Wissensmanagement im Pharmabetrieb - GMP

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Wissensmanagement im Pharmabetrieb - GMP
LOGFILE Nr. 03 / Januar 2016
Maas & Peither AG – GMP-Verlag
Wissensmanagement im Pharmabetrieb
von Susanne Sailer
Wie macht man Daten zugänglich? Wie generiert man aus Daten Informationen? Aus Informationen Wissen? Was ist Wissen überhaupt? Fragen über Fragen; manche handfest, manche philosophisch - allesamt mündeten sie an den GMP-BERATER-Tagen in angeregten Diskussionen.
Experten in der Dialogrunde "Wissensmanagement" waren Dr. Rainer Gnibl (Regierung von
Oberbayern) und Dr. Frank Böttcher (Labor L+S AG). Im Folgenden haben wir einige Highlights
des Gedankenaustauschs zusammengefasst.
Das Eingangsstatement von Rainer Gnibl offenbarte gleich zu Beginn ein grundlegendes Dilemma. Er habe sich, so der erfahrene GMP-Inspektor, zugegebenermaßen schwer damit getan, eine
fünfminütige Einführung in das Thema vorzubereiten. Deutlich einfacher wäre es gewesen,
ausführlich darüber zu referieren oder aber nur einen einzigen Satz zu formulieren. Denn viel
mehr geben im Übrigen auch die Regularien nicht her. Außer dem Begriff an sich findet sich
kaum etwas über Wissensmanagement. Im ICH Q10 Pharmaceutical Quality Systems heißt es
lediglich:
Grundlagen für das Pharmaceutical Quality System sind
 Knowledge Management (KM)
 Quality Risk Management (QRM).
Auch im EU-GMP-Leitfaden Part I, der auf besagte ICH-Guideline referenziert, wird der Begriff
genannt, nicht aber erläutert oder gar vorgeschrieben, wie Wissensmanagement angelegt werden soll. Rainer Gnibl konnte diesem vermeintlichen Defizit aber eine gute Seite abgewinnen:
"Dass nicht viel in den Regularien steht, sollten Sie positiv sehen. Es braucht keine neuen Systeme, sondern es genügt die geltenden Bestimmungen einzuhalten. Meist sind ausreichend Daten
vorhanden. Werden sie risikobasiert bewertet, fließen sie ins Change Management ein, unterliegt dieses einem regelmäßigen Review und funktioniert die Kommunikation, dann betreiben
Sie - auch ohne es so zu benennen - vorbildliches Wissensmanagement. Sorgen sollten sich nur
diejenigen machen, die Datenfriedhöfe horten, ohne eine ehrliche Auswertung vorzunehmen."
Bevor es an die Detailfragen ging appellierte Frank Böttcher daran, sich klar zu machen, warum
man überhaupt Wissensmanagement betreibe: "Was wollen wir damit erreichen? Wir brauchen
den strukturierten, systematischen und risikobasierten Umgang mit Wissen,



um die Qualität kontinuierlich zu steigern,
um Probleme zu lösen und
als Entscheidungshilfe bei Planungen.
Diese Ziele dürfen wir - wenn wir über Wissenmanagement reden - nicht aus den Augen verlieren."
Kurz und bündig:
Knowledge Management …
• ist wesentlicher Bestandteil der Qualitätskultur einer Firma
• Basis: funktionierendes QS-System
• beschreibt die risikobasierte Verknüpfung bereits bestehender Qualitäts-/ Qualitätssicherungssysteme
• erfordert nicht die Implementierung neuer (QS)-Systeme
• erfordert nicht die Erzeugung zusätzlichen Daten oder Quellen
• ist kein neuer oder zusätzlicher Ansatz.
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Wie startet man?
Aller Anfang muss nicht schwer sein - darin waren sich die Experten einig: "Es gibt immer denselben roten Faden," so Frank Böttcher. "Um ein Produkt zu verbessern, sollte man sich überlgen, was sich auf dessen Qualität auswirkt. Deshalb muss man in einem ersten Schritt


