TRIBUNAL DE COMMERCE

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TRIBUNAL DE COMMERCE
L OTHAR P OLANZ
Avocat & Rechtsanwalt
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INSOLVENZVERFAHREN IN FRANKREICH
A. Historischer Rückblick :

Konkursordnung vom 10.12.1877

Französisches Gesetz vom 01.06.1924,
Die alte deutsche Konkursordnung aus dem Jahre 1877 galt zunächst auch in den bis
zum Jahre 1918 zum Deutschen Reiche gehörenden 3 ostfranzösischen Départements :
Haut Rhin
(Strasbourg)
Bas Rhin
(Mulhouse)
Moselle
(Metz)
Mit Gesetz vom 01.06.1924 hatte dann der französische Gesetzgeber beschlossen, die
Konkursordnung wie einige andere deutsche Gesetze in diesem lokalen Bereich
beizubehalten (GewO, §§ 74 f HGB, Lohnfortzahlung, Grundbuchrecht, Teile der ZPO).
Diese verschiedenen teilweise noch heute gültigen Bestimmungen ursprünglich
deutschen Rechts bezeichnet man als "droit local alsacien - mosellan".
In den vorgenannten 3 französischen Grenzdepartements gilt somit noch der in der
Konkursordnung ursprünglicher Fassung vorgesehene Grundsatz der Anwendung der
gesetzlichen Bestimmungen auch auf natürliche Personen.
Abgesehen von den Zugangsvoraussetzungen gelten somit gemäß Artikel 670-1 "Code
de Commerce" die Bestimmungen der französischen Insolvenzordnung (jetzt Artikel
620-1 f Code de Commerce - französisches Handelsgesetzbuch -) auch für natürliche
Personen.
VERFAHRENSVARIANTEN:
B.
Soweit es um die verschiedenen Verfahren im Rahmen oder anlässlich einer
französischen Insolvenz geht, sind prinzipiell folgende Verfahren denkbar :
I.
"Redressement et liquidation judiciaires" (Sanierungs- und Insolvenzverfahren)
Rechtsgrundlage war zunächst das Gesetz vom 25.01.1985 nebst
Durchführungsverordnungen vom 27.12.1985, wobei das Gesetz mittlerweile über
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die Artikel L.620-1 f Eingang in den Code de commerce (französisches
Handelsgesetzbuch) gefunden hat. Es ist Gegenstand einer Reform gewesen, die
das Insolvenzverfahren nunmehr im Rahmen des 6. Buches des
Handelsgesetzbuches neu gefasst hat.
Gemäß Artikel L.620-2 Code de commerce sind die gerichtlichen Verfahren zur
Rettung ("procédure de sauvegarde"), zur Sanierung ("procédure de
redressement judiciaire") und zur Liquidation des Unternehmens ("procédure de
liquidation judiciaire") anwendbar auf Kaufeute, Handwerker, Landwirte,
Freiberufer sowie juristische Personen des Privatrechts.
Demzufolge sind ausgeschlossen von diesen Verfahren natürliche Personen, die
nicht unter den vorbezeichneten Personenkreis fallen.
Das neu geschafene Verfahren zur Rettung eines Unternehmens ("procédure de
sauvegarde") soll im Folgenden nicht näher behandelt werden.
a)
Insolvenzgrund ist die "cessation des paiements" ( Artikel L.631-1 Code de
commerce), das heißt nach der Legaldefnition die Unmöglichkeit, mit
dem verfügbaren Aktivvermögen ("actif disponible") die fälligen
Verbindlichkeiten ("passif exigible") zu begleichen
b)
Das Verfahrensabschnitt ist prinzipiell zweiphasig aufgebaut, wobei in
einem
ersten
Verfahren
("redressement
judiciaire",
"Sanierungsverfahren")
während
einer
höchstens
-allerdings
verlängerbaren6-monatigen
Beobachtungsphase
("période
d’observation") geprüft wird, ob das Unternehmen durch z.B.
Fortführung oder Übernahme überlebensfähig ist. Für diesen
Verfahrensabschnitt bestellt das Insolvenzgericht einen "Mandataire
Judiciaire" ("Gläubigervertreter") der im Regelfall der spätere
Insolvenzverwalter ist, soweit das Liquidationsverfahren (zweiter
Verfahrensabschnitt: "Liquidation judiciaire") eröfnet oder in dieses
übergeleitet wird.
