1 Erwerbs- und Berufsunfähigkeit I

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1 Erwerbs- und Berufsunfähigkeit I
Erwerbs- und Berufsunfähigkeit
Inhaltsverzeichnis
A.
Gesetzliche Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung
I.
Das alte Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrecht
II. Die neue Rechtslage – im Überblick
III. Renten wegen Erwerbsminderung
1.
Rente wegen voller Erwerbsminderung
2.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
IV. Rentenbezug und Hinzuverdienstgrenzen
B. Die private Berufsunfähigkeitsversicherung
I.
Allgemeines
II. Die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung
III. Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
IV. Dynamik und Überschussbeteiligung
V. Steuerrechtliche Behandlung
VI. Begriff der Berufsunfähigkeit
1.
Ausgeübter Beruf
2.
Bedingungsgemäße Leistungsvoraussetzungen
3.
Prognosezeitraum
4.
Ärztliche Nachweise über Berufsunfähigkeit
5.
Umfang der Berufsunfähigkeit
VII.
Wichtige und vorteilhafte Regelungen
1.
Verzicht auf abstrakte Verweisung
2.
Rückwirkende Leistung ohne zeitliche Befristung
3.
Nachversicherungsmöglichkeit ohne erneute Gesundheitsprüfung
4.
Beitragsfreistellung – ohne Verminderung des Versicherungsschutzes
5.
Wiedereingliederungshilfen
6.
Dynamik der Versicherungsleistung
7.
Verkürzte Rücktrittsfrist
VIII. Das Nachprüfungsverfahren
1.
Allgemeines
a.
Gesundheitliche Verbesserung
b.
Neue berufliche Fähigkeiten
2.
Mitteilungspflicht bei gesundheitlichen Veränderungen
A.
Gesetzliche Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung
Mit Beginn des Jahres 2001 wurde – fast unbemerkt – das Recht der Berufs- und
Erwerbsminderungsrente komplett reformiert. Die Gründe hierfür liegen vornehmlich in der stetig
sinkenden Geburtenrate, der hohen Zahl an Arbeitslosen und in der stetig steigenden Lebenserwartung.
Die Änderungen sind notwendig geworden, um einen Kollaps der gesetzlichen
Sozialversicherungssysteme abzuwenden. Zum 1.7.2000 haben bereits rund 1,9 Millionen Bürger eine
Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erhalten. Hinzu kam, dass jeder dritte Bezieher einer
solchen Rente jünger als 51 Jahre war.
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Das „Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“ hat dazu geführt, dass die
Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente erheblich
verschärft wurden.
I.
Das alte Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrecht
Zum 1.1.2001 sind die in den §§ 43, 44 SGB VI genannten Voraussetzungen für die Rente wegen
Berufsunfähigkeit (§ 43 SGB VI) und Erwerbsunfähigkeit (§ 44 SGB VI) für diejenigen Versicherten
ersatzlos weggefallen, die erst nach dem 1.1.1961 geboren sind.
Entsprechend der alten gesetzlichen Regelung war für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erforderlich,
dass die Leistungsfähigkeit aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte
derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und
gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Hieraus folgte, dass ein Versicherter
berufsunfähig war, dessen Leistungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen so gemindert war, dass er
weder in seinem bisherigen Beruf noch in einem anderen zumutbaren Verweisungsberuf die Hälfte des
Arbeitsentgelts eines vergleichbaren gesunden Arbeitnehmers erreichen konnte (sog. Lohnhälfte).
Beurteilungsmaßstab war somit der bisherige Beruf, der in seiner Ausprägung und nach Unterscheidung
in Haupt- und Nebenberuf ermittelt wurde.
Voraussetzung für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war, dass keinerlei Erwerbstätigkeit mehr
möglich war.
Seit dem 1.1.2001 ist allein entscheidend die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Ausbildung oder berufliche Erfahrung wird damit nicht mehr
berücksichtigt. Dazu im Folgenden mehr.
II.
Die neue Rechtslage – im Überblick
Seit dem Jahr 2001 gilt nun das abgestufte System der Erwerbsminderungsrenten, welches nicht mehr auf
den Beruf des Versicherten abstellt. Einen Berufsschutz gibt es damit nicht mehr.
Entsprechend der neuen Regelung erhalten Versicherte künftig:
● eine volle Erwerbsminderungsrente, wenn sie unter drei Stunden täglich,
● eine halbe Erwerbsminderungsrente, wenn sie zwischen drei und sechs Stunden täglich,
● keine Erwerbsminderungsrente, wenn sie noch mindestens sechs Stunden täglich zu den üblichen
Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können.
Die Änderung der Rechtslage führt zum einen dazu, dass nur noch das verbliebene
Restleistungsvermögen entscheidend ist, welches auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingesetzt werden
kann. Zum anderen ist die Rentenhöhe geringer geworden.
