Oktober 2008 - Lebendige Gemeinde

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Oktober 2008 - Lebendige Gemeinde
Information und Orientierung
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Prägende Menschen in Württemberg
Das Vorbild sind Sie!
Geistliches Patenamt
3. QUARTAL
OKTOBER 2008
www.lebendige-gemeinde.de
Termine
AU S DEM IN H ALT
»Folgt ihrem Glauben nach!«
4
Prägende Gestalten und
Bilder im evangelischen Württemberg
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Karl Wezel (1908-2004) und der Josua
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Ralf Albrecht
Rolf Scheffbuch
Konrad Eißler
»Onkel Paul« – der Prediger
im Rollstuhl
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Wie Menschen, die eine Vision haben,
andere für das Reich Gottes gewinnen
können.
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Das Vorbild sind Sie!
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Konfirmandenarbeit am Beispiel der
Kirchengemeinde Rielingshausen
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Termine
Eberhard Silber
O K TO B E R
Bernd-Ulrich Barner
Edgar Kollmar
Ingeborg Bulling
19
MIK – Mütter in Kontakt
21
Ute Mayer
Familien-und Freundestag, CVJM Walddorf
Kirchweihmontagskonferenz, Hülben AGV
Christustreff, Württembergischer Brüderbund,
Liederhalle Stgt.
NOVEMBER
Patenschaft – neu entdeckt
Hans Veit
12. Oktober
22. Oktober
25. Oktober
01. November
Landeskonferenz, AGV, Porschearena Stuttgart
01. November
Jahreskonferenz, SV, Harmonie Heilbronn
07. – 08. November Mitarbeiterkongress zum 75 jährigen Jubiläum
des LGV in Bad Liebenzell
16. November
Weltweiter Gebetstag für verfolgte Christen, DEA
IMPR ESS U M
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BILDNACHWEIS
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eMail
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DEZEMBER
21. Dezember
24. – 27. November
29. November
31. Dezember
Stuttgarter Jugendgottesdienst, Stiftskirche
Tagung der Landessynode, Stuttgart
CVJM Treff Walddorfhäslach
Silvesterkonferenz, Hülben, AGV
Deshalb ist die Sache dran...
VORBILDER
Es gab Zeiten, da wurden Vorbilder grundsätzlich und radikal abgelehnt und geradezu verachtet. Alles, was nach Autorität aussah, wurde verworfen. Heute sind wir, Gott sei Dank,
wieder offener für Vorbilder, manchmal suchen wir sie geradezu und wenn wir keine finden,
vermissen wir sie schmerzhaft.
Die Jugendlichen haben zwar ihre so genannten Idole, aber sind diese tatsächlich Vorbilder?
Bei Idolen muss man sich die Frage stellen, ob sie einen guten Einfluss auf die Jugendlichen
ausüben oder einen schlechten? In der Regel sind diese Idole Fußballstars, Schauspieler
oder Popsänger und als solche haben sie kaum irgendetwas mit der Lebenswelt der Jugendlichen selbst zu tun und leben in einer ganz anderen Welt und wie sie leben, ist oft alles
andere als nachahmenswert.
Ein echtes Vorbild macht aber aus, dass es Menschen sind, die ich in meinem Umfeld erlebe,
die ihr Leben mit mir teilen und die mich in einer guten Weise beeindrucken und prägen,
weil sie in einer guten Weise ihr Leben leben. Diese Vorbilder brauchen wir wirklich, aber
gibt es sie?
Gerade für die Weitergabe des Glaubens sind Vorbilder von entscheidender Bedeutung.
Denn gerade der Glaube lässt sich nicht nur von der Theorie her verstehen und begreifen,
sondern auch vom Erleben her, von Begegnungen und Erfahrungen. Und dazu braucht es
die Menschen, die echt und unkompliziert den Glauben im Alltag leben und andere Menschen daran teilhaben lassen. Solche Menschen prägen und sind echte Vorbilder.
Vorbild sein braucht Kraft und den Mut anders zu sein, auch manchmal gegen den Trend zu
sein, indem man an Werten und Traditionen festhält, die den meisten Menschen nicht mehr
viel bedeuten. Aber gerade das Anderssein schafft die Persönlichkeiten und Originale, die
prägen und beeindrucken und werden Vorbild, ohne es bewusst zu wollen.
Von solchen Vorbildern ist in diesem Heft die Rede, von Menschen, die keine
Starallüren hatten, aber in ihrer Schlichtheit und Echtheit gewirkt
haben. Auch die Bibel ist ein Buch voller Vorbilder, das können Sie im ersten Artikel dieses Heftes lesen. Wie wir als
Christen auch heute noch im positiven Sinne prägen
können, Vorbild auf die unterschiedlichsten Arten und
Weisen sein können, erfahren Sie im zweiten Teil
dieses Heftes.
Ich wünsche Ihnen, dass dieses Heft Lust macht,
das Vorbild in Ihnen zu entdecken,
Ihr
»Folgt ihrem Glauben nach!«
D e kan
R al f A l b r e ch t
N agol d
Wir brauchen Vorbilder im
Glauben.
Eine Zeit, in der Idole geschaffen, aber so
wenig vorbildlich gelebt und geglaubt wird,
verarmt aus verschiedenen Gründen:
• Zum einen fehlt damit die Orientierung,
wie ich mein Leben so anpacken kann, dass
es wirklich geistlich gelingt. Das macht
ja nur scheinbar frei, keine Vorbilder zu
haben. Die Abneigung dagegen, sich an die
Vorgaben und die Glaubensweise anderer
zu binden, ist noch keine Freiheit. Sondern
damit sind wir zunächst mal nichts mehr
als bindungslos. Wer sich an keine Vorbilder
hält, wird haltlos – und schnell sehr ungehalten. »Ich lasse mir von niemanden was
vorschreiben« – tatsächlich? In Wirklichkeit
ist es doch so, dass wir stark von anderen
Vorbildern abschauen und sie imitieren.
Wer es nicht bewusst macht, den erwischt
es umso heftiger unbewusst. Der macht
sich erst recht abhängig von Vorbildern.
Und oft genug von solchen, die er eigentlich gar nicht unbedingt will. Ein Vorbild
haben wir immer – suchen wir uns also die
besten Vorbilder!
• Zum anderen lernen Menschen am
meisten durch Menschen. Wer fürs Leben
lernen will, der lerne bei Menschen, die das
Leben bewältigen – und gerade bei denen,
die es aus dem fröhlichen Glauben an Jesus
Christus heraus bewältigen. An Menschen,
die glauben, kann ich lernen meinen Glauben zu leben, sonst bleibt der Glaube so
unpraktisch, so wenig alltagstauglich.
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• Und zum dritten bleiben Leute ohne
Vorbilder ich-bezogen. Sie haben nicht
mehr als sich selbst zum Maßstab. Sie
müssen all zu viel über sich selbst nachdenken, ihre eigenen Ziele verfolgen und
sind auf sich selbst fixiert. Wie anstrengend
und letztlich nicht zu leisten ist es, wenn
man alle Werte, Orientierungspunkte, Leitplanken des Lebens selbst erschaffen muss.
Und welch verquere Standpunkte können
dann dabei heraus kommen, wenn ich alle
Orientierungshilfen daran messen muss:
Kann ich mir das vorstellen? Bin ich aus
meiner Erfahrung heraus damit einverstanden? Habe ich persönlich den Eindruck,
dass dies vorbildlich ist? Wer ständig so
fragt, belastet sich selbst über alle Maßen.
Und zugleich bildet er sich nur ein, selbst
sein eigenes, bestes, unbestechliches Vorbild zu sein.
Wir brauchen EIN
Glaubensvorbild.
Nur eines letztlich: Jesus selbst – ER, der
Christus, das Urbild und Vorbild des Glaubens. »Lasst uns aufsehen zu Jesus, den
Anfänger und Vollender des Glaubens.«
(Hebräer 12,2). An Ihm orientieren wir uns.
Er ist für uns DAS Vorbild schlechthin. Er
ist für uns so sehr Vorbild, dass wir ihm
noch einmal auf eine ganz andere Art
und Weise nachgehen als allen anderen
Vorbildern. Und zwar so, dass er nicht nur
vor uns als zu erreichender Maßstab her
geht, dass er uns als Beispiel vor Augen
steht, wie wir leben und glauben. Sondern
er ist das alles in Person selbst. ER in Person lebt in denen, die glauben. ER lebt in
uns. Christus ist viel mehr als ein vor uns
liegendes Ziel, er ist eine in uns lebendige
persönliche Realität. »Christus in Euch,
die Hoffnung der Herrlichkeit« (Kolosser
1,27). Jesus ist das einzige Glaubensvorbild,
das auch gleichzeitig alles erfüllt, was es
uns vorlebt. Er gibt uns nicht nur vor, was
wir sein können, Er schenkt uns, was wir
in IHM sind: gerecht, von unserer Sünde
befreit, mit Gottes Gegenwart beschenkt.
