Holzbau- Estland Holzbau- Estland

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Holzbau- Estland Holzbau- Estland
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EBayern
stlandreport
www.blockhome.info
HolzbauVariationen aus
Estland
Bilder: Blockhome, Woodhouse
Ort des Sägewettbewerbs
in Räpina
Schwalbenschwanz in
30 Minuten gesägt
Kommunales
Design-Holzhaus
Kreuzeckendetail
mit Winddichtlippe
Versandfertige
Module
Im Sommer besuchte das Magazin Blockhome ein kleines,
aber wichtiges Blockhaus-Land. Der estnische Verband
präsentierte seine Mitglieder und deren Produkte.
A
uf einer Fläche so groß wie Niedersachsen leben in Estland 1,3
Mio. Menschen. Das nördlichste
Land des Baltikums ist überwiegend flach
bis leicht hügelig. 318 Meter misst die
höchste Erhebung im Süden des Landes,
wo auch die wichtigsten Nutzholzvorkommen stocken. Estland ist ein traditionelles
Blockhausland, in den Dörfern und Streusiedlungen stehen noch viele alte Holzgebäude. Daneben fallen die zahlreichen
Herrenhäuser auf, die von der bewegten
Blockhaus-Hotel von
1930 in Räpina
Geschichte des Landes zeugen. Das zweigeschossige Blockhaus-Hotel in Räpina ist
von 1930 und begrüßt heute seine Gäste
mit einer rosa-grauen Holzfassade.
18 Hersteller
Seit 1991 ist Estland ein unabhängiger
Staat, seit 2004 Mitglied der EU und inzwischen auch in der Währungsunion. Die
Öffnung zum Westen brachte dem Land die
Möglichkeit, selbst zu wirtschaften, Block-
häuser zu produzieren und zu exportieren.
Die heutigen Firmen haben ihre Werke
überwiegend im Süden des Landes, wo
auch die großen Holzvorkommen sind. In
der Hauptstadt und ehemaligen Hansestadt
Tallinn sind viele Firmen mit einem Büro
vertreten. Dort hat der Verband estnischer
Massiv- und Blockhaushersteller ‘Eesti Puitmajaliit’ (übersetzt: Estnischer Holzhausverband) seine Dependance, der zurzeit 18
produzierende Firmen, einige Architekten
und weitere assoziierte Unternehmen zählt.
Naturnaher
Kiefernwald
Gütesiegels für Holzbau, das dem Verbraucher ordentliche Betriebsführung,
normgerechte Technik und qualitativ
hochwertige Produkte garantiert. Internationale Anerkennung erreichte der Verband
mit seiner 13-sprachigen Internetpräsenz
(www.woodhouse.ee) inklusive Japanisch,
Chinesisch und Arabisch.
Kreuzecke in 30 Minuten
Das Holzhaus trägt in Estland die Bezeichnung Element- oder Modulhaus, weil
es aus größeren oder kleineren Fertigteilen zusammengesetzt wird. Inzwischen
verbreitet sich der moderne Holzbau, der
gern auch einmal mit orangenem Anstrich
aufwartet, nach und nach über das ganze
Land. Daneben werden maschinell und
handgefertigte Blockhäuser hergestellt.
Nicht ganz unbedeutend sind auch die
Produzenten von Saunen, Gartenhäusern
und Jacuzzis (hölzerne Badezuber).
Der Estnische Blockhausverband vertritt
seine Mitglieder sehr engagiert und kooperiert seit Jahren mit den führenden Universitäten des Landes. Jedes Jahr im Sommer
veranstaltet er im Städtchen Räpina einen
internationalen Wettbewerb für die jungen
Blockhausbauer, bei dem es gilt, in 30
Minuten eine Kreuzecke auszuarbeiten.
Die Jury bewertet die Arbeit nach Zeit- und
Qualitätskriterien. Für 2015 sind wieder
Teilnehmer aus allen Ländern willkommen.