Die halbe Erwerbsminderungsrente beträgt zur alten Berufsunfähigkeitsrente nicht mehr 2/3, sondern
nur noch 50 % der vollen Erwerbsminderungsrente. Hierbei ist ferner zu beachten, dass bei Eintritt der
Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres ein Abzug von 0,3 % für jeden Monat des
vorzeitigen Rentenbezugs, maximal 10,8 %, vorgenommen wird. Dies kann im Einzelfall dazuführen,
dass der Versicherte bis zu 33,1 % weniger Rente erhält.
Das folgende Schaubild verdeutlicht die Änderungen, indem es die alte und neue Rechtslage anhand
verschiedener Bruttoeinkommen gegenüberstellt (Stand 2002/alte Bundesländer).
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Bruttoeinkommen
mtl.
Erwerbsunfähigkeitsrente bis 2000
1.500 €
2.000 €
2.500 €
3.000 €
3.500 €
4.000 €
4.500 €
550,00 €
733,00 €
916,00 €
1.099,00 €
1.216,00 €
1.287,00 €
1.331,00 €
volle Erwerbsminderungsrente ab
1.1.2001
490,00 €
654,00 €
817,00 €
980,00 €
1.085,00 €
1.148,00 €
1.187,00 €
Berufsunfähigkeitsrente bis 2000
366,00 €
489,00 €
611,00 €
733,00 €
811,00 €
858,00 €
887,00 €
halbe ErwerbsMinderungsrente
ab 1.1.2001
245,00 €
327,00 €
409,00 €
490,00 €
543,00 €
574,00 €
594,00 €
Nach altem Recht (bis 31.12.2000) lag Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit
oder eines Unfalls nicht mehr in der Lage war, eine Tätigkeit, die gleichwertige Kenntnisse und
Fähigkeiten voraussetzt, zu weniger als die Hälfte auszuüben. Eine Verweisung auf eine Tätigkeit, die
nicht der Dauer und des Umfangs der Ausbildung und den besonderen Anforderungen des Versicherten
an seine bisherige Tätigkeit entsprach, war nicht zulässig. Darüber hinaus musste bei der Auswahl von
Verweisungstätigkeiten der soziale Status des Versicherten berücksichtigt werden.
Entsprechend der neuen Rechtslage wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit unabhängig vom Beruf
und sozialen Status bestimmt. Für die Feststellung der Erwerbsminderung gilt als Maßstab ausschließlich
dass aufgrund der Krankheit oder Behinderung verbliebene zeitliche Leistungsvermögen unter den
üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in irgendeiner Tätigkeit.
Es ist daher sinnvoll, über eine private Berufsunfähigkeitsversicherung nachzudenken, da diese einen
konkreten Beruf absichert und in der Regel bereits zahlt, wenn dieser Beruf zu mindestens 50 Prozent
(oder Pflegestufe I) nicht mehr ausgeübt werden kann.
Bestandsschutz genießen diejenigen Versicherten, die am 01.01.2001 bereits das 40. Lebensjahr
vollendet hatten. Wer bereits am 31.12.2000 Anspruch auf eine Rente wegen Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit hatte, ist von der Neuregelung nicht betroffen. Die bereits erworbenen
Rentenansprüche bestehen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres fort. Voraussetzung ist lediglich, dass
die Anspruchsvoraussetzungen für den Rentenbezug weiterhin vorliegen.
III. Renten wegen Erwerbsminderung
Zu den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gehören die Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung, die Rente wegen voller Erwerbsminderung sowie die Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 43, 24 SGB VI).
Die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nach § 102 Abs. 2 SGB VI vom Grundsatz her nur
befristet, d.h. als Rente auf Zeit für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn geleistet. Die Befristung kann
wiederholt werden, darf eine Höchstdauer von 9 Jahren nicht überschreiten. Danach ist von einer
Dauerhaftigkeit der Erwerbsminderung auszugehen. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der
jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden von vornherein unbefristet geleistet, wenn
unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.
Der Bezug von Rente wegen Erwerbsminderung ist bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des
Versicherten begrenzt. Nach Vollendung des 65. Lebensjahres ist nur noch Altersrente zu zahlen. Das
Verfahren zur Umwandlung der Erwerbsminderungsrente in eine Regelaltersrente wegen Vollendung des
65. Lebensjahres wird von Amts wegen durchgeführt.
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Nach § 43 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung,
wenn Versicherte
• das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
• teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
• mindestens fünf Jahre Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung waren und in den letzten
fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge für eine
versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt haben und
• vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt
haben.
1.
Rente wegen voller Erwerbsminderung
Der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung ist in § 43 Abs. 2 SGB VI geregelt. Danach ist jemand
voll erwerbsgemindert, wenn sein Leistungsvermögen krankheitsbedingt so stark gemindert ist, dass
er/sie auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Da somit – im Vergleich zur alten Rechtslage – ein Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente nur
besteht, wenn auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr in Gänze ausgeübt werden
können, ist ein (zumutbarer) wesentlicher sozialer Abstieg in Kauf zu nehmen.
