Probleme bei der Graffitientfernung und

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Probleme bei der Graffitientfernung und
Probleme bei Graffitientfernung und Graffitivorbeugung
Wolfgang Halter, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
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Allgemeines
Ein sich ausweitendes Ärgernis in Großstädten ist das Besprühen und Verunreinigen
von Bauwerksflächen mit sogenannten Graffiti und Farbschmierereien.
Heute sind Graffiti-Malereien nur in Ausnahmefällen das Produkt künstlerischer
Aktivitäten, die einem solchen Anspruch auch gerecht werden. In den weitaus
überwiegenden Fällen ist Graffiti die Folge von Vandalismus, der keine Graffiti-Kunst,
sondern Graffiti-Schmierereien hervorbringt.
Die Reinigung mit Graffiti verunreinigter Flächen verursacht heute in bundesdeutschen Großstädten Kosten in Höhe von zweistelligen Millionenbeträgen. Somit hat
die Verschmutzung unserer Städte durch Graffiti nicht nur eine technische, sondern
auch eine wirtschaftliche und kulturelle Dimension angenommen.
Graffiti und Farbschmierereien sind im Sinne der Berliner Landesbauordnung
Verunstaltungen. Sie sind aufgrund der besonderen Verantwortung für Gestaltung
und Pflege des öffentlichen Raumes durch die nachgeordneten Verwaltungsdienststellen zu beseitigen.
2
Aktion „Saubere Stadt Berlin“
Im Januar 1997 wurde die Aktion „Saubere Stadt Berlin“ vom Berliner Senat
beschlossen. Aufgrund des Beschlusses hatte die Senatsverwaltung für Bauen,
Wohnen und Verkehr den verpflichtenden Auftrag erhalten, Graffiti und Farbschmierereien an den in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Bauwerken unverzüglich zu
beseitigen. Die Aktion wurde in der Zeit zwischen April 1997 und Mai 1998 von einer
Gruppe ausgewählter Fachfirmen durchgeführt und hat für den Bereich der
öffentlichen Gebäude und Verkehrsbauwerke Kosten von ca. 12 Mio. DM verursacht.
Zwei Drittel waren Bundesmittel, ein Drittel Landesmittel. Die Gesamtgröße der
Fläche betrug ca. 93 000 m² an über 900 Bauwerken. In Abhängigkeit von der Art der
Unterlage und den eingesetzten Verfahren und Stoffen lagen die Preise zwischen
25 DM/m² und 40 DM/m². In den Preisen war der Aufwand für Absperrungen,
Gerüste usw. nicht enthalten.
Ungefähr 80 % der Betonflächen wurden nur mit Stoffen bzw. Systemen nach ZTVSIB überarbeitet, wobei anfallende Erhaltungsarbeiten (Betonersatz) gleich mit
ausgeführt wurden. Die Aktion sah eine einmalige komplette Beseitigung der Graffiti
und Farbschmierereien vor.
Hier liegt das grundsätzliche Problem solcher Maßnahmen. Nur die ständige
Wiederholung kann den Erfolg bringen. Möglichst unverzüglich. Die Sprayer müssen
entnervt werden, ihnen muss die Lust und die Freude an ihrem Graffiti genommen
werden. Wenn der Sprayer erkennt, dass Flächen gegen Graffiti geschützt sind,
verlässt ihn meistens die Lust zum Sprayen. In den Wintermonaten besteht die
Gefahr eines verstärkten Anfalls von Graffiti, da witterungsbedingt ohne zusätzliche
Schutzmaßnahmen häufig keine Anti-Graffiti-Maßnahmen ausgeführt werden
können.
In der Zeit von 1997 bis Mitte 2000 wurde über 500 000 m² Bauwerksflächen
bearbeitet. Betrugen die Ausgaben für die Aktion „Sauberes Berlin“ noch 12 Millionen
DM, waren es im Jahr 1998 ca. 6,5 Millionen DM, im Jahr 1999 ca. 3,8 Millionen DM
und bis Mitte des Jahres 2000 nur noch 0,8 Millionen DM. Wie man nicht nur am
Stadtbild erkennen kann, zeigen auch die fallenden jährlichen Kosten den Erfolg der
Anti-Graffiti-Maßnahmen, die in den Bereichen von Sen Stadt durchgeführt werden.
