Oktober 2008 - Lebendige Gemeinde
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Oktober 2008 - Lebendige Gemeinde
Information und Orientierung r e d l i b r o V Prägende Menschen in Württemberg Das Vorbild sind Sie! Geistliches Patenamt 3. QUARTAL OKTOBER 2008 www.lebendige-gemeinde.de Termine AU S DEM IN H ALT »Folgt ihrem Glauben nach!« 4 Prägende Gestalten und Bilder im evangelischen Württemberg 6 Karl Wezel (1908-2004) und der Josua 9 Ralf Albrecht Rolf Scheffbuch Konrad Eißler »Onkel Paul« – der Prediger im Rollstuhl 12 Wie Menschen, die eine Vision haben, andere für das Reich Gottes gewinnen können. 14 Das Vorbild sind Sie! 15 Konfirmandenarbeit am Beispiel der Kirchengemeinde Rielingshausen 17 Termine Eberhard Silber O K TO B E R Bernd-Ulrich Barner Edgar Kollmar Ingeborg Bulling 19 MIK – Mütter in Kontakt 21 Ute Mayer Familien-und Freundestag, CVJM Walddorf Kirchweihmontagskonferenz, Hülben AGV Christustreff, Württembergischer Brüderbund, Liederhalle Stgt. NOVEMBER Patenschaft – neu entdeckt Hans Veit 12. Oktober 22. Oktober 25. Oktober 01. November Landeskonferenz, AGV, Porschearena Stuttgart 01. November Jahreskonferenz, SV, Harmonie Heilbronn 07. – 08. November Mitarbeiterkongress zum 75 jährigen Jubiläum des LGV in Bad Liebenzell 16. November Weltweiter Gebetstag für verfolgte Christen, DEA IMPR ESS U M HERAUSGEBER UND BEZUGSADRESSE Ludwig-Hofacker-Vereinigung, Saalstr. 6 70825 Korntal-Münchingen Telefon: 0711/83 46 99, Fax: 0711/8 38 80 86 Weitere Exemplare können nachbestellt werden. Erscheinungsweise: vierteljährlich BANKVERBINDUNGEN Ludwig-Hofacker-Vereinigung. Postbank Stuttgart 81149 706 (BLZ 600 100 70) und LB-BW 2 356 075 (BLZ 600 501 01) Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Verteilung dieses Blattes ermöglichen. Wir bitten um vollständige und deutliche Angabe der Anschrift auf den Überweisungsvordrucken, damit wir Spendenquittungen übersenden können. Wir sind ganz auf die Gaben der Freunde angewiesen. REDAKTION Ralf Albrecht, Thomas Binder, Erwin Damson, Hans-Jörg Gabler,Traugott Messner GESAMTGESTALTUNG Krauss Werbeagentur, 71083 Herrenberg DRUCK UND POSTZEITUNGVERTRIEB St.-Johannis-Druckerei, Postfach 5, 77922 Lahr-Dinglingen BILDNACHWEIS Titelbild istockphoto.com, LG, privat www.Lebendige-Gemeinde.de Internet eMail [email protected] DEZEMBER 21. Dezember 24. – 27. November 29. November 31. Dezember Stuttgarter Jugendgottesdienst, Stiftskirche Tagung der Landessynode, Stuttgart CVJM Treff Walddorfhäslach Silvesterkonferenz, Hülben, AGV Deshalb ist die Sache dran... VORBILDER Es gab Zeiten, da wurden Vorbilder grundsätzlich und radikal abgelehnt und geradezu verachtet. Alles, was nach Autorität aussah, wurde verworfen. Heute sind wir, Gott sei Dank, wieder offener für Vorbilder, manchmal suchen wir sie geradezu und wenn wir keine finden, vermissen wir sie schmerzhaft. Die Jugendlichen haben zwar ihre so genannten Idole, aber sind diese tatsächlich Vorbilder? Bei Idolen muss man sich die Frage stellen, ob sie einen guten Einfluss auf die Jugendlichen ausüben oder einen schlechten? In der Regel sind diese Idole Fußballstars, Schauspieler oder Popsänger und als solche haben sie kaum irgendetwas mit der Lebenswelt der Jugendlichen selbst zu tun und leben in einer ganz anderen Welt und wie sie leben, ist oft alles andere als nachahmenswert. Ein echtes Vorbild macht aber aus, dass es Menschen sind, die ich in meinem Umfeld erlebe, die ihr Leben mit mir teilen und die mich in einer guten Weise beeindrucken und prägen, weil sie in einer guten Weise ihr Leben leben. Diese Vorbilder brauchen wir wirklich, aber gibt es sie? Gerade für die Weitergabe des Glaubens sind Vorbilder von entscheidender Bedeutung. Denn gerade der Glaube lässt sich nicht nur von der Theorie her verstehen und begreifen, sondern auch vom Erleben her, von Begegnungen und Erfahrungen. Und dazu braucht es die Menschen, die echt und unkompliziert den Glauben im Alltag leben und andere Menschen daran teilhaben lassen. Solche Menschen prägen und sind echte Vorbilder. Vorbild sein braucht Kraft und den Mut anders zu sein, auch manchmal gegen den Trend zu sein, indem man an Werten und Traditionen festhält, die den meisten Menschen nicht mehr viel bedeuten. Aber gerade das Anderssein schafft die Persönlichkeiten und Originale, die prägen und beeindrucken und werden Vorbild, ohne es bewusst zu wollen. Von solchen Vorbildern ist in diesem Heft die Rede, von Menschen, die keine Starallüren hatten, aber in ihrer Schlichtheit und Echtheit gewirkt haben. Auch die Bibel ist ein Buch voller Vorbilder, das können Sie im ersten Artikel dieses Heftes lesen. Wie wir als Christen auch heute noch im positiven Sinne prägen können, Vorbild auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen sein können, erfahren Sie im zweiten Teil dieses Heftes. Ich wünsche Ihnen, dass dieses Heft Lust macht, das Vorbild in Ihnen zu entdecken, Ihr »Folgt ihrem Glauben nach!« D e kan R al f A l b r e ch t N agol d Wir brauchen Vorbilder im Glauben. Eine Zeit, in der Idole geschaffen, aber so wenig vorbildlich gelebt und geglaubt wird, verarmt aus verschiedenen Gründen: • Zum einen fehlt damit die Orientierung, wie ich mein Leben so anpacken kann, dass es wirklich geistlich gelingt. Das macht ja nur scheinbar frei, keine Vorbilder zu haben. Die Abneigung dagegen, sich an die Vorgaben und die Glaubensweise anderer zu binden, ist noch keine Freiheit. Sondern damit sind wir zunächst mal nichts mehr als bindungslos. Wer sich an keine Vorbilder hält, wird haltlos – und schnell sehr ungehalten. »Ich lasse mir von niemanden was vorschreiben« – tatsächlich? In Wirklichkeit ist es doch so, dass wir stark von anderen Vorbildern abschauen und sie imitieren. Wer es nicht bewusst macht, den erwischt es umso heftiger unbewusst. Der macht sich erst recht abhängig von Vorbildern. Und oft genug von solchen, die er eigentlich gar nicht unbedingt will. Ein Vorbild haben wir immer – suchen wir uns also die besten Vorbilder! • Zum anderen lernen Menschen am meisten durch Menschen. Wer fürs Leben lernen will, der lerne bei Menschen, die das Leben bewältigen – und gerade bei denen, die es aus dem fröhlichen Glauben an Jesus Christus heraus bewältigen. An Menschen, die glauben, kann ich lernen meinen Glauben zu leben, sonst bleibt der Glaube so unpraktisch, so wenig alltagstauglich. 4 • Und zum dritten bleiben Leute ohne Vorbilder ich-bezogen. Sie haben nicht mehr als sich selbst zum Maßstab. Sie müssen all zu viel über sich selbst nachdenken, ihre eigenen Ziele verfolgen und sind auf sich selbst fixiert. Wie anstrengend und letztlich nicht zu leisten ist es, wenn man alle Werte, Orientierungspunkte, Leitplanken des Lebens selbst erschaffen muss. Und welch verquere Standpunkte können dann dabei heraus kommen, wenn ich alle Orientierungshilfen daran messen muss: Kann ich mir das vorstellen? Bin ich aus meiner Erfahrung heraus damit einverstanden? Habe ich persönlich den Eindruck, dass dies vorbildlich ist? Wer ständig so fragt, belastet sich selbst über alle Maßen. Und zugleich bildet er sich nur ein, selbst sein eigenes, bestes, unbestechliches Vorbild zu sein. Wir brauchen EIN Glaubensvorbild. Nur eines letztlich: Jesus selbst – ER, der Christus, das Urbild und Vorbild des Glaubens. »Lasst uns aufsehen zu Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.