Ob das Leistungsvermögen entsprechend herabgesunken ist, wird durch ärztliche Gutachter des
Rentenversicherungsträgers festgestellt. Hierzu wird der Versicherte eingehend untersucht. Zudem
werden vor Begutachtung die vorhandenen Befundberichte behandelnder Ärzte eingeholt.
Unter der Umschreibung „auf nicht absehbare Zeit“ ist ein Zeitraum von länger als sechs Monaten zu
verstehen, da gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI während der ersten sechs Monate einer Leistungsfähigkeit
keine Rente gezahlt wird.
Mit „Ausübung einer Tätigkeit“ meint der Gesetzgeber, dass der Versicherte eine Erwerbstätigkeit nicht
mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann. Es besteht somit
kein Rechtsanspruch, wenn der Versicherte in seiner Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zwar gemindert
ist, jedoch noch in der Lage ist, sechs oder mehr Stunden täglich einer anderen Erwerbstätigkeit
unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen.
Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI liegt somit eine volle Erwerbsminderung vor, wenn der Versicherte weder
in seinem bisherigen Beruf noch anderweitig – auch geringwertig – arbeiten kann. Es muss
sicherlich nicht jede Beruf ausgeübt werden, jedoch ist nach der Rechtsprechung aber ein sozial
zumutbarer beruflicher Abstieg in Kauf genommen werden. Es ist bei der Frage der Verweisung zudem
unerheblich, ob dem Versicherten ein Arbeitsplatz in der Verweisungstätigkeit vermittelt werden kann,
denn das Risiko der Beschaffung eines Arbeitsplatzes ist nicht Sache der Rentenversicherungsträger,
sondern der Arbeitsverwaltung.
Die Verweisung auf eine andere Tätigkeit muss jedoch zumutbar sein, so ist z.B. ein Facharbeiter auf
angelernte Tätigkeiten zu verweisen. Eine Verweisung eines Facharbeiters auf ungelernte Tätigkeiten ist
dagegen nicht möglich.
Bei der Verweisung hat der Rentenversicherungsträger folgendes zu beachten:
1. Der Versicherte muss trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung körperlich in der Lage sein,
den benannten Verweisungsberuf auszuüben.
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2. Die Verweisungstätigkeit muss außerdem den Kenntnissen und Fähigkeiten des jeweiligen
Versicherten entsprechen. Als Faustformel kann man sich merken, dass die Berufsausübung nach
einer Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten möglich sein muss.
2.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
Einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben seit dem 01.01.2001
Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit zwar drei Stunden, jedoch
nicht mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
arbeiten können. Diese beläuft sich auf die Hälfte der vollen Erwerbsminderungsrente.
Es ist zudem zu prüfen, ob der Versicherte das verbliebene Restleistungsvermögen noch umsetzen kann.
Dies ist dann nicht der Fall, wenn er keine sechs Stunden täglich mehr arbeiten kann und zudem
arbeitslos ist. In einem solchen Fall ist es für ihn in der Regel aussichtslos einen Arbeitsplatz zu finden.
Der Arbeitsmarkt ist für diesen Versicherten also praktisch verschlossen, so dass ausnahmsweise –
obwohl die Voraussetzungen nicht vorliegen – die volle Erwerbsminderungsrente zu gewähren ist.
Hierbei spricht man dann von sog. Arbeitsmarktrenten, die als Zeitrenten (befristet) bewilligt werden.
IV.
Rentenbezug und Hinzuverdienstgrenzen
Im Rahmen der alten Rechtslage war es dem Versicherten bei Bezug einer Rente wegen
Berufsunfähigkeit (sog. 2/3- Rente) möglich, noch zusätzliches Einkommen zu erzielen mit Tätigkeiten,
auf die er nicht verwiesen werden konnte. Dabei war es sogar möglich, dass der Hinzuverdienst und die
Rente das bisherige Einkommen des Versicherten überstiegen. Seit dem 01.01.1996 gab es die sog.
gestaffelte Hinzuverdienstgrenze, die es möglich machte, die Rente zu mindern, wenn bestimmte
Einkommens- bzw. Hinzuverdienstgrenzen überschritten wurden.
Seit dem 01.01.2001 gilt für alle Renten gleiches Recht, d.h. alle Renten sind einkommensabhängig
(Altersrente vor dem 65. Lebensjahr, volle Erwerbsminderungsrente oder Erwerbsunfähigkeitsrente).
Dabei wird stets der Hinzuverdienst in voller Höhe angerechnet. Anrechnungsfrei bleibt nur der
rentenunschädliche Hinzuverdienst von 1/7 der monatlichen Bezugsgröße. Damit sind derzeit 340,00 €
rentenunschädlicher Hinzuverdienst möglich (§ 313 Abs. 3 SGB VI).
Der Betrag von 340,00 € gilt für alle Rentenbezieher, d.h. für Neu- und Altrentner ab dem 01.04.2003 und
darf zwei Mal im Jahr um das Doppelte überschritten werden. Dies ist rentenunschädlich und führt nicht
zu einer Rentenkürzung. Wird diese Grenze überschritten, so erfolgt eine Rentenkürzung. Wichtig ist zu
beachten, dass die 400,00 € - Grenze für geringfügig entlohnte Beschäftigte (sog. Minijobs) nicht für den
rentenrechtlichen Hinzuverdienst gilt.
