FISCH UND UMWELT Radioaktivität in Fischen aus Bereichen der

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FISCH UND UMWELT Radioaktivität in Fischen aus Bereichen der
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Infn Fischwirtseh. 41 (4), 1994
FISCH UND UMWELT
Radioaktivität in Fischen aus Bereichen der Nordsee und aus
Seegebieten bei den Färöer Inseln und Island
G. Nagel mid G. Kanisch, Institut für Fischereiökologie, Hamburg
In Ergänzung zu den seit 1982 nahezu jährlich, jeweils im Januar, mit dem FFS "Walther Herwig" u.a. zum Zwecke der Untersuchung der Radioaktivität in Fischen durchgeführten Reisen in
die Nordsee (Kanisch und Nagel, 1992) wurden 1991 bis 1993,jeweils im Sommer, entsprechende
Fahrten durchgeführt, die bis nach Island führten. Ziel war es festzustellen, ob in den Fischen bei
den Färöern und bei Island noch ein Einfluß der Ableitungen der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield in die Irische See nachgewiesen werden kann.
Die Probenahme und die Messung der Radionuklide wurde bereits kurz dargestellt (Kanisch
und Nagel, 1992). Die Caesiumisotope 137CS und 134CS wurden im Filet bestimmt, die Silberisotope llOmAg und I08mAg in der Leber. Folgende Fischarten wurden untersucht: Kabeljau (Gadus
morhua), Hering (Clupea harengus), Rotbarsch (Sebastes spec.), Seelachs (Pollachius virens),
Makrelen (Scomber scombrus), Schellfisch (Melanogrammus ueglefinus), Schollen (Pleuronectes
platessa), Kliesche (Limanda limanda), grauer Knurrhahn (Eutrigla gurnadus), Wittling (Merlangius merlangus) und Sprotte (Sprattus sprattus). Im folgenden werden die Radionuklidgehalte in
ausgewählten Fischarten diskutiert.
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= 1.0 Eq/kg FM im Killbeljllufilet 1991 -
1993
Abb. I: 137CS (Bq/kg FM) in Kabeljaufilet (Gadus morhua) Nordscc-Island (1991 his 1993)
Der Abbildung I, die die räumliche Verteilung der 137Cs-Gehalte im Kabeljau (in Bq/kg FM;
FM: Feuchtmasse) in den Jahren 1991 bis 1993 zeigt, sind in den eingezeichneten ICES-Gebieten
(IVb: zentrale Nordsee; IVa: nördliche Nordsee; Vb I: Färöer und Va: Island) auch die Positionen
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der untersuchten Fanggebiete zu entnehmen. Die Proben anzahlen je Station sind klein, so daß realistische Standardabweichungen nicht angegeben werden können. Abbildung I weist jedoch auf
eine Abnahme des I37Cs-Gehaltes im Kabeljau von der zentralen Nordsee nach lsland hin. Faßt
man die Radionuklidgehalte an den einzelnen Stationen in den jeweiligen ICES-Gebieten zusammen, ergegben sich die in Abbildung 2
dargestellten Mittelwerte. Die Mittelwerte für die
zentrale und nördliche Nordsee belegen den Einfluß der Wiederautbereitungsanlage Sellafield,
wobei entlang der Deutschen Nordseeküste auch
ein geringer Einfluß der Ableitungen der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague
angenommen werden kann. Die den Jahresberichten des MAFF ("Ministry of Agriculture,
Fisheries and Food") für 1991 und 1992
IVb
lVa
Vb1
Va
(MAFF, 1993 und 1993a) entnommenen I37CSGebietseinteilung nach ICES
Werte für Kabeljau aus der nördlichen und der
zentralen Nordsee, entsprechen den von uns
mIl '99' D 1992l!§l!11993
gefundenen Werten.
