nicht mehr geboten.
•
Nach vollständiger Erfüllung des Sanierungsplans wird dem Schuldner ermöglicht,
eine Löschung aus der Insolvenzdatei und dem Firmenbuch zu erwirken (§ 256 Abs 3
-5-
IO), um auch im Geschäftsverkehr nicht mehr durch Bekanntmachung eines früheren
Insolvenzverfahrens behindert zu sein.
•
Im Treuhändersanierungsplan kann nach § 157i Abs 1 IO vorgesehen werden, dass der
Treuhänder bestimmt zu bezeichnende Ansprüche geltend zu machen hat, aus deren
Beträgen die Insolvenzgläubiger zu befriedigen sind; insb die Hereinbringung offener
Forderungen und Anfechtungsansprüche.
6. Sonstige Änderungen
Neben diesen grundsätzlichen Änderungen gibt es noch zahlreiche Einzeländerungen. Zu
erwähnen sind:
•
Dem Insolvenzverwalter gebührt der Entlohnungsbaustein für die Fortführung ab der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn er einen Kostenvoranschlag innerhalb eines
Monats ab Eröffnung vorlegt (§ 82 Abs 3 IO);
•
die Rekursentscheidung ist bekannt zu machen, wenn auch die erstgerichtliche
Entscheidung bekannt zu machen war und nicht zur Gänze bestätigt worden ist (§ 260
Abs 5 IO);
•
ein Gläubigerschutzverband kann sich auf die ihm erteilte Vollmacht berufen und
muss sie nicht vorlegen (§ 253 Abs 3 IO).
Das IRÄG 2010 bringt eine umfassende Reform des Unternehmensinsolvenzrechts, bei der
die Sanierung im Vordergrund steht. Sie ist grundsätzlich auf neu eröffnete Verfahren
anzuwenden.
Ausnahmen
hievon
gibt
es
va
für
die
Änderungen
beim
Zwangsausgleich/Sanierungsplan, wo es nach § 273 Abs 5 IO auf das Einlangen des
Sanierungsplanantrags bei Gericht ankommt. Die neuen Mehrheitserfordernisse gelten bereits
dann, wenn die Tagsatzung nach dem 30. 6. 2010 stattfindet. Mit dem IRÄG 2010 wird ein
einheitliches Insolvenzverfahren geschaffen. Die größte Bedeutung in der Praxis werden aber
die neu geschaffenen Auflösungsverbote für Verträge haben.