Im Falle der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hängt die Frage, ob die halbe Rente weiter
gekürzt wird oder nicht, von der Höhe des Hinzuverdienstes ab. Hierbei liegt die zulässige monatliche
Hinzuverdienstgrenze bei der ungekürzten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei dem
20,7- fachen und bei der Teilrente bei dem 25,8 – fachen des aktuellen Rentenwertes, vervielfacht mit der
Summe der Entgeltpunkte des Versicherten in den letzten drei Kalenderjahren vor Eintritt der teilweisen
Erwerbsminderung. Es wird dabei immer von mindestens 1,5 Entgeltpunkten ausgegangen, was einem
halben Durchschnittsverdienst in den letzten drei Jahren entspricht.
Da also bei der Rente wegen teilweisen Erwerbsminderung der Hinzuverdienst individuell berechnet
wird, empfiehlt es sich, den zulässigen anrechnungsfreien Hinzuverdienst vor Aufnahme einer Tätigkeit
durch den zuständigen Sozialversicherungsträger (LVA BfA) errechnen zu lassen.
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B.
Die private Berufsunfähigkeitsversicherung
I.
Allgemeines
Gegenstand der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherungsschutz für den Fall
vorzeitiger Berufsunfähigkeit. Damit deckt diese Versicherung das Risiko ab, seinen Beruf aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, dass durch die
Berufsunfähigkeit ein finanzieller Schaden entstanden ist, die Versicherung leistet unabhängig hiervon
die vereinbarte Versicherungssumme. Damit ist die Berufsunfähigkeitsversicherung eine Summen- und
keine Schadenversicherung.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist als privatrechtlicher Vertrag zwischen Versicherungsnehmer und
Versicherungsunternehmen dem privaten Versicherungsrecht der Lebensversicherung zuzurechnen.
Beim Abschluss einer solchen Versicherung hat der Versicherungsnehmer die Wahl zwischen zwei
Vertragstypen, dies sind die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung und die
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
II. Die selbständige Berufsunfähigkeitsversicherung
Im Falle der selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung ist das Risiko der Berufsunfähigkeit allein
versichert. Eine solche Versicherung empfiehlt sich für diejenigen Personen, die bereits eine
Absicherung für die private Risiko- oder Altersabsicherung haben und daher lediglich noch das Risiko
des Verlustes der Arbeitskraft absichern wollen.
III. Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Bei der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wird die Risikoabsicherung für den Fall der Invalidität mit
einer Trägerversicherung kombiniert, welche eine Absicherung für den Todesfall (Risikoversicherung),
für den Todes- und Erlebensfall (kapitalbildende Lebensversicherung) oder das Risiko der langen
Lebenserwartung (private Rentenversicherung) bietet.
IV. Dynamik und Überschussbeteiligung
Empfehlenswert ist in jedem Fall die Vereinbarung einer Dynamik, damit die heute abgeschlossene
Berufsunfähigkeitsrente auch später im Zeitpunkt des Versicherungsfalles den erforderlichen Wert hat.
Der Versicherungsnehmer sollte also vorausschauend denken. Sinnvoll ist eine so genannte
kaufkrafterhaltende Dynamik, bei welcher sich die versicherte Berufsunfähigkeitsrente jährlich um den
Kaufkraftverlust, wenigstens aber um einen Mindestprozentsatz erhöht. Hierbei sollte die Dynamik nicht
an eine bestimmte Maximalsumme gekoppelt sein.
Der Versicherungsnehmer hat die Möglichkeit, zwischen unterschiedlichen Überschusssystemen zu
wählen. Beim dem Überschusssystem Sofortrabatt werden die von dem Versicherungsunternehmen
erwirtschafteten Überschüsse sofort mit den fälligen Versicherungsprämien verrechnet, so dass sich der
Zahlbeitrag reduziert. Hierbei wird zwischen dem sog. Bruttobeitrag, d.h. dem regulären Tarifbeitrag
ohne Verrechnung mit den Überschüssen einerseits und dem Netto- oder sog. Zahlbetrag andererseits
unterschieden. Der Zahlbetrag ist, weil hier Teile des Beitrags aus der Überschussbeteiligung kommen,
nicht garantiert.
Bei dem sog. Überschusssystem Bonusrente werden die durch den Versicherer erwirtschafteten
Überschüsse nicht zur Reduzierung des Bruttobeitrags, sondern zur Erhöhung der Gesamtversorgung
(Berufsunfähigkeitsrente im Leistungsbezug) verwendet. So wird beispielsweise bei einer garantierten
Berufsunfähigkeitsrente von 1.500 € und einem Bonusrentensatz von 50% eine Monatsrente von 2.250 €
aus der Berufsunfähigkeits(zusatz)versicherung gezahlt.
