Komplettes Heft

Transcrição

Komplettes Heft
3
2013
H 11661
Meinerzhagen
Nummer 143
Jahrgang 2013
Zeitschrift für
aktive Christen
Mit Ausharren laufen
den vor uns liegenden Wettlauf
Hebräer 12.1
NR. 143 IMPRESSUM
3. Quartal 2013
Herausgeber
CLV
Christliche LiteraturVerbreitung e.V.
Postfach 110 135
33661 Bielefeld
Diesen Sommer waren wir an der Ostsee und meine Aufmerksamkeit wurde durch eine
gelähmte Frau von ca. 60 Jahren gefesselt. Ihr Mann rumpelte sie im Rolli bis an den
Sandstrand. Dort baute er ihr eine Luftmatratzen-Liege sowie ein Schattendach und
kümmerte sich rührend um sie. Dennoch wirkte die Frau mürrisch und unzufrieden.
Bankkonto
Irgendwann traf ich den weißhaarigen Mann alleine am Strand. Ich wagte ihn anzusprechen: „Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie anspreche. Aber ich beobachte Sie nun
schon den dritten Tag. Und ich bin sehr beeindruckt, wie aufopferungsvoll Sie sich um
Ihre Frau kümmern. Ich möchte Ihnen nur sagen, dass Sie für mich ein riesiges Beispiel
für Treue und Selbstlosigkeit sind. Danke dafür!“
Der zierliche Mann schaute mich mit gerunzelter Stirn an und sagte dann fast flüsternd: „Das hat mir noch n i e ein Mensch gesagt. Noch nie! Die meisten Menschen tun
so, als ob wir Luft wären. Auch hier am Strand. Aber glauben Sie mir – es ist unsäglich
schwer für mich.“ Und dann fing er an zu weinen …
Ich konnte dem fremden Mann den Arm um die Schulter legen. Es war berührend,
wie nah wir uns nach den paar Sätzen waren:
„Wissen Sie, meine Frau hat seit 15 Jahren MS. Als es schlimmer wurde, musste
ich meinen Beruf aufgeben, um sie betreuen zu können. Unsere Kinder konnten und
wollten das nicht übernehmen. Sie leben in Berlin und im Schwarzwald. Dann will sie
auch noch alles selber machen und ist starrsinnig und uneinsichtig. Heute Nacht ist sie
mir z.B. wieder aus dem Bett gefallen. Es ist schon eine große Mühe für mich.
Und wissen Sie was? Freunde sagten mir mehrfach: ‚Warum tust du dir das an. Steck’
sie doch in ein Pflegeheim.‘ Aber das kann ich doch nicht machen. Ich wäre nie auf die
Idee gekommen, Mutti wegzugeben!"
„Ja, das habe ich meiner Frau auch versprochen – ihr auch in schweren Zeiten beizustehen und ihr treu zu sein. Aber wo wird dieses Ehegelöbnis heute noch gehalten?
Deshalb bin ich von Ihrem Vorbild so beeindruckt!“, erwiderte ich.
Dann fragte ich ihn noch ziemlich direkt: „Guter Mann, haben Sie in all der Not einen
Halt im Glauben? Können Sie sich an Gott wenden?“
„Ach, ich weiß nicht. Irgendwie glaube ich schon an Gott. Dann wieder nicht, denn
dann wäre das alles ja nicht so gekommen …“
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(29.08.2013)
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Wir konnten ihm das Buch „Schrei aus der Tiefe“ geben und später bemerkten wir,
wie er es seiner Frau vorlas. Als Familie beteten wir währenddessen für die beiden.
Wir wünschen, dass bei uns allen Festigkeit und Treue im Glauben und in der Nächstenliebe nicht nachlässt. Dazu segne unser Herr auch dieses Heft.
INHALT
Inhalt dieser Ausgabe:
A.W. Tozer
Rainer Nietzke
Thomas Lange
Helmut Mehringer
Christoph Grunwald
Wolfgang Bühne
Erfolg und Misserfolg – der fromme Fallstrick? . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Eine AT-Trilogie für junge Leute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Leben im Bewusstsein des Todes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
„Erinnerungsstücke, die ans Herz wachsen …“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Adoniram Judson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Christen in China – Licht und Schatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Buchbesprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
NACHGEDACHT
A . W. To zer
Erfolg und Misserfolg
– ein frommer Fallstrick?
„Demütigt euch nun unter die allmächtige Hand Gottes,
damit er euch erhöhe zur rechten Zeit.“
(1Petr 5,6)
Wie kommt es, dass die bekennende Christenheit so wenig gelernt
hat von dem, was unser Herr klar und deutlich über menschliche
Erfolge, über Misserfolge und Versagen gelehrt hat, sowohl in einfacher Predigt als auch in Gleichnissen?
Wir sehen immer noch, wie die Menschen sehen – und urteilen nach menschlichen Gesichtspunkten. Welch angestrengter
„Biberfleiß“ wird doch auf religiösem Gebiet aus dem fleischlichen
Wunsch heraus geleistet, es gut zu machen?
Wie viele Gebetsstunden werden vergeudet, wenn wir Gott
anflehen, Projekte zu segnen, die so gestaltet sind, dass sie kleine
Menschen verherrlichen?
Wie viel heiliges Geld wird über Menschen ausgeschüttet, die
mitsamt ihren tränenreichen Appellen nur eine fleischliche Show
aufführen?
Der wahre Christ sollte sich von alldem abwenden. Niemand ist
es wert, Erfolg zu haben, bevor er nicht seine Schwachheit einzugestehen bereit ist.
Niemand ist moralisch würdig, Erfolg in religiösen Tätigkeiten
zu haben, bevor er nicht bereit ist, die Ehre für den Erfolg anderen
zu gönnen, wenn Gott es zulässt.