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Anti-Graffiti-Maßnahmen
Auf Bauwerksflächen ist neben dem vorbeugenden Schutz gegen Graffiti auch die
ständige Entfernung von Graffiti erforderlich. Hierfür sehen Serviceverträge, z. B. in
besonders sensiblen Bereichen das Abfahren der Bauwerke, einmal pro Woche die
sofortige Graffitientfernung vor. Eine Ausnahme bildet die Beseitigung von
sexistischen bzw. faschistischen Schriften, deren Beseitigung sofort erfolgen muss.
Für die Oberbaumbrücke in Berlin sieht ein entsprechender Servicevertrag die
Entfernung der Graffiti und Farbverunreinigungen innerhalb von 24 Stunden vor. Nur
durch die sofortige Entfernung der Verunreinigungen ist die Oberbaumbrücke bisher
frei von Graffiti und hat trotz der kritischen Lage des Bauwerks von ihrer
städtebaulichen Ausstrahlung bisher nichts verloren.
Bewährt hat sich auch die direkte Zusammenarbeit mit der Polizei. Spätestens 24
Stunden vor Ende der Anti-Graffiti-Arbeiten werden der Polizei die Bauwerke
mitgeteilt. Außerdem wurde der Polizei eine Liste von Bauwerken zur Verfügung
gestellt, die als besonders graffitigefährdet gelten. Diese Bauwerke werden durch die
Polizei besonders beobachtet, zum Teil auch mit Kameras. Ein Nebeneffekt der AntiGraffiti-Maßnahmen ist auch, dass die Wildplakatierung zurückgegangen ist.
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Anti-Graffiti-Systeme
Anti-Graffiti-Systeme (AGS) sind eine Möglichkeit, um sich gegen Graffiti und
Farbschmierereien weitgehend zu wehren.
Fast täglich wird in der Presse von Wundermitteln und Wunderverfahren berichtet,
die dagegen helfen sollen, wie z. B. „Laserkanone sprengt Graffiti von der Wand“.
Tatsächlich kochen alle nur mit Wasser und es gibt keine Mittel und Verfahren, die
universell einzusetzen sind. Bei der Vielzahl von möglichen Bauwerksflächen sowie
von Produkten, die auf dem Markt angeboten werden, können keine generellen
Anwendungsvorschläge gemacht werden.
AGS sollen verhindern, dass die Graffiti und andere Farbverunreinigungen in die
damit behandelten Bauwerksoberflächen eindringen und einen Verbund eingehen.
Außerdem müssen sie gewährleisten, dass die Graffiti bzw. Farbverunreinigungen
mit der Hilfe von auf das System abgestimmte Entfernungsverfahren und
Entfernungsmittel von den behandelten Flächen ohne großen Aufwand und ohne
Rückstände zu entfernen sind.
Durch die Vielfalt der Bauwerksflächen, zum Teil auch an historisch wertvollen
Bauwerken, können aber Probleme entstehen, die eine ausreichende Kenntnis über
das Zusammenwirken zwischen Stoffen und Bauwerk erfordern. Ein falsch
ausgewähltes bzw. verarbeitetes Anti-Graffiti-System kann auf empfindlichen
Flächen zu Schäden führen, die nicht mehr zu reparieren sind (siehe Bild 3). Hierzu
kommt noch, dass die Arten der eingesetzten Farben sehr vielfältig sind.
Am weitesten verbreitet sind Sprühdosenlacke auf Basis von Acrylaten und
Alkydharzen in allen nur erdenklichen Farbnuancen. Aber auch Bindemittel wie
Polyalken, Polyvinylacetat oder Copolymere sind gebräuchlich. Daneben finden 2Komponenten-Harze sowie Ölfarben ihre Anwendung. Die größte Herausforderung
stellen die schwerlöslichen Silber- Bronze- Goldfarben sowie die unterschiedlichen
Faserstifte dar, die oft eine außergewöhnlich gute Pigmentmigration in den
Untergrund aufweisen. Auch Unterbodenschutz, der in Sprühdosen angeboten wird,
wird von den Sprayern eingesetzt und ist nur sehr aufwendig, falls überhaupt, zu
entfernen.