Von Ausnahmen abgesehen bestellt das Insolvenzgericht darüberhinaus
einen oder mehrere "administrateur/s" ("Verwalter"), die der
Geschäftsführung des Unternehmens zur Seite stehen, die im Übrigen
ihre Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis behält.
Soweit bereits bei Verfahrenseröfnung feststeht, dass eine Sanierung
nicht möglich ist, kann auch sofort das Liquidationsverfahren, deren Ziel
die Liquidation des Unternehmens ist, eröfnet werden (Art. L 640-1 Code
de commerce).
c)
Nach Abschluss des Verfahrens können -wie sich aus Artikel L.643-11 Code
de commerce ergibt- Klagen und Einzelvollstreckungsmaßnahmen wegen
ausgefallener oder nicht angemeldeter Forderungen von Ausnahmen
abgesehen (siehe unten) nicht mehr vorgenommen werden.
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II.
"Faillite personnelle"-Verfahren
Gemäß Artikel L.653-1 f Code de commerce kann bezüglich der natürlichen
Personen -bei juristischen Personen, deren ordentliche oder faktische
Geschäftsführer-, für die ein Sanierungs- bzw. Insolvenzverfahren eröfnet worden
ist, ein "Faillite personnelle" -Verfahren eröfnet werden.
Gegenstand dieses Verfahrens ist die Untersagung gemäss Artikel L.653-2 Code de
commerce, mittelbar oder unmittelbar ein kaufmännisches, handwerkliches,
landwirtschaftliches Unternehmen oder eine juristische Person mit
wirtschaftlichen Aktivitäten zu leiten, deren Geschäfte zu führen oder diese zu
überwachen.
III.
"Comblement du passif" - Verfahren
Gemäß Artikel L.651-2 Code de commerce kann das Insolvenzgericht innerhalb
einer Frist von 3 Jahren ab der Feststellung des Sanierungsplans (beim
Sanierungsverfahren) bzw. der Eröfnung des Liquidationsverfahrens bezüglich
der Geschäftsführer bzw. faktischen Geschäftsführer einer im Sanierungs- bzw.
Liquidationsverfahren befndlichen juristischen Person für den Fall, dass die Aktiva
die Passiva nicht abdecken, ein sogenanntes "Comblement du passif"-Verfahren
("Durchgrifshaftung") eröfnen.
Gemäß Artikel L.653-6 Code de commerce kann bezüglich der Geschäftsführer, für
die ein "Comblement du passif"-Verfahren eröfnet worden ist und die der ihnen
qua Urteil auferlegten Zahlungspficht nicht nachgekommen sind, ein
Insolvenzverfahren eröfnet werden.
IV.
"Surendettement"-Verfahren ("Verbraucherinsolvenz)
Gemäß den Bestimmungen des sogenannten "NEIERTZ"-Gesetzes vom 31.12.1989
nebst den Änderungen der Jahre 1995 und 1998 (nunmehr Artikel 330-1 f Code de
la Consommation "Verbrauchergesetzbuch") kann für Verbraucher ein
"Surendettement"-Verfahren ("Verbraucherinsolvenz") eröfnet werden.
Ausgeschlossen von diesem Verfahren sind neben den unter Punkt aa)
bezeichneten Personen auch Freiberufer, für die im Rahmen ihrer berufichen
Tätigkeit entstandenen Geschäftsschulden.
Gewerbliche Schulden können nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein.
Ziel dieses im Falle der Überschuldung eines Verbrauchers bei einem eigens
geschafenen Ausschuss der französischen "Zentralbank" ("Commission de
surendettement des Particuliers") zu beantragenden Verfahrens ist allerdings
nicht primär die Schuldbefreiung durch einen Schuldenerlass, sondern die
Anpassung der Verbindlichkeiten an die Leistungsfähigkeit des überschuldeten
Verbrauchers im rahmen eines "Schuldenbereinigungsplans".
V.
"Rétablissement personnel" – Verfahren ("persönliche Sanierung")
Der französische Gesetztgeber hatte im Jahre 2003 unter Anlehnung an das in den
Grenzdépartments Bas-Rhin, Haut-Rhin und Moselle anwendbare "Faillite civile"Verfahren ("Privatinsolvenz") auch für die unter Punkt 1- mit Ausnahme der
juristischen Personen des Privatrechts bezeichneten Personen sowie Freiberufer
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das persönlcihe Sanierungsverfahren unter der Bezeichnung "Rétablissement
personnel" eingeführt. Es handelt sich um ein Gesetz vom 01.08.2003, welches
dieses Verfahren über die Artikel L. 330-1 f in das Verbrauchergesetzbuch ("Code
de la Consommation") eingeführt hat.