Letztlich schenkt sich Jesus uns in Person
ganz. Er spricht uns das zu – und es gilt für
alle, die genau darauf persönlich vertrauen.
Deshalb ist Jesus viel weniger Glaubensvorbild als vielmehr Glaubensschöpfer und
Glaubensgeschenk in Person. IHN brauchen
wir. Haben wir IHN nicht – und zwar nicht
nur als Anschauungsunterricht, sondern als
lebendigen Motor unseres Glaubens, dann
nützen alle anderen Vorbilder nichts. Leben
wir in IHM – und ER in uns, dann bekommen wir die Kraft, Vorbildern im Glauben
zu folgen. Zuallererst IHM, und dann vielen
anderen, angefangen von den großen Vorbildern der Bibel.
Wir brauchen viele Glaubensvorbilder.
Mose, Paulus, Jeremia, Petrus … - und um
nur ein weiteres biblisches Beispiel etwas
genauer unter die Lupe zu nehmen: David.
David! Was für ein Vorbild!
Wie er sich rufen lässt. Vom Hirtenfeld weg
in eine königliche Aufgabe, die er weder
kennt noch der er irgendwie gewachsen
scheint. Doch Gottes Ruf trifft ihn – und er
lässt es geschehen.
Wir er seinem Gott vertraut. David gegen
Goliath, das ist auch deshalb sprichwörtlich geworden, weil David uns ein Vorbild
gegeben hat: Wir können vertrauensvoll
in schwierigste Situationen gehen. Dank
unseres Gottes sind wir immer in der qualitativen Mehrheit.
Wie er Feindschaft mit Güte beantwortet.
Anstatt seinen größten Feind abzusägen,
beschämt er ihn durch seine Güte und
Nachsicht. David fordert nicht Sauls Kopf,
sondern er zeigt ihm einen abgeschnittenen Stofffetzen.
Wie er betet. Wie er sich mit intensivsten
Klangen, verselangem Lob, vertrauensvoller
Bitte seinem Gott nähert und ihm das Herz
ausschüttet.
Wie er sich so gegen jede Heldenverehrung
und Heroisierung sperrt.
Wie er seine Schuld bekennt! Ein Ehebrecher und Mörder. Lebenslang trägt er an
den Narben seiner Schuld – aber er bekennt
und hängt sich verzweifelt an die Zusage
seines Gottes: Du kannst dennoch vergeben. Und ihm wird ganz und gar vergeben.
David lebt allein aus der Barmherzigkeit
Gottes.
Glaubensvorbilder brauchen
uns als Nachfolger.
Sie sind für uns eigentlich weniger Vorbild als Vorgänger. Sie sind einen Weg im
Glauben gegangen, dessen Fußstapfen
im Sand der Geschichte sichtbar zurück
geblieben sind. Und wir können hinterher
gehen. Kierkegaard hat es ja auf den Punkt
gebracht: anstatt zu bewundern braucht es
die Nachfolge. Das gilt zuallererst für Jesus
Christus selbst. Aber dann auch für die,
welche vor uns geglaubt haben. Was sie
hofften, taten, sagten, dachten, gelassen
haben, bewirkten: alles anschauen, alles
prüfen, das Gute behalten. Und dann nachfolgen. Was so zur Tat wird, das hat Wert.
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Prägende Gestalten und
Bilder im evangelischen
Württemberg
Das verkündigte Wort schafft
Glauben und Gemeinde
Der schwäbische Volkscharakter ist gegenüber allem Brimborium misstrauisch.
Darum schlug das verkündigte Wort starke
Wurzeln in Württemberg: Es begann mit
der Gottesdienstordnung des Reformators
Johannes Brenz, die vom verkündigten
Wort geprägt war. Johann Albrecht Bengel
(1687–1752) und einige seiner Denkendorfer Schüler verstärkten dieses Anliegen.
Unter dem Bild von Bengel im Sitzungssaal
des Oberkirchenrates in Stuttgart ist sein
Wort zu lesen: »Wenn die Kirche wacker
(gesund) ist, dann glänzt die Schrift: Wenn
die Kirche kränkelt, dann setzt die Schrift
Moder an«. Das ehrfürchtig erforschte
und seelsorgerlich verkündigte Bibelwort
»schafft« Glauben und Gemeinde. Diese
Grunderkenntnis Luthers verstärkten Bengels Schüler, zu denen auch Oetinger und
Hiller gehörten. Bis in unsere Tage hinein
stehen Theologen wie Beck, Schlatter,
Heim, Thielicke, Michel und die neuere
Schule Tübinger Biblischer Theologie in dieser Tradition.
Friedrich Christoph Oetinger (1702 –1782),
der spätere Prälat, führte als junger Pfarrer in Walddorf um 1750 die morgendliche
Andacht wieder ein, Haus um Haus. Dieser
vom Hausvater gehaltene Kurzgottesdienst
mit gemeinsamem Singen, mit Bibellesen
und Gebet wurde zum festen Bestandteil
christlicher Sitte quer durch das schwäbische Land – und wurde von dort aus
durch die Auswanderer auch in den Weiten
von Russland und von Amerika heimisch
gemacht.
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Das »Liederkästlein« des stimmlos gewordenen Pfarrers Philipp Friedrich Hiller
(1699–1769) mit seinen 1073 geistlichen
Dichtungen bot die Sing-Hilfe für diese
Andachten, vor allem aber für die Gemeinschafts-»Stunden«.
Dieses Liedgut war im besten Sinn
»biblisch-komprimiertes« Bekenntnis zu
Jesus. Vor allem mit Hillers Liedern wurde
die anspruchsvolle Theologie von Bengel
den Schwaben ins Herz gesungen. Das
geistliche Lied wurde in der Folgezeit
immer mehr zur belebenden Quelle des
geistlichen Lebens Württembergs. Dazu
halfen Dichter wie Albert Knapp, Michael
Hahn, Gebhardt und Otto Riethmüller
ebenso mit wie die Komponisten Knecht,
Silcher, Lang und Metzger.
Das Andachtsbild – und seine
prägende Bedeutung
Die württembergische und speziell die
pietistische Frömmigkeit wird – völlig
unzutreffend - immer wieder als »bilderfeindlich« denunziert. Durch Jahrhunderte
hindurch haben biblische Szenen auf den
Emporenbrüstungen oder in Fenstermalereien das verkündigte Wort ebenso
unterstützt wie die biblischen Illustrationen
des Julius Schnorr von Carolsfeld und
von Rudolf Schäfer. Gerade die Bibeln der
Württembergischen Bibelanstalt waren liebevoll illustriert. Im 19. Jahrhundert haben
sich viele durch das von katholischer Volksfrömmigkeit inspirierte »Herz-Büchlein« von
Johannes Gossner beeindrucken lassen.
Im 20. Jahrhundert bewährten sich die
Illustrationen im »Gottbüchlein« und die
P r äl at i . R .
Rol f S ch e f f b u ch
Ko r n t al
Verteilbildchen der Künstlerin Mink-Born
als geistliches Gegengewicht gegen den
»bibel- und judenfeindlichen Ungeist« der
hitlerzeiteit.
Kitschige Großformat-Drucke von segnenden Engeln oder von »Jesus im Kornfeld« waren in der bürgerlichen Wohnung
als Wandschmuck üblich. Zwei andere
Motive waren es jedoch im pietistisch und
auch kirchlich geprägten Haus, die als
Andachtsbilder weit verbreitet waren.
»Die Erscheinung des Herrn Jesus und seiner Heiligen auf weißen Rossen«. Das ist
nach Offb 19,14 das Thema des Andachtsbildes, das in unzähligen Nachdrucken als
Wandbild anzutreffen war. Gemalt hatte
es der Stuttgarter Malerprofessor Heinrich
Franz Gaudenz von Rustige (1810–1900).
1861 kam dies Wandgemälde in das
Korntaler Knabeninstitut. Der Essener
Jugendpfarrer Wilhelm Weigle (1862–1932)
brachte im Eingangsbereich des von ihm
geschaffenen modellhaften Jugendhauses
einen Abdruck an. Etwas befremdet fragte
ein Besucher: »Ist das nicht etwas kitschig,
fast frömmlerisch? Sie haben doch hier mit
ganz modernen jungen Burschen zu tun!
Weigle antwortete: »Nach einem Sonntag
hier in diesem Haus müssen die Burschen
wieder in die gottlose und gnadenlose
Arbeitswelt unter Tage oder bei Krupp. Da
soll dies Bild mit ihnen gehen und sie daran
erinnern: Der letzte Herr der Welt wird einmal Jesus sein!« Dr. Gustav Heinemann, der
spätere Bundespräsident, war lange Jahre
Vorsitzender des Weigle-Haus-Vereins. Als
Oberbürgermeister von Essen brachte er
beim Kirchentag 1950 die Botschaft dieses
alten Bildes auf die einprägsame Formel:
»Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr
aber kommt!«
Der breite und der schmale
Weg - mehr als nur ein Bild
Noch prägender war jedoch das Andachtsbild »vom breiten und vom schmalen Weg«.