Datenquellen und
die qualitätsrelevanten Schritte für einen Prozess oder ein Produkt identifizieren."
Mögliche Datenquellen sind:
 QS-Systeme (Change Control, Deviation Control, OOS, CAPA, Ongoing Process Verification, PQR, QRM, Complaint Management, Lieferantenmanagement)
 Monitoringsystem (Umgebungsmonitoring, Personalmonitoring, Personalschulung, Wareneingangs-/Produktprüfung, IPCs, Stabilitätsprüfung, Prozessleistungsfähigkeit, Validierung, Qualifizierung/ Requalifizierung)
 Weitere (Development, Technologie Transfer, Öffentliche Informationen)
 Tertiärquellen (externe Daten)
Wie beurteilt die Behörde Wissensmanagement?
Eine Frage, die vor allem GMP-Inspektor Rainer Gnibl forderte: "Ich kann nur prüfen, was die
Guidelines hergeben. Und das ist wie gesagt eher dürfig. Es gibt viele individuelle, unternehmnespezifische Lösungen. Aber Wissen muss effizient eingesetzt und es muss ehrlich damit
umgegangen werden. Wir erwarten das korrekte Abarbeiten von Beanstandungen, risikobasierte Bewertungen, Ursachenanalysen, CAPA, Change Management und PQR. Kurz: Wir erwarten
ein funktionierendes Qualitätssicherungssytsem, in dem die qualitätsrelevanten Prozesse miteinander verknüpft sind."
Wissenswert:
Was ist Wissen? Der Duden behilft sich mit der ihm eigenen sachlichen Umschreibung und definiert es als
1. Gesamtheit der Kenntnisse, die jemand [auf einem bestimmten Gebiet] hat oder die
2. Kenntnis, das Wissen von etwas.
Als Synonyme nennt er Begriffe wie Bildung, geistiges Kapital, Kenntnisse, Knowhow, Sachkenntnis,Sachverstand, Einsicht, Erkenntnis, Gewissheit, Kennerschaft oder Kenntnis.
Der chinesische Philosoph Konfuzius hat es etwas griffiger ausgedrückt: "Zu wissen, was man
weiß, und zu wissen, was man tut, das ist Wissen." Weise Worte, die nach zweieinhalbtausend
Jahren nichts an Gültigkeit eingebüßt haben und den Begriff Wissen auch im Zusammenhang
mit der Good Manufacturing Practice treffend umschreiben.
Welche Daten beziehungsweise Informationen sollen zugänglich gemacht werden?
Wissensmanagement beschäftigt sich mit dem Erwerb, der Entwicklung, der Speicherung sowie
der Nutzung von Wissen. Keinesfalls versteht man darunter das ungefilterte Bereitstellen aller
verfügbaren Daten. Vielmehr gilt es jene Informationen aus dem endlosen Datenpool auszuwählen, die qualitätsrelevant sind. Relativ leicht fällt das vor dem Hintergrund der lebenslangen
Validierung für neuere Produkte. Hier besteht die eigentliche Herausforderung darin Wissenstransfer über Schnittstellen hinweg zu gewährleisten, zum Beispiel zwischen Entwicklung und
Herstellung. Bei Altprodukten verhält es sich anders. Frank Böttcher: "Wissensmanagement ist
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vor allem prospektiv gerichtet. Bei Altprozessen sind weniger Daten aus der Entwicklung dafür
aber Daten aus der bisherigen Herstellung und Prüfung vorhanden. Im Nachhinein „Entwicklungsdaten“ zu produzieren, ist wenig sinnvoll. Sie würden das Produkt nicht verbessern."
Wie werden Daten zugänglich gemacht?
Vorhandenes Wissen muss genutzt werden und gegebenenfalls auch zu Verhaltensänderungen
führen, das heißt, Wissen muss auch wieder zurückfliessen und bei Bedarf gefunden werden.
Damit bei Abfragen die Trefferwahrscheinlichkeit stimmt, muss die Selektion relevanter Daten
über Metadaten möglich sein. Nur wenn die Daten mit entsprechenden Zusatzinfos, Textpassagen und Stichwörtern hinterlegt sind, wird der Kollege in Japan sie auch finden.
Tacit Knowledge und firmenübergreifender Wissenstransfer
Nicht immer sind sich Mitarbeitende ihres Wissens bewusst. Nicht alles ist schriftlich hinterlegt.
Dieses implizite oder stille Wissen (tacit knowledge) ist schwierig zu managen. Oft verlässt ein
Mitarbeiter das Unternehmen und mit ihm viel wertvolles Detailwissen. Teamwork und Kommunikation sind daher essenziell, wenn man das Wissen jedes einzelnen einbinden will. Eine fortlaufende Herausforderung, die ganz wesentlich zu einem funktionerenden Wissenmanagemnt
beitragen.
Die Pharmabranche gilt als eher verschlossen. Bemängelt wurde daher von einigen Teilnehmern,
dass firmenübergreifender Wissenstransfer kaum stattfindet. "Einen Teil dieses Austauschs unter
Fachleuten zu ermöglichen und zu unterstützen, ist Aufgabe des GMP-Verlags," so Thomas
Peither. Veranstaltungen wie die GMP-BERATER-Tage tun ihren Teil dazu. Als Leiter der Redaktion schob er auch gleich die Aufforderung nach, doch auch einmal die eigene Expertise als Autorin oder Autor mit einzubringen.
Die schönsten Impressionen von den GMP-BERATER Tagen 2015 finden Sie hier.
Die nächsten GMP-BERATER Tage finden am 27./28.10.2016 in Schloss Reinach bei Freiburg statt.
Autorin
Susanne Sailer
Maas & Peither AG GMP-Verlag, Schopfheim
E-Mail: [email protected]
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