13 Sprachen
Die meisten estnischen Unternehmen
sind im Verband organisiert, weil er ihnen
die technische Weiterentwicklung und
qualitative Verbesserung ihrer Produkte
erleichtert. Das Hauptthema der vergangenen Jahre war die Entwicklung eines
verlässlichen und weltweit verständlichen
Bis zu zwei Jahre
Lufttrocknung
Kammergetrocknetes
Kantholz
84 Jahre alte Balken
am Hotel Räpina
‘Lafte Bygg’-Balken
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Produktionshalle für
Naturstammbau im Süden
Scriber & Breitaxt
Von ‘Lafte Bygg’ bis Vierkant
Es ist schon erstaunlich, welch’ breites
Spektrum an Blockhäusern das kleine
Estland anbieten kann. Man findet hier sowohl maschinelle Vierkant-, D-Profil- und
Rundbalkenhäuser als auch handgefertigte Naturstammhäuser mit kanadischer Sattelecke sowie Blockhäuser norwegischer
Bauart. Letztere tragen die Bezeichnung
‘Lafte Bygg’ und sind eine Kombination
aus liegenden und stehenden Blockbalken.
Insgesamt exportieren die estnischen
Firmen in über 40 Länder, doch das Gros
der Häuser geht nach Norwegen. Zusammen mit norwegischen Fachleuten für
Blockhausbau hat der estnische Verband
Durchmesser:
57 Zentimeter
die weltweit einzigartige Technik des
norwegischen Blockbaus weiterentwickelt
und an heutige bautechnische Anforderungen für die Bemessung, den Wärmeschutz und die Wind- und Wetterfestigkeit
angepasst.
Große Nachfrage aus Norwegen
Da in Norwegen selbst immer weniger Produzenten kostengünstig fertigen
können, profitierte Estland von seinem
Engagement. So werden nach Norwegen
individuelle Ferien- und Wohnblockhäuser
und ganze Ferienparks aus händischer
und maschineller Blockbau-Produktion
geliefert.
Norwegische
Eckverkämmung
‘Lafte Bygg’ beschreibt eine weltweit
einmalige Holzbautechnik aus eckigen
oder runden Ständern und dekorativen
Wandausfachungen oder statisch belasteten liegenden Blockbalken. Wie beim
traditionellen norwegischen Blockbau
sind die liegenden Blockbalken auf rund
20 Zentimeter besäumt. Die Abflachung
des Stammes wird innen oder außen oder
beidseitig vorgenommen. Bei besäumten
Kiefernbalken wirkt dann das angeschnittene rote Kernholz besonders dekorativ im
Wandbild. Als individuelle Lösung sind
auch Kombinationen mit Rundstämmen
möglich. Das ‘Lafte Bygg’ ist vergleichbar
mit einem besäumten Naturstammhaus
mit Timber-Frame-Elementen.
Balkenstoß in der
Kreuzecke
Aktuell werden vier Varianten bei den
Verkämmungen angeboten: die Chaletecke für runde und eckige Balken,
Schwalbenschwanz für Kantholz, die
kanadische Sattelecke für Rundstämme und die ‘norwegische Kerbe’ für
besäumte und runde Stämme. Gleich
welche Verkämmung händisch gefertigt
wird, auch in Estland verwendet man
den kanadischen ‘Chambers-Scriber’ mit
seinen zwei Libellen und dem Pistolengriff. Mit ihm werden die Stammlagen
passgenau angezeichnet, um sie danach
mit der Kettensäge auszuschneiden. Die
Verkämmung wird grob vorgesägt und
anschließend mit der Breitaxt ausgeformt
und geglättet. Jede Verkämmung benötigt
rund eine Stunde Arbeitszeit.
Reiche Vorkommen, gut sortiert
Das Fichten- und Kiefernholz für den
Blockhausbau bezieht Estland vorwiegend
‘Chambers-Scriber’
aus Kanada
Holzfeuchte:
22 Prozent
Arbeit mit dem
Schälmesser
Klassische kanadische
Verkämmung
aus eigenen, zertifizierten Wäldern. Spezielle Ware wie beispielsweise verleimte
Blockbalken kaufen die Unternehmen bei
den nördlichen Nachbarländern. Viele
estnische Firmen arbeiten inzwischen konform zum Eurocode 5, womit wesentliche
holzbautechnische Anforderungen für den
grenzüberschreitenden Warenverkehr
erfüllt sind. Diese Anforderung für maschinell gefertige Blockhäuser ist in Norwegen
nicht erforderlich.
Kurz und bündig
Ein wichtiger Unterschied zwischen Estland und Mitteleuropa bei der Produktion
von Naturstammhäusern besteht in der
verwendeten Stammlänge. Hierzulande
werden bei Wänden – und besonders bei
Pfetten – enorm lange Stämme bis 20 Meter und mehr verbaut. Dies ist in Estland
aufgrund der üblichen Freilufttrocknung
unter Dach und aufgrund allgemeiner
Transportprobleme nicht möglich. So sind
die Rohlinge maximal neun Meter lang.