Vertieft hatte es der englische Erweckungsschriftsteller John Bunyan (1628–1688)
in seinem Erbauungsbuch »The Pilgrim’ s
Progress« (Pilgerreise zur seligen Ewigkeit).
Bunyans Darstellung der üppig-lärmenden
Stadt »Vanity« und ihrem »Jahrmarkt der
Eitelkeiten« inspirierte den Schriftsteller
Thackeray (1811–1863). Er übertrug den
»Jahrmarkt der Eitelkeiten« in die viktorianische Welt des 19. Jahrhunderts und animierte damit manche Künstler zur Darstellung der zweifelhaften und vergänglichen
Pracht des »breiten Weges«.
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Die Stuttgarter Kaufmannsfrau Charlotte
Reihlen (1805–1868) war allerdings mit der Darstellung des
»schmalen Weges« nicht
zufrieden. Da ging es
nämlich um die Ideale
von Fleiß und Gehorsam, von Sparsamkeit
und von Familienglück.
All diese anschaulich
dargestellten puritanischen Tugenden
verströmten Prüderie
und pharisäische Überheblichkeit über die »ach so böse
Welt«! Charlotte Reihlen jedoch
wollte veranschaulichen, dass der Weg
mit Jesus voll faszinierender Herausforderungen ist. So gab sie einem Stuttgarter
Künstler den Auftrag: »Gestalten Sie den
schmalen Weg so, das deutlich wird, wie
rechter Glaube in der Liebe tätig wird!« So
sind auf der Lithographie Sonntagschule,
Kinder-Rettungshaus, Diakonissenanstalt,
Jugendunterweisung, Alkoholikerfürsorge, Freiluftevangelisation, Herberge
für Obdachlose u.a. zu sehen. All diese
Aktionen und Werke hatte die pietistische
Unternehmerin entweder selbst ins Leben
gerufen oder gefördert. Daneben rief Charlotte Reihlen eine Privatschule für Höhere
Mädchenbildung ins Leben, aber auch eine
»Anstalt für alternde Mägde«. Sie setzte
durch, dass in der Stuttgarter Stiftskirche
ein jährliches Missionsfest eingerichtet
wurde. Ein Hilfsverein sollte auch ärmeren
Gemeindegliedern zu einem eigenen
Gesangbuch verhelfen. Von Stuttgart, der
Residenzstadt, sollten gesundmachende
Kräfte in das ganze Land hinein strömen.
Zugleich sollten Menschen auch einen Ekel
bekommen vor allem, was nicht hilfreich
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ist. Deshalb ist auf dem »breiten Weg« auch
dargestellt, wie abstoßend es ist, Zeit
totzuschlagen, dem eigenen Körper
durch maßlosen Genuss zu schaden, oder auf wehrlose Kreatur
hinein zu prügeln. Neben einer
abschreckenden Darstellung kriegerischen Mordens
überquert ein dampfender
Eisenbahnzug den »breiten
Weg«. Charlotte Reihlen war
nicht technikfeindlich, aber sie
litt unter dem ständigen Abbröckeln des Gottesdienstbesuches,
seitdem die Stuttgarter am Sonntag
mit der Bahn »ins Freie« fuhren. Weil
sie einst selbst in einem Gottesdienst von
Jesus ergriffen worden war, wollte sie ihre
Zeitgenossen wecken: Lasst euch nicht
vom wahren Leben weglocken! Mit dem
allem wollte sie nicht belehren, sondern
mit ihrem eigenen Vorangehen viele in
Württemberg ermutigten, auf den Weg mit
Jesus zu kommen und auf diesem Weg zu
bleiben. Sie wusste – auch dies ist auf dem
Bild dargestellt -, dass es auf dem Weg mit
Jesus auch Durststrecken gibt und dass er
oft an Abgründen vorbei führt. Umso mehr
blieb sie bei der Parole, die ihr ganzes Leben
prägte: »Nicht weg von Jesus, sondern vielmehr nur noch näher hin zu Jesus!«
Mit dieser Botschaft des auf sie zurückgehenden Andachtsbildes hat sie Württemberg ebenso stark geprägt wie mancher
der meist als prägend genannten Prediger
und auch wie mancher der einflussreichen
Leiter diakonischer Initiativen.
KARL WEZEL (1908-2004) UND DER JOSUA
Pf a r r er i .R.
Konr a d E i ßl er
H ül b en
Karl Wezel hätte auch Josua heißen können. So wie dieser Gottesmann zu einer entscheidenden
Figur in der Geschichte Israels
geworden ist, so wurde Karl
Wezel zur entscheidenden Person
in der Geschichte des CVJM. Ohne
ihn ist der württembergische Landesverband nicht zu denken. Für
beide gilt Gottes Zusage:
«Ich lasse dich nicht fallen und
verlasse dich nicht.«
Der Helfer
Eigentlich hat Josua Hosea geheißen, das
heißt Helfer. Diesem Namen hat er
alle Ehre gemacht. Er hat als Adjudant
geholfen und das Schwert getragen.
Er hat als Sekretär geholfen und die
Gesetzestafeln geschleppt. Er hat als
Spion geholfen und reife Weintrauben
geschultert. So war er Hilfe, Helfer,
Handlanger, eben der Hosea, so wie Karl
Wezel auch.
Zuerst hat der Maler Wezel dem kleinen
CVJM Walddorf geholfen. Weil der
kein Dach überm Kopf hatte, kaufte er im
Jahr 1937 das »Scheuerle«. Diese
»alte Hütt« wurde zur Herberge der Jugendarbeit. Auf Vorschlag von Wilhelm
Schäfer, einem Landesmitarbeiter, begannen dort im Jahre 1946 die Jungmännerfreizeiten. Im Waschkessel wurde gekocht,
im Wasserkübel gewaschen und im Stroh
geschlafen.
Dann hat der Maler Wezel endgültig den
Pinsel aus der Hand gelegt und hat dem Ev.
Jungmännerwerk geholfen. Zuerst sollte er
nur für zwei Jahre im Landesdienst aushel-
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fen. Daraus wurde ein lebenslanger Dienstauftrag - ohne Ausbildung, Fortbildung,
Weiterbildung und Einbildung. »Karl Wezel
war Träger eines echten Charismas, ein
Mann ohne Ausbildung. Glücklich ein Werk,
das solche Menschen in seiner Mitte hat«
(Theo Sorg). Er fuhr mit seinem »Motorrädle« kreuz und quer durchs Ländle und
evangelisierte. Fritz Grünzweig bemerkte
einmal: »Wenn du durch‘s Land gehst und
triffst junge Männer, die aus kernigem Holz
geschnitzt ihren Glauben leben, dann sind
das junge Männer, die durch Karl Wezel
zum Glauben kamen.«
Über Jahrzehnte hinweg hat er jeden Sommer dem Zeltlager bei Birnau geholfen,
dass dieses »Bola« zu einer geistlichen
Bodenseewasserversorgung für sehr viele
CVJM geworden ist. Nicht einmal seinen
Geburtstag am 14. August konnte ihn
davon abhalten, diesen Festtag auf dem
Zeltplatz zu feiern. Ihm waren die »neuen
Geburten« von jungen Männern viel wichtiger als seine eigene Geburt. »Seht ihr«,
sagte er, »das bewegt mich. Ich darf jungen
Leuten die Botschaft des Heilands sagen,
der uns so lieb hat, der uns haben möchte
und der uns segnen will.«
Und Karl Wezel hat Fritz Liebrich in Eßlingen geholfen, dass es zur Gründung des
CVJM-Landesverbandes gekommen ist.
Beiden war es ein wichtiges Anliegen, dass
der CVJM nicht ausgelöscht werden darf,
sondern als freies Werk im EJW seinen
Platz behalten muss. Die Helferqualitäten
eines Karl Wezel sind nicht zu überschätzen.
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Der Diener
Josua war nicht Mose. Diese überragende
Gestalt trug einen Herrenanzug, der
ihn als Chef zeigte. Eine Uniform, die ihn
als Feldherr auswies. Einen Talar, der ihn
als Mittler zwischen Gott und seinem Volk
erkennbar machte. Josua aber trug zeitlebens den Schurz des Dieners. Aber Gott
sagte zu ihm: »Ich beachte dich.« Gerade
der demütige Diener passt in Gottes Personalpolitik, so wie Matthias Claudius an
seinen Freund geschrieben hat: »Wir sind
nicht groß, Andres, aber unser Glück ist
groß, dass wir an einen großen Gott glauben, der Kleine sieht. Und dieser große Gott
stellt uns in seinen Dienst unabhängig von
unseren Qualitäten.«
Ein Mann mit dem Schurz war Karl Wezel
auch. Als er einmal nach der Konfirmation
zum Gottesdienst ging, fiel ihm ein Zettel
aus dem Gesangbuch. Sofort erkannte
er die Handschrift seiner Mutter. »Mein
Kind, bleib gern im niedrigen Stand.» Und
darunter der Vers: »Stolze müssen selbst
gestehen, wenn sie Fromme um sich sehen,
dass doch Demut edler ist, als ein frecher,
stolzer Christ.« Diesen Zettel hat er immer
in seinem Tagebuch aufbewahrt. Sein
Outfit blieb der Schurz und sein Wesen die
Demut.