Das Verfahren ist aber subsidiär zum "Verbraucherinsolvenzverfahren", so dass es
im Ermessen des hierfür zuständigen "Vollstreckungsrichters" (juge de
l'exécution) beim Amts- bzw. Landgericht) steht, zu entscheiden, ob die
Voraussetzungen für dieses Verfahren gegeben sind, insbesondere alle
Möglichkeiten des Schuldners für eine Schuldenbereinigung ausgeschöpft sind.
VI.
"Faillite-civile"-Verfahren ("Privatinsolvenzverfahren")
Wie oben ausgeführt kann dieses Verfahren nur in einem räumlich begrenzten Teil
Frankreichs beantragt und ausgeführt werden, nämlich in den Départements
"Haut-Rhin", "Bas-Rhin" (Elsass) und "Moselle" (Teil Lothringens)
1.
Ablauf des Privatinsolvenzverfahrens
Gemäß Artikel L.670-1 bis 670-8 Code de commerce iVm Artikel 23 des Gesetzes
vom 1. Juni 1924 kann für natürliche Personen, die keine Kaufeute, Handwerker,
Landwirte oder Freiberufer sind, und die in den oben bezeichneten französischen
Grenzdépartements ihren Wohnsitz haben, ein sogenanntes "Faillite civile"Verfahren eröfnet werden.
a) Antragsberechtigt sind neben dem Schuldner die Staatsanwaltschaft, das Gericht
von Amts wegen, sowie die Gläubiger des Schuldners.
b) Voraussetzungen und Organe des Verfahrens
Zuständig ist gemäß Art. L. 621-2 Code de commerce das "Tribunal de Grande
Instance, Chambre civile" ("Landgericht") am Wohnsitz bzw. "Mittelpunkt der
hauptsächlichen Interessen im Sinne der europäischen Insolvenzverordnung –
EuIns VO-) des Schuldners. Ein außergerichtlicher Schulden-bereinigungsversuch
ist nicht notwendig, allerdings müssen folgende 3 Voraussetzungen vorliegen:
∗ Wohnsitz bzw. "Lebensmittelpunkt" im Gerichtsbezirk,
∗ Notorische Zahlungsunfähigkeit ("insolvabilité notoire"),
∗ Redlichkeit ("bonne foi").
Wegen der Zuständigkeit des "Landsgerichts" besteht für den antragstellenden
Schuldner Anwaltszwang. Es ist ein Antrag nebst Nachweisen zu den 3
vorgenannten Voraussetzungen einzureichen, die "Redlichkeit" wird zugunsten
des Schuldners vermutet.
Soweit die Europäische Insolvenzverordnung Nr. 1346-2000 vom 29.05.2000
(EuInsVO) zur Anwendung kommen sollte –insbesondere bei Schuldnern mit
früheren "Lebensmittelpunkt" in Deutschland-, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Mit seinem Urteil vom 02.05.2006 (Sache Eurofood gegen Parmalat - C- 341/04-)
hat der EuGH entschieden, dass die Frage des "Lebensmittelpunkts" autonom,
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also nicht durch Rückgrif auf nationale Vorschriften zu entscheiden ist.
Maßgeblich ist danach der für Dritte erkennbare Ort, an dem der Schuldner
gewöhnlich seine Interessen wahrnimmt und verwaltet.
In einer anderen Entscheidung vom 17.01.2006 (Sache Susanne Staubitz /
Schreiber - C-1/04) hatte der EuGH entschieden, dass der entscheidende Zeitpunkt
für die Beurteilung des "Lebensmittelpunkts" bei einem Antrag des Schuldners
derjenige des Antrags auf Eröfnung des Insolvenzverfahrens ist, so dass
anschließende Wohnsitzverlegungen unberücksichtigt bleiben.
Der französische Kassationsgerichtshof hatte am 27.06.2006 geurteilt, dass
französische Gerichte die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts, welches sich
für eine französische Gesellschaft für zuständig erklärt hatte, nicht in Frage stellen
dürfen (Sache Daisytech).
Anders als bei der unmittelbaren Anwendung des unter 1. Oben angesprochenen
Insolvenzgesetzes, also bei Personen mit Sitz bzw. Wohnsitz außerhalb der drei
Grenzdépartements, ist Insolvenzgrund allerdings nicht die "cessation des
paiements" , sondern gemäß Artikel L.670-1 Code de commerce die "insolvabilité
notoire" (Zahlungsunfähigkeit).
