Übergabe einer Immobilie gegen Nießbrauchsvorbehalt

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Übergabe einer Immobilie gegen Nießbrauchsvorbehalt
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Übergabe einer Immobilie gegen Nießbrauchsvorbehalt
von Rechtsanwältin/Steuerberaterin Agnes Fischl
Sozietätspartnerin der Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzlei
Agnes Fischl und Michael Lettl, Unterhaching
Die Übergabe einer Immobilie gegen Vorbehalt des Nießbrauchs ist mittlerweile eine beliebte
Form der vorweggenommenen Erbfolge geworden.
Durch den Vorbehalt des Nießbrauchs bleibt die Übergebergeneration bis zum letzten Atemzug in der Vermieterstellung und kann damit weiterhin alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Vermietung treffen, so z.B. die Regelungen zum Abschluss eines Mietvertrags
wie auch die Frage der Höhe der Instandhaltungsrücklagen etc.
In diesem Zusammenhang sollte aber beachtet werden, dass sich die Teilnahmeberechtigung an Versammlungen von Wohnungseigentumsgemeinschaften sich eventuell nach den
Regeln der Teilungs- oder Gemeinschaftsordnung richtet. Die Nießbrauchsberechtigung alleine gibt keine Vollmacht, an diesen Versammlungen teilzunehmen, insbesondere wenn die
Bevollmächtigungen eingeschränkt sind.
Diese Form der Übergabe birgt aber durchaus einkommensteuerliche und erbschaftsteuerliche Konsequenzen, die für den steuerlich nicht versierten Rechtsanwalt zu einem durchaus
großen Haftungspotential werden kann.
Mit diesem Beitrag sollen zwei Probleme aus steuerlicher Sicht durchleuchtet werden.
I. Einfluss des Vorbehaltsnießbrauchs auf die Frage der Geltendmachung der Eigenheimzulage
1. Ausgangsfall
Die Eltern V und M haben sich im Jahre 2000 eine Eigentumswohnung aus Eigenmitteln
gekauft und bewohnen diese seit Oktober 2000 selbst zusammen mit ihrem minderjährigen
Sohn S. Die Voraussetzungen für die Erlangung der Eigenheimzulage inklusive der Kinderzulage liegen vor.
Sie entschließen sich zum 31.12.2005, diese Wohnung aufgrund der zu erwartenden Verteuerung der Immobilienbewertungen auf die volljährige Tochter T, die nicht mehr im Haushalt wohnt, zu übertragen. Um auch weiterhin die vollen Nutzungsmöglichkeiten zu erhalten,
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erfolgt die Übertragung gegen Vorbehalt des Nießbrauchs, wobei neben den gesetzlichen
Regeln, wonach der Nießbrauchsberechtigten die gewöhnlichen Erhaltungsaufwendungen
zu übernehmen hat, zusätzlich vereinbart wird, dass die Eltern als Nießbrauchsberechtigte
auch die außergewöhnlichen Kosten zu tragen haben.
1.1 Kostentragungspflicht des Nießbrauchsberechtigten
Gemäß § 1041 Satz 2 BGB weist der Gesetzgeber dem Nießbrauchsberechtigten die Kostentragungspflicht für die Ausbesserungen und Erneuerungen nur insoweit zu, als sie zu der
gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören.
Würde die Wohnung nicht eigengenutzt sein, sondern fremdvermietet, so bleiben die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG beim Nießbrauchsberechtigten. Ergeben sich aus der Nutzung des Hauses Aufwendungen, die nicht unter die gesetzlich vorgeschriebenen „gewöhnlichen Unterhaltspflichten“ zu subsumieren sind, würde die
Verpflichtung den Nießbrauchsverpflichteten, also T treffen. Einkommensteuerlich kann aber
nur derjenige, der die Einnahmen hat, auch die Werbungskosten geltend machen, so dass
aufgrund des Fehlens einer individuellen Vereinbarung die Kostentragungspflicht zwar bei T
liegt, diese jedoch die Kosten einkommensteuerlich nicht geltend machen kann. Eine sogenannte „außergewöhnliche“ Maßnahme wäre z.B. die Dachsanierung nach Ablauf dessen
Lebensdauer. Mit der vertraglichen Regelung, dass der Nießbrauchsberechtigte neben den
gewöhnlichen Kosten auch die außergewöhnlichen zu tragen hat, kann dieser auch diese
Kosten bei seinen Einnahmen als Werbungskosten geltend machen.