Auch bei umfassendem Wissen über die stofflichen Eigenschaften von AGS ist ohne
Kenntnis und Berücksichtigung der wirklichen Bedingungen des zu schützenden
Bauwerks bzw. Bauteils eine verantwortungsvolle Auswahl des richtigen AGS nicht
möglich. Daher ist es bei empfindlichen und historisch wertvollen Bauwerksflächen
unbedingt erforderlich, dem jeweiligen Objekt angepasst und im angemessenen
Umfang, eine Bestandsaufnahme rechtzeitig vor dem Aufstellen der Leistungsbeschreibung durchzuführen und vor der Ausführung Probeflächen anzulegen.
Gegebenenfalls sind hierfür besonders kritische Bereiche auf den Bauwerksflächen
auszuwählen.
In Abhängigkeit von der Art der Bauwerksoberfläche (mineralisch, metallisch,
beschichtet, Oberflächen aus Glas, Holz, Kunststoff usw.) und den bauwerksbedingten Einflüssen (Bewitterung, rückwärtige Durchfeuchtung usw.) können temporäre,
semipermanente und permanente Anti-Graffiti-Systeme eingesetzt werden. Die AGS
bestehen aus den Lagen bzw. Schichten des Schutzsystems und den auf das
System abgestimmten Graffitientfernern und Entfernungsverfahren.
Für eine klare Ausschreibung und eine vertragsgemäße Ausführung von AGSMaßnahmen sind neben den Begriffen für die einzelnen Stoffe und Verfahren auch
Begriffserklärungen erforderlich um Missverständnisse zwischen Auftragnehmer und
Auftraggeber zu vermeiden. Im Laufe der letzten Jahre haben sich in der Fachwelt
für den Bereich AGS Begriffe „entwickelt“ die nachfolgend ohne Anspruch auf
Vollständigkeit aufgeführt sind und versuchsweise erklärt werden:
Temporäres Anti-Graffiti-System (T- AGS)
Schutzsystem, dass beim Entfernen der Graffiti usw. durch den Entfernungsvorgang (Graffitientferner, Entfernungsverfahren) völlig abgetragen wird. Je
nach Art der Unterlage werden in der Regel mehrere Lagen des gleichen
Stoffes in entsprechender, möglichst gleichmäßiger Schichtdicke aufgetragen.
Grundsätzlich müssen alle Schichten des Schutzsystems nach dem Entfernungsvorgang wieder neu aufgetragen werden. Als Stoffe werden Produkte
auf der Basis von Acrylaten, Biopolymeren, Wachsen usw. eingesetzt. T-AGS
verursachen geringe optische und bauphysikalische Veränderungen (z. B.
Wasserdampfdiffusion) der behandelten Bauwerksflächen.
Die Dauerhaftigkeit solcher Systeme ist eingeschränkt. Der Vorteil dieser
Systeme ist, dass sie auf fast allen Untergründen eingesetzt werden können.
Semipermanentes Anti-Graffiti-System (SP-AGS)
Schutzsystem, dass beim Entfernen der Graffiti usw. durch den Entfernungsvorgang ( Graffitientferner, Entfernungsverfahren) teilweise abgetragen wird.
Es besteht in der Regel aus einer Grundierungsschicht (z. B. Siloxan ) und
einer Opferschicht in entsprechender Schichtdicke (z. B. Spezialwachs). Nach
dem Entfernungsvorgang muss die Opferschicht neu aufgebracht werden. Je
nach Art der Grundierungsschicht sind optische und bauphysikalische Veränderungen in Abhängigkeit von den behandelten Bauwerksflächen zu erwarten.
Bei Neuauftrag ist auf eine Abgrenzung zwischen den vorhandenen und den
neu aufzutragenden Schichten zu achten.
Permanentes Anti-Graffiti-System (P- AGS)
Schutzsystem, dass beim Entfernen der Graffiti durch den Entfernungsvorgang nicht bzw. nur geringfügig abgetragen wird.
Es besteht aus mindestens zwei Schichten (i. d. Regel PUR) in entsprechender Dicke. Permanente AGS sollten mindestens 10 Entfernungsvorgänge
ohne Neuauftrag des Schutzsystems überstehen. Je nach Gesamtschichtdicke des Schutzsystems sind wesentliche optische und bauphysikalische
Veränderungen der behandelten Bauwerksflächen zu erwarten.
Auf rückwärtig durchfeuchtete oder durch aufsteigende Feuchtigkeit beanspruchte Bauteile (z. B. Widerlager von Brücken im Bereich von Flussläufen)
und für Bauteile aus Natursteinen oder Mauerwerk sollten permanente AGS
nicht eingesetzt werden.