« (Hebräer 12,2). An Ihm orientieren wir uns. Er ist für uns DAS Vorbild schlechthin. Er ist für uns so sehr Vorbild, dass wir ihm noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise nachgehen als allen anderen Vorbildern. Und zwar so, dass er nicht nur vor uns als zu erreichender Maßstab her geht, dass er uns als Beispiel vor Augen steht, wie wir leben und glauben. Sondern er ist das alles in Person selbst. ER in Person lebt in denen, die glauben. ER lebt in uns. Christus ist viel mehr als ein vor uns liegendes Ziel, er ist eine in uns lebendige persönliche Realität. »Christus in Euch, die Hoffnung der Herrlichkeit« (Kolosser 1,27). Jesus ist das einzige Glaubensvorbild, das auch gleichzeitig alles erfüllt, was es uns vorlebt. Er gibt uns nicht nur vor, was wir sein können, Er schenkt uns, was wir in IHM sind: gerecht, von unserer Sünde befreit, mit Gottes Gegenwart beschenkt. Letztlich schenkt sich Jesus uns in Person ganz. Er spricht uns das zu – und es gilt für alle, die genau darauf persönlich vertrauen. Deshalb ist Jesus viel weniger Glaubensvorbild als vielmehr Glaubensschöpfer und Glaubensgeschenk in Person. IHN brauchen wir. Haben wir IHN nicht – und zwar nicht nur als Anschauungsunterricht, sondern als lebendigen Motor unseres Glaubens, dann nützen alle anderen Vorbilder nichts. Leben wir in IHM – und ER in uns, dann bekommen wir die Kraft, Vorbildern im Glauben zu folgen. Zuallererst IHM, und dann vielen anderen, angefangen von den großen Vorbildern der Bibel. Wir brauchen viele Glaubensvorbilder. Mose, Paulus, Jeremia, Petrus … - und um nur ein weiteres biblisches Beispiel etwas genauer unter die Lupe zu nehmen: David. David! Was für ein Vorbild! Wie er sich rufen lässt. Vom Hirtenfeld weg in eine königliche Aufgabe, die er weder kennt noch der er irgendwie gewachsen scheint. Doch Gottes Ruf trifft ihn – und er lässt es geschehen. Wir er seinem Gott vertraut. David gegen Goliath, das ist auch deshalb sprichwörtlich geworden, weil David uns ein Vorbild gegeben hat: Wir können vertrauensvoll in schwierigste Situationen gehen. Dank unseres Gottes sind wir immer in der qualitativen Mehrheit. Wie er Feindschaft mit Güte beantwortet. Anstatt seinen größten Feind abzusägen, beschämt er ihn durch seine Güte und Nachsicht. David fordert nicht Sauls Kopf, sondern er zeigt ihm einen abgeschnittenen Stofffetzen. Wie er betet. Wie er sich mit intensivsten Klangen, verselangem Lob, vertrauensvoller Bitte seinem Gott nähert und ihm das Herz ausschüttet. Wie er sich so gegen jede Heldenverehrung und Heroisierung sperrt. Wie er seine Schuld bekennt! Ein Ehebrecher und Mörder. Lebenslang trägt er an den Narben seiner Schuld – aber er bekennt und hängt sich verzweifelt an die Zusage seines Gottes: Du kannst dennoch vergeben. Und ihm wird ganz und gar vergeben. David lebt allein aus der Barmherzigkeit Gottes. Glaubensvorbilder brauchen uns als Nachfolger. Sie sind für uns eigentlich weniger Vorbild als Vorgänger. Sie sind einen Weg im Glauben gegangen, dessen Fußstapfen im Sand der Geschichte sichtbar zurück geblieben sind. Und wir können hinterher gehen. Kierkegaard hat es ja auf den Punkt gebracht: anstatt zu bewundern braucht es die Nachfolge. Das gilt zuallererst für Jesus Christus selbst. Aber dann auch für die, welche vor uns geglaubt haben. Was sie hofften, taten, sagten, dachten, gelassen haben, bewirkten: alles anschauen, alles prüfen, das Gute behalten. Und dann nachfolgen. Was so zur Tat wird, das hat Wert. 5 Prägende Gestalten und Bilder im evangelischen Württemberg Das verkündigte Wort schafft Glauben und Gemeinde Der schwäbische Volkscharakter ist gegenüber allem Brimborium misstrauisch. Darum schlug das verkündigte Wort starke Wurzeln in Württemberg: Es begann mit der Gottesdienstordnung des Reformators Johannes Brenz, die vom verkündigten Wort geprägt war. Johann Albrecht Bengel (1687–1752) und einige seiner Denkendorfer Schüler verstärkten dieses Anliegen. Unter dem Bild von Bengel im Sitzungssaal des Oberkirchenrates in Stuttgart ist sein Wort zu lesen: »Wenn die Kirche wacker (gesund) ist, dann glänzt die Schrift: Wenn die Kirche kränkelt, dann setzt die Schrift Moder an«. Das ehrfürchtig erforschte und seelsorgerlich verkündigte Bibelwort »schafft« Glauben und Gemeinde. Diese Grunderkenntnis Luthers verstärkten Bengels Schüler, zu denen auch Oetinger und Hiller gehörten. Bis in unsere Tage hinein stehen Theologen wie Beck, Schlatter, Heim, Thielicke, Michel und die neuere Schule Tübinger Biblischer Theologie in dieser Tradition. Friedrich Christoph Oetinger (1702 –1782), der spätere Prälat, führte als junger Pfarrer in Walddorf um 1750 die morgendliche Andacht wieder ein, Haus um Haus. Dieser vom Hausvater gehaltene Kurzgottesdienst mit gemeinsamem Singen, mit Bibellesen und Gebet wurde zum festen Bestandteil christlicher Sitte quer durch das schwäbische Land – und wurde von dort aus durch die Auswanderer auch in den Weiten von Russland und von Amerika heimisch gemacht. 6 Das »Liederkästlein« des stimmlos gewordenen Pfarrers Philipp Friedrich Hiller (1699–1769) mit seinen 1073 geistlichen Dichtungen bot die Sing-Hilfe für diese Andachten, vor allem aber für die Gemeinschafts-»Stunden«. Dieses Liedgut war im besten Sinn »biblisch-komprimiertes« Bekenntnis zu Jesus. Vor allem mit Hillers Liedern wurde die anspruchsvolle Theologie von Bengel den Schwaben ins Herz gesungen. Das geistliche Lied wurde in der Folgezeit immer mehr zur belebenden Quelle des geistlichen Lebens Württembergs. Dazu halfen Dichter wie Albert Knapp, Michael Hahn, Gebhardt und Otto Riethmüller ebenso mit wie die Komponisten Knecht, Silcher, Lang und Metzger. Das Andachtsbild – und seine prägende Bedeutung Die württembergische und speziell die pietistische Frömmigkeit wird – völlig unzutreffend - immer wieder als »bilderfeindlich« denunziert. Durch Jahrhunderte hindurch haben biblische Szenen auf den Emporenbrüstungen oder in Fenstermalereien das verkündigte Wort ebenso unterstützt wie die biblischen Illustrationen des Julius Schnorr von Carolsfeld und von Rudolf Schäfer. Gerade die Bibeln der Württembergischen Bibelanstalt waren liebevoll illustriert. Im 19. Jahrhundert haben sich viele durch das von katholischer Volksfrömmigkeit inspirierte »Herz-Büchlein« von Johannes Gossner beeindrucken lassen. Im 20. Jahrhundert bewährten sich die Illustrationen im »Gottbüchlein« und die P r äl at i . R . Rol f S ch e f f b u ch Ko r n t al Verteilbildchen der Künstlerin Mink-Born als geistliches Gegengewicht gegen den »bibel- und judenfeindlichen Ungeist« der hitlerzeiteit. Kitschige Großformat-Drucke von segnenden Engeln oder von »Jesus im Kornfeld« waren in der bürgerlichen Wohnung als Wandschmuck üblich. Zwei andere Motive waren es jedoch im pietistisch und auch kirchlich geprägten Haus, die als Andachtsbilder weit verbreitet waren. »Die Erscheinung des Herrn Jesus und seiner Heiligen auf weißen Rossen«. Das ist nach Offb 19,14 das Thema des Andachtsbildes, das in unzähligen Nachdrucken als Wandbild anzutreffen war. Gemalt hatte es der Stuttgarter Malerprofessor Heinrich Franz Gaudenz von Rustige (1810–1900). 1861 kam dies Wandgemälde in das Korntaler Knabeninstitut. Der Essener Jugendpfarrer Wilhelm Weigle (1862–1932) brachte im Eingangsbereich des von ihm geschaffenen modellhaften Jugendhauses einen Abdruck an. Etwas befremdet fragte ein Besucher: »Ist das nicht etwas kitschig, fast frömmlerisch? Sie haben doch hier mit ganz modernen jungen Burschen zu tun! Weigle antwortete: »Nach einem Sonntag hier in diesem Haus müssen die Burschen wieder in die gottlose und gnadenlose Arbeitswelt unter Tage oder bei Krupp. Da soll dies Bild mit ihnen gehen und sie daran erinnern: Der letzte Herr der Welt wird einmal Jesus sein!