Es gibt wenig Dinge, zu denen man so
viel Mut braucht wie zur Demut. Demut
ist der Mut zum Dienen, Mut für andere
da zu sein, Mut für den steinigen Weg.
Dass Karl Wezel dafür die richtige Frau an
seiner Seite hatte, war eine Sonderration
des Himmels. Karl am Pult und Lina in der
Küche, ein unvergessenes Duo. Sie verwirklichten Paul Deitenbecks Wunsch »Lange
Würste - kurze Predigten« auf ihre Weise:
Riesen Schnitzel und riesige Bibelarbeiten!
Die Erweiterung des Vereinshauses und der
Saalneubau ermöglichten unzähligen
CVJMern dort zu tanken, »bei Karl Ramsayer und Paul Müller Super, bei mir Normal«
(Wezel).
Augustin wies daraufhin: »In der Demut
liegt Kraft.« Im Kreis der Landesmitarbeiter
war Karl Wezel der, der am wenigstens
geredet hat. Er hat selten das Wort genommen, aber wenn er gesprochen hat, dann
war es klärend und wegweisend. Eine
seiner Kraftquellen war nicht Geisteskraft,
Muskelkraft oder Herzkraft, sondern die
Kraft der Demut. Ihm ist viel Hochmut
begegnet: »Evangelisation ist out«. Ihm ist
auch viel Unmut begegnet: »Walddorf?
Nein danke.« Ihm ist erst recht viel Kleinmut begegnet: »CVJM-Arbeit? Das war‘s!«
Dem allem begegnete er mit Demut. Dabei
erfuhr er: »Den Demütigen gibt er Gnade.«
Karl Wezels Lebenszeit war eine Gnadenzeit
für junge und erwachsene Menschen im
Land.
ben steht.« Josua hätte sich fragen können:
»Keine Vision, keine Audition, kein Wunder
von oben? Nur das Wort? Ist das alles?« Es
war alles. Mehr brauchte er nicht. Das Wort
genügt zum Leben und Sterben.
Auch Karl Wezel war ein Liebhaber der
Bibel. Als er im Alter von 13 Jahren sehr
krank wurde, besuchte ihn der Pfarrer und
hielt ihm Konfirmandenstunde im Bett.
»Damals hat das Wort mich entdeckt.« Seither blieb er beim leidenschaftlichen Ruf:
»Halt deine Bibel als den kostbaren Schatz.«
Hosea heißt Helfer. Mose hat ihn zum
Josua umgetauft. Das heißt: »Der Herr
ist mein Helfer.« Und der hat dem Karl
Wezel auch durchgeholfen bis zum
ewigen Leben.
Der Hörer
Gott hat dem Josua ins Stammbuch
geschrieben: »Lass das Buch nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es
Tag und Nacht.« Daran hat er sich gehalten
und so gute Erfahrungen damit gemacht,
dass er in seiner Lebensbilanz besonders
vermerkt hat: »So haltet nur ganz fest
daran, dass ihr nur das tut, was geschrie-
11
»Onkel Paul«
– der Prediger im Rollstuhl
E be r h ar d S i l b e r
Ko r n t a l
So lernte ich Dr. Paul Müller, von mir und
anderen Onkel Paul genannt, kennen und
überaus schätzen: in seinem Hauskreis
in der Heslacher Wand in Stuttgart, bei
Bibelfreizeiten im CVJM-Heim in Walddorfhäslach, bei Vorträgen da und dort.
Er beeindruckte mich als reifer, stets fröhlicher Christ, als scharfer Denker, als bibelgläubiger Naturwissenschaftler. Besonders
jungen Menschen hatte er Entscheidendes
zu sagen, lebte vor, worüber er sprach, und
das stets aktuell und fundiert.
Es ging ihm um konsequente Nachfolge,
um Stärkung im Glauben, um Umgestaltung in das Bild Jesu, um Befestigung
in der biblischen Hoffnung. Keineswegs
klammerte er die Bewährung des Christen
im Leiden aus. Gerade hier predigte er
nicht vom grünen Tisch, sondern aus
eigenem Erleben und persönlicher Betroffenheit. Von besonderer Bedeutung für
ihn und seine Zuhörer war die Verbindung
naturwissenschaftlicher Kenntnisse mit
den Aussagen der Bibel. Hier sah er keine
Widersprüche und half dadurch besonders jungen Menschen, die in der Schule
mit ausschließlich evolutionärem Denken
konfrontiert wurden über Glaubenszweifel
hinweg.
Durch sein Leben und Wirken, durch sein
Schrifttum und sein seelsorgerliches Handeln wurde er mir und vielen anderen zum
lockenden Vorbild, dem man gerne nach-
12
eiferte, das man liebte, nicht zuletzt wegen
seiner Güte und seinem Verständnis, aber
auch wegen seiner physischen Opfer.
In seiner inzwischen vergriffenen Selbstbiographie »In der Schule des Meisters« schreibt
er wie sein Leben ihn geprägt hat.
Im Jahr 1896 wurde er als ältester Sohn
geboren. Seine Eltern und viele seiner Vorfahren waren entschiedene Christusnachfolger. Im Elternhaus und bei Verwandten
war es üblich Tischgebete zu sprechen,
Andachten zu halten und häufig kniend zu
beten. Schon für den Zehnjährigen waren die
Besuche der Hahn´schen Gemeinschaft in
Stuttgart beeindruckend. Vom Wort Gottes
und von seelsorgerlichen Menschen angesprochen, wurde es ihm mit 15 Jahren klar,
sein Leben ohne Vorbehalt seinem Gott und
Herrn zu übergeben.
Beim Ausbruch des 1.Weltkrieges 1914 meldeten sich viele seiner Altersgenossen freiwillig zum Wehrdienst. Ein gläubiger Onkel,
bei dem er mit seinen Geschwistern immer
wieder Ferien verbringen konnte, riet ihm
davon ab. Bald nach der Reifeprüfung und
dem Beginn seines naturwissenschaftlichen
Studiums wurde er als 19-jähriger zum Militär eingezogen. Nach
schlimmen Kriegsjahren an der französischen Front geriet er 1916 verwundet in
englische Kriegsgefangenschaft. Nachdem
er 1919 von dort entlassen wurde, setzte er
sein Studium in Stuttgart und Tübingen fort.
Während der Semesterferien nahm er an
christlichen Lehrerkonferenzen teil. Redner
wie Pfarrer Kühn, Pfarrer Coerper, Walter
Martin Borngräber sprachen ihn stark an,
erweiterten seinen Blick in Gottes Heilsplanungen und vertieften sein Glaubensleben.
In starkem Maße prägten ihn auch Vorlesungen des Tübinger Theologieprofessors
Karl Heim über das Thema »Christentum
und Naturwissenschaft«.
1922 begann er seine Lehrtätigkeit als
Studienreferendar in Ulm. In dieser Zeit
legte er auch seine Doktorprüfung ab. »Die
Foraminiferen des Schwäbischen Jura« war
Thema seiner Doktorarbeit. Dann wurde er
an das Lehrerseminar in Backnang abgeordnet, eine für den Junglehrer schwierige
Aufgabe.
1924 setzte bei Paul Müller, zunächst kaum
bemerkbar, die heimtückische Multiple
Sklerose ein. Die Körperkräfte ließen langsam nach und die Gehfähigkeit allmählich
eingeschränkt. Ermüdungserscheinungen
und Schwächeanfälle traten verstärkt auf.
Trotz vieler Heilversuche, Krankenhausaufenthalten und Kuren, trotz gesunder
Ernährung und der Befolgung vieler guter
Ratschläge traf keine anhaltende Besserung ein. Nun galt es für ihn zu lernen, sich
in Gottes Willen zu fügen, das Leben neu
zu durchdenken und bewusst nach Gottes
Willen Ausschau zu halten. Ein schwerer
Kampf für den noch jungen, tatkräftigen
Mann mit großer beruflicher Zukunft!
1928 konnte er als Studienrat die Stelle am
Nagolder Lehrerseminar antreten. Dunkel
lag vor ihm die weitere persönliche und
berufliche Lebensführung. Zur unentbehrlichen Hilfe wurde ihm die von Gott
zugeführte junge Frau Martha, geb. Kern,
die er 1930 heiratete. Sie war ihm Zeit seines Lebens die entscheidende Stütze, die
die gesundheitlichen Beeinträchtigungen
geduldig mittrug, die ihn umsorgte und ihn
in guten und schweren Zeiten hingebungsvoll pflegte. Sie war ihm Gattin, Sekretärin,
Krankenpflegerin und Chauffeurin in einer
Person und als »Tante Martha« von uns
sehr geschätzt.