1.2. Auswirkung auf die Eigenheimzulage
Fallfortsetzung:
Seit dem Jahr 2000 haben die Eltern die Eigenheimzulage beantragt und auch in vollem Umfang erhalten. Für das Jahr 2006, und damit nach der Übertragung an T, wird ihnen diese
Zulage verwehrt. Die Eltern schalten einen Steuerberater ein und fragen ihn, ob die Entscheidung zu Recht ergangen ist.
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1.2.1. Eigenheimzulagenberechtigung für den wirtschaftlichen Eigentümer
Um die Eigenheimzulage zu erhalten, muss der Anspruchsberechtigte bürgerlich-rechtlicher
Eigentümer oder wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr.1 Satz 1 AO sein1.
Grundsätzlich ist der zivilrechtliche Eigentümer auch wirtschaftlicher Eigentümer.
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 18.07.2001 2 die Förderung des damaligen § 10 e
EStG dem wirtschaftlichen und nicht dem zivilrechtlichen Eigentümer zugestanden. Hintergrund der Entscheidung war das Bauen auf fremden Grund.
Aufgrund der gesetzlichen Regelung „…ist der Grundstückseigentümer nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich zivilrechtlicher und zugleich wirtschaftlicher Eigentümer des
Gebäudes, ….“ Wurde aber „…aufgrund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich
durchgeführter Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft –
unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers – …“ vorgenommen, so ist
der Gebäudeersteller wirtschaftlicher Eigentümer. Ihm allein steht dann die Förderung des §
10 e EStG zu. 3
1.2.2. Nießbrauchsberechtigter als wirtschaftlicher Eigentümer
Die Frage der Anspruchsberechtigung für den Nießbrauchsberechtigten ist also dahingehend
zu beantworten, inwieweit auch der Nießbrauchsberechtigte dem wirtschaftlichen Eigentümer „unter Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers“ gleich zu stellen ist.
Das vorgenannte BMF-Schreiben gibt zunächst keine Erkenntnis im Hinblick auf den Nießbrauch, sondern nimmt nur zum „Dauerwohnberechtigten im Sinne der §§ 31 WEG“ Stellung4.
Im ersten Moment mag man den Nießbrauch mit dem Dauerwohnrecht gleich stellen. Denn
beide Rechte berechtigen zur Nutzung mit Aneignungsbefugnis gemäß § 954 BGB5. Im Gegensatz zu § 33 Abs. 1 Satz 2 WEG, wonach das Dauerwohnrecht veräußerlich und vererb-
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Schreiben betreffend Zweifelsfragen zum Eigenheimzulagengesetz vom 21. Dezember 2004, Rz 3, BStBl I
2002, Seite 305.
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) BFH v. 18.07.2001, X R 23/99, „Die von der Rechtsprechung zu § 39 AO 1977 entwickelten Grundsätze zum
Begriff des wirtschaftlichen Eigentums gelten im Rahmen des § 10e EStG uneingeschränkt … . Wirtschaftlicher Eigentümer ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein
Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf
das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Einen wirtschaftlichen Ausschluss in diesem Sinn nimmt
die Rechtsprechung an, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch besteht oder
der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat.“
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BFH v. 18.07.2001, X R 23/99
Schreiben betreffend Zweifelsfragen zum Eigenheimzulagengesetz vom 21. Dezember 2004, Rz 7, BStBl I
2002, Seite 305.
So Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1030, Rn. 4 und Bärmann/Pick/Merle/Pick, WEG, 7. Aufl. 1997,
§ 31 Rn. 5
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lich ist, ist in § 1059 1. HS. BGB aber ausdrücklich die Unübertragbarkeit des Nießbrauchs
geregelt.
Wohl in dieser Unterscheidung muss man auch die Antwort zur Eigenheimzulagenberechtigung des Dauerwohnberechtigten sehen. Die Finanzverwaltung subsumiert den Dauerwohnberechtigten unter die Voraussetzung des wirtschaftlichen Eigentums, „… wenn er aufgrund des Dauerwohnrechtsvertrags bei Beendigung des Dauerwohnrechts eine angemessene Entschädigung erhält.“ 6
Ein bloßes Nießbrauchrecht allein begründet aufgrund der vorgenannten Voraussetzungen
daher kein wirtschaftliches Eigentum an der Wohnung
Wirtschaftliches Eigentum wird dem Nießbrauchsberechtigten auch dann nicht vermittelt,
„wenn neben dem Nießbrauch ein schuldrechtliches Veräußerungsverbot vereinbart und
dieses durch eine Rückauflassungsvormerkung gesichert ist.“ 7
Weiter führt der BFH in dieser Entscheidung aus: „Schuldrechtliche Veräußerungsverbote
führen für sich genommen nicht dazu, dass das betroffene Wirtschaftsgut nicht dem rechtlichen Eigentümer zuzurechnen wäre …“.
Auch die vorgenannte, über die gesetzlichen Regelungen hinausgehende Kostentragungspflicht wird den Nießbrauchsberechtigten nicht zum wirtschaftlichen Eigentümer werden lassen.
1.3. Nießbrauchsberechtigter in der Regel kein wirtschaftlicher Eigentümer
In unserem Beispielsfall wird der Steuerberater also aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis kommen, dass auch für den Fall, dass sich die Eltern die Zustimmung zur Veräußerung vorbehalten, einer der „rechtlichen Herrschaftshandlungen, das
die Rechtsordnung an einer beweglichen und unbeweglichen Sache; … .“ 8 dem Eigentümer
alleine zugesteht, die Eltern dadurch nicht wirtschaftlicher Eigentümer werden.
2. Ausweg?
Dennoch drängt aufgrund der zu erwartenden Erbschaftsteuererhöhungen die lebzeitige Immobilienübertragung, so dass sich die Frage nach einem Ausweg stellt, um die Eigenheimzulage auch weiterhin geltend machen zu können.
6
Schreiben betreffend Zweifelsfragen zum Eigenheimzulagengesetz vom 21. Dezember 2004, Rz 7, BStBl I
2002, Seite 305.
7
BFH v. 26.11.1998, IV R 39/98
8
Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl. 2006, Überbl v § 903, Rn 14
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2.1 Wirtschaftliches Eigentum durch uneingeschränktes Rücktrittsrecht?
Dabei kann eine Entscheidung des BFH zur Frage der Vereinbarung des uneingeschränkten
Rücktrittsrechts behilflich sein9.
Bei der lebzeitigen Übergabe werden oftmals für bestimmte Fälle Rücktrittsrechte vereinbart.
Dabei handelt es sich z.B. um den Fall des Vorversterbens des Erwerbers, wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern der Erwerber in das übergebene Vermögen betrieben werden sollen, wenn ohne Zustimmung zu Lebzeiten der Übergeber das Anwesen
verkauft, belastet oder die Auseinandersetzung in Form der Zwangsversteigerung betrieben
werden soll, um nur einige Fälle zu nennen.
In einigen, vor allem alten, Überlassungsurkunden findet sich immer wieder die Formulierung, dass sich die Übergeber uneingeschränkt, also auch ohne Angabe von Gründen das
Rücktrittsrecht vorbehalten.