« Dr. Gustav Heinemann, der spätere Bundespräsident, war lange Jahre Vorsitzender des Weigle-Haus-Vereins. Als Oberbürgermeister von Essen brachte er beim Kirchentag 1950 die Botschaft dieses alten Bildes auf die einprägsame Formel: »Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr aber kommt!« Der breite und der schmale Weg - mehr als nur ein Bild Noch prägender war jedoch das Andachtsbild »vom breiten und vom schmalen Weg«. Vertieft hatte es der englische Erweckungsschriftsteller John Bunyan (1628–1688) in seinem Erbauungsbuch »The Pilgrim’ s Progress« (Pilgerreise zur seligen Ewigkeit). Bunyans Darstellung der üppig-lärmenden Stadt »Vanity« und ihrem »Jahrmarkt der Eitelkeiten« inspirierte den Schriftsteller Thackeray (1811–1863). Er übertrug den »Jahrmarkt der Eitelkeiten« in die viktorianische Welt des 19. Jahrhunderts und animierte damit manche Künstler zur Darstellung der zweifelhaften und vergänglichen Pracht des »breiten Weges«. 7 Die Stuttgarter Kaufmannsfrau Charlotte Reihlen (1805–1868) war allerdings mit der Darstellung des »schmalen Weges« nicht zufrieden. Da ging es nämlich um die Ideale von Fleiß und Gehorsam, von Sparsamkeit und von Familienglück. All diese anschaulich dargestellten puritanischen Tugenden verströmten Prüderie und pharisäische Überheblichkeit über die »ach so böse Welt«! Charlotte Reihlen jedoch wollte veranschaulichen, dass der Weg mit Jesus voll faszinierender Herausforderungen ist. So gab sie einem Stuttgarter Künstler den Auftrag: »Gestalten Sie den schmalen Weg so, das deutlich wird, wie rechter Glaube in der Liebe tätig wird!« So sind auf der Lithographie Sonntagschule, Kinder-Rettungshaus, Diakonissenanstalt, Jugendunterweisung, Alkoholikerfürsorge, Freiluftevangelisation, Herberge für Obdachlose u.a. zu sehen. All diese Aktionen und Werke hatte die pietistische Unternehmerin entweder selbst ins Leben gerufen oder gefördert. Daneben rief Charlotte Reihlen eine Privatschule für Höhere Mädchenbildung ins Leben, aber auch eine »Anstalt für alternde Mägde«. Sie setzte durch, dass in der Stuttgarter Stiftskirche ein jährliches Missionsfest eingerichtet wurde. Ein Hilfsverein sollte auch ärmeren Gemeindegliedern zu einem eigenen Gesangbuch verhelfen. Von Stuttgart, der Residenzstadt, sollten gesundmachende Kräfte in das ganze Land hinein strömen. Zugleich sollten Menschen auch einen Ekel bekommen vor allem, was nicht hilfreich 8 ist. Deshalb ist auf dem »breiten Weg« auch dargestellt, wie abstoßend es ist, Zeit totzuschlagen, dem eigenen Körper durch maßlosen Genuss zu schaden, oder auf wehrlose Kreatur hinein zu prügeln. Neben einer abschreckenden Darstellung kriegerischen Mordens überquert ein dampfender Eisenbahnzug den »breiten Weg«. Charlotte Reihlen war nicht technikfeindlich, aber sie litt unter dem ständigen Abbröckeln des Gottesdienstbesuches, seitdem die Stuttgarter am Sonntag mit der Bahn »ins Freie« fuhren. Weil sie einst selbst in einem Gottesdienst von Jesus ergriffen worden war, wollte sie ihre Zeitgenossen wecken: Lasst euch nicht vom wahren Leben weglocken! Mit dem allem wollte sie nicht belehren, sondern mit ihrem eigenen Vorangehen viele in Württemberg ermutigten, auf den Weg mit Jesus zu kommen und auf diesem Weg zu bleiben. Sie wusste – auch dies ist auf dem Bild dargestellt -, dass es auf dem Weg mit Jesus auch Durststrecken gibt und dass er oft an Abgründen vorbei führt. Umso mehr blieb sie bei der Parole, die ihr ganzes Leben prägte: »Nicht weg von Jesus, sondern vielmehr nur noch näher hin zu Jesus!« Mit dieser Botschaft des auf sie zurückgehenden Andachtsbildes hat sie Württemberg ebenso stark geprägt wie mancher der meist als prägend genannten Prediger und auch wie mancher der einflussreichen Leiter diakonischer Initiativen. KARL WEZEL (1908-2004) UND DER JOSUA Pf a r r er i .R. Konr a d E i ßl er H ül b en Karl Wezel hätte auch Josua heißen können. So wie dieser Gottesmann zu einer entscheidenden Figur in der Geschichte Israels geworden ist, so wurde Karl Wezel zur entscheidenden Person in der Geschichte des CVJM. Ohne ihn ist der württembergische Landesverband nicht zu denken. Für beide gilt Gottes Zusage: «Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.« Der Helfer Eigentlich hat Josua Hosea geheißen, das heißt Helfer. Diesem Namen hat er alle Ehre gemacht. Er hat als Adjudant geholfen und das Schwert getragen. Er hat als Sekretär geholfen und die Gesetzestafeln geschleppt. Er hat als Spion geholfen und reife Weintrauben geschultert. So war er Hilfe, Helfer, Handlanger, eben der Hosea, so wie Karl Wezel auch. Zuerst hat der Maler Wezel dem kleinen CVJM Walddorf geholfen. Weil der kein Dach überm Kopf hatte, kaufte er im Jahr 1937 das »Scheuerle«. Diese »alte Hütt« wurde zur Herberge der Jugendarbeit. Auf Vorschlag von Wilhelm Schäfer, einem Landesmitarbeiter, begannen dort im Jahre 1946 die Jungmännerfreizeiten. Im Waschkessel wurde gekocht, im Wasserkübel gewaschen und im Stroh geschlafen. Dann hat der Maler Wezel endgültig den Pinsel aus der Hand gelegt und hat dem Ev. Jungmännerwerk geholfen. Zuerst sollte er nur für zwei Jahre im Landesdienst aushel- 9 fen. Daraus wurde ein lebenslanger Dienstauftrag - ohne Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung und Einbildung. »Karl Wezel war Träger eines echten Charismas, ein Mann ohne Ausbildung. Glücklich ein Werk, das solche Menschen in seiner Mitte hat« (Theo Sorg). Er fuhr mit seinem »Motorrädle« kreuz und quer durchs Ländle und evangelisierte. Fritz Grünzweig bemerkte einmal: »Wenn du durch‘s Land gehst und triffst junge Männer, die aus kernigem Holz geschnitzt ihren Glauben leben, dann sind das junge Männer, die durch Karl Wezel zum Glauben kamen.« Über Jahrzehnte hinweg hat er jeden Sommer dem Zeltlager bei Birnau geholfen, dass dieses »Bola« zu einer geistlichen Bodenseewasserversorgung für sehr viele CVJM geworden ist. Nicht einmal seinen Geburtstag am 14. August konnte ihn davon abhalten, diesen Festtag auf dem Zeltplatz zu feiern. Ihm waren die »neuen Geburten« von jungen Männern viel wichtiger als seine eigene Geburt. »Seht ihr«, sagte er, »das bewegt mich. Ich darf jungen Leuten die Botschaft des Heilands sagen, der uns so lieb hat, der uns haben möchte und der uns segnen will.« Und Karl Wezel hat Fritz Liebrich in Eßlingen geholfen, dass es zur Gründung des CVJM-Landesverbandes gekommen ist. Beiden war es ein wichtiges Anliegen, dass der CVJM nicht ausgelöscht werden darf, sondern als freies Werk im EJW seinen Platz behalten muss. Die Helferqualitäten eines Karl Wezel sind nicht zu überschätzen. 10 Der Diener Josua war nicht Mose. Diese überragende Gestalt trug einen Herrenanzug, der ihn als Chef zeigte. Eine Uniform, die ihn als Feldherr auswies. Einen Talar, der ihn als Mittler zwischen Gott und seinem Volk erkennbar machte. Josua aber trug zeitlebens den Schurz des Dieners. Aber Gott sagte zu ihm: »Ich beachte dich.« Gerade der demütige Diener passt in Gottes Personalpolitik, so wie Matthias Claudius an seinen Freund geschrieben hat: »Wir sind nicht groß, Andres, aber unser Glück ist groß, dass wir an einen großen Gott glauben, der Kleine sieht. Und dieser große Gott stellt uns in seinen Dienst unabhängig von unseren Qualitäten.