Wissen über die Generation 80+

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Wissen über die Generation 80+
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Plattform Geriatrie
46. Jahrgang • Nr. 17 • 23. April 2014

Foto: Photographee.eu / Fotolia.com
Plattform
Geriatrie
Mit der „Plattform Geriatrie“ hebt
Medical Tribune die zunehmende
Bedeutung des interdisziplinären
Fachgebiets Geriatrie hervor und
lädt zu einer verstärkten Auseinan­
dersetzung mit den medizinischen
und psychosozialen Bedürfnis­
sen betagter und hochbetagter
Menschen ein. Lesen Sie Kon­
gressberichte sowie Interviews mit
Geriatern und holen Sie sich Tipps
und Anregungen für Ihre tägliche
Arbeit in Praxis und Klinik.
„Mentoren“ und wissenschaftliche
Berater der Plattform Geriatrie
sind die Präsidentin der Öster­
reichischen Gesellschaft für Geri­
atrie und Gerontologie (ÖGGG),
Univ.-Prof. Dr. Regina Roller-Wirns­
berger, und Prof. Dr. Franz Böhmer,
Ehrenpräsident der ÖGGG.
Die Kooperation­mit unseren
Partnern macht die Umsetzung der
„Plattform Geriatrie“ erst möglich:
austroplant
Mit der Hochaltrigenstudie werden die Bausteine für ein gesundes Altern analysiert, damit alternsfreundliche, bedarfsgerechte Infrastrukturen geschaffen werden können.
Österreichische Hochaltrigenstudie
Wissen über die Generation 80+
Dr. Georg
Ruppe
Der Anteil von Menschen über
dem 80. Lebensjahr wird sich, laut
OECD-Daten, in Europa bis 2030
fast verdoppelt und bis 2060 bereits verdreifacht haben. „Das ist
nicht nur demographisch interessant, sondern auch sozial- und gesundheitspolitisch von enormer Bedeutung“, gibt Dr. Georg Ruppe,
Geschäftsführer der ÖPIA, zu bedenken. In Österreich geht man davon aus, dass der Anteil der Bevölkerungsgruppe 80 plus bis 2050 von
4,8 auf 11,6 Prozent steigen wird.
Zum Vergleich: Noch stärker betroffen vom „Phänomen der Hochaltrigkeit“ werden Deutschland (von
5,1 auf 14,7 %) und Italien (von 5,9
auf 13,6 %) sein, deutlich schwächer
die Niederlande (von 4,0 auf 9,8 %).
Trotz dieser sehr greifbaren
Herausforderungen gab es in
Österreich­– im Unterschied zu den
meisten anderen europäischen Ländern – bislang kaum Forschung zur
Lebens-, Gesundheits- und Betreuungssituation der Bevölkerungsgruppe 80 plus. Die Österreichische
Interdisziplinäre Hochaltrigenstu-
die (ÖIHS), die von einem multidisziplinären Projektteam der ÖPIA
durchgeführt wird, soll erstmals
Forschungs- und Wissenslücken
schließen und einen internationalen
Vergleich ermöglichen.
Gesünderes Älterwerden
Das Projekt startete im Februar 2013 in Kooperation mit dem
Hauptverband, dem Gesundheitsund dem Sozialministerium, dem
Land Steiermark und der ÖPIA. Erhoben werden u.a.: Gesundheitszustand und Lebensstil, Wohn- und
Betreuungssituation, Inanspruch-
Explizit
„Wichtig ist uns,
die Studie sowohl
im ländlichen Raum
als auch in der Stadt
durchzuführen, mit
Menschen, die in Privathaushalten leben
und in Institutionen.“
Dr. Georg Ruppe
Foto: privat
WIEN/GRAZ – Der demographische Wandel in Österreich, das Altern der Bevölkerung, bedeutet auch, dass Hochaltrigkeit zum
Massenphänomen wird. Die Österreichische Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen (ÖPIA) untersucht im Rahmen einer Studie erstmals wissenschaftlich fundiert und umfassend die
­Lebenssituation der Generation 80 plus.
nahme von sozialen und medizinischen Leistungen, funktionelle
Kapazitäten, Ernährungssituation,
subjektive Lebensqualität sowie persönliche Präferenzen und Bedürfnissen der Altersgruppe 80 plus.
„Wir haben in den Regionen Wien
und Steiermark bereits über 400
ausführliche Face-to-Face-Interviews inklusive einzelner geriatrischer Assessments durchgeführt,
die nun noch durch vertiefende
qualitative Interviews ergänzt werden“, erklärt Dr. Ruppe das Vorgehen in der Praxis. „Zusätzlich wurde eine große Anzahl telefonischer
Kurzinterviews zu wesentlichen Parametern geführt. Wichtig ist uns,
die Studie sowohl im ländlichen
Raum als auch in der Stadt durchzuführen, mit Menschen, die in Privathaushalten leben und in Institutionen. Erste Ergebnisse werden wir
Ende 2014 präsentieren können.“
Die Erkenntnisse der Studie sind
auch für strategische und evidenz-
basierte politische Entscheidungen
in Zukunft von großer Relevanz.
„Wir müssen über die aktuelle Situation älterer Menschen Bescheid
wissen, und wir brauchen dazu auch
konkrete Daten, um die richtigen
Antworten auf drängende Fragen
z.B. nach ganzheitlicher Gesundheitsförderung, Prävention, Behandlung und integrierter Versorgung in einer alternden Gesellschaft
zu finden“, betont Dr. Ruppe. Es liege darin das Potenzial, um persönlich wie gesellschaftlich rechtzeitig
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für ein „gutes“ und auch
„gesünderes Älterwerden“ zu ermöglichen und zu gestalten.
Gesellschaftliche
Teilhabe
Das liebgewonnene Bild vom
Ruhestand nach dem Haupterwerbsalter müsse zunehmend in
Frage gestellt werden – so der Experte weiter. Heute gebe es eine 3.
Lebensphase ab zirka 60 Jahren, in
der ein Gros der Menschen geistig,
kulturell, sozial und teilweise auch
beruflich noch höchst aktiv ist –
bzw. das Potenzial dafür hätte. Tendenziell erst gegen die 4. Lebensphase hin lassen körperliche und
mentale Kräfte aus unterschiedlichen Gründen langsam nach.
In Deutschland zeigte eine Anfang 2014 erschienene Hochaltri-
genstudie des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg
auf, dass selbst hochbetagte Menschen sich nicht auf körperliche
Defizite reduzieren lassen wollen.
Sie sind überzeugt, dass ihre Lebenserfahrung eine Hilfe für nachfolgende Generationen bedeuten
kann. Ihnen fehlt es aber zumeist
an Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe. „Wenn wir beginnen, die 3. und 4. Lebensphase aktiver und bewusster zu gestalten,
bringt das große Potenziale und
Chancen mit sich“, ist Dr. Ruppe
überzeugt. „Altern betrifft uns alle
in den verschiedensten Lebensbereichen. Und die Politik muss daher in ihren verschiedenen Ressorts aktiv werden!
Die Studienergebnisse bieten
wesentliche Erkenntnisse und Referenzwerte für die Planung und
Gestaltung alternsfreundlicher Infrastrukturen und bedarfs- und bedürfnisgerechter Versorgungs- und
Sozialstrukturen intraund extramural!“ KaM
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Das Generalsekretariat der
European Union Geriatric
Medicine Society (EUGMS) ist
seit Anfang 2014 bei der ÖPIA
Geschäftsstelle in Wien angesiedelt
und wird von dieser betreut.
www.eugms.org, www.oepia.at

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