2.1.1 Schenkungsteuerliche Auswirkung
Schenkungsteuerlich gilt die Schenkung als durchgeführt, da der Erwerber bürgerlichrechtlicher Eigentümer wird und das Steuerrecht dem Zivilrecht folgt, wobei auch diese Konsequenz in der Literatur durchaus kritisch betrachtet wird10.
2.1.2. Einkommensteuerliche Auswirkung
Etwas anderes gilt für die einkommensteuerliche Konsequenz einer solchen Regelung, die
oftmals unbekannt ist.
In einer Entscheidung des BFH
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war folgender Sachverhalt zu prüfen: Der Ehemann hatte
seiner Ehefrau Kommanditanteile an einer GmbH & CO. KG geschenkt und zwar mit der
Maßgabe, dass die Ehefrau ihrem Ehemann das „unwiderrufliche und unbefristete Angebot“
machte, diesen Kommanditanteil jederzeit unentgeltlich zurückzuübertragen. Aufgrund dieser
Regelung wurde der Ehemann seitens des Finanzgerichts des Saarlandes als Mitunternehmer angesehen und wies ihm die Gewinnanteile aus dieser Kommanditbeteiligung weiterhin
zu.
Der BFH hat dieser Entscheidung Recht gegeben und führte hierzu folgendes aus: „Nach §
39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 (…) sind die Wirtschaftsgüter steuerrechtlich demjenigen zuzurechnen, der die tatsächliche Sachherrschaft über sie in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf
9
BFH v. 16.05.1989, VIII R 196/84
Klaus Korn in DStR 1999, Seite 1461, 1472
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BFH v. 16.05.1989, VIII R 196/84
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das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. … Es kommt … nicht darauf an, dass“
sie (die Übergeber)„ von ihrem Recht keinen Gebrauch gemacht haben“.
In einer weiteren Entscheidung des BFH 12 war die Frage zu beantworten, inwieweit ein im
Betriebsvermögen stehendes Grundvermögen auch wirtschaftlich in das Eigentum des Sohnes übergegangen sei. Dieser wirtschaftliche Übergang wurde seitens der Steuerpflichtigen
mit dem Hinweis auf die vertragliche Regelung des Rücktrittsrechts verneint. Zum Sachverhalt heißt es: „Den Eltern wurden Leibgedinge eingeräumt. Ferner erhielten sie den Anspruch, bei Aufgabe des Geschäfts zu ihren Lebzeiten, die westliche Hälfte des Grundstücks
zurückzuverlangen. Dieser Anspruch wurde durch eine Auflassungsvormerkung gesichert.“
In den Entscheidungsgründen heißt es: „Wird ein Wirtschaftsgut unter Rücktrittsvorbehalt
des Erwerbers veräußert, geht das wirtschaftliche Eigentum an dem Gegenstand gleichwohl
im Regelfall auf diesen über.“ 13 „Vergleichbar steht eine Rückfallklausel, nach der die Unterbeteiligung ersatzlos an den Vater zurückfällt, wenn das Kind vor dem Vater stirbt und keine
leiblichen ehelichen Nachkommen hinterlässt… .“14 „Hingegen kann ein unbegrenztes Rückübertragungsrecht den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums verhindern.“ 15 Der BFH
kommt in diesem Fall zu dem Ergebnis, dass die Eltern und Übergeber gerade kein unbegrenztes Rückübertragungsrecht besessen hatten, das sie jederzeit voraussetzungslos hätten ausüben können. „Nur für den Fall der Aufgabe des Geschäfts zu ihren Lebzeiten sollten
sie berechtigt sein, die Hälfte des Grundstücks zurückzuverlangen.“
Die Frage des wirtschaftlichen Eigentums ist demnach zu verneinen, wenn durch ein „neues
Ereignis“ von diesem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht werden kann, also bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die auch nicht in der Person der Übergeber entstehen können, sondern in der Person der Erwerber. Also z.B. das „Vorversterben“ des Erwerbers, oder – wie im
vorgenannten Fall – die „Aufgabe des Geschäfts zu Lebzeiten der Übergeber“.