« Ein Mann mit dem Schurz war Karl Wezel auch. Als er einmal nach der Konfirmation zum Gottesdienst ging, fiel ihm ein Zettel aus dem Gesangbuch. Sofort erkannte er die Handschrift seiner Mutter. »Mein Kind, bleib gern im niedrigen Stand.» Und darunter der Vers: »Stolze müssen selbst gestehen, wenn sie Fromme um sich sehen, dass doch Demut edler ist, als ein frecher, stolzer Christ.« Diesen Zettel hat er immer in seinem Tagebuch aufbewahrt. Sein Outfit blieb der Schurz und sein Wesen die Demut. Es gibt wenig Dinge, zu denen man so viel Mut braucht wie zur Demut. Demut ist der Mut zum Dienen, Mut für andere da zu sein, Mut für den steinigen Weg. Dass Karl Wezel dafür die richtige Frau an seiner Seite hatte, war eine Sonderration des Himmels. Karl am Pult und Lina in der Küche, ein unvergessenes Duo. Sie verwirklichten Paul Deitenbecks Wunsch »Lange Würste - kurze Predigten« auf ihre Weise: Riesen Schnitzel und riesige Bibelarbeiten! Die Erweiterung des Vereinshauses und der Saalneubau ermöglichten unzähligen CVJMern dort zu tanken, »bei Karl Ramsayer und Paul Müller Super, bei mir Normal« (Wezel). Augustin wies daraufhin: »In der Demut liegt Kraft.« Im Kreis der Landesmitarbeiter war Karl Wezel der, der am wenigstens geredet hat. Er hat selten das Wort genommen, aber wenn er gesprochen hat, dann war es klärend und wegweisend. Eine seiner Kraftquellen war nicht Geisteskraft, Muskelkraft oder Herzkraft, sondern die Kraft der Demut. Ihm ist viel Hochmut begegnet: »Evangelisation ist out«. Ihm ist auch viel Unmut begegnet: »Walddorf? Nein danke.« Ihm ist erst recht viel Kleinmut begegnet: »CVJM-Arbeit? Das war‘s!« Dem allem begegnete er mit Demut. Dabei erfuhr er: »Den Demütigen gibt er Gnade.« Karl Wezels Lebenszeit war eine Gnadenzeit für junge und erwachsene Menschen im Land. ben steht.« Josua hätte sich fragen können: »Keine Vision, keine Audition, kein Wunder von oben? Nur das Wort? Ist das alles?« Es war alles. Mehr brauchte er nicht. Das Wort genügt zum Leben und Sterben. Auch Karl Wezel war ein Liebhaber der Bibel. Als er im Alter von 13 Jahren sehr krank wurde, besuchte ihn der Pfarrer und hielt ihm Konfirmandenstunde im Bett. »Damals hat das Wort mich entdeckt.« Seither blieb er beim leidenschaftlichen Ruf: »Halt deine Bibel als den kostbaren Schatz.« Hosea heißt Helfer. Mose hat ihn zum Josua umgetauft. Das heißt: »Der Herr ist mein Helfer.« Und der hat dem Karl Wezel auch durchgeholfen bis zum ewigen Leben. Der Hörer Gott hat dem Josua ins Stammbuch geschrieben: »Lass das Buch nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht.« Daran hat er sich gehalten und so gute Erfahrungen damit gemacht, dass er in seiner Lebensbilanz besonders vermerkt hat: »So haltet nur ganz fest daran, dass ihr nur das tut, was geschrie- 11 »Onkel Paul« – der Prediger im Rollstuhl E be r h ar d S i l b e r Ko r n t a l So lernte ich Dr. Paul Müller, von mir und anderen Onkel Paul genannt, kennen und überaus schätzen: in seinem Hauskreis in der Heslacher Wand in Stuttgart, bei Bibelfreizeiten im CVJM-Heim in Walddorfhäslach, bei Vorträgen da und dort. Er beeindruckte mich als reifer, stets fröhlicher Christ, als scharfer Denker, als bibelgläubiger Naturwissenschaftler. Besonders jungen Menschen hatte er Entscheidendes zu sagen, lebte vor, worüber er sprach, und das stets aktuell und fundiert. Es ging ihm um konsequente Nachfolge, um Stärkung im Glauben, um Umgestaltung in das Bild Jesu, um Befestigung in der biblischen Hoffnung. Keineswegs klammerte er die Bewährung des Christen im Leiden aus. Gerade hier predigte er nicht vom grünen Tisch, sondern aus eigenem Erleben und persönlicher Betroffenheit. Von besonderer Bedeutung für ihn und seine Zuhörer war die Verbindung naturwissenschaftlicher Kenntnisse mit den Aussagen der Bibel. Hier sah er keine Widersprüche und half dadurch besonders jungen Menschen, die in der Schule mit ausschließlich evolutionärem Denken konfrontiert wurden über Glaubenszweifel hinweg. Durch sein Leben und Wirken, durch sein Schrifttum und sein seelsorgerliches Handeln wurde er mir und vielen anderen zum lockenden Vorbild, dem man gerne nach- 12 eiferte, das man liebte, nicht zuletzt wegen seiner Güte und seinem Verständnis, aber auch wegen seiner physischen Opfer. In seiner inzwischen vergriffenen Selbstbiographie »In der Schule des Meisters« schreibt er wie sein Leben ihn geprägt hat. Im Jahr 1896 wurde er als ältester Sohn geboren. Seine Eltern und viele seiner Vorfahren waren entschiedene Christusnachfolger. Im Elternhaus und bei Verwandten war es üblich Tischgebete zu sprechen, Andachten zu halten und häufig kniend zu beten. Schon für den Zehnjährigen waren die Besuche der Hahn´schen Gemeinschaft in Stuttgart beeindruckend. Vom Wort Gottes und von seelsorgerlichen Menschen angesprochen, wurde es ihm mit 15 Jahren klar, sein Leben ohne Vorbehalt seinem Gott und Herrn zu übergeben. Beim Ausbruch des 1.Weltkrieges 1914 meldeten sich viele seiner Altersgenossen freiwillig zum Wehrdienst. Ein gläubiger Onkel, bei dem er mit seinen Geschwistern immer wieder Ferien verbringen konnte, riet ihm davon ab. Bald nach der Reifeprüfung und dem Beginn seines naturwissenschaftlichen Studiums wurde er als 19-jähriger zum Militär eingezogen. Nach schlimmen Kriegsjahren an der französischen Front geriet er 1916 verwundet in englische Kriegsgefangenschaft. Nachdem er 1919 von dort entlassen wurde, setzte er sein Studium in Stuttgart und Tübingen fort. Während der Semesterferien nahm er an christlichen Lehrerkonferenzen teil. Redner wie Pfarrer Kühn, Pfarrer Coerper, Walter Martin Borngräber sprachen ihn stark an, erweiterten seinen Blick in Gottes Heilsplanungen und vertieften sein Glaubensleben. In starkem Maße prägten ihn auch Vorlesungen des Tübinger Theologieprofessors Karl Heim über das Thema »Christentum und Naturwissenschaft«. 1922 begann er seine Lehrtätigkeit als Studienreferendar in Ulm. In dieser Zeit legte er auch seine Doktorprüfung ab. »Die Foraminiferen des Schwäbischen Jura« war Thema seiner Doktorarbeit. Dann wurde er an das Lehrerseminar in Backnang abgeordnet, eine für den Junglehrer schwierige Aufgabe. 1924 setzte bei Paul Müller, zunächst kaum bemerkbar, die heimtückische Multiple Sklerose ein. Die Körperkräfte ließen langsam nach und die Gehfähigkeit allmählich eingeschränkt. Ermüdungserscheinungen und Schwächeanfälle traten verstärkt auf. Trotz vieler Heilversuche, Krankenhausaufenthalten und Kuren, trotz gesunder Ernährung und der Befolgung vieler guter Ratschläge traf keine anhaltende Besserung ein. Nun galt es für ihn zu lernen, sich in Gottes Willen zu fügen, das Leben neu zu durchdenken und bewusst nach Gottes Willen Ausschau zu halten. Ein schwerer Kampf für den noch jungen, tatkräftigen Mann mit großer beruflicher Zukunft! 