Da Paul Müller nicht in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Adolf
Hitlers eintrat, musste er Nagold verlassen.
Er kam an die Realschule nach Urach. Auf
Wunsch der Eltern Kern wurde es ihm
1938 ermöglicht als Chemielehrer an der
Friedrich-Eugen-Oberschule in Stuttgart zu
beginnen.
Der 2. Weltkrieg brachte große Einschnitte
im privaten und beruflichen Bereich. Die
Müllers wurden wiederholt in Stuttgart
ausgebombt. Sie erlebten viele Bewahrungen. Der geregelte Unterricht litt stark.
1944 konnten sie wegen der schweren
Fliegerangriffe in Stuttgart in die Wohnung eines Onkels nach Nagold ziehen.
Ein Jahr später in Stuttgart zurück, konnte
Paul Müller seinen Lehrdienst unter
schwierigsten Umständen wieder aufnehmen. Doch wurde er 1948 ohne Angabe
genauerer Gründe als angeblicher »Mitläufer« mit anderen Lehrern plötzlich vom
Dienst suspendiert und zur Ruhe gesetzt.
Als Karl Wezel, ein Verwandter seiner Frau
Martha davon erfuhr, lud er ihn als Redner
zu einer Bibelwoche über den Epheserbrief
nach Walddorfhäslach ins CVJM-Freizeithaus ein. Türen taten sich auf, vor allem
bei jungen Männern, besonders wenn es
um Fragen von Bibelglaube und Schöpfung
ging. So begann ein bis in sein hohes Alter
überaus wirkungsvoller Dienst an Jung
und Alt bei Bibelwochen, Freizeiten, Konferenzen, Vorträgen in Kirchen, Gemeinschaften und Freizeitheimen.
1983 wurde er im 88. Lebensjahr nach
einem Schlaganfall und letzten schweren
Leidenstagen von seinem Herrn heimgerufen.
13
Wie Menschen, die eine Vision haben, andere
für das Reich Gottes gewinnen können.
Ber n d- U l r i ch B a r n e r
O h mde n
Als Kind bin ich lange und gerne in die Kinderkirche gegangen.
Mit ca. 13 Jahren wurde ich nach der Kinderkirche von einem Mitarbeiter angesprochen: Morgen fängt eine neue Jungbläsergruppe an, das wäre doch etwas für dich.
Da ich mit Begeisterung die biblischen
Geschichten, die er erzählt hatte, verfolgte,
konnte ich nicht nein sagen. Ich folgte seiner Einladung und brachte zum Ausdruck,
dass ich mir die Sache einmal ansehen
werde.
Einige Jahre später: Nach der Posaunenchorprobe kam ein anderer Bläser auf
mich zu und erzählte mir, dass es doch in
der Gemeinde bald wieder eine Jungschar
geben könnte. Er war der Meinung, dass ich
als Jungscharleiter für diese neue Gruppe
(die es noch nicht gab) genau der Richtige
wäre. Ich konnte mir das überhaupt nicht
vorstellen und hatte alle möglichen Argumente, ihm abzusagen. Mit allen meinen
Argumenten war er (glücklicherweise) nicht
zufrieden.
Er ließ nicht locker und kündigte an, dass
er mich in den nächsten Tagen besuchen
werde um noch mal darüber zu reden.
Diese »Androhung« nahm ich aber nicht
ernst.
Er stand wie angekündigt vor meiner
Haustür und fragte noch mal: »Hasch Dir’s
jetzt überlegt?« Meine Mutter kam hinzu
und selbst Ihr Argument, dass ich doch
lernen müsste, konnte ihn nicht überzeugen. Er ging auf’s Ganze und teilte mir mit,
dass er mich bereits schon zum Grundkurs
des Ev. Jugendwerks angemeldet hätte.
Er ließ nicht locker und sagte mir zu, dass
er mich auch zu den Grundkurswochenenden fahren würde. So blieb mir nichts
anderes übrig, als mich darauf einzulassen.
Tatsächlich holte er mich an jedem Kurswochenende mit dem Auto ab und brachte
mich danach wieder nach Hause. Dieser
Grundkurs hat mein Leben verändert. Mir
wurde klar, dass es wirklich meine Aufgabe ist, diese Jungschar zu beginnen um
Gottes Wort und Liebe an junge Menschen
weiter zu geben.
Vermutlich überzeugte mich sein Engagement, seine Hartnäckigkeit, seine Vision,
dass es in der Gemeinde wieder eine Jungschar bzw. eine lebendige Jugendarbeit
geben könnte.
Ich bin dankbar, dass es in meinem Leben
Leute gab, denen ich wichtig war, die mich
sowohl im Gebet als auch im praktischen
Leben begleitet, gefördert und gefordert
haben.
Viele Jahre durfte ich mich in der ev.
Jugendarbeit in Gemeinde und Bezirk einbringen
Heute nach 34 Jahren blase ich noch
immer gerne im Posaunenchor und arbeite
in der Kirchengemeinde mit.
14
Das Vorbild sind Sie!
E dga r Kol l m a r,
Ob er s t udi enr a t
Nür t i ngen
»Ach, unserer Jugend fehlen einfach Vorbilder, an denen sie sich orientieren kann«.
Diesen Seufzer höre ich jedes Mal, wenn
in einem christlichen Kreis das Gespräch
auf die Situation unserer jungen Menschen
kommt. Ich antworte darauf: »Das stimmt
nicht. Das Vorbild, an dem sich junge Menschen orientieren, sind Sie!« Als Reaktion
erfolgt meistens ein Erstauntes: »Ich? Ich soll
ein Vorbild sein? Nein, ich tauge doch nicht
als Vorbild.«
Damit befinden wir uns an dem Punkt, wo
das theoretische Gespräch plötzlich persönlich und konkret wird. In dem zitierten Seufzer stecken zwei unausgesprochene Denkfehler, die zu klären sind. Der erste lautet: Es
handelt sich um ein neues Problem, das es
früher nicht gab. Der zweite Denkfehler lautet: Vorbilder im Glauben sind große, ferne
Helden, die etwas Besonderes leisten. Um
sich klar zu machen, wie falsch diese weit
verbreiteten Ansichten sind, müssen wir an
die Anfänge der Christenheit zurückgehen.
Wie hat Paulus auf diese entscheidende
Frage reagiert? Hat er auf die fernen Glaubensgrößen Petrus und Johannes verwiesen?
Unser Leben ist wie ein Spiegel
Nachdem Menschen aus allen Altersgruppen und Berufen zum Glauben an Jesus
Christus gekommen waren, stellten sie
Paulus genau diese Frage: »Welche sichtbaren Vorbilder haben wir, an denen wir
uns orientieren können? Wer lebt es uns
vor, wie man als Christin und Christ in einer
heidnischen Gesellschaft seinen Alltag in
der Familie und im Beruf gestaltet?«
Nein, er stand zu seiner Verantwortung, die
er den jungen Gemeinden gegenüber hatte
und sagte: »Schaut meinen Lebenswandel
an und folgt ihm nach.« (Phil. 3,17). Auch
seinen beiden jungen Mitarbeitern Timotheus (1.Tim. 4,12) und Titus (Tit. 2,7) verbot
er es ausdrücklich, sich aus dieser Verantwortung heraus zu stehlen und ermahnte
sie, Vorbilder für andere Christen zu sein,
damit sie an ihnen Halt und Orientierung
finden können.
Dieses biblische Prinzip bestätigt die
Entwicklungspsychologie, aus deren Forschungen wir wissen, dass wir Erwachsenen für junge Menschen Vorbilder sind,
an denen sie sich orientieren – ob wir das
wollen oder nicht.
15
Das negative Beispiel von Christen, die
Paulus in 2. Thess. erwähnt, habe ich in
jungen Jahren selbst erlebt. Ich lernte in
zwei verschiedenen Gemeinden Bibel- und
Gemeinschaftsstunden kennen, in denen
es vordergründig geheuchelt fromm – und
hintenherum lieblos und giftig zuging.
Ich lernte ältere Christen kennen, die sehr
herrschsüchtig und rechthaberisch waren,
bei deren Erscheinen die Ehefrau und die
Kinder verstummten. Damals schwor ich
mir: »Wenn so ein Christenleben aussieht,
dann möchte ich nie in meinem Leben
Christ werden!« Bis auf den heutigen Tag
begegnen mir Menschen, deren Herzen hart
und verschlossen sind, weil sie durch negative Glaubensvorbilder für ihr ganzes Leben
geprägt wurden.
Als Christ habe ich
Verantwortung
Verstehen Sie jetzt, warum mir diese Wahrheit so wichtig ist: Das Vorbild sind Sie! Wir
müssen uns als erwachsene Christen dieser
Verantwortung stellen und sie bewusst
bejahen. Es geht dabei nicht einfach um ein
moralisch einwandfreies Leben oder um eine
aufgesetzte Freundlichkeit, die den anderen
nicht ernst nimmt, sondern um die Echtheit
unseres Glaubenslebens. Diese Echtheit
wollen junge Menschen an uns sehen und
uns abspüren; dass wir Fehler haben, dass
wir manchmal mit unseren Plänen scheitern,
das Alles gehört dazu. Das macht uns glaubwürdig, menschlich und verlässlich.