Abb.2: 137Cs Aktivitäten im Kabeljaufilet (Gadus morhua)
Für das Färöer-Gebiet scheint der von uns bestimmte Mittelwert für 1992 etwas überhöht: Wie
Abbildung I zu entnehmen ist, geht neben der westlich der Färöer gelegenen Station (1991-1993)
im Jahre 1992 auch eine Station am östlichen Rand des Gebietes Vbl ein, deren Probe einen deutlich höheren Einzelwert aufweist. Würde man diese Einzelprobe auslassen, würde in Abbildung 2
der Wert für 1992 0,28 Bq/kg FM betragen. Unter Auslassung des höheren Einzelwertes östlich
der Färöer sind also die über die Jahre 1991 bis 1993 gemittclten I37Cs-Gehalte im Kabeljau bei
den Färöern (0,29 Bq/kg Feuchtrnasse ) und lsland (0,28 Bq/kg FM) identisch und zeigen auch keinen zeitlichen Trend. Aus Ergebnissen jährlicher Untersuchungen des MAFF läßt sich für 1991
und 1992 ein mit unserem Ergebnis übereinstimmender I37Cs-Mittelwert in lsland-Kabeljau von
0,29 Bq/kg FM ermitteln (MAFF, 1993 und 1993a). Ein ganz ähnlicher Wert ist für 1990 einer
Grafik über Kaheljau von den Färöern einem dänischen Report (Aarkrog et al., 1992) zu entnehmen. Unter Verwendung eines I37Cs-Konzentrationsfaktors für Kabeljau, der vom MAFF für die
Nordsee zu 92 bestimmt wurde (Stee1e, 1990) kann man vom I37Cs-Gehalt im Kabeljau (0,29
Bq/kg FM für Färöer und lsland) auf eine 137Cs-Konzentration im Wasser von 3,2 mBqlL schließen. Dies entspricht in etwa dem auf den Kernwaffenfallout zurückgehenden Hintergrundwert für
Nordatlantikwasser, für den etwa 2,5 mBq/L angegeben werden (Dahlgaard et al., 1994).
Für die Fanggebiete bei den Färöer Inseln und Island sind die I37Cs-Mittelwerte in verschiedenen Fischarten in der Tabelle I zusammengestellt.
Tab. I: "7Cs (in Bq/kg Feuchtrnasse) im Fischfilet von den Färöern und !sland (Proben anzahlen in
Klammem)
Gebiet
Jahr
Kabeljau
Vbl
(Färöer)
1991
1992
1993
1991
1992
1993
0,26
0,28
0,33
0,27
0,30
0,27
Va
(Island)
(I)
(I)
(I)
(4)
(3)
(3)
Rotbarsch
Seelachs
0,40(1)
0,33 (I)
0,30 (2)
0,28 (2)
0,23 (3)
0,23 (2)
0,54 (I)
0.32(1)
0,45 (I)
Schellfisch
0,17(2)
0,22 (1)
0,11(1)
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Für den in den nördlichen Fanggebieten untersuchten Rotbarsch sind die 137Cs-Mittelwerte einzelner Stationen in Abbildung 3 dargestellt.
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0.5 Bq/kg FM Cs-137 im
Rotbarschfilel 1991 -
1993
Abb.3: 137Cs (Bq/kg FM) in Rotbarschfilcl (Sebastes mar.) Nordscc-Island (1991-1993)
Das Nuklid 134CS wurde im wesentlichen nur in der zentralen und nördlichen Nordscc nachgewiesen: das Aktivitätsverhältnis 134CS/'37CS im Kabc1jaufilet war dort etwa 4-fach niedriger als
das aus dem Tschernobylfallout erwartete, d.h., nur etwa 1/4 des im Nordseekabe1jau gemessenen
137Cs stammt vom Tschernobylfallout, etwa 3/4 sind auf die Abgaben der Wiederaufarbeitungsanlagen Sellafield und La Hague zurückzuführen. In Fischfilet von den Färöern und Island wurde
!)4CS aus dem Tschernobylfallout nicht mehr mit genügender Sicherheit nachgewiesen. Dies
unterstützt das Ergebnis dänischer Untersuchungen, nach denen ein Einfluß des Tschernobylfallouts auf 137Cs im Kabeljaufilet von den Färöern nur bis 1990 festgestellt wurde (Aarkrog ct al.,
1992).