Eine Überarbeitung bzw. ein vollständiger Ersatz durch ein neues System ist
ggf. erst nach mehreren Jahren notwendig.
Graffitientferner
Stoffe in flüssiger oder gelförmiger Konsistenz. Nach dem Auftragen auf die
Bauwerksfläche werden vorhandene Farbmittel von den Stoffen an- bzw.
aufgelöst und ermöglichen nach entsprechender Wartezeit die mechanische
Entfernung (z. B. Lappen bzw. hydrothermisch) von Graffiti. Die Anwendung
kann auf ungeschützten oder geschützten Bauwerksflächen erfolgen.
Durch den Graffitientferner darf die Bauwerksoberfläche nicht geschädigt oder
in ihrer Struktur verändert werden. Das Auf- bzw. Ablösen vorhandener Bauwerksbeschichtungen sollte durch den Graffitientferner nicht erfolgen. Graffitientferner sollten so zusammengesetzt sein, dass sie nach der GefahrstoffVerordnung nicht kennzeichnungspflichtig sind. Sie müssen biologisch abbaubar sein.
Schutzsystem
Lagen bzw. Schichten gleicher oder unterschiedlicher stofflicher Zusammensetzung zum vorbeugenden Schutz von Bauwerksflächen gegen Graffiti. Sie
sollen den Verbund zwischen der Bauwerksoberfläche und den Graffiti verhindern.
Entfernungsverfahren
Mechanische Verfahren zum Vorbereiten von Bauwerksflächen (Entfernen von
trennenden Substanzen, z.B. Verunreinigungen) oder zum Entfernen von
Graffiti von Bauwerksflächen. Je nach Anwendungsfall, Art und Größe der
Bauwerksfläche sind hierfür in Abhängigkeit von Oberflächenfestigkeit bzw.
Oberflächenstruktur der Unterlage verschiedene Verfahren möglich (z. B.
Hydrothermische-, Niederdruckstrahl-, Hochdruckwasserstrahlverfahren usw.).
Vorzuziehen sind Anti-Graffiti-Systeme, die in Abhängigkeit von Oberflächenfestigkeit
bzw. Oberflächenstruktur der Unterlage eine Graffitientfernung nur mit hydrothermischen Entfernungsverfahren ermöglichen.
Aus bauphysikalischer Sicht sollten auf porösen und minderfesten Untergründen nur
Schutzsysteme mit ausreichender Wasserdampfdiffusionsfähigkeit eingesetzt
werden. Durch die einzusetzenden AGS dürfen das Erscheinungsbild der
behandelten Unterlagen und die bauphysikalischen Eigenschaften der Bauwerke
bzw. Bauteile nicht wesentlich verändert werden.
AGS, die größere Mengen an organischen Lösemitteln enthalten, sollten aufgrund
ihrer Umweltbelastung nur in Ausnahmefällen zugelassen werden.
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Ausführung von AGS
Das Säubern und Schützen von Bauwerken erscheint oft als eine problemlose und
leichte Angelegenheit. Die unsachgemäße Anwendung von Graffitientfernern und
Entfernungsverfahren sowie der Einsatz von Schutzsystemen können jedoch, wie
schon zuvor erwähnt, zu irreversiblen Schäden an der Bausubstanz führen. Deshalb
ist es unbedingt erforderlich, dass die Arbeiten nur von Betrieben ausgeführt werden
dürfen, die über die erforderliche Qualifikation und Erfahrung mit der Ausführung
bzw. Handhabung von AGS verfügen.
Grundsätzlich ist bei der Ausführung bzw. Handhabung von AGS sicherzustellen,
dass Schmutz-, Kunst-, und sonstige Gefahrenstoffe weder in die Abwasserleitungen
noch in den Boden des Baubereichs gelangen. Anfallende Abwässer sind
entsprechend den geltenden Rechtsvorschriften aufzufangen und zu entsorgen.
Entsprechend ist mit Strahlgut und Farbresten umzugehen. Auffangeinrichtungen
sollten ein sicheres und kontrollierbares Sammeln und Abführen bzw. Aufbereiten
von anfallenden Schadstoffen garantieren.
Zu berücksichtigen sind die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften, die
GefahrstoffVerordnung, das Wasserhaushaltsgesetz sowie die jeweiligen
kommunalen Abfallgesetze.