Der BFH hat in zahlreichen Entscheidungen die Geltendmachung des uneingeschränkten
Rücktrittsrechts nicht als „neues Ereignis“ interpretiert, sondern als aus der „Übergabe heraus stammend“. Diese Interpretation ist auch richtig und nachvollziehbar.
Anderer Meinung ist Prof. Dr. Peter Fischer16. Er verweist hier auf die besprochene BFHRechtsprechung und nimmt dazu wie folgt Stellung: „Hingegen soll ein „jederzeit ausübbares und voraussetzungsloses“ Rückfallrecht den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums verhindern. Dem ist nicht uneingeschränkt zuzustimmen: Auch hier kommt es darauf
an, ob die Ausübung dieses Rechtes überwiegend wahrscheinlich ist. … Es wird sich dabei
regelmäßig um Übertragungen durch die Eltern handeln, die ihre beschenkten Kinder noch
„in der Furcht des Herrn halten wollen“; diese Rückfallklauseln sind de facto und wohl auch
von Rechts wegen nicht „voraussetzungslos“, sondern sind an Akte einer wie auch immer
verstandenen Unbotmäßigkeit geknüpft; … . “ Fischer sieht die Entscheidung des BFH be12
BFH v. 17.06.1998, XI R 55/97 (nicht amtlich veröffentlicht)
Hinweis auf BFH-Urteil v. 25.01.1993, XI R 114/94
14
Hinweis auf BFH-Urteil v. 27.01.1994, IV R 114/91
15
Hinweis auf BFH-Urteile v. 05.05.1983, IV R 43/80, sowie v. 16.05.1989 VIII R 196/84
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züglich des Kommanditanteils 17 gerade wegen der Besonderheit im Zusammenhang mit
Mitunternehmerschaften unter einem anderen Aspekt und will diese Rechtsprechung gerade
nicht für alle anderen Fälle somit auch der Übertragung von im Privatvermögen stehenden
Immobilienvermögen anwenden. So führt er aus: „Die Zuordnung von Vermögen folgt anderen Regeln als die – in dieser Hinsicht strengere – Dogmatik der Mitunternehmerschaft.“
Die Begründung vermag vor allem wegen der zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen nicht zu überzeugen. Auch Jülicher bestätigt18„Zumindest für Schenkungsverträge unter
Angehörigen ist aber von umfassenden Widerrufsrechten abzuraten, weil sie die Anerkennung des Vertrags gefährden können. Im Ergebnis wird deshalb bei diesen Problemkonstellationen auch für die Schenkung z.B. von Grundstücken gelten, dass weitgehend freie Widerrufsvorbehalte der Einkünftezurechnung auf den Beschenkten entgegenstehen, Widerrufsklauseln für bestimmte, vom Schenker nicht ohne weiteres beeinflussbare Sonderfälle dagegen unschädlich sind.“
Dieser Meinung folgt auch die Autorin.
Das bedeutet im Ergebnis, dass bei der Vereinbarung eines uneingeschränkten Rücktrittvorbehalts einkommensteuerlich der Übergeber – wie bisher – die Einkünfte z.B. aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern hat. Ist im Rahmen dieser Übertragung nicht gleichzeitig auch ein Nießbrauchsvorbehalt vereinbart worden, der die Einkünfte sowieso dem Übergeber weiterhin zurechnet, so kann die Unkenntnis dieses Sachverhalts katastrophale Folgen haben.
2.2. Wirtschaftliches Eigentum durch uneingeschränkte Rücktrittsrechte
Die Entscheidungen des BFH gehen also davon aus, dass derjenige, der sich das uneingeschränkte Rücktrittsrecht vorbehält, so genannter „wirtschaftlicher Eigentümer“ im Sinne des
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO bleibt.