1928 konnte er als Studienrat die Stelle am Nagolder Lehrerseminar antreten. Dunkel lag vor ihm die weitere persönliche und berufliche Lebensführung. Zur unentbehrlichen Hilfe wurde ihm die von Gott zugeführte junge Frau Martha, geb. Kern, die er 1930 heiratete. Sie war ihm Zeit seines Lebens die entscheidende Stütze, die die gesundheitlichen Beeinträchtigungen geduldig mittrug, die ihn umsorgte und ihn in guten und schweren Zeiten hingebungsvoll pflegte. Sie war ihm Gattin, Sekretärin, Krankenpflegerin und Chauffeurin in einer Person und als »Tante Martha« von uns sehr geschätzt. Da Paul Müller nicht in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Adolf Hitlers eintrat, musste er Nagold verlassen. Er kam an die Realschule nach Urach. Auf Wunsch der Eltern Kern wurde es ihm 1938 ermöglicht als Chemielehrer an der Friedrich-Eugen-Oberschule in Stuttgart zu beginnen. Der 2. Weltkrieg brachte große Einschnitte im privaten und beruflichen Bereich. Die Müllers wurden wiederholt in Stuttgart ausgebombt. Sie erlebten viele Bewahrungen. Der geregelte Unterricht litt stark. 1944 konnten sie wegen der schweren Fliegerangriffe in Stuttgart in die Wohnung eines Onkels nach Nagold ziehen. Ein Jahr später in Stuttgart zurück, konnte Paul Müller seinen Lehrdienst unter schwierigsten Umständen wieder aufnehmen. Doch wurde er 1948 ohne Angabe genauerer Gründe als angeblicher »Mitläufer« mit anderen Lehrern plötzlich vom Dienst suspendiert und zur Ruhe gesetzt. Als Karl Wezel, ein Verwandter seiner Frau Martha davon erfuhr, lud er ihn als Redner zu einer Bibelwoche über den Epheserbrief nach Walddorfhäslach ins CVJM-Freizeithaus ein. Türen taten sich auf, vor allem bei jungen Männern, besonders wenn es um Fragen von Bibelglaube und Schöpfung ging. So begann ein bis in sein hohes Alter überaus wirkungsvoller Dienst an Jung und Alt bei Bibelwochen, Freizeiten, Konferenzen, Vorträgen in Kirchen, Gemeinschaften und Freizeitheimen. 1983 wurde er im 88. Lebensjahr nach einem Schlaganfall und letzten schweren Leidenstagen von seinem Herrn heimgerufen. 13 Wie Menschen, die eine Vision haben, andere für das Reich Gottes gewinnen können. Ber n d- U l r i ch B a r n e r O h mde n Als Kind bin ich lange und gerne in die Kinderkirche gegangen. Mit ca. 13 Jahren wurde ich nach der Kinderkirche von einem Mitarbeiter angesprochen: Morgen fängt eine neue Jungbläsergruppe an, das wäre doch etwas für dich. Da ich mit Begeisterung die biblischen Geschichten, die er erzählt hatte, verfolgte, konnte ich nicht nein sagen. Ich folgte seiner Einladung und brachte zum Ausdruck, dass ich mir die Sache einmal ansehen werde. Einige Jahre später: Nach der Posaunenchorprobe kam ein anderer Bläser auf mich zu und erzählte mir, dass es doch in der Gemeinde bald wieder eine Jungschar geben könnte. Er war der Meinung, dass ich als Jungscharleiter für diese neue Gruppe (die es noch nicht gab) genau der Richtige wäre. Ich konnte mir das überhaupt nicht vorstellen und hatte alle möglichen Argumente, ihm abzusagen. Mit allen meinen Argumenten war er (glücklicherweise) nicht zufrieden. Er ließ nicht locker und kündigte an, dass er mich in den nächsten Tagen besuchen werde um noch mal darüber zu reden. Diese »Androhung« nahm ich aber nicht ernst. Er stand wie angekündigt vor meiner Haustür und fragte noch mal: »Hasch Dir’s jetzt überlegt?« Meine Mutter kam hinzu und selbst Ihr Argument, dass ich doch lernen müsste, konnte ihn nicht überzeugen. Er ging auf’s Ganze und teilte mir mit, dass er mich bereits schon zum Grundkurs des Ev. Jugendwerks angemeldet hätte. Er ließ nicht locker und sagte mir zu, dass er mich auch zu den Grundkurswochenenden fahren würde. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich darauf einzulassen. Tatsächlich holte er mich an jedem Kurswochenende mit dem Auto ab und brachte mich danach wieder nach Hause. Dieser Grundkurs hat mein Leben verändert. Mir wurde klar, dass es wirklich meine Aufgabe ist, diese Jungschar zu beginnen um Gottes Wort und Liebe an junge Menschen weiter zu geben. Vermutlich überzeugte mich sein Engagement, seine Hartnäckigkeit, seine Vision, dass es in der Gemeinde wieder eine Jungschar bzw. eine lebendige Jugendarbeit geben könnte. Ich bin dankbar, dass es in meinem Leben Leute gab, denen ich wichtig war, die mich sowohl im Gebet als auch im praktischen Leben begleitet, gefördert und gefordert haben. Viele Jahre durfte ich mich in der ev. Jugendarbeit in Gemeinde und Bezirk einbringen Heute nach 34 Jahren blase ich noch immer gerne im Posaunenchor und arbeite in der Kirchengemeinde mit. 14 Das Vorbild sind Sie! E dga r Kol l m a r, Ob er s t udi enr a t Nür t i ngen »Ach, unserer Jugend fehlen einfach Vorbilder, an denen sie sich orientieren kann«. Diesen Seufzer höre ich jedes Mal, wenn in einem christlichen Kreis das Gespräch auf die Situation unserer jungen Menschen kommt. Ich antworte darauf: »Das stimmt nicht. Das Vorbild, an dem sich junge Menschen orientieren, sind Sie!« Als Reaktion erfolgt meistens ein Erstauntes: »Ich? Ich soll ein Vorbild sein? Nein, ich tauge doch nicht als Vorbild.« Damit befinden wir uns an dem Punkt, wo das theoretische Gespräch plötzlich persönlich und konkret wird. In dem zitierten Seufzer stecken zwei unausgesprochene Denkfehler, die zu klären sind. Der erste lautet: Es handelt sich um ein neues Problem, das es früher nicht gab. Der zweite Denkfehler lautet: Vorbilder im Glauben sind große, ferne Helden, die etwas Besonderes leisten. Um sich klar zu machen, wie falsch diese weit verbreiteten Ansichten sind, müssen wir an die Anfänge der Christenheit zurückgehen. Wie hat Paulus auf diese entscheidende Frage reagiert? Hat er auf die fernen Glaubensgrößen Petrus und Johannes verwiesen? Unser Leben ist wie ein Spiegel Nachdem Menschen aus allen Altersgruppen und Berufen zum Glauben an Jesus Christus gekommen waren, stellten sie Paulus genau diese Frage: »Welche sichtbaren Vorbilder haben wir, an denen wir uns orientieren können? Wer lebt es uns vor, wie man als Christin und Christ in einer heidnischen Gesellschaft seinen Alltag in der Familie und im Beruf gestaltet?« Nein, er stand zu seiner Verantwortung, die er den jungen Gemeinden gegenüber hatte und sagte: »Schaut meinen Lebenswandel an und folgt ihm nach.« (Phil. 3,17). Auch seinen beiden jungen Mitarbeitern Timotheus (1.Tim. 4,12) und Titus (Tit. 2,7) verbot er es ausdrücklich, sich aus dieser Verantwortung heraus zu stehlen und ermahnte sie, Vorbilder für andere Christen zu sein, damit sie an ihnen Halt und Orientierung finden können. Dieses biblische Prinzip bestätigt die Entwicklungspsychologie, aus deren Forschungen wir wissen, dass wir Erwachsenen für junge Menschen Vorbilder sind, an denen sie sich orientieren – ob wir das wollen oder nicht. 15 Das negative Beispiel von Christen, die Paulus in 2. Thess. erwähnt, habe ich in jungen Jahren selbst erlebt. Ich lernte in zwei verschiedenen Gemeinden Bibel- und Gemeinschaftsstunden kennen, in denen es vordergründig geheuchelt fromm – und hintenherum lieblos und giftig zuging. Ich lernte ältere Christen kennen, die sehr herrschsüchtig und rechthaberisch waren, bei deren Erscheinen die Ehefrau und die Kinder verstummten. Damals schwor ich mir: »Wenn so ein Christenleben aussieht, dann möchte ich nie in meinem Leben Christ werden!