Für die zur Ausführung kommenden AGS sollte eine sogenannte Ausführungsanweisung (Muster siehe Anlage 1) des Stoffherstellers auf der Baustelle vorliegen.
Die Ausführungsanweisung ist vom Ausführenden einzuhalten und sollte mindestens
die Angaben zu folgenden Bauabläufen enthalten:
Vorbereitung der Unterlage (Entfernen von Oberflächenverunreinigungen,
trennenden Schichten, minderfesten Bestandteilen u.s.w.)
Auftragen der einzelnen Lagen und Schichten der AGS
Entfernen von vorhandenem Graffiti mit abgestimmten Graffitientfernern
und/oder abgestimmten Entfernungsverfahren
Neuauftrag bzw. Überarbeitung von AGS
Die Angaben in der Ausführungsanweisung sollen eine einfachere Überschaubarkeit
der AGS-Arbeiten und somit auch eine bessere Bauüberwachung durch den
Auftraggeber ermöglichen. Nicht für jeden Bauüberwacher gehören Anti-GraffitiMaßnahmen zum Tagesgeschäft.
Jede Ausführung von AGS sowie die begleitenden Maßnahmen sind mit den
zugehörigen Einbauflächen in Plänen von dem Ausführenden festzuhalten und zu
dokumentieren, hierzu ist das Formblatt "Anti-Graffiti-Systeme (AGS) an
Bauwerksflächen - Dokumentation-" (siehe Muster Anlage 2) anzuwenden. Die
Dokumentation der Ausführung hat mehrere Gründe:
Für nachfolgende AGS-Arbeiten ist es erforderlich zu wissen, welches
System auf der Bauwerksfläche vorhanden ist.
Kontrollmöglichkeiten durch den Auftraggeber z. B. den Verbrauch der
Stoffmengen für die einzelnen Lagen und Schichten, Schichtdicken usw.
Erfahrungssammlung in Abhängigkeit von Randbedingungen (Bauwerk,
Witterungsbedingungen) während der Ausführung des AGS.
Beweissicherung bei zivilrechtlichen und strafrechtlichen Maßnahmen
gegenüber entsprechenden Graffiti-Tätern.
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AGS und ZTV-SIB
Ursprünglich war geplant, in den ZTV-SIB auch die AGS zu regeln. Dieser Gedanke
wurde aber aufgrund unterschiedlicher Auffassung in dem zuständigen Bund/LänderHauptausschuss nicht weiterverfolgt. Mit Schreiben StB 25/38.55.10-19/43 Va 97
vom 14.04.1997 wurde die Bundesanstalt für Straßenwesen vom Bundesministerium
für Verkehr aufgefordert, einen Sachstandsbericht mit entsprechenden Empfehlungen für ein zweckmäßiges Vorgehen bei Schutz vor und Entfernen von Graffiti zu
erstellen. Eine wachsende Anzahl von Anfragen seitens der Straßenbauverwaltungen der Länder machte es erforderlich, Empfehlungen für den Schutz von Bauwerken von Graffiti zu erarbeiten.
Der Sachstandsbericht „Schutzmaßnahmen gegen Graffiti“ liegt seit Ende 1997 vor
und kommt zu folgenden Kernaussagen:
Temporäre AGS sind bauphysikalisch auf Betonflächen (insbesondere bei
rückwärtiger Durchfeuchtung) unbedenklich und die Graffiti lassen sich leicht
entfernen. Bei permanenten AGS kann sich bei zu geringer Wasserdampfdurchlässigkeit hinter der Beschichtung ggf. Feuchte ansammeln. In der Folge kann diese zu
Abplatzungen der Schicht führen. Durch Frosteinwirkungen kann sich die Gefahr
noch deutlich verstärken.
Die Grundhaltung ist weiterhin, dass solche Beschichtungen zunächst die
Anforderungen der TL-OS erfüllen müssen. Es kann nicht sein, dass die Hersteller
von OS-Systemen sehr aufwendige Grundprüfungen durchführen müssen und die
Hersteller von AGS für fast die gleichen Anwendungsbereiche mit vielen
Behauptungen über ihre Produkte ohne diese Nachweise auskommen. Diese
Anforderung gilt grundsätzlich für dickschichtige permanente AGS. Anfang 1999 hat
die BASt im Rahmen eines BASt-Forschungsvorhabens das Teilprojekt „Kosten/Nutzen-Analyse zur Bewertung unterschiedlicher Vorgehensweisen beim Schutz
gegen Graffiti“ an das ibac in Aachen vergeben. Der Endbericht liegt seit Mitte des
Jahres 2000 vor.