Charakteristisches Merkmal ist hierbei nach der Rechtsprechung nicht die
tatsächliche Einstellung der Zahlungen und unzureichende Aktiva, sondern der
nicht mehr rückgängig zu machende und ausweglose Vermögensverfall des
Schuldners dergestalt, dass auch durch Garantien, Kredite und Stundungen auf
Dauer eine Besserung der fnanziellen Lage nicht erwartet werden kann.
C)
Besonderheiten
Ein besonderes Verfahren für Selbständige gibt es nicht, vielmehr ist zu
unterscheiden zwischen "Regelinsolvenzverfahren " (Kaufeute, Landwirte,
Handwerker, Freiberufer) und "Privatinsolvenzverfahren".
Eine Besonderheit beim "Privatinsolvenzverfahren" besteht insofern als das
"faillite personnelle"-Verfahren (s.o. unter 2.) auf Personen, über deren Vermögen
ein "faillite civile"-Verfahren eröfnet worden ist, nicht anwendbar ist.
Mit dem zuvor schon angesprochenen Gesetz Nr. 2003-710 vom 01.08 2003 ist das
"faillite civile"-Verfahren allerdings wie folgt geändert worden:
Anders als bisher hängt gemäß Artikel 37 des Gesetzes vom 01.08.2003 die
Eröfnung des Verfahrens nicht mehr alleine von der notorischen
Zahlungsunfähigkeit ("insolvabilité notoire") ab, sondern auch davon, dass der
Antragssteller in "gutem Treu und Glauben" bzw. "redlich" ("de bonne foi")
handelt.
Die Auslegung dieses unbestimmten Rechtbegrifs bleibt den Insolvenzgerichten
vorbehalten und wird zumindest in der "Revisionsinstanz" nicht mehr
nachprüfar.
Vor Eröfnung des Verfahrens hat das Insolvenzgericht die Möglichkeit, eine
“fachkundige” Person (Gutachter) zu beauftragen, im Rahmen einer sog.
"enquête" (gutachtliche Prüfung) sämtliche Informationen über die
wirtschaftliche und soziale Lage des Schuldners zusammenzutragen und hierüber
einen schriftlichen Bericht zu erstellen.
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Sofern nichts Abweichendes vom "kommissarischen Richter" des Insolvenzgerichts angeordnet wird, ist eine Inventarliste der Güter des Schuldners zu
erstellen, womit das Gericht einen Gerichtsvollzieher beauftragt.
Soweit sich im Verfahren herausstellen sollte, dass der Erlös aus der "Versilberung"
des Aktivvermögens vollständig von den Verfahrenskosten aufgezehrt wird, fndet
eine Prüfung der angemeldeten Forderungen nicht statt.
d) Umfang der Verwertung
Zugunsten des Schuldners bestehen Pfändungsfreigrenzen in Abhängigkeit von
dessenEinkommen und persönlichen Siuation (Art. L. 145-1 f Code du Travail, Art.
L. 355-2 Code de Sécurité Sociale, Art. 31 des Gesetzes vom 01.12.1988).
Zum pfändungsfreien Vermögen gehören insbesondere (Art. 39 des Décret Nr. 92755 vom 31.07.1992 iVm Art. 14 des Gesetzes vom 09.07.1991):
∗
∗
∗
∗
lebensnotwendige bewegliche Gegenstände des Schuldners,
für die Berufsausübung erforderliche Arbeitsmittel,
Unterhaltsleistungen, Sozialleistungen (mit Einschränkungen),
Löhne, Gehälter, Ruhegelder, Pensionen innerhalb der Pfändungs-freigrenzen.
e) Rechtsstellung der Insolvenzgläubiger während des Verfahrens:
Die Rangordnung der Gläubiger kann wie folgt angegeben werden
(Art. 625-7f, 643-1f Code de commerce) :
Créances superprivilégiées
Löhne und Gehälter
Frais de justice
Verfahrenskosten
Apport en trésorerie
Liquiditätszufuhr seitens Dritt
Créances nées après l’ouverture
Forderungen aus Rechtsgeschäften
nach Verfahrenseröfnung
Créances privilégiées
Fiskus, Sozialkasse
Créances hypothécaires
Grundpfandrechtsgläubiger
Créances chirographaires
einfache Insolvenzgläubiger
Aussonderungsrechte bestehen bei wirksam vereinbartem Eigentumsvorbehalt
(Art. 624-9 f Code de commerce). Soweit sich die Ware in Frankreich befndet,
dürfte sich die Rechtswirksamkeit allerdings nach französischem Recht richten.