Echtheit und Vollmacht
gehören zusammen
Der alte Pastor Heinrich Kemner, den heute
leider schon viele nicht mehr kennen,
konnte zu uns in einer Jugendevangelisation
sagen: »Wenn du ein Spatz bist, dann wirst
du durch den Glauben an Jesus Christus
16
keine Nachtigall, sondern ein richtiger Spatz.
So wie ihn Gott gewollt hat! Und dann sei
auch dieser Spatz – sei ihn ganz, dann bist du
echt! Das Echte zieht andere Menschen an,
das Echte verleiht Vollmacht.«
Wie lebe ich meinen Glauben als Bäcker?
Wie lebe ich ihn als Schüler oder als Lehrer?
Wie lebe ich ihn im Laden oder im Büro mit
schwierigen Kollegen? Wie lebe ich ihn im
Krankenhaus? Wie lebe ich ihn in einer Familie, in der man nicht mehr miteinander redet?
Wie lebe ich ihn, wenn es beruflich bergab
geht und ich am Verzweifeln bin? Wie lebe
ich ihn in Anfechtungen, in Depressionen usw.?
Unsere jungen Menschen wachsen in immer
komplexere Lebenssituationen hinein. In
einer Gesellschaft, in der jeder nach seiner
Fasson glücklich werden darf, in der es immer
schwieriger wird, zwischen richtig und falsch,
gut und böse, hilfreich und schädlich zu
unterscheiden – in einer solchen Gesellschaft
sollen sie ihren Glauben bewahren und verantwortlich leben. Das ist wahrhaftig nicht
einfach!
Sie suchen unter uns Erwachsenen Menschen, die beispielhaft wirken in dem, wie
sie sich in schweren Situationen bewährt
haben, wie sie andere begleiten und in der
Fürbitte mittragen. Nach solchen im Glauben
gewachsenen Persönlichkeiten sehen sich
junge Christen. Von ihnen schreibt Paulus in
1. Thess. 1,6 und 7.
»Und ihr seid unserem Beispiel gefolgt und
dem des Herrn, und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden
im heiligen Geist, so dass ihr ein Vorbild
geworden seid für alle Gläubigen nicht nur
in Mazedonien und Achaja, sondern an allen
Orten.«
Leben Sie Ihren Glauben schlicht, erkennbar und echt – und Sie werden staunen,
wie unser HERR Sie als Vorbild und Halt für
andere gebrauchen wird.
Konfirmandenarbeit
am Beispiel der
Kirchengemeinde
Rielingshausen
In g e b o r g B ul l i ng
R i e l i n gsh a us en
Eine Idee wird umgesetzt
Vor etwa acht Jahren erfuhr ich zufällig,
dass es in einer mir unbekannten Gemeinde
für jeden Konfirmanden einen »Paten« gab.
Diese Idee faszinierte mich, aber ich vergaß
sie wieder.
Als dann vor einigen Jahren in unserer
Gemeinde (1500 ev. Gemeindeglieder) die
Konzeption der Konfirmandenarbeit neu
überdacht wurde, griff unser Kirchengemeinderat auch die Idee der Konfirmandenbegleitung durch Gemeindeglieder
auf. Das war 2002.
Die Jugendlichen sollten die Möglichkeit
haben, viele unterschiedliche Christen kennen zu lernen und von ihnen begleitet zu
werden, um auf diese Weise den Lebensraum »Gemeinde« zu erfahren und das
Priestertum aller Gläubigen mitzuerleben.
Sie sollten erfahren, dass es außer dem
Pfarrer (zu dessen Beruf ja auch die Konfirmandenarbeit gehört) noch andere
Gemeindeglieder gibt, die sich für das
Miteinander in der Gemeinde interessieren
und engagieren, und das auch noch ehrenamtlich!
Durch praktische Mitarbeit die
Gemeinde kennen lernen
Da gehört es dann auch dazu, als Begleiter
den Konfirmanden das eigene Ehrenamt
vorzustellen (so man eines hat) und sie
vielleicht sogar praktisch mit einzubezie-
hen. (Mithilfe beim Deko-Team für einen
Zweitgottesdienst; Teilnahme an einer
Gruppe oder einem Kreis, den der Begleiter leitet oder an dem er teilnimmt...) So
erleben die Konfirmanden, was aktive Teilnahme am Gemeinleben bedeutet.
Weg-Begleitung war angesagt. Die Jugendlichen sollten erleben, dass sie uns wichtig
sind und wir deshalb Zeit für sie haben. Sie
sollten Wertschätzung spüren.
Wir Mitarbeiter sind ganz normale Leute
Neben einigen Konfirmandeneltern beteiligten sich »ganz normale« Leute aus der
Gemeinde von 16 bis 70 Jahren, darunter
auch einige Kirchengemeinderäte. Es gab
kaum Probleme, jeweils für zwei Konfirmanden einen Begleiter zu finden. Es
sollten zwei Konfirmanden sein, um besser
miteinander ins Gespräch zu kommen. Die
Aufgabe der Konfirmanden bestand darin,
sich in Zweiergruppen zu finden. Aufgabe
der Begleiter war es dann, eine Gruppe für
sich auszuwählen.
Wir legten fest, dass im Konfirmandenjahr
drei Mal der Konfirmandenunterricht aus
dem Pfarrhaus in die Häuser der Begleiter
verlegt wird. Soweit möglich sollte der
Unterricht zur üblichen Zeit am Mittwochnachmittag abgehalten. Berufstätige
Begleiter regeln die Zeit individuell.
17
Die begleitende Unterstützung
durch den Pfarrer ist unerlässlich
Damit sich kein Begleiter überfordert fühlt,
bekommt jeder vom Pfarrer eine Materialsammlung zum vorgegebenen Thema,
aus der er auswählen kann. Das Thema der
ersten Einheit war »Unsere Gemeinde«, das
der zweiten »Unser Gottesdienst« und das
letzte »Die Konfirmation«.
Jeder Begleiter wählt nun das aus, was ihm
liegt und von dem er sich Erfolg verspricht.
Die Materialsammlung soll nur eine Fundgrube sein.
Sie muss nicht »abgearbeitet« werden. Dazu
würden 60 Minuten auch kaum reichen.
Zwischen den Thementreffen sollten je
nach Vermögen der Begleiter weitere
unterrichtsfreie Begegnungen stattfinden,
um sich näher kennen zu lernen um eine
Beziehung aufzubauen.
Nach dem ersten Unterricht bei den
Begleitern trafen sich diese zum Erfahrungsaustausch. So verschieden wie die
Konfirmanden und die Begleiter waren, so
unterschiedlich liefen diese Treffen ab. Es
gab sowohl Sympathie auf den ersten Blick
als auch anfängliche Reserviertheit bei den
Konfirmanden. Meist war das Eis schon
nach der ersten Begegnung gebrochen.
Manche Jugendlichen, die zu Beginn des
Hausunterrichts betonten, pünktlich heim
zu wollen, hatten es am Ende kein bisschen
eilig.
Grillen, Eis und Pizza gehören
mit dazu
Vor den Sommerferien wurde ein kleines
Grillfest mit allen Beteiligten angeboten.
Ein Mitglied des Kirchengemeinderates
stellte seine Wiese zur Verfügung. Beim
18
Grillen und Schwätzen lernten sich Konfirmanden und Begleiter gegenseitig kennen.
Leider konnten oder wollten nicht alle
Eingeladenen dabei sein. Der Pfarrer interviewte einige der Begleiter darüber, wie sie
ihren Glauben leben und erleben, mit allen
Höhen und Tiefen.
Wir Begleiter bekommen Noten
Am Ende der Konfirmandenzeit beim letzten gemeinsamen Unterricht wurde ein
Fragebogen ausgeteilt. Zu gewissen Stichworten sollten Zeugnisnoten von 1 bis 6
gegeben werden. Uns Mitarbeiter freute es
besonders, dass wir alle gute Noten bekamen. Die Jugendlichen schätzten vielleicht
den Unterricht als solchen nicht immer;
war er doch Pflicht. Aber den Menschen,
der sich um sie persönlich immer wieder
kümmerte, den schätzten sie sehr. »Da
ist jemand, der sich Zeit für mich nimmt,
obwohl der mich doch gar nicht gekannt
hat«.
Unser neuer Pfarrer fügte eine
weitere Variante hinzu:
Es treffen sich nicht nur alle Konfirmanden
mit ihren Begleitern, sondern auch die
Familien werden mit einbezogen. Bei
einem Abend der Begegnung verging die
gemeinsame Zeit mit Abendessen, singen
und spielen wie im Flug. Auf meine kleine
Befragung hin äußerten sich die Eltern sehr
positiv über dieses Konfirmanden-Begleitmodell. Sie empfinden es als Bereicherung
und Abwechslung wie auch die Konfirmanden selber.