Inzwischen sind mindestens zwei OS-Systeme mit AGS in der Kombination OS/AGS
erfolgreich bei entsprechenden Grundprüfinstituten geprüft worden. Die Funktionalität
des AGS wurde durch das Prüfprogramm “Güte- und Prüfbestimmungen für
Graffitientfernung und Graffitiprophylaxe“ der Gütegemeinschaft Anti-Graffiti e.V.
nachgewiesen. Damit ist ein erster Schritt getan, der bei der Anwendung von OS und
AGS zumindest auf Betonflächen in der Zukunft mehr Sicherheit bringen könnte.
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Hinweise auf eventuelle Probleme bei der Anwendung von AGS
Im Bereich von Verkehrsbauwerken ist bei der Anwendung von AGS in den weitaus
überwiegenden Fällen mit Bauwerksflächen aus mehr oder minder porösen
Baustoffen, wie z. B. Beton, Naturstein oder Mauerwerk (Klinker, Kalksandstein,
Ziegel) zu rechnen. Diese Flächen haben in Abhängigkeit vom Grad der Porosität
eine mehr oder minder stark ausgeprägte Saugfähigkeit gegenüber den Graffitifarben
sowie auch gegenüber eventuell dünnflüssigen Graffitientfernern. Dadurch wird die
vollständige Entfernung der Graffiti erschwert und es könnten sogenannte
,,Schatten“, verursacht durch im Untergrund verbliebene Reste der Graffiti,
zurückbleiben. Poröse und minderfeste Bauwerksoberflächen sind bei der
Anwendung von AGS grundsätzlich vorsichtig zu behandeln. Z.B. besteht beim
Vorbereiten der Oberfläche durch Partikelstrahlen die Gefahr von Verdichtung der
Oberfläche durch das feine Strahlgut.
Nach dem Vorbereiten der Bauwerksoberfläche besteht oft der Wunsch, die
hergestellten Flächen möglichst sofort zu schützen. Hier kann es aber durch
einbaubedingte Restfeuchte zu Schäden kommen, die sich häufig als milchige
Verfärbungen in dem aufgebrachten Schutzsystem darstellen und ggf. zu einem
späteren Zeitpunkt zu Verbundstörungen zwischen Bauwerksoberfläche und dem
System führen können.
Besonders bei porösen Untergründen sollte ein übermäßiger Wassereintrag in die zu
behandelnden Bauwerksflächen daher vermieden werden. Als besonders kritisch
sind hier Bauwerke mit bauschädlichen Salzen einzustufen.
Tiefe Temperaturen sind für den Reinigungsvorgang mit chemischen Graffitientfernern, insbesondere mit sogenannten Abbeizpasten, hinderlich. Reinigungen sollten
deshalb nicht bei Temperaturen unter 10 0C durchgeführt werden.
Eine weitere Gruppe problematischer Untergründe stellen die beschichteten
Betonoberflächen dar. Dabei kann es sich z. B. um ein Oberflächenschutzsystem
handeln. Das ist sicherlich auf die hohen Anforderungen zurückzuführen, die dann an
solche AGS zu stellen sind. Ein solches AGS müsste ähnlich hohe Anforderungen,
wie sie an ein Oberflächenschutzsystem gestellt werden und gleichzeitig alle an das
AGS selbst zu stellenden Anforderungen, erfüllen.
Für diesen Anwendungsbereich sind bei der Auswahl eines geeigneten AGS die
chemische Charakteristik und der physikalische Zustand der Beschichtung zu
ermitteln. Es muss sichergestellt sein, dass keine negativen Wechselwirkungen mit
der Beschichtung auftreten und ein ausreichender Verbund zum Untergrund erzielt
werden kann. Die Beschichtung (z. B. Oberflächenschutzsystem) darf nicht durch
den Entfernungsvorgang in ihrer Schutzwirkung beeinträchtigt werden. Deshalb ist es
erforderlich, vorab zu prüfen, ob die Beschichtung durch das Entfernungsmittel oder
auch durch das Lösemittel, in dem das AGS gelöst ist, angegriffen wird. Bei
Oberflächenschutzsystemen auf Betonuntergründen ist das Wasserdampfdiffusionsvermögen (OS + AGS) zu berücksichtigen.