2.3. Folgerung für die Eigenheimzulage
Auf eben diese Eigentümerstellung verweist auch das vorgenannte BMF-Schreiben in Rz 319,
so dass es doch zwangsläufig erscheint, dass bei Vereinbarung eines uneingeschränkten
Rücktrittsrechts die Eigenheimzulagenberechtigung nicht verloren gehen kann.
16
Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler (HHSp), § 39 AO Rz 57, mit weiteren Nachweisen
BFH v. 16.05.1989, VIII R 196/84
18
Dr. Marc Jülicher in DStR 1998, Seite 1977, 1979/1980, mit weiteren Nachweisen
19
Schreiben betreffend Zweifelsfragen zum Eigenheimzulagengesetz vom 21. Dezember 2004, Rz 3, BStBl I
2002, Seite 305
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2.4. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu fehlt
Aufgrund der Tatsache, dass diese Entscheidung für die Eigenheimzulage noch nicht
höchstrichterlich vorliegt, wurde durch eine verbindliche Auskunft dieser Sachverhalt einem
Finanzamt vorgetragen und die Frage nach dem Bestand der Eigenheimzulage gestellt. Die
der Verfasserin vorliegende Antwort lautete im Hinblick auf die Vereinbarung des uneingeschränkten Rücktrittsrechts folgendermaßen20: „Auch ein jederzeit ausübbares, voraussetzungsloses Rücktrittsrecht als Sicherungsmittel für den Altenteil, begründet kein wirtschaftliches Eigentum des Nießbrauchers. Alleine das „Ausmaß“ des Rückforderungsrechts
macht den Eintritt des Rückforderungsanspruchs „nicht wahrscheinlich“. Der Erwerber ist als
zivilrechtlicher Eigentümer nicht von der wirtschaftlichen Einwirkung auf das Hausanwesen ausgeschlossen, da davon auszugehen ist, dass ein durch Auflassungsvormerkung
gesicherter Rückübertragungsanspruch vom Übergeber nicht willkürlich ausgeübt werden
kann.“
Diese Meinung ist nicht richtig. Sie hat sich mit der Frage des uneingeschränkten Rücktrittsrechts und der sich hieraus ergebenden Folgerung im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
AO nicht auseinandergesetzt. Als weiteren Ablehnungsgrund wurde die Tatsache festgestellt, dass der Übergeber ja nicht willkürlich von diesem Rücktrittsrecht Gebrauch machen
könne. Eben das ist aber bei einem uneingeschränkten Rücktrittsrecht möglich, auch wenn
es nur selten vorkommen mag. Der BFH hat ja auch in der vorgenannten Entscheidung ganz
klar zum Ausdruck gebracht, dass es eben nicht darauf ankomme, ob der Übergeber tatsächlich von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht21. Vor allem kann der Übergeber die
Frage des Rücktritts ohne weiteres beeinflussen, wenn ihm ein uneingeschränktes Rücktrittsrecht eingeräumt worden ist, wohingehend bei der Geltendmachung des Rücktrittsrechts
nur unter bestimmten Voraussetzungen die Ausübung ausschließlich vom Verhalten des
Erwerbers beeinflusst wird.
Zusammenfassung
Aufgrund der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, die für den Fall der Vereinbarung eines uneingeschränkten Rücktrittsrechts dem Übergeber die wirtschaftliche Eigentümerstellung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zuweist, muss dies Konsequenzen nicht
nur in einkommensteuerlicher Hinsicht haben, sondern auch für die Geltendmachung der
Eigenheimzulage.
Nachdem eine höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht vorliegt und die Finanzverwaltung augenscheinlich eine andere Meinung vertritt, ist aber dennoch Vorsicht geboten.
20
21
Verbindliche Auskunft vom Finanzamt XXX, vom Dezember 2005, Aktenzeichen liegt der Autorin vor.