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Drechsel mit einem
Rundholzbalken
Hier werden Häuser bis etwa
40 x 18 Meter gefertigt
die sich nach der Verbauung bis in die
Verkämmung fortsetzen. Für die richtige
Holzauswahl und den geeigneten Trocknungsprozess bedarf es viel Erfahrung und
regelmäßiger Kontrolle.
Die Roboter kommen
Rundbalken-Rohlinge
Oberflächenschliff
und Profilfräse
und sauber ist. Die verwendeten Kiefernund Fichtenstämme haben meist Mittendurchmesser von 40 bis 60 Zentimeter,
sind ausgesprochen gerade und vollholzig.
Im Übergang zwischen kontinentalem und
atlantischem Klima bietet Estland sehr gute
Wachstumsbedingungen für Nadelholz.
Starkholz-Profis
Das bedeutet, dass bei langen Hauswänden die Stämme in einer Wandverkämmung gestoßen werden müssen. Dabei
muss die Abdichtung des Gefüges besonders sorgfältig durchgeführt werden, damit
keine Leckagen in der Gebäudehülle
entstehen. Um eine statisch sichere Verbindung zu erzeugen, werden die Stämme
in einer Ausfräsung verschraubt. Trockene Naturstämme
Bei handgefertigten Holzhäusern weist
Estland eine Besonderheit auf: Wenn der
Prototyp einer
Abbundfräse
Kunde es wünscht oder die Konstruktion es
erfordert, kann das Stammholz technisch
auf Normfeuchte getrocknet werden. So
durften wir uns vor Ort selbst überzeugen
und getrocknete Naturstämme prüfen. Je
nach Messpunkt ermittelten wir bei verschiedenen Stämmen zwischen 16 und
22 Prozent Holzfeuchte. Die entrindeten
Stämme werden zunächst ein bis zwei Jahre luftgetrocknet und anschließend in der
Kammer für mehrere Wochen technisch
nachgetrocknet. Kurz vor der Verarbeitung
werden sie dann noch einmal von Hand
geschält, damit die Holzoberfläche glatt
Setzfuge am
Pfostengewerk
Starkholz mit einem Durchmesser von
50 Zentimetern und mehr zu trocknen ist
schwierig, langwierig und kostspielig. Es
besteht die Problematik, dass das Holz
bei unsachgemäßer Behandlung aufbricht
und der Stamm somit nutzlos wird. Holz
mit starken Rissen kann im Blockbau nicht
verwendet werden. Insbesondere bei
besäumten Stämmen ist die Gefahr groß,
dass sich in den Flanken Risse bilden,
Vorbau an einem
‘Lafte Bygg’-Haus
Die steigenden Anforderungen und der
Kostendruck beim Blockhausbau führen
auch in Estland zu mehr Automatisierung.
In Kooperation mit einem Schweizer
Unternehmen wurde jüngst ein Roboter
getestet, der Naturstämme passgenau zusägt. Etwas mehr Erfolg brachte der erste
Prototyp für den Abbund. Diese neue Maschine soll mit der zwei- bis dreifachen
Alte Hansestadt und
Feste Tallinn
Im Museum ‘Rocca al Mare’
bei Tallinn
Geschwindigkeit der heute bekannten
Aggregate arbeiten. Doch auch wenn die
Technik wahrlich noch nicht vollkommen
ist, in Estland hat man noch genügend
Zeit daran zu arbeiten. Denn die bisweilen noch vergleichsweise geringen
Lohnkosten und eine geringe steuerliche
Belastung lassen den Unternehmen viel
Spielraum.
Im Museum lernt man’s
Die technische Entwicklung des Blockhausbaus durch die Jahrhunderte lässt
sich gut bei einem Besuch des estnischen
Freilichtmuseums ‘Rocca al Mare’ (www.
evm.ee) nahe Tallinn bewundern und
nachvollziehen. Hier sieht man, wie früher alles mit einfachen Äxten angefangen
hat, wie später die Sägetechnik Einzug
hielt und vor allem wie ausgeglichen und
gesund unsere Vorfahren gewohnt und
gelebt haben.
Interessenten für den estnischen Blockhausbau finden Informationen auf der
Homepage von ‘Eesti Puitmajaliit’ oder in
der Marktübersicht der Anbieter im Internetportal des Magazins Blockhome. BH