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Jahr
• Kabeljau I!!I Hering •
Scholle •
Kliesche
AbbA: 137Cs im Fleisch von Nordsccfischcn (Probenahme jeweils im Januar d. Jahres)
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Zum Vergleich mit den hier dargestellten Daten zeigt Abbildung 4 die während der Januar-Fahrten
erhobenen mCs-Daten im Kabeljaufilet aus der gesamten Nordsee. Im Januar 1994 konnten von
der gesamten Nordsee leider nur sehr wenige Proben erhalten werden. Die Abnahme des 137CS im
Nordseekabeljau (seit 1982 gemessen) ist eine Folge der seit etwa 1977 begonnenen stetigen
Reduktion der Ableitungen der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield (Camplin und Aarkrog,
1989).
In der Kabeljauleber werden Silberisotope angereichert. So wurde schon seit längerem neben
dem auf Tschernobyl zurückgehenden kürzerlebigen IIOmAg (Halbwertszeit 250 Tage) das langlebige Isotop 108mAg (Halbwertszeit 433 Jahre) nachgewiesen (Kanisch und Nagel, 1992; Kanisch
und Nagel, 1990), dessen Herkunft nicht ganz geklärt ist. Abbildung 5 zeigt für die ICES-Gebiete
die Mittelwerte für I08mAg in der Kabeljauleber, die sehr klein sind und für eine Strahlenexposition des Menschen keinerlei Bedeutung hat. Vor dem Hintergrund der schwierigen gammaspektro0,
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Vb1
Gebielseinteilung nach ICES
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1991
D
1992 ~ 1993
v.
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sowie geringer Probenanzahlen kann kein signifikanter Unterschied zwischen den vier ICESGebieten festgestellt werden. Da einerseits praktisch kein Einfluß von Sellafield- 137 Cs auf
Kabeljaufilet von den Färöern und Island festzustellen war, andererseits I08mAg in der Leber aus
diesen Gebieten jedoch gemessen wird, scheidet
Sellafield als Quelle dafür aus. Es spricht sehr
viel dafür, daß das langlebige I08mAg auch jetzt
noch auf den oberirdischen Kernwaffenfallout
zurückgeht.
Abb.5: 108m Ag-Aktivitäten in Kabeljaulebem (Gadus morhua)
Zur Beantwortung der eingangs gestellten Frage wird festgestellt, daß sich ein Einfluß der
Ableitungen der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield auf die 137Cs-Gehalte in Fischen
von den Färöern und Island nicht nachweisen ließ. Auswirkungen des Tschernobylfallouts auf
Fischproben dieser Gebiete konnten 1991-1993 nicht mehr gefunden werden. Beide Aussagen
gelten auch für das Silberisotop I08mAg in der Kabeljauleber.
Zitierte Literatur
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Camplin, W.C.; Aarkrog, A. (Rapporteurs): Radioactivity in north European waters: Report of Working Group II
ofCEC Projecl MARINA. Fisheries Laboratory Lowestoft. Fish.Rcs. Dala Rcp. (20),1989.
Dahlgaard, H.; Chen, Q.; Herrmann, J.; Nies, H.; Ibbett, R.D.; Kcrshaw, P.J.: On the Background Level of 99Tc,
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lo the Baltic Sea using Radioactive Tracers. Final Rcport of the MAST-52 Projcct Oct. 1990 - Sept. 1993.
Coordinator: H. Dahlgaard. Journal ofMarine Systems (eingereicht), 1994.
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MAFF Direc!. Fish. Res., Lowestoft, (38): 66pp, 1993a.
Steele, A.K.: Derived Conccntration Factors for Caesium-137 in Ediblc Soccics of North Sea Fish. Marine
PolluMn Bulletin (21): 591-594,1990.