« Bis auf den heutigen Tag begegnen mir Menschen, deren Herzen hart und verschlossen sind, weil sie durch negative Glaubensvorbilder für ihr ganzes Leben geprägt wurden. Als Christ habe ich Verantwortung Verstehen Sie jetzt, warum mir diese Wahrheit so wichtig ist: Das Vorbild sind Sie! Wir müssen uns als erwachsene Christen dieser Verantwortung stellen und sie bewusst bejahen. Es geht dabei nicht einfach um ein moralisch einwandfreies Leben oder um eine aufgesetzte Freundlichkeit, die den anderen nicht ernst nimmt, sondern um die Echtheit unseres Glaubenslebens. Diese Echtheit wollen junge Menschen an uns sehen und uns abspüren; dass wir Fehler haben, dass wir manchmal mit unseren Plänen scheitern, das Alles gehört dazu. Das macht uns glaubwürdig, menschlich und verlässlich. Echtheit und Vollmacht gehören zusammen Der alte Pastor Heinrich Kemner, den heute leider schon viele nicht mehr kennen, konnte zu uns in einer Jugendevangelisation sagen: »Wenn du ein Spatz bist, dann wirst du durch den Glauben an Jesus Christus 16 keine Nachtigall, sondern ein richtiger Spatz. So wie ihn Gott gewollt hat! Und dann sei auch dieser Spatz – sei ihn ganz, dann bist du echt! Das Echte zieht andere Menschen an, das Echte verleiht Vollmacht.« Wie lebe ich meinen Glauben als Bäcker? Wie lebe ich ihn als Schüler oder als Lehrer? Wie lebe ich ihn im Laden oder im Büro mit schwierigen Kollegen? Wie lebe ich ihn im Krankenhaus? Wie lebe ich ihn in einer Familie, in der man nicht mehr miteinander redet? Wie lebe ich ihn, wenn es beruflich bergab geht und ich am Verzweifeln bin? Wie lebe ich ihn in Anfechtungen, in Depressionen usw.? Unsere jungen Menschen wachsen in immer komplexere Lebenssituationen hinein. In einer Gesellschaft, in der jeder nach seiner Fasson glücklich werden darf, in der es immer schwieriger wird, zwischen richtig und falsch, gut und böse, hilfreich und schädlich zu unterscheiden – in einer solchen Gesellschaft sollen sie ihren Glauben bewahren und verantwortlich leben. Das ist wahrhaftig nicht einfach! Sie suchen unter uns Erwachsenen Menschen, die beispielhaft wirken in dem, wie sie sich in schweren Situationen bewährt haben, wie sie andere begleiten und in der Fürbitte mittragen. Nach solchen im Glauben gewachsenen Persönlichkeiten sehen sich junge Christen. Von ihnen schreibt Paulus in 1. Thess. 1,6 und 7. »Und ihr seid unserem Beispiel gefolgt und dem des Herrn, und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im heiligen Geist, so dass ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen nicht nur in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten.« Leben Sie Ihren Glauben schlicht, erkennbar und echt – und Sie werden staunen, wie unser HERR Sie als Vorbild und Halt für andere gebrauchen wird. Konfirmandenarbeit am Beispiel der Kirchengemeinde Rielingshausen In g e b o r g B ul l i ng R i e l i n gsh a us en Eine Idee wird umgesetzt Vor etwa acht Jahren erfuhr ich zufällig, dass es in einer mir unbekannten Gemeinde für jeden Konfirmanden einen »Paten« gab. Diese Idee faszinierte mich, aber ich vergaß sie wieder. Als dann vor einigen Jahren in unserer Gemeinde (1500 ev. Gemeindeglieder) die Konzeption der Konfirmandenarbeit neu überdacht wurde, griff unser Kirchengemeinderat auch die Idee der Konfirmandenbegleitung durch Gemeindeglieder auf. Das war 2002. Die Jugendlichen sollten die Möglichkeit haben, viele unterschiedliche Christen kennen zu lernen und von ihnen begleitet zu werden, um auf diese Weise den Lebensraum »Gemeinde« zu erfahren und das Priestertum aller Gläubigen mitzuerleben. Sie sollten erfahren, dass es außer dem Pfarrer (zu dessen Beruf ja auch die Konfirmandenarbeit gehört) noch andere Gemeindeglieder gibt, die sich für das Miteinander in der Gemeinde interessieren und engagieren, und das auch noch ehrenamtlich! Durch praktische Mitarbeit die Gemeinde kennen lernen Da gehört es dann auch dazu, als Begleiter den Konfirmanden das eigene Ehrenamt vorzustellen (so man eines hat) und sie vielleicht sogar praktisch mit einzubezie- hen. (Mithilfe beim Deko-Team für einen Zweitgottesdienst; Teilnahme an einer Gruppe oder einem Kreis, den der Begleiter leitet oder an dem er teilnimmt...) So erleben die Konfirmanden, was aktive Teilnahme am Gemeinleben bedeutet. Weg-Begleitung war angesagt. Die Jugendlichen sollten erleben, dass sie uns wichtig sind und wir deshalb Zeit für sie haben. Sie sollten Wertschätzung spüren. Wir Mitarbeiter sind ganz normale Leute Neben einigen Konfirmandeneltern beteiligten sich »ganz normale« Leute aus der Gemeinde von 16 bis 70 Jahren, darunter auch einige Kirchengemeinderäte. Es gab kaum Probleme, jeweils für zwei Konfirmanden einen Begleiter zu finden. Es sollten zwei Konfirmanden sein, um besser miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Aufgabe der Konfirmanden bestand darin, sich in Zweiergruppen zu finden. Aufgabe der Begleiter war es dann, eine Gruppe für sich auszuwählen. Wir legten fest, dass im Konfirmandenjahr drei Mal der Konfirmandenunterricht aus dem Pfarrhaus in die Häuser der Begleiter verlegt wird. Soweit möglich sollte der Unterricht zur üblichen Zeit am Mittwochnachmittag abgehalten. Berufstätige Begleiter regeln die Zeit individuell. 17 Die begleitende Unterstützung durch den Pfarrer ist unerlässlich Damit sich kein Begleiter überfordert fühlt, bekommt jeder vom Pfarrer eine Materialsammlung zum vorgegebenen Thema, aus der er auswählen kann. Das Thema der ersten Einheit war »Unsere Gemeinde«, das der zweiten »Unser Gottesdienst« und das letzte »Die Konfirmation«. Jeder Begleiter wählt nun das aus, was ihm liegt und von dem er sich Erfolg verspricht. Die Materialsammlung soll nur eine Fundgrube sein. Sie muss nicht »abgearbeitet« werden. Dazu würden 60 Minuten auch kaum reichen. Zwischen den Thementreffen sollten je nach Vermögen der Begleiter weitere unterrichtsfreie Begegnungen stattfinden, um sich näher kennen zu lernen um eine Beziehung aufzubauen. Nach dem ersten Unterricht bei den Begleitern trafen sich diese zum Erfahrungsaustausch. So verschieden wie die Konfirmanden und die Begleiter waren, so unterschiedlich liefen diese Treffen ab. Es gab sowohl Sympathie auf den ersten Blick als auch anfängliche Reserviertheit bei den Konfirmanden. Meist war das Eis schon nach der ersten Begegnung gebrochen. Manche Jugendlichen, die zu Beginn des Hausunterrichts betonten, pünktlich heim zu wollen, hatten es am Ende kein bisschen eilig. Grillen, Eis und Pizza gehören mit dazu Vor den Sommerferien wurde ein kleines Grillfest mit allen Beteiligten angeboten. Ein Mitglied des Kirchengemeinderates stellte seine Wiese zur Verfügung. Beim 18 Grillen und Schwätzen lernten sich Konfirmanden und Begleiter gegenseitig kennen. Leider konnten oder wollten nicht alle Eingeladenen dabei sein. Der Pfarrer interviewte einige der Begleiter darüber, wie sie ihren Glauben leben und erleben, mit allen Höhen und Tiefen. Wir Begleiter bekommen Noten Am Ende der Konfirmandenzeit beim letzten gemeinsamen Unterricht wurde ein Fragebogen ausgeteilt. Zu gewissen Stichworten sollten Zeugnisnoten von 1 bis 6 gegeben werden. Uns Mitarbeiter freute es besonders, dass wir alle gute Noten bekamen. Die Jugendlichen schätzten vielleicht den Unterricht als solchen nicht immer; war er doch Pflicht. Aber den Menschen, der sich um sie persönlich immer wieder kümmerte, den schätzten sie sehr. »Da ist jemand, der sich Zeit für mich nimmt, obwohl der mich doch gar nicht gekannt hat«. Unser neuer Pfarrer fügte eine weitere Variante hinzu: Es treffen sich nicht nur alle Konfirmanden mit ihren Begleitern, sondern auch die Familien werden mit einbezogen. Bei einem Abend der Begegnung verging die gemeinsame Zeit mit Abendessen, singen und spielen wie im Flug. Auf meine kleine Befragung hin äußerten sich die Eltern sehr positiv über dieses Konfirmanden-Begleitmodell. Sie empfinden es als Bereicherung und Abwechslung wie auch die Konfirmanden selber. Wie war doch der Konfirmandenunterricht dieser