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Gewährleistung
Die Gewährleistung für die Gebrauchstauglichkeit ohne Berücksichtigung eventueller
Entfernungsvorgänge sollte bei normaler Beanspruchung für temporäre Systeme 2
Jahre und für permanente Systeme 5 Jahre betragen. Hier liegt wahrscheinlich ein
Problem bei der Anwendung von T-AGS. Es gibt Systeme, die auf stark bewitterten
Bauwerksflächen zwei Jahre in ihrer Funktion als Schutzsystem nicht überstehen.
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Regelwerke
Die vorangegangenen Darstellungen zeigen deutlich, dass in der Praxis auf dem
Gebiet auf eine fachgerechte Beratung durch sachkundige Berater sowie auf
Ausführende mit einschlägigen Erfahrungen nicht verzichtet werden sollte.
Außerdem sollte den Stoffherstellern abverlangt werden, den Nachweis der
grundsätzlichen Eignung für ihre Stoffe zu führen.
Es ist daher zu begrüßen, dass in letzter Zeit Regelwerke erarbeitet wurden (z. B. „
Allgemeine Güte- und Prüfbestimmungen für die Graffitientfernung und Graffitiprophylaxe“ der Gütegemeinschaft Anti-Graffiti e.V.), die dazu beitragen werden, die
verwirrende Vielfalt an Möglichkeiten auf diesem Gebiet zu vereinfachen und eine
nachgewiesene Vergleichbarkeit zwischen Stoffen, Systemen und Ausführungsbedingungen zu ermöglichen. Hierzu wurde von der Gütegemeinschaft in Zusammenarbeit mit dem RAL das RAL-Gütezeichen „Anti-Graffiti“ erarbeitet. Um das RALGütezeichen führen zu können müssen Betriebe definierte Anforderungen an die
Leistungserbringung erfüllen. Arbeitsabläufe und eingesetzte Betriebsmittel sind
dabei genau festgelegt. Gütegesicherte Graffiti-Entfernung und Graffitiprophylaxe
müssen aus technischer Sicht so erfolgen, dass die gereinigten bzw. vorbeugend
behandelten Oberflächen, nicht geschädigt oder dauerhaft optisch beeinträchtigt
werden. Als Güteleitfaden stellt die Gütegemeinschaft ihren Mitgliedern ein
Regelwerk mit Anforderungen für die Bewertung von Stoffen, Verfahren und
Leistungstexten zur Verfügung. Um den geforderten Leistungsstandard nachzuweisen, muss der Gütezeichenträger die Betriebsorganisation als auch die relevanten
Betriebsabläufe dokumentieren. Zweimal jährlich werden neutrale Fremdüberwachungsprüfungen durch ein anerkanntes Prüfinstitut durchgeführt.
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Zusammenfassung
T-AGS haben sich als Schutz gegen Graffiti grundsätzlich bewährt. Der Schutz von
Metallflächen mit auf den Korrosionsschutz abgestimmten AGS ist kein Problem. Der
Schutz von bewitterten Bauteilen aus Holz sollte nur mit T-AGS erfolgen. Die
Anwendung von P-AGS auf mineralischen Unterlagen (z. B. mit porösen und
minderfesten Oberflächen) ist zur Zeit noch nicht zu empfehlen. Aus Kostengründen
wäre es bei der Graffitibekämpfung (dauerhaft und trotzdem kostengünstig)
grundsätzlich aber wünschenswert, Schutzsysteme zu bekommen, die auch auf
diesen Bauwerksflächen unter Berücksichtigung der objektbedingten Randbedingungen einsetzbar sind. Voraussetzung für deren Anwendung ist allerdings, dass die
Leistungsfähigkeit der AGS durch entsprechende Prüfungen nachgewiesen ist.
Literatur
Sachstandsbericht Schutzmaßnahmen gegen Graffiti, erstellt auf Grundlage einer
Literaturauswertung sowie Gesprächen mit Vertretern aus Wirtschaft, Forschung und
Verwaltung. Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat B 1 „Betonbau“, Dipl.
Laborchemiker S. Hübecker, Bergisch Gladbach im September 1997