Letzteres dürfte auch für das Sicherungseigentum ("fducie") gelten, welches
nunmehr nach Einführung der Artikel 2011 – 2031 in das französische
Zivilgesetzbuch (Code civil) durch ein Gesetz Nr. 2007-211 vom 19.02.2007 auch
dem französischen Recht bekannt ist.
Soweit der Gläubiger wegen seiner Forderung durch eine Bürgschaft gesichert ist,
sollte er seine Forderung gegen den Schuldner im Insolvenzverfahren anmelden,
um nicht das Risiko zu laufen, den Anspruch gegen den Bürgen zu verlieren.
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Ab Verfahrenseröfnung sind Einzelzwangsvollstreckungen einzustellen bzw.
untersagt.
Während der sog. "période suspecte", d.h. der Zeit zwischen dem Datum der
Zahlungsunfähigkeit, die vom Gericht bis zu 18 Monaten vor Verfahrenseröfnung
zurückverlegt werden kann, und der Verfahrenseröfnung vorgenommene
Rechtsgeschäfte können vom Insolvenzverwalter angefochten werden, wenn sie
nicht ohnehin nichtig sind.
Gläubiger können sich auf Antrag vom “kommissarischen Richter“ zum "Prüfer"
bestellen lassen, was ihnen den Zugang zu den Berichten des “gerichtlichen
Verwalters” und/oder des “Insolvenzverwalters” verschaft.
f)
Dauer des Verfahrens, Fristen, Formalien
Die Anmeldefristen für Forderungen betragen 2 Monate bzw. für ausländische
Gläubiger 4 Monate, jeweils ab der Veröfentlichung der Verfahrenseröfnung (Art. 622-24 Code de commerce iVm Art. 97 und 99 des Décret vom
28.12.2005); zur Aussonderung berechtigende Sicherungsrechte (EV u.ä.), sind 3
Monate nach der Veröfentlichung geltend zu machen.
Bei Versäumung der Fristen kann innerhalb von 6 Monaten, ausnahmsweise 12
Monaten, ab der Veröfentlichung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
beantragt werden.
Die Veröfentlichung der Verfahrenseröfnung erfolgt im amtlichen
Veröfentlichungsblatt "BODACC" und einem lokalen Veröfentlichungsblatt.
Die Verfahrensdauer wird grundsätzlich im Eröfnungsurteil bestimmt (Art. 643-9
Code de commerce) Zwei Jahre stellen die Regel dar; masselose Verfahren können
auch bereits nach 1 Jahr abgeschlossen werden.
Bei realistischer die Gerichtspraxis berücksichtigende Betrachtungsweise kann von
einer "Verfahrensdauer" (Antragsstellung bis Einstellungsurteil) von 24 bis 36
Monaten ausgegangen werden.
Der Insolvenzverwalter hat 2 Monate ab Aufnahme seiner Tätigkeit einen
Vorschlag bzgl. der Anerkennung der angemeldeten Forderungen zu unterbreiten.
g)
Mindestquoten sind nicht vorgesehen, die “einfachen” Insolvenzforderungen
werden im Verhältnis ihrer Forderungen ( “au marc le franc de leurs créances” )
befriedigt.
h) Als Rechtsmittel gegen Entscheidungen der verschiedenen Organe des Verfahrens
im Insolvenzverfahren stehen zur Verfügung "Contredit" (Beschwerde),
"Opposition" (Widerspruch), "Tierce-opposition" (Drittwiderspruch), "Appel"
(Berufung) ( Art. L. 661-1 f Code de commerce iVm Art. 328 f des Décret vom
28.12.2005 ).
Die Frist für deren Einlegung beträgt 10 Tage ab Verkündung bzw. Zustellung der
Entscheidung, wobei diese um 2 Monate für Rechtsmittelführer mit Wohnsitz im
Ausland verlängert ist.
Es liegen mittlerweile mehrere "OLG"-Entscheidungen vor, davon zwei der Cour
d'Appel Metz von Anfang des Jahres 2007, mit denen die erstinstanzlichen die
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Insolvenzanträge deutscher Antragsteller abweisenden Urteile aufgehoben und
die Insolvenzverfahren entweder direkt bzw. nach Zurückverweisung an das
"Landgericht" eröfnet worden sind.