Eltern und auch meiner so ganz anders! Ob unsere Konfirmanden heute mit meinem damaligen Unterricht tauschen wollten? Ich glaube es nicht. Patenschaft – neu entdeckt Einander geistliche Mütter und Väter sein Pfarrer H a ns Vei t , Kni t t l i ngen Mi t gl i ed der L a ndes s ynode Ich habe es selbst erlebt. Es ist schon viele Jahre her. Ich war damals frisch konfirmiert. Ein Mitarbeiter fragte mich, ob ich ihm in der Jungschar helfen kann. Und so kam ich in Kontakt mit dem CVJM. Ohne dass es mir zunächst bewusst wurde, erlebte ich in dieser Zeit zum ersten Mal geistliche Patenschaft. Ein für mein Empfinden alter Mann (er war damals vielleicht 55 Jahre alt) begleitete mich. Unbemerkt hat er sich in mein Leben »geschlichen«. Er fragte einfach nach, wie es mir geht. Er interessierte sich für die Schule, für meine Fragen und Gedanken, für meine Person und für meine Beziehung zu Gott. Nicht aufdringlich, sondern einfach interessiert war er für mich da. Gab es Fragen, wusste ich: bei ihm finde ich ein offenes Ohr. Erst später erfuhr ich, dass er jeden Tag für mich betete und sogar einmal in einem Konflikt mit meinem Vater sprach, um mich zu stärken. Dieser väterliche Begleiter prägte mein Bild von Christsein und Mitarbeitersein entscheidend. Es war später für mich selbstverständlich, dass ich das auch für Teenies sein wollte – ein geistlicher Begleiter. Viele Jahre später, ich machte meine erste Schritte als Bezirks-Jugendreferent, stellte sich die Frage nach geistlicher Patenschaft neu. Im Grund- und Aufbaukurs begegneten uns jugendliche Mitarbeiterinnen, viele aus nichtchristlich-geprägten Elternhäusern, die keinerlei Erfahrung mit geistlicher Begleitung hatten. Oft wurden sie in den Gemeinden als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kaum wahrgenommen. Die Idee: Parallel zum Kursprogramm sollten sie in ihrer Heimatgemeinde geistliche Begleitung erfahren. Ich suchte für jede und jeden eine erfahrene Mitarbeiterin und Mitarbeiter. Ein Altersunterschied von mindestens 5 Jahren war gewollt – viele der Christen waren aber wesentlich älter. So wuchs ehemaligen Mitarbeitern aus der Jugendarbeit eine neue Aufgabe zu. Die Paten verpflichteten sich, einmal im Monat sich mit dem Jugendlichen zu treffen. Ob zum Abendessen oder Spazierengehen – der Rahmen war weit gefasst. Auch zum Inhalt der Gespräche der Gespräche wurde wenig gesagt. Beide sollten sich kennen lernen und einfach die Chancen solch einer offenen Begleitung erfahren. Interessant waren die Rückmeldungen nach der ersten Runde: Die Jugendlichen waren alle total begeistert. Niemand wollte seinen Paten wechseln. Für die Älteren hatte dieses Projekt zunächst eine hohe Hemmschwelle, aber nach den ersten Treffen berichteten alle von guten Erfahrungen. Vier Gespräche waren verpflichtend – aber die meisten Beziehungen gingen nach einem Vierteljahr von selbst weiter. Viele Jahre später übertrugen wir diese Erfahrungen in die Konfirmandenarbeit. 19 Auch hier entdeckten wir, dass die Jugendlichen kaum Erfahrungen in der Begleitung durch Erwachsene haben. Ihre eigentlichen Paten, die ihnen bei der Taufe Begleitung auf dem Weg des Glaubens versprochen haben, kamen dieser Aufgabe kaum nach. Und so entstand das »Patenmodell«, das wir später nach Protest einiger Taufpaten in »Begleitmodell« umbenannten. Beim Vorstellungsgottesdienst zu Beginn der Konfirmandenzeit wurde jeder Konfirmandin und jedem Konfirmanden eine Begleitperson ausgelost. Sie wurden von mir nach inhaltlichen Gesichtspunkten ausgesucht (Christen, die ein Herz für Jugendliche haben und die fähig sind, sie »zwecklos« zu begleiten). Auch hier galt: Frauen begleiten Mädchen, Männer die Jungen. Wichtig war eine schriftliche »Dienstanweisung«. Einmal im Monat treffen sich die beiden zum Gespräch oder unternehmen etwas zusammen. Inhalte und Ziel der Gespräche bleiben offen. Manchmal gab ich aber im Konfirmandenunterricht den Jugendlichen Fragen mit, die sie mit ihrer Begleitperson ansprechen können (z.B. persönliche Erfahrungen mit dem Beten). Interessant war: Die Rückmeldungen waren bis auf ganz wenige Ausnahmen positiv. In den Gesprächen kamen alle auf christliche Inhalte zu sprechen (Anknüpfungspunkt war meist die Frage, wie es den Jugendlichen im Konfirmandenunterricht geht). Die Jugendlichen erfuhren Wertschätzung durch die Gemeinde und es entstanden teilweise tiefe Beziehungen, die weit über die Konfirmandenzeit Bestand hatten. 20 Wenn Landesbischof July im letzten Bischofsbericht vom »Mehrgenerationenhaus Kirche« und von »Erzählgemeinschaften« spricht, könnte eine praktische Auswirkung das Wiederentdecken geistlicher Mütter und Väter in der Gemeinde sein. Es wächst bestimmt nicht von alleine – da sind Geburtshelfer nötig. Älteren Christen werden junge Menschen ans Herz gelegt. Sie übernehmen Gebetspatenschaften und Gesprächspatenschaften – je nach Gaben und Alter. Sie entdecken neu, wie wichtig sie für Gemeinde und für die Jugend sind. Zum Gelingen bedarf es verantwortliche »Beziehungsknüpfer«. Nicht jede und jeder ist als geistlicher Pate geeignet. Wer sein Gegenüber als Objekt seiner missionarischen Begierde sieht, wird der Aufgabe eher nicht gerecht – er bewirkt meist Befürchtungen und Rückzug beim Jugendlichen. Geistliche Patinnen und Paten sind Christen, die ein Herz für Jugendliche haben, die ihr Gegenüber einfach lieb gewinnen, in der Stille für sie beten. Sie erwerben zuerst das Recht, gehört zu werden. Und auf dem gemeinsamen Weg werden sie Vorbilder und Zeugen. Meine Erfahrung ist, dass in solch einer Patenbeziehung Gott viele Anknüpfungspunkte für das geistliche Gespräch schenkt – aber zu seiner Zeit. Das wertvollste Geschenk dass wir Kindern machen können, ist für sie zu beten. »Wenn ich an meine Mutter denke, die mich sehr geprägt hat, erinnere ich mich, dass ich sie als Kind oft an ihrem Bett betend gefunden habe!«, berichtet Martina Kersten, Bundeskoordinatorin von Mütter in Kontakt Deutschland. »Auch während meiner Teenagerjahre hat sie für mich gebetet. Was hätte da alles schief gehen können, ich habe so viel Bewahrung erlebt! Heute betet sie weiter für Kinder und Enkelkinder. Das ist natürlich auch meine Aufgabe, deshalb hat mich die Idee von Mütter in Kontakt auch elektrisiert! Was für eine Aufgabe: Jede Woche eine Stunde mit anderen Müttern für unsere Kinder und deren Schulen zu beten!« Die Gebetsinitiative Mütter in Kontakt (MIK) hat genau dieses Ziel: Kinder und deren Schulen umbeten. MIK ist eine überkonfessionelle Bewegung von Müttern, die überzeugt sind, dass Gott durch unsere Gebete Menschen und Situationen verändert. Wir treffen uns wöchentlich zu zweit oder in größeren Gruppen für eine Stunde, um für unsere Kinder, deren Schulen und Lehrer zu beten. Jede Frau, die für ihre Kinder, Enkel, Patenkinder, Nachbarskinder und deren Schulen beten möchte, ist bei MIK willkommen. Die Idee für MIK stammt aus den USA. Fern Nichols traf sich 1984 mit anderen Müttern, um für ihre Kinder an einer amerik. Highschool zu beten. Aufgrund ihres Beispiels und der erlebten Gebetserhörungen begannen sich weitere Gebetsgruppen zu bilden. Der entstandene Gebetsdienst erhielt den Namen Moms in Touch. Ute Mayer 2. Vorsitzende Mütter in Kontakt e.V. Inzwischen gibt es diese Gebetsbewegung in ca. 120 Ländern. Das MIK-Heft, dass die vier Schritte des Gebets erläutert, gibt es inzwischen in 37 Sprachen. In Deutschland gibt es ca. 1035 Gruppen mit je 2-10 Teilnehmerinnen. Unsere Vision oder unser Traum: Jede Schule in Deutschland soll eine Gebetsgruppe hinter sich haben. Unrealistisch? Menschlich gesehen sicher – aber Gott kann! Fern Nichols, Gründerin und Präsidentin von Moms in Touch International, erzählt von einer Begegnung nach einem ihrer Vorträge: Gerade war sie im Gespräch mit einer Mutter, die ihr das Herz ausschüttete, das sie schon so lange für ihre fast erwachsene Tochter bete – und nichts würde geschehen. In diesem Moment bahnte sich ein Mann den Weg zu ihnen und sprudelte einfach los: »Ich kann Ihnen den Kummer, den ich meiner Mutter machte, nicht erzählen. Alle hielten mich für einen hoffnungslosen Fall und haben meiner Mutter geraten, mit dem Beten aufzuhören. Ich hätte meinen Weg nun einmal gewählt. Doch meine Mutter hat mich niemals aufgegeben! Sie betete weiter für mich – 18 lange Jahre! Heute liebe ich Jesus und bin als Lehrer ein Licht Gottes für meine Schüler!