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Daneben gibt es das Überschusssystem der verzinslichen Ansammlung. Hierbei werden die erzielten
Überschüsse klassisch angelegt und dienen zur Erhöhung der Versicherungsleistung. Hierbei hat sich die
Anlage der Überschüsse in Investmentfonds durchgesetzt. Hierbei kann der Versicherte aus einer
bestimmten Anzahl von Fonds einen oder mehrere zur Anlage der erwirtschafteten und dem Vertrag
zugeteilten Überschüsse auswählen.
V. Steuerrechtliche Behandlung
Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung kann eine Steuerlast im Rentenbezug anfallen, denn Renten aus
einer Berufsunfähigkeitsversicherung gelten als sog. zeitlich befristete Leibrenten und sind daher mit
dem Ertragsanteil zu versteuern, der sich aus § 55 Einkommenssteuerdurchführungsverordnung
(EStDVO) ergibt. So ist bei einer Berufsunfähigkeitsrente der Ertragsanteil beispielsweise 47%, wenn die
Leistungsdauer der Versicherung bei Eintritt des Versicherungsfalles 30 Jahre beträgt. Dieser
Ertragsanteil ist mit dem individuellen Steuersatz zu versteuern.
Andererseits sind die Versicherungsbeiträge abziehbare Sonderausgaben im Rahmen der jeweils
gültigen Höchstbeträge, d.h. bis zu einem bestimmten Höchstsatz können Beiträge als
Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht werden. Bei der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ)
ist eine Abzugsfähigkeit nur dann gegeben, wenn auch die Hauptversicherung begünstigt ist.
VI. Begriff der Berufsunfähigkeit
Die Definition des Begriffs der „Berufsunfähigkeit“ ist eine Kombination aus rechtlichen und
medizinischen Aspekten.
1.
Ausgeübter Beruf
Eine entsprechende Definition des Begriffs „Beruf“ ist in den Musterbedingungen ebenso wenig definiert
wie in den marktüblichen Bedingungswerken der Versicherungsunternehmen. Es gilt der Grundsatz der
objektiven Auslegung. Hierbei ist auf das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers
abzustellen. Gemäß einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 14, 19, 22) ist unter
dem Begriff „Beruf“ die auf Dauer angelegte, der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage
dienende Tätigkeit zu verstehen. Im Ergebnis ist damit jede berufliche Tätigkeit, welche nicht unter
Strafe gestellt oder sozial unnötig ist, Beruf im Sinne der Musterbedingungen. Es ist der Beruf versichert,
der zuletzt bis zum Eintritt der behaupteten Berufsunfähigkeit ausgeübt wurde.
2.
Bedingungsgemäße Leistungsvoraussetzungen
Leistungsvoraussetzung ist also die Berufsunfähigkeit. Hierunter ist zu verstehen die durch
Körperverletzung, Kräfteverfall, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit verursachte Unfähigkeit, den
Beruf auszuüben. Kann der Beruf aus anderen als gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeübt
werden,, so liegt keine Berufsunfähigkeit vor.
Unter Körperverletzung ist der nicht ganz unerhebliche Eingriff in die äußere Unversehrtheit oder in die
natürlichen inneren Lebensvorgänge des Körpers zu verstehen. Der Zustand der Körperverletzung ist für
den Eintritt der Berufsunfähigkeit aber nur dann relevant, wenn ihre Folgen die bedingungsgemäße
Berufsunfähigkeit mit sich bringen.
Unter Kräfteverfall ist das Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte bzw. Minderung der
Belastbarkeit über den altersentsprechenden Zustand hinaus zu verstehen.
Krankheit ist als Einschränkung oder Störung der normalen Organismusfunktionen (z.B. Blindheit,
Taubheit etc.)bzw. der psychischen Leistungsfähigkeit zu verstehen. Hierbei ist die Krankheit jedoch nur
relevant, wenn sie geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit dauerhaft auszuschließen bzw. in dem
bedingungsgemäß vereinbarten Prozentsatz (meist 50% oder mehr) zu beeinträchtigen.
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Seit 1990 ist als weitere Ursache für den Eintritt der Berufsunfähigkeit auch die Pflegebedürftigkeit
aufgenommen worden. Maßstab für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit sind ausschließlich
Fähigkeiten zur Ausübung gewöhnlicher und regelmäßiger wiederkehrender Verrichtungen im
Ablauf des täglichen Lebens.
Entsprechend der marktüblichen Versicherungsbedingungen liegt Pflegebedürftigkeit vor, wenn die
versicherte Person so hilflos ist, dass sie bei drei der gewöhnlichen Verrichtungen des täglichen Lebens,
die in den Versicherungsbedingungen genannt sind, der Hilfe einer anderen Person bedarf.