BFH-Urteil vom 16.05.1989, VIII R 196/84
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II. Zusammenrechnung von Vor- und Nacherwerben im Fall der
Übergabe gegen vorbehaltenen Nießbrauch
Bei der Übergabe gegen vorbehaltenen Nießbrauch wird selten die Frage geprüft, welche
Konsequenzen diese Übergabe auf die Regelung des § 14 Abs. 1 ErbStG hat. Diese Vorschrift befasst sich mit der Zusammenrechnung der Erwerbe innerhalb des Zeitraums von 10
Jahren.
An einem Fall sei die Problematik, die zu einer fehlerhaften Beratung führen könnte, dargestellt:
Fall:
Der 65-jährige Vater (V) überträgt im Jahre 2002 an seinen Sohn (S) ein Grundstück mit einem steuerlichen Bedarfswert in Höhe von € 600.000,00 (Verkehrswert € 800.000,00). Er
behält sich bei der Übertragung ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vor.
Der Jahreswert dieses Nutzungsrechtes bemisst sich nach den Nettomieteinnahmen. Gemäß § 16 BewG wird dieser Jahreswert begrenzt auf das 18,6-fache des für dieses Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzenden Wertes. Somit €
600.000,00 : 18,6 = € 32.258,00. Der steuerliche Kapitalwert des Nießbrauches beträgt unter
Anwendung der Anlage 9 zum Bewertungsgesetz somit € 290.935,00 (65 Jahre, männlich,
Multiplikator 9,019).
Bereits bei der Berechnung des Kapitalwertes des Nießbrauchs kann man in Kenntnis der
höchstrichterlichen Entscheidungen zu einer Erhöhung des Nießbrauchs und somit zu einer
Minderung des gestundeten Betrags kommen. Die Multiplikatoren aus Anlage 9 zum Bewertungsgesetz errechnen sich aus der „Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland
1986/88 nach dem Gebietsstand seit dem 3. Oktober 1990“. Diese Statistik wurde immer
wieder angepasst. Mittlerweile liegt die Sterbetafel Stand 2002/2004 vor, die z.B. die Lebenserwartung des 65-jährigen V mit 16,26 Jahren ansetzt. Die Sterbetafel Stand
03.10.1990 unterstellt noch eine Lebenserwartung von 14 Jahren. Für die Frage der Ablösung des gestundeten Betrags liegt nun eine Verwaltungsanweisung vor, die die aktuelle
Lebenserwartung ansetzt.
Für die Bewertung des Kapitalwerts des Nießbrauchs gibt es noch keine gefestigte Regel.
Gemäß § 14 Abs. 1 BewG wird für die Berechnung auf Anlage 9 (Stand Lebenserwartung
01.10.1999) verwiesen. Nachdem diese Regel nunmehr auch für § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG
geändert worden ist, muss man konsequenterweise dies auch für diesen Bereich vornehmen.
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10
Gemäß § 25 Abs. 1 Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) ist der Wert des Vorbehaltnießbrauchs kein steuermindernder Abzugsposten, die darauf entfallenen Steuer kann
lediglich gestundet werden. Dies führt zu folgender Berechnung:
Bruttoerwerb:
Grundstückswert
abzüglich persönlicher Freibetrag Sohn
steuerlicher Erwerb
x 15 % Steuersatz =tatsächliche Steuer
€
€
€
€
600.000,00
205.000,00
395.000,00
59.250,00
Nettoerwerb:
Grundstückswert
abzüglich Kapitalwert des Nießbrauchsrechtes
abzüglich persönlicher Freibetrag
steuerlicher Nettoerwerb
gerundet
x 11 % Steuertarif = sofort fällige Steuer
€
€
€
€
€
€
600.000,00
290.935,00
205.000,00
104.065,00
104.000,00
11.440,00
gestundete Steuer
tatsächliche Steuer
abzüglich sofort fällige Steuer
€
€
59.250,00
11.440,00
gestundete Steuer
€
47.810,00
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