« 21 Solche »Spätfolgen« kann auch Ihr Gebet haben! Zugegeben – es braucht manchmal fast übermenschliche Kraft, am Gebet dranzubleiben, wenn die Situation so sehr verfahren aussieht, alles scheinbar nicht mehr zu ändern ist. Aber Gebet bewegt auch heute noch Gottes Arm. Davon bin ich überzeugt – und mit mir viele, viele Mütter in Deutschland und auf der ganzen Welt! Wir prägen unsere Kinder – ob wir es wollen oder nicht. Kein Kind kann in einem wertfreien Vakuum aufwachsen. Entweder ich präge mein Kind – oder das Umfeld wird es tun. »Wir als betende Mütter prägen eine ganze Generation von Kindern!« - Davon ist auch Martina Kersten überzeugt: »Deshalb beten wir auch für ihre Freunde und die zukünftigen Ehepartner. Wenn die Kinder damit aufwachsen, prägt das auch ihre eigene Einstellung zum Gebet. Sie bekommen mit, dass Gott Gebet erhört und werden mutig, es auch selbst zu versuchen! Wie kann man mehr Einfluss nehmen, dass auch die kommende Generation eine Generation von Betern und Beterinnen wird, als wenn man selbst und zusammen mit anderen für sie im Gebet einsteht? Unsere Kinder beobachten sehr genau, ob unser Glaube hält, was er verspricht, ob er trägt, wenn es schwierig wird! Wenn wir anhaltend im Gebet bleiben, auch bei Dingen, die nicht sofort beantwortet werden, bleibt das nicht ohne Auswirkung! Vor allem auch, wenn wir die Kinder mit einbeziehen! Das Gebet ist eine echte Alternativlösung bei Problemen. Nichts ist so ausweglos, als dass man damit nicht zu Jesus gehen könnte.« Familie, Beruf, Ehrenamt in der Gemeinde und Schule ... – Wo soll da noch Zeit für Gebet bleiben? 22 Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass unsere Kinder, dass jedes Kind unser Gebet benötigt. Zeit habe ich genau genommen nie – ich muss sie mir immer nehmen. Und erfahrungsgemäß nehme ich mir für das Zeit, was mir wichtig ist. Unsere MIK-Stunde läuft immer nach einem bestimmten Schema ab. (Routine hat auch ihre guten Seiten, vermittelt Geborgenheit und Sicherheit!) Die »vier Schritte des Gebets« geben den Rhythmus jedes Treffens vor: Anbetung: Wir kommen aus der Hektik des Alltags an und können in Gottes Gegenwart zur Ruhe und Einstimmung auf ihn kommen, ihn dafür anbeten, wie er ist. Schuld bekennen: In der Stille legen wir Gott das hin, was uns von ihm trennt, was nicht gut gelaufen ist (in der Beziehung zu unserem Ehepartner, zu unseren Kindern oder was auch immer es ist). Dank: Hier danken wir Gott, für das, was er getan hat – seien es konkrete Gebetserhörungen oder einfach Dinge, die »dankenswert« sind, aber oft so selbstverständlich hingenommen werden. (Dass unsere Kinder unversehrt von der Schule nach Hause kommen, ist z.B. keine Selbstverständlichkeit!) Fürbitte: So wie die Freunde ihren kranken Freund auf einer Matte zu Jesus brachten – und sich auch durch widrige Umstände nicht zurückhalten ließen -, bringen wir gemeinsam unsere Kinder im Gebet vor Gott. Interessiert? Material und Informationen erhalten Sie bei unserer Geschäftsstelle: Mütter in Kontakt e.V., Faullederstr. 3, 70186 Stuttgart, Telefon: 0711/220 12 35, Fax: 0711/220 14 58, [email protected] www.muetterinkontakt.de Neue Horizonte entdecken. Menschen begegnen. Urlaub genießen. Kreuzfahrten und Reisen Vorschau 2009 30. Mai bis 6. Juni 2009 Pfingstkreuzfahrt auf Rhein, Neckar, Mosel und Saar Vier-Flüsse-Kreuzfahrt mit MS OLYMPIA – exklusiv gechartert Mit an Bord: Dr. Rolf Hille, Albrecht-Bengel-Haus, Tübingen; Traumschiffpianist Waldemar Grab; Reinhold Ruthe, Psychotherapeut und Autor 8. bis 15. Juni 2009 LudwigHofacker 3&*4&/ 6. bis 17. August 2009 Große Sommerkreuzfahrt in der Ostsee Durchs Baltikum und zu den Hansestädten bis nach St. Petersburg mit MS VISTAMAR – exklusiv gechartert Mit an Bord: Eva Herman, Journalistin und Buchautorin; Friedrich Hänssler, Verleger; Erwin Damson, Geschäftsführer der Ludwig-Hofacker-Vereinigung; Pastor Sven Findeisen, Kunstexperte und Baltkum-Kenner Sommerkreuzfahrt auf der Donau Flusskreuzfahrt mit MS FIDELIO – exklusiv gechartert Mit an Bord: Pfarrer Winrich und Beate Scheffbuch, Stuttgart; Christliche Theaterbühne „Die Boten“, Schweiz 15. bis 26. September 2009 Auf den Spuren des Apostels Paulus durch Griechenland Mit Verlängerungsmöglichkeit: 3-Tageskreuzfahrt in der Ägäis 4. bis 9. Juli 2009 Nostalgie Pur auf dem Göta Kanal Romantische Flusskreuzfahrt durch Schweden von Göteborg bis Stockholm Mit an Bord: Pfarrer Ulrich Scheffbuch, Filderstadt Mit: Pfarrer Winrich und Beate Scheffbuch 26. Oktober bis 1. November 2009 Auf Neckar und Rhein von Stuttgart bis Köln Flusskreuzfahrt mit MS SWISS DIAMOND – exklusiv gechartert Mit an Bord: Pfarrer Winrich und Beate Scheffbuch, Stuttgart; Rainer Haak, Schriftsteller und Theologe; Waldemar Grab, Traumschiffpianist Außerdem bei hand in hand tours: Südafrika, Nil, Mittelmeer, Portugal, Chagall-Reise, St. Petersburg, Nordkap-Spitzbergen, Alaska, Kanada Auf ein Wiedersehen oder Kennenlernen freuen sich Ihre Heiner und Marlene Zahn, hand in hand tours Jetzt Katalog vorbestellen Heiner Zahn GmbH Postfach 65 . 72222 Ebhausen Tel. 07458 / 99 99-0 . Fax 07458 / 99 99-18 [email protected] www.handinhandtours.de Postvertriebsstück E 7094 DPAG Lebendige Gemeinde Ludwig-Hofacker-Vereinigung Saalstr. 6 70825 Korntal-Münchingen Entgelt bezahlt Welchen Einfluss können Christen nehmen? Programm 15.00 Uhr Ankommen und Stehkaffee Veranstaltung am 15.30 Uhr Begrüßung und Einführung Erwin Damson, Geschäftsführer Ludwig-Hofacker-Vereinigung im Haus der Begegnung Leonberg, Eltinger Strasse 23 15.40 Uhr Einführendes Referat medien.macht.meinung Martin Gerstner, Journalist, Stuttgarter Zeitung 16.15 Uhr medien.macht.meinung Leitung: Manuel Liesenfeld, Leiter Kommunikation, Evangelische Brüdergemeinde Korntal Teilnehmer: Thomas Slotwinski, Chefredakteur Leonberger Kreiszeitung; Martin Gerstner, Journalist, Stuttgarter Zeitung; Helmut Matthies, Leiter des Pressedienstes IDEA; Dan Peter, Kirchenrat, Evang. Landeskirche; 18.00 Uhr Imbiss - Pause der Begegnung Präsentation von IDEA und der Ludwig-Hofacker-Vereinigung 19.30 Uhr Vortrag von IDEA – Leiter Helmut Matthies »Unsere Zukunft als Christen in Deutschland« Musikalisches Beiprogramm Projektchor Weissach/Friolzheim 9. November 2008 ab 15.00 Uhr Ein Tag der Medien mit der Lebendigen Gemeinde/ Ludwig-Hofacker-Vereinigung und dem Pressedienst IDEA Veranstalter: Lebendige Gemeinde/Ludwig-HofackerVereinigung Bezirke Leonberg und Ditzingen und IDEA Podium