Es werden in den Versicherungsbedingungen häufig unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe angesetzt,
wann eine Pflegebedürftigkeit Berufsunfähigkeit bedeutet. Teilweise wird eine Leistung schon erbracht,
wenn eine Verrichtung des täglichen Lebens nicht mehr ohne Hilfe ausgeübt werden kann. Üblicherweise
wird jedoch gefordert, dass drei Pflegepunkte erreicht sein müssen. Diesbezüglich finden sich i.d.R.
folgende Bewertungsmaßstäbe:
Der/die Versicherte benötigt Hilfe beim
▪ Fortbewegen im Zimmer
▪ Aufstehen und Zubettgehen
▪ Einnehmen von Medikamenten/Getränken
▪ Waschen, Kämmen, Rasieren
▪ Verrichten der Notdurft
1 Bewertungspunkt
1 Bewertungspunkt
1 Bewertungspunkt
1 Bewertungspunkt
1 Bewertungspunkt
3.
Prognosezeitraum
Die bereits zuvor genannten Ursachen führen nur dann zu einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit,
wenn diese voraussichtlich dauernd sind. Hierzu ist eine medizinische Prognose notwendig, wonach
eine Erwartung auf Besserung nach dem medizinischen Stand nicht mehr gerechtfertigt ist. Weil dies
selten mit Sicherheit genau bestimmt werden kann, wird als dauernd ein Zustand bestimmt, der drei Jahre
umfasst. Weil dieser sehr lange Prognosezeitraum stets heftig kritisiert wurde, ist man inzwischen in den
meisten Fällen dazu übergegangen, ihn auf voraussichtlich mindestens sechs Monate zu verkürzen
(sog. abgekürzter Prognosezeitraum).
4.
Ärztliche Nachweise über Berufsunfähigkeit
In der Regel bestimmen die Versicherungsbedingungen, dass die Berufsunfähigkeit ärztlich
nachzuweisen ist, er ist somit Voraussetzung für die begehrte Leistung. Auch wenn ärztliche Unterlagen
über die Berufsunfähigkeit (noch) nicht vorliegen, sollte dennoch der Antrag auf Leistungen umgehend
gestellt werden. Das Versicherungsunternehmen übersendet dann meist Fragebögen, welche vom
behandelnden Arzt auszufüllen sind.
5.
Umfang der Berufsunfähigkeit
Leistungsvoraussetzung ist grundsätzlich, dass die Leistungsfähigkeit in bestimmtem Umfang
eingeschränkt sein muss. Üblich ist die sog. Standardstaffel, wonach Leistungsvoraussetzung eine
mindestens 50 % - ige Berufsunfähigkeit ist. Daneben wird teilweise auch eine Staffelung von 25/75 %
angeboten, wobei ab einer Berufsunfähigkeit von 25 % die Beitragsbefreiung gewährt und eine anteilige
Rente gezahlt wird; in voller Höhe wird die Berufsunfähigkeitsrente in diesem Fall erst ab einer
festgestellten 75 % - igen Berufsunfähigkeit gezahlt.
Zur Bestimmung des Grades der Berufsunfähigkeit werden die unzumutbaren Tätigkeitsteile ins
Verhältnis zu den noch zumutbaren Tätigkeitsteilen gesetzt. Nichts anderes gilt, wenn die Tätigkeit, die
noch überwiegend ausgeübt werden kann, qualitativ weniger bedeutsam ist als der restliche Teil.
VII.
Wichtige und vorteilhafte Regelungen
Der Versicherungsnehmer sollte sich vor Abschluss des Versicherungsvertrages genau über die einzelnen
Bestimmungen informieren und auf bestimmte Punkte achten, wie z.B.
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1.
Verzicht auf abstrakte Verweisung
Einer der häufigsten Streitpunkte zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen ist die
Frage, ob die versicherte Person auf einen vergleichbaren Beruf, in dem sie trotz ihres
Gesundheitszustandes noch arbeiten könnte, verwiesen werden kann.
Demnach ist die versicherte Person nach der sog. Klausel über die abstrakte Verweisungsmöglichkeit nur
dann berufsunfähig, wenn sie neben der Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen auch außer Stande
ist, eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung oder Kenntnisse und
Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Wer also noch in
einem ähnlichen Beruf arbeiten kann, ist trotz Krankheit nicht berufsunfähig.
Eine Klausel, aus welcher sich eine solche Verweisungsmöglichkeit ergibt, könnte z.B. wie folgt lauten:
Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung
oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate außer
Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und
Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Heute ist es in vielen Verträgen so, dass das Versicherungsunternehmen einen Verzicht auf die
Möglichkeit der abstrakten Verweisung erklärt. Hierauf sollte geachtet werden, insbesondere ob nur
unter Einschränkungen auf die Möglichkeit der abstrakten Verweisung verzichtet wird, so etwa, dass für
2 oder 3 Jahre nach einem Berufswechsel noch die bedingungsgemäße Möglichkeit besteht, bei der
Prüfung der Berufsunfähigkeit auch den vorher ausgeübten Beruf heranzuziehen. Ebenso denkbar ist,
dass zwar auf die abstrakte Verweisung verzichtet wird, dieser Verzicht aber ausgenommen ist für
Unfälle oder bestimmte Berufsgruppen.