18. Sitzung der Europäischen BinnenfischereiBeratungskommission (ElF A elF A 0)
V. Hilge Institut für Fischereiökologie, Außenstelle Ahrensburg
Die Europäische Binnenfischerei-Beratungskommission (EIFAC) wurde als Regionalorganisation der FAD
im Jahre 1957 gegründet. Es ist ihre Aufgabe, die Binnenfischerei zu fördern und fortzuentwickeln und die
Regierungen der Mitgliedsstaaten sowie die FAD in diesem Zusammenhang zu beraten. In der Zeit vom
24.5.-26.5.1994 fand unter der Leitung des Berichterstatters am Sitz der FAD in Rom die 18. Tagung der
EIFAC mit über 70 Delegierten und Beobachtern aus 26 Mitgliedsländern statt.
Ergebnisse
Die wichtigsten Entwicklungen und Ergebnisse der 18. Sitzung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Zahl der Mitglieder der EIFAC erh'ähte sich um Kroatien, Tschechische Republik, Estland, Litauen und
die Slowakei auf nunmehr 29 Länder. Die EU ist nicht nur Mitglied der FAD, sondern zugleich auch der
EIFAC. Damit gibt es nun insgesamt 30 EIFAC - Mitglieder.
Die Russische Föderation, die Ukraine sowie der ICES (International Couneil for the Exploration 01' the
Sea) waren durch Beobachter vertreten. Besonders mit dem lCES wird in bestimmten Bereichen gemeinsa-
men Interesses (z.B. Biologie des Aals, Wasserbelastung durch Fischzucht, Flußmündungsgebiete, Introduktionen, Fischkrankheiten, Statistik) zukünftig eine verstärkte Zusammenarbeit angestrebt und hoffentlich verwirklicht werden.
Im Verlauf der Tagung zeichnete sich ein steigendes Interesse der südeuropäischen Staaten an der Binnenfischerei und Aquakultur im Süß- und Brackwasser ab.
Die Bedeutung der Freizeitfischerei (hierzu zählen Subsistenz- und Sportfischerei) tritt immer deutlicher
zutage, obwohl für eine eingehende Würdigung noch in erheblichem Maße Hintergrundmaterial fehlt. Es
wird die Aufgabe einer neugeschaffenen Arbcitsgruppe sein, hier existierende Lücken zu schlicßen. Die
Zahl von über 20 Mio. Freizeitfischern im Bereich der ElF AC-Mitglieds länder gibt einen ersten Eindruck
von der sozio-ökonomischen Bedeutung und der Fischerei- und Umweltrelevanz dieses Sektors der Binnenfischerei.
Der Gesamtertrag aus der Fluß- und Scenfischerei und der Aquakultur in Europa unter Einschluß der baltischen Staaten, der Nachfolgestaaten Jugoslawiens und der Russischen Föderation betrug 1992 voraussichtlich über 830000 t. Die Fänge der Freizeitfischerei aus den europäischen Binnengewässern sind dagegen
bisher nicht quantifiziert. In den nächsten Jahren soll in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Diensten
des ICES und der EU mit Nachdruck versucht werden, die vorhandenen Statistiken zu verbessern. Auch
eine umfassende Darstellung der Erträge aus den verschiedenen Bereichen der Binnenfischerei unterstützt
letztlich eine adäquate Vertretung der fischereilichen Interessen auf der politischen Ebene.
Zur Verbesserung der Kommunikation zwischen der Kommission und den EIFAC-MitgJiedsländern wie
auch unter den Mitgliedern selbst soll der "EIFAC-Newsletter" beitragen, der inzwischen mit einer NullNummer erschienen ist und jetzt in einem ähnlichen Format wie andere FAO-Publikationen den Informationsaustausch verbessern soll. Längerfristig ist vorgesehen ein Informationsnetz aufzubauen, von dem alle
EIFAC-Mitgliedsstaaten partizipieren können. Dieses ist zugleich mit anderen Netzen l.B. innerhalh der
FAO, die für die Belange der Kommission von Interesse sind, locker verbunden.