Wie war doch der Konfirmandenunterricht
dieser Eltern und auch meiner so ganz
anders! Ob unsere Konfirmanden heute mit
meinem damaligen Unterricht tauschen
wollten?
Ich glaube es nicht.
Patenschaft – neu entdeckt
Einander geistliche Mütter und Väter sein
Pfarrer
H a ns Vei t ,
Kni t t l i ngen
Mi t gl i ed der L a ndes s ynode
Ich habe es selbst erlebt. Es ist schon viele
Jahre her. Ich war damals frisch konfirmiert. Ein Mitarbeiter fragte mich, ob ich
ihm in der Jungschar helfen kann. Und so
kam ich in Kontakt mit dem CVJM. Ohne
dass es mir zunächst bewusst wurde,
erlebte ich in dieser Zeit zum ersten Mal
geistliche Patenschaft. Ein für mein Empfinden alter Mann (er war damals vielleicht
55 Jahre alt) begleitete mich. Unbemerkt
hat er sich in mein Leben »geschlichen«.
Er fragte einfach nach, wie es mir geht. Er
interessierte sich für die Schule, für meine
Fragen und Gedanken, für meine Person
und für meine Beziehung zu Gott. Nicht
aufdringlich, sondern einfach interessiert
war er für mich da. Gab es Fragen, wusste
ich: bei ihm finde ich ein offenes Ohr. Erst
später erfuhr ich, dass er jeden Tag für
mich betete und sogar einmal in einem
Konflikt mit meinem Vater sprach, um
mich zu stärken. Dieser väterliche Begleiter
prägte mein Bild von Christsein und Mitarbeitersein entscheidend. Es war später für
mich selbstverständlich, dass ich das auch
für Teenies sein wollte – ein geistlicher
Begleiter.
Viele Jahre später, ich machte meine erste
Schritte als Bezirks-Jugendreferent, stellte
sich die Frage nach geistlicher Patenschaft neu. Im Grund- und Aufbaukurs
begegneten uns jugendliche Mitarbeiterinnen, viele aus nichtchristlich-geprägten
Elternhäusern, die keinerlei Erfahrung mit
geistlicher Begleitung hatten. Oft wurden
sie in den Gemeinden als Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter kaum wahrgenommen. Die
Idee: Parallel zum Kursprogramm sollten
sie in ihrer Heimatgemeinde geistliche
Begleitung erfahren. Ich suchte für jede
und jeden eine erfahrene Mitarbeiterin
und Mitarbeiter. Ein Altersunterschied von
mindestens 5 Jahren war gewollt – viele
der Christen waren aber wesentlich älter.
So wuchs ehemaligen Mitarbeitern aus der
Jugendarbeit eine neue Aufgabe zu. Die
Paten verpflichteten sich, einmal im Monat
sich mit dem Jugendlichen zu treffen. Ob
zum Abendessen oder Spazierengehen –
der Rahmen war weit gefasst. Auch zum
Inhalt der Gespräche der Gespräche wurde
wenig gesagt. Beide sollten sich kennen
lernen und einfach die Chancen solch einer
offenen Begleitung erfahren. Interessant
waren die Rückmeldungen nach der ersten
Runde: Die Jugendlichen waren alle total
begeistert. Niemand wollte seinen Paten
wechseln. Für die Älteren hatte dieses Projekt zunächst eine hohe Hemmschwelle,
aber nach den ersten Treffen berichteten
alle von guten Erfahrungen. Vier Gespräche
waren verpflichtend – aber die meisten
Beziehungen gingen nach einem Vierteljahr
von selbst weiter.
Viele Jahre später übertrugen wir diese
Erfahrungen in die Konfirmandenarbeit.
19
Auch hier entdeckten wir, dass die Jugendlichen kaum Erfahrungen in der Begleitung
durch Erwachsene haben. Ihre eigentlichen
Paten, die ihnen bei der Taufe Begleitung
auf dem Weg des Glaubens versprochen
haben, kamen dieser Aufgabe kaum nach.
Und so entstand das »Patenmodell«, das
wir später nach Protest einiger Taufpaten
in »Begleitmodell« umbenannten. Beim
Vorstellungsgottesdienst zu Beginn der
Konfirmandenzeit wurde jeder Konfirmandin und jedem Konfirmanden eine Begleitperson ausgelost. Sie wurden von mir nach
inhaltlichen Gesichtspunkten ausgesucht
(Christen, die ein Herz für Jugendliche
haben und die fähig sind, sie »zwecklos« zu
begleiten). Auch hier galt: Frauen begleiten
Mädchen, Männer die Jungen. Wichtig
war eine schriftliche »Dienstanweisung«.
Einmal im Monat treffen sich die beiden
zum Gespräch oder unternehmen etwas
zusammen. Inhalte und Ziel der Gespräche
bleiben offen. Manchmal gab ich aber im
Konfirmandenunterricht den Jugendlichen
Fragen mit, die sie mit ihrer Begleitperson
ansprechen können (z.B. persönliche Erfahrungen mit dem Beten).
Interessant war: Die Rückmeldungen waren
bis auf ganz wenige Ausnahmen positiv. In
den Gesprächen kamen alle auf christliche
Inhalte zu sprechen (Anknüpfungspunkt
war meist die Frage, wie es den Jugendlichen im Konfirmandenunterricht geht).
Die Jugendlichen erfuhren Wertschätzung
durch die Gemeinde und es entstanden
teilweise tiefe Beziehungen, die weit über
die Konfirmandenzeit Bestand hatten.
20
Wenn Landesbischof July im letzten
Bischofsbericht vom »Mehrgenerationenhaus Kirche« und von »Erzählgemeinschaften« spricht, könnte eine praktische
Auswirkung das Wiederentdecken geistlicher Mütter und Väter in der Gemeinde
sein. Es wächst bestimmt nicht von alleine
– da sind Geburtshelfer nötig. Älteren
Christen werden junge Menschen ans Herz
gelegt. Sie übernehmen Gebetspatenschaften und Gesprächspatenschaften – je
nach Gaben und Alter. Sie entdecken neu,
wie wichtig sie für Gemeinde und für die
Jugend sind.
Zum Gelingen bedarf es verantwortliche
»Beziehungsknüpfer«. Nicht jede und jeder
ist als geistlicher Pate geeignet. Wer sein
Gegenüber als Objekt seiner missionarischen Begierde sieht, wird der Aufgabe
eher nicht gerecht – er bewirkt meist
Befürchtungen und Rückzug beim Jugendlichen. Geistliche Patinnen und Paten
sind Christen, die ein Herz für Jugendliche haben, die ihr Gegenüber einfach
lieb gewinnen, in der Stille für sie beten.
Sie erwerben zuerst das Recht, gehört zu
werden. Und auf dem gemeinsamen Weg
werden sie Vorbilder und Zeugen. Meine
Erfahrung ist, dass in solch einer
Patenbeziehung Gott viele
Anknüpfungspunkte für
das geistliche Gespräch
schenkt – aber zu seiner
Zeit.
Das wertvollste
Geschenk dass wir
Kindern machen können, ist
für sie zu beten.
»Wenn ich an meine Mutter denke, die mich
sehr geprägt hat, erinnere ich mich, dass
ich sie als Kind oft an ihrem Bett betend
gefunden habe!«, berichtet Martina Kersten,
Bundeskoordinatorin von Mütter in Kontakt Deutschland. »Auch während meiner
Teenagerjahre hat sie für mich gebetet. Was
hätte da alles schief gehen können, ich habe
so viel Bewahrung erlebt! Heute betet sie
weiter für Kinder und Enkelkinder.
Das ist natürlich auch meine Aufgabe, deshalb hat mich die Idee von Mütter in Kontakt auch elektrisiert! Was für eine Aufgabe:
Jede Woche eine Stunde mit anderen Müttern für unsere Kinder und deren Schulen zu
beten!«
Die Gebetsinitiative Mütter in Kontakt (MIK)
hat genau dieses Ziel: Kinder und deren
Schulen umbeten.
MIK ist eine überkonfessionelle Bewegung
von Müttern, die überzeugt sind, dass Gott
durch unsere Gebete Menschen und Situationen verändert. Wir treffen uns wöchentlich
zu zweit oder in größeren Gruppen für eine
Stunde, um für unsere Kinder, deren Schulen
und Lehrer zu beten.
Jede Frau, die für ihre Kinder, Enkel, Patenkinder, Nachbarskinder und deren Schulen
beten möchte, ist bei MIK willkommen.
Die Idee für MIK stammt aus den USA. Fern
Nichols traf sich 1984 mit anderen Müttern,
um für ihre Kinder an einer amerik. Highschool zu beten. Aufgrund ihres Beispiels
und der erlebten Gebetserhörungen begannen sich weitere Gebetsgruppen zu bilden.
Der entstandene Gebetsdienst erhielt den
Namen Moms in Touch.