Der Verzicht auf die Möglichkeit der abstrakten Verweisung kann sich somit schon aus der Streichung
der Textpassage „…oder einen Beruf, der Ihrer Ausbildung und Erfahrung entspricht“ ergeben.
Achten Sie also darauf, dass Ihre Versicherung einen entsprechenden „Verzicht auf die Möglichkeit der
abstrakten Verweisung“ enthält.
2.
Rückwirkende Leistung ohne zeitliche Befristung
In vielen Versicherungsbedingungen ist bestimmt, dass der Eintritt eines Versicherungsfalles
unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Verzögern oder binnen drei Monaten gemeldet werden muss.
Im Falle einer späteren Meldung hat dies zur Folge, dass die Rentenzahlung erst ab Beginn des Monats
der Meldung erfolgt. Dies kann gerade in den Fällen problematisch sein, in denen erst nach längerer Zeit
eine klare Diagnose gestellt werden kann und vorher nicht mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit von
einer Berufsunfähigkeit auszugehen war. Es sollte daher im Interesse des Versicherten eine für ihn
günstige Regelung in den Versicherungsbedingungen normiert sein, die lauten kann „…auch bei späterer
Anzeige leisten wir rückwirkend für die Zeit ärztlich nachgewiesener Berufsunfähigkeit.“
3.
Nachversicherungsmöglichkeit ohne erneute Gesundheitsprüfung
Auch üblich ist mittlerweile, dass der Versicherte eine Nachversicherungsgarantie ohne erneute
Gesundheitsprüfung erhält, wenn bestimmte Ereignisse eingetreten sind und bestimmte Höchstrenten
nicht überschritten werden. Solche Ereignisse können sein die Geburt oder Adoption eines Kindes, die
Heirat, das Überschreiten der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, die
Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit oder die Finanzierung einer selbst bewohnten Immobilie.
In der Regel wird diese Nachversicherungsgarantie bis zum 45. Lebensjahr und auf eine Obergrenze
von ca. 1.000 € je Fall der Nachversicherung bzw. auf maximal 3.000 € insgesamt versicherter
Invaliditätssumme beschränkt.
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Es empfiehlt sich auch darauf zu achten, dass eine Nachversicherungsmöglichkeit auf Antrag
eingeräumt wird. Bei Antragsaufnahme wird als Zielversicherungssumme sofort z.B. das Doppelte der
zunächst versicherten Summe angegeben, Die Gesundheitsprüfung erstreckt sich dann bereits auf die
erhöhte Versicherungssumme mit der Folge, dass nach Antragsannahme die Versicherungssumme später
ohne erneute Gesundheitsprüfung auf diesen Betrag angehoben werden kann. Diese Möglichkeit ist
häufig jedoch auf einen Zeitraum von 5 Jahren seit Abschluss der Versicherung begrenzt. Danach kann
die Versicherungssumme auch erhöht werden, jedoch nur nach erneuter Gesundheitsprüfung, sofern der
Versicherte die medizinischen Untersuchungen besteht.
4.
Beitragsfreistellung – ohne Verminderung des Versicherungsschutzes
Der Versicherte kann aus den verschiedensten Gründen in die Situation geraten, die Versicherungsprämie
nicht mehr aufbringen zu können. Dies kann zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit, längerer Krankheit oder
Kurzarbeit der Fall sein. In solchen Fällen kann die Versicherung dann beitragsfrei gestellt oder
gekündigt werden. Eine Kündigung ist jedoch nicht ratsam, da inzwischen gesundheitliche Probleme
aufgetreten sein können oder noch auftreten können. Einer Neuaufnahme nach Beendigung der
finanziellen Notsituation kann dann die erneute Gesundheitsprüfung entgegenstehen.
Es ist daher empfehlenswert darauf zu achten, dass die Versicherung eine Möglichkeit enthält, für einen
begrenzten Zeitraum eine Stundung oder Teilstundung der Beiträge unter Beibehaltung des
Versicherungsschutzes beantragen zu können und darüber hinaus die Rückzahlung der gestundeten
Beiträge in Raten oder durch Verrechnung mit einem bereits vorhandenen Wert der Versicherung
möglich ist.
5.
Wiedereingliederungshilfen
Unter dem Begriff „Wiedereingliederungshilfen“ ist ein Bonus zu verstehen, der gezahlt wird, wenn die
Leistungspflicht des Versicherers endet, weil der Versicherte nach Feststellung der Berufsunfähigkeit
aufgrund freiwillig neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten konkret einen Vergleichsberuf ausübt. In
solch einer Situation erhält der Versicherte i.d.R. eine Leistung von 6 Monatsrenten, maximal häufig
8.000 € oder 12.000 €.
6.
Dynamik der Versicherungsleistung
Der Versicherungsschutz einer Berufsunfähigkeitsversicherung stellt eine langfristige Absicherung –
meist bis zum 60. bzw. 65. Lebensjahr. Es ist daher wichtig, dass diese Absicherung dynamisiert wird,
damit die heute gewählte Absicherungshöhe auch noch in 20 oder 30 Jahren den heutigen Wert hat. Es
erhöht sich dann jährlich die versicherte Berufsunfähigkeitsrente. Üblich ist, dass der Versicherte
zweimal hintereinander einer Dynamisierung widersprechen kann, ohne dass dieses Recht verloren geht.