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Aus diesen mittlerweilen vorliegenden "Cour d'Appel"-Entscheidungen (entspricht
Oberlandesgericht) ergibt sich, dass fehlende französische Sprachkenntnisse, die
Tatsache, dass alle bzw. der Großteil der Gläubiger deutsche Gläubiger sind und
dass die Schulden in Deutschland entstanden sind, die Ablehnung der Eröfnung
des Insolvenzverfahrens nicht rechtfertigen.
2. "Restschuldbefreiung"
a) Grundsätzlich tritt mit Abschluss des Verfahrens die mit der sogenannten
"Restschuldbefreiung" vergleichbare Wirkung ein (Art. 643-11 Code de commerce),
genauer gesagt, nicht befriedigte Forderungen erlöschen zwar nicht, können in
der weiteren Zukunft jedoch nicht mehr geltend gemacht oder im Wege der
Einzelzwangsvollstreckung beigetrieben werden.
Ausnahmen gelten für:
∗
∗
∗
∗
∗
∗
∗
Verurteilungen zu Geldleistungen aufgrund von Straftaten,
Unterhaltsverpfichtungen,
Rückgrifsansprüche von "Gesamtschuldnern" oder "Bürgen",
Bankrott des Schuldners,
betrügerische Handlungen (“fraude”) des Schuldners gegenüber einem oder
den Gläubigern,
vorausgegangenes Insolvenzverfahren des Schuldners bzw. des GF eines
Unternehmens vor weniger als 5 Jahren,
Sekundärinsolvenzverfahren.
Das Gericht kann jedoch ausnahmsweise dem Schuldner in Ansehung seiner
fnanziellen Möglichkeiten die Zahlung eines "Beitrags" zur Schuldentilgung für die
Dauer von 2 Jahren höchstens auferlegen.
Soweit das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, bestimmt es einen
"Kommissar", der die Erfüllung dieser Verpfichtung überwacht.
Bei Nichteinhaltung dieser “Aufage” steht es den Gläubigern frei, ihre Ansprüche
individuell weiterzuverfolgen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen.
Die Eröfnung des Verfahrens wird für die Dauer von 8 Jahren in einem Verzeichnis
über die "Verbraucherinsolvenzen" (Art. L.333-4 Code de la consommation)
festgehalten, allerdings nicht mehr im "Zentralregister" ("casier judiciaire").
Die Folge der "Restschuldbefreiung" haben deutsche Gläubiger des Schuldners
auch dann hinzunehmen, wenn dieser seinen Wohnsitz wieder nach Deutschland
verlegen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 18.09.2001, in NJW 2002,960).
b) Auf Antrag des Insolvenzverwalters, der Staatsanwaltschaft oder "interessierter"
Gläubiger kann jederzeit und zeitlich unbegrenzt die Wiederaufnahme des
Verfahrens erfolgen, wenn während des Verfahrens vorhandene Aktiva des
Schuldners nicht verwertet oder Verfahren im Interesse der Gläubiger nicht
eingeleitet worden sind ( Art. 643-13 Code de commerce ).
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3.
Kosten des Verfahrens
a) Im Rahmen eines französischen Insolvenzverfahrens entstehen Gerichtskosten
grundsätzlich nicht, allerdings sind Kosten für Veröfentlichungen und
Gerichtsvollzieherkosten zu entrichten ( Art. 663-1 - Code de commerce ); die
Kosten des "administrateur" und des "mandataire judiciaire" sowie des
"liquidateur judiciaire" richten sich nach den Bestimmungen des Dekretes Nr. 851390 vom 27.12.1985, geändert durch Dekret Nr. 2006-1709 vom 23.12.2006.
Diese Personen haben Anspruch auf eine Pauschalvergütung in Höhe von 2.500,- €
nebst gesetzlicher französischer Mehrwertsteuer, sowie einem Betrag in
Abhängigkeit von den geprüften Forderungen und den eingetriebenen
Forderungen bzw. den "realisierten" Rechten.
Bei den Kosten des Anwaltes des Schuldners ist zu unterscheiden zwischen
festsetzungsfähigen und nichtfestsetzungsfähigen Kosten. Nur für erstere gibt es
eine Gebührenordnung. Ansonsten wird das Honorar frei ausgehandelt.
b) Für mittellose Schuldner besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von
„Prozesskostenhilfe“.
Lothar POLANZ
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