Ute Mayer
2. Vorsitzende
Mütter in Kontakt e.V.
Inzwischen gibt es diese Gebetsbewegung in
ca. 120 Ländern. Das MIK-Heft, dass die vier
Schritte des Gebets erläutert, gibt es inzwischen in 37 Sprachen.
In Deutschland gibt es ca. 1035 Gruppen mit
je 2-10 Teilnehmerinnen.
Unsere Vision oder unser Traum: Jede Schule
in Deutschland soll eine Gebetsgruppe hinter sich haben.
Unrealistisch? Menschlich gesehen sicher –
aber Gott kann!
Fern Nichols, Gründerin und Präsidentin
von Moms in Touch International, erzählt
von einer Begegnung nach einem ihrer Vorträge: Gerade war sie im Gespräch mit einer
Mutter, die ihr das Herz ausschüttete, das
sie schon so lange für ihre fast erwachsene
Tochter bete – und nichts würde geschehen.
In diesem Moment bahnte sich ein Mann
den Weg zu ihnen und sprudelte einfach
los: »Ich kann Ihnen den Kummer, den ich
meiner Mutter machte, nicht erzählen. Alle
hielten mich für einen hoffnungslosen Fall
und haben meiner Mutter geraten, mit dem
Beten aufzuhören. Ich hätte meinen Weg
nun einmal gewählt. Doch meine Mutter hat
mich niemals aufgegeben! Sie betete weiter
für mich – 18 lange Jahre! Heute liebe ich
Jesus und bin als Lehrer ein Licht Gottes für
meine Schüler!«
21
Solche »Spätfolgen« kann auch Ihr Gebet
haben!
Zugegeben – es braucht manchmal fast
übermenschliche Kraft, am Gebet dranzubleiben, wenn die Situation so sehr verfahren aussieht, alles scheinbar nicht mehr zu
ändern ist.
Aber Gebet bewegt auch heute noch Gottes
Arm. Davon bin ich überzeugt – und mit mir
viele, viele Mütter in Deutschland und auf
der ganzen Welt!
Wir prägen unsere Kinder – ob wir es wollen
oder nicht. Kein Kind kann in einem wertfreien Vakuum aufwachsen. Entweder ich
präge mein Kind – oder das Umfeld wird es
tun.
»Wir als betende Mütter prägen eine ganze
Generation von Kindern!« - Davon ist auch
Martina Kersten überzeugt: »Deshalb beten
wir auch für ihre Freunde und die zukünftigen Ehepartner. Wenn die Kinder damit
aufwachsen, prägt das auch ihre eigene
Einstellung zum Gebet. Sie bekommen mit,
dass Gott Gebet erhört und werden mutig,
es auch selbst zu versuchen! Wie kann
man mehr Einfluss nehmen, dass auch die
kommende Generation eine Generation von
Betern und Beterinnen wird, als wenn man
selbst und zusammen mit anderen für sie im
Gebet einsteht?
Unsere Kinder beobachten sehr genau, ob
unser Glaube hält, was er verspricht, ob er
trägt, wenn es schwierig wird! Wenn wir
anhaltend im Gebet bleiben, auch bei Dingen, die nicht sofort beantwortet werden,
bleibt das nicht ohne Auswirkung! Vor allem
auch, wenn wir die Kinder mit einbeziehen!
Das Gebet ist eine echte Alternativlösung bei
Problemen. Nichts ist so ausweglos, als dass
man damit nicht zu Jesus gehen könnte.«
Familie, Beruf, Ehrenamt in der Gemeinde
und Schule ... – Wo soll da noch Zeit für
Gebet bleiben?
22
Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass
unsere Kinder, dass jedes Kind unser Gebet
benötigt.
Zeit habe ich genau genommen nie – ich
muss sie mir immer nehmen. Und erfahrungsgemäß nehme ich mir für das Zeit, was
mir wichtig ist.
Unsere MIK-Stunde läuft immer nach einem
bestimmten Schema ab. (Routine hat auch
ihre guten Seiten, vermittelt Geborgenheit
und Sicherheit!)
Die »vier Schritte des Gebets« geben den
Rhythmus jedes Treffens vor:
Anbetung: Wir kommen aus der Hektik des
Alltags an und können in Gottes Gegenwart
zur Ruhe und Einstimmung auf ihn kommen,
ihn dafür anbeten, wie er ist.
Schuld bekennen: In der Stille legen wir
Gott das hin, was uns von ihm trennt, was
nicht gut gelaufen ist (in der Beziehung zu
unserem Ehepartner, zu unseren Kindern
oder was auch immer es ist).
Dank: Hier danken wir Gott, für das, was er
getan hat – seien es konkrete Gebetserhörungen oder einfach Dinge, die »dankenswert« sind, aber oft so selbstverständlich
hingenommen werden. (Dass unsere Kinder
unversehrt von der Schule nach Hause kommen, ist z.B. keine Selbstverständlichkeit!)
Fürbitte: So wie die Freunde ihren kranken
Freund auf einer Matte zu Jesus brachten –
und sich auch durch widrige Umstände nicht
zurückhalten ließen -, bringen wir gemeinsam unsere Kinder im Gebet vor Gott.
Interessiert? Material und Informationen
erhalten Sie bei unserer Geschäftsstelle:
Mütter in Kontakt e.V., Faullederstr. 3, 70186
Stuttgart, Telefon: 0711/220 12 35, Fax:
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Vier-Flüsse-Kreuzfahrt mit MS OLYMPIA –
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Mit an Bord: Dr. Rolf Hille, Albrecht-Bengel-Haus, Tübingen;
Traumschiffpianist Waldemar Grab; Reinhold Ruthe, Psychotherapeut und Autor
8. bis 15. Juni 2009
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6. bis 17. August 2009
Große Sommerkreuzfahrt
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Durchs Baltikum und zu den Hansestädten
bis nach St. Petersburg mit MS VISTAMAR –
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Mit an Bord: Eva Herman, Journalistin und Buchautorin;
Friedrich Hänssler, Verleger; Erwin Damson, Geschäftsführer der
Ludwig-Hofacker-Vereinigung; Pastor Sven Findeisen, Kunstexperte und Baltkum-Kenner
Sommerkreuzfahrt auf der Donau
Flusskreuzfahrt mit MS FIDELIO –
exklusiv gechartert
Mit an Bord: Pfarrer Winrich und Beate Scheffbuch, Stuttgart;
Christliche Theaterbühne „Die Boten“, Schweiz
15. bis 26. September 2009
Auf den Spuren des Apostels
Paulus durch Griechenland
Mit Verlängerungsmöglichkeit:
3-Tageskreuzfahrt in der Ägäis
4. bis 9. Juli 2009
Nostalgie Pur auf dem Göta Kanal
Romantische Flusskreuzfahrt durch Schweden
von Göteborg bis Stockholm
Mit an Bord: Pfarrer Ulrich Scheffbuch, Filderstadt
Mit: Pfarrer Winrich und Beate Scheffbuch
26. Oktober bis 1. November 2009
Auf Neckar und Rhein von
Stuttgart bis Köln
Flusskreuzfahrt mit MS SWISS DIAMOND –
exklusiv gechartert
Mit an Bord: Pfarrer Winrich und Beate Scheffbuch, Stuttgart;
Rainer Haak, Schriftsteller und Theologe; Waldemar Grab,
Traumschiffpianist
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Südafrika, Nil, Mittelmeer, Portugal, Chagall-Reise,
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Veranstaltung am
15.30 Uhr
Begrüßung und Einführung
Erwin Damson, Geschäftsführer
Ludwig-Hofacker-Vereinigung
im Haus der Begegnung
Leonberg, Eltinger Strasse 23
15.40 Uhr
Einführendes Referat
medien.macht.meinung
Martin Gerstner, Journalist, Stuttgarter Zeitung
16.15 Uhr
medien.macht.meinung
Leitung: Manuel Liesenfeld, Leiter Kommunikation, Evangelische Brüdergemeinde Korntal
Teilnehmer: Thomas Slotwinski, Chefredakteur
Leonberger Kreiszeitung; Martin Gerstner,
Journalist, Stuttgarter Zeitung; Helmut
Matthies, Leiter des Pressedienstes IDEA;
Dan Peter, Kirchenrat, Evang. Landeskirche;
18.00 Uhr
Imbiss - Pause der Begegnung
Präsentation von IDEA und der
Ludwig-Hofacker-Vereinigung
19.30 Uhr
Vortrag von IDEA – Leiter Helmut Matthies
»Unsere Zukunft als Christen in Deutschland«
Musikalisches Beiprogramm Projektchor
Weissach/Friolzheim
9. November 2008
ab 15.00 Uhr
Ein Tag der Medien mit
der Lebendigen Gemeinde/
Ludwig-Hofacker-Vereinigung
und dem Pressedienst IDEA
Veranstalter: Lebendige Gemeinde/Ludwig-HofackerVereinigung Bezirke Leonberg und Ditzingen und IDEA
Podium