Es ist sinnvoll darauf zu achten, dass
• die Berufsunfähigkeitsrente ohne eine Maximalgrenze dynamisiert werden kann, so z.B. durch
Anbindung an die Inflationsrate;
• der Versicherte eine Dynamisierung der Hauptversicherung ab Eintritt der Berufsunfähigkeit
wählen kann;
• eine garantierte Rentensteigerung der Berufsunfähigkeitsrente im Rentenbezug vereinbart werden
kann.
7.
Verkürzte Rücktrittsfrist
Versehentlich falsch gemachte Angaben zum Gesundheitszustand können zum Verlust des
Versicherungsschutzes führen, da der Versicherer in diesem Fall häufig die Möglichkeit des Rücktritts
hat. Es erscheint daher durchaus sinnvoll, die Rücktrittsfrist auf drei bzw. fünf Jahre zu beschränken.
VIII.
Das Nachprüfungsverfahren
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1.
Allgemeines
In den Versicherungsbedingungen haben die Versicherer geregelt, dass nach Anerkennung oder
Feststellung der Leistungspflicht das Fortbestehen der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit oder der
festgestellten Pflegestufe überprüft werden kann.
Die Reduzierung bzw. vollständige Einstellung der Berufsunfähigkeitsrente ist an erhebliche
Bedingungen geknüpft:
a.
Gesundheitliche Verbesserung
Eine Leistungsabänderung wird nur durch eine Besserung der gesundheitlichen Situation gerechtfertigt.
Eine unterschiedliche Bewertung des unveränderten Gesundheitszustandes gibt dem Versicherer nach
Ansicht des BGH kein Recht zur Leistungsherabsetzung oder Leistungseinstellung. Der Versicherer ist
daher nicht befugt, den Grad der Berufsunfähigkeit jederzeit ohne Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse frei und abweichend von früheren Anerkenntnissen neu zu bewerten. Gleiches gilt im Falle
der irrtümlichen Falschbewertung der gesundheitlichen Situation durch den Versicherer.
Eine Leistungseinstellung erfordert demnach, dass der Grad der Berufsunfähigkeit unter den vereinbarten
Grad gesunken ist, der eine Leistungspflicht des Versicherers auslöst. In der Regel ist dies ein Grad von
50 Prozent.
b.
Neue berufliche Fähigkeiten
In Versicherungsverträgen, in denen die Möglichkeit der abstrakten Verweisung gegeben ist, können
neben der Besserung des Gesundheitszustandes auch berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten im
Nachprüfungsverfahren berücksichtigt werden. Dies gilt für nach dem Eintritt der Berufsunfähigkeit
neu erworbene berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten.
Eine Verweisung im Nachprüfungsverfahren ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den
Versicherten im Zeitpunkt des Leistungsanerkenntnisses nicht auf eine Vergleichsberuf verwiesen hat,
obwohl in diesem Beruf eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent nicht
bestanden hat. Wenn also der Versicherer Verweisungsmöglichkeiten, die schon bei Abgabe des
Leistungsanerkenntnisses bestanden, nicht genutzt hat, kann er sich auch nicht für die Zukunft auf diese
Möglichkeit berufen.
Ist die abstrakte Verweisung nicht ausgeschlossen, so trägt der Versicherte alleine das Risiko, einen
Arbeitsplatz in der neuen Tätigkeit zu finden. Der Versicherer ist berechtigt, die Leistung unabhängig
davon einzustellen, ob der Versicherte einen Arbeitsplatz gefunden hat oder nicht. Im Falle einer
freiwilligen Umschulung (bei Ausschluss der abstrakten Verweisung) kann der Versicherer nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben erst dann die Leistung einstellen, wenn der Versicherte auch eine
Arbeitsplatz gefunden hat oder sich nicht in zumutbarer Weise um einen solchen bemüht hat
(Entscheidung des BGH zum Differenzierungserfordernis VersR 2000, 171ff).
2.
Mitteilungspflicht bei gesundheitlichen Veränderungen
Der Versicherer ist während der Leistungszeit berechtigt, jederzeit sachdienliche Auskünfte und einmal
jährlich umfassende Untersuchungen der versicherten Person durch von dem Versicherer beauftragte
Ärzte zu verlangen.
Darüber hinaus trifft den Versicherten die Obliegenheit, auch gesundheitliche Verbesserungen oder
Verschlechterungen anzeigen zu müssen. Der BGH spricht in einem solchen Fall von einer
ungewöhnlichen Mitwirkungsobliegenheit, da unser Rechtssystem eine solche Verpflichtung des
Gläubigers, den Schuldner bei einer besseren Beweisführung zu unterstützen, nicht kennt. Gleiches gilt
auch im Falle neuer beruflicher Kenntnisse oder Fähigkeiten.
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