Gott mag seinem Diener Erfolg erlauben, wenn Er ihn so weit
erzogen hat, dass er den Erfolg nicht mehr braucht, um glücklich
zu sein. Wer durch den Erfolg erhoben und durch das Versagen zu
Boden gedrückt wird, ist noch ein fleischlicher Mensch.
Gott mag seinem Diener den Erfolg erlauben, wenn dieser
gelernt hat, dass der Erfolg ihn bei Gott nicht insgesamt angenehmer oder wertvoller macht.
Unsere größte Ehre liegt darin, dem Herrn möglichst in allem
nachzufolgen, angenommen zu werden bei denen, die Ihn annehmen, und verworfen zu werden von denen, die Ihn verwerfen, und
geliebt zu werden von denen, die Ihn lieben. Welche größere Ehre
könnte einem Menschen je gewährt werden?
(Aus: A.W. Tozer; Verändert in sein Bild; CLV; S. 89)
3
4
BIBELARBEIT
Eine AT-Trilogie
für junge Leute
Rainer Nietz ke
Teil 1: Der Prediger
Sowohl das Alte als auch das Neue Testament enthalten jeweils eine Trilogie von Büchern, die sich
speziell an junge Leser richten. Während die drei neutestamentlichen Bücher 1Timotheus, 2Timotheus
und Titus recht bekannt sind, kann man das von den drei alttestamentlichen Büchern Prediger, Sprüche und Hohes Lied von König Salomo nicht sagen – und es wird auch selten über sie gepredigt. Diese
Artikelserie soll eine Einführung in diese drei vernachlässigten alttestamentlichen Bibelbücher sein.
Zuerst werden Fragen zum Buch gestellt, die helfen sollen, den Text selbst zu erarbeiten und zu
verstehen. Im jeweils zweiten Teil wird ein Überblick über das Buch, seinen Inhalt und seine Bedeutung gegeben. Dies soll zu weiterem Studium anregen.
Ich bitte die Leser eindringlich, sich selbst anhand der Fragen mit dem Bibeltext auseinander zu
setzen und nicht nur das – von anderen (auch von mir) – „Vorgekaute“ zu „genießen“. So wird Gottes
Wort viel lebendiger und kann direkt zu uns reden.
Bei der Untersuchung des Bibeltextes wird es vordringlich darum gehen, die direkte Bedeutung
und Zielrichtung des Buches zu verstehen und nicht um eine typologische Auslegung (also eine Auslegung, die auf neutestamentliche Wahrheiten hinweist). Eine typologische Auslegung ist auch nur
dann sinnvoll, wenn der eigentliche Text selbst verstanden wurde.
1A
Teil 1a – Fragen zum Prediger
Der Prediger ist ähnlich aufgebaut wie eine wissenschaftliche Abhandlung: Er beginnt mit dem Autor,
dem Thema, einer Zusammenfassung, der beabsichtigten Vorgehensweise und den wesentlichen
Ergebnissen.
Der erste Hauptteil beinhaltet dann die eigentliche Analyse, gefolgt von ersten Anwendungen der
gewonnenen Erkenntnisse im zweiten Hauptteil. Daran schließt sich eine vertiefende Zusammenfassung anhand von drei exemplarisch ausgewählten Themenbereichen an, bevor es über zehn kleine
Lebensweisheiten zur Schreibabsicht und zum Endziel der Abhandlung kommt.
Fragen zur Texterschließung
❶
Wer ist der Verfasser des Predigers? Bitte begründe dies sorgfältig anhand von Prediger 1.
❷
Welche Besonderheiten (häufige Wiederholungen, ungewöhnliche Worte usw.) fallen Dir auf?
❸
Was ist das Thema von Prediger? Lies den Beginn des Buches und achte dabei auf die beobachteten besonderen Ausdrücke und häufigen Wiederholungen!
❹
Welche Vorgehensweise wählt der Schreiber? Was sagt er ausdrücklich in Kapitel 1?
❺
Welches Ergebnis seiner Analyse formuliert der Schreiber bereits zu Beginn seiner Abhandlung?
❻
Zu welchem Endergebnis gelangt der Schreiber? (Wo steht das Endergebnis wohl?)
❼
An wen ist das Buch in erster Linie gerichtet? (Siehe das Ende des Buches!)
❽
Welche Schreibabsicht verfolgt der Schreiber? Lies die letzten beiden Kapitel!
❾
Der Autor hält siebenmal in seiner Analyse an, blickt zurück und zieht Bilanz. Woran erkennt
man dies?
❿
Warum ist es erstaunlich, dass Gott in diesem Buch überhaupt vorkommt (s. Frage 4)? Hast Du
eine Erklärung dafür?
BIBELARBEIT
Teil 1b – Eine Einführung in den Prediger
❶
Wer ist der Verfasser von Prediger?
Salomo, der Sohn Davids, ist der einzige Nachkomme Davids, der in Jerusalem über ganz Israel
und nicht nur über Juda herrschte (1,1.12).
Probleme zur Verfasserschaft:
Einwand: Der Prediger verwendet aramäische
Begriffe, die nur aus dem 7. Jahrhundert vor Christus bekannt sind. Also kann der Prediger erst in
dieser Zeit entstanden sein.
Antwort: Inzwischen wurden fast alle Begriffe
schon wesentlich früher nachgewiesen. Die biblische Aussage ist immer vertrauenswürdiger
als vorläufige archäologische Befunde.
Einwand: Der Prediger berichtet rückblickend auf sein Leben. Wann soll Salomo den Prediger
dann geschrieben haben? Von einer Umkehr Salomos wird weder in Könige noch in Chronik
berichtet.
Antwort: Salomos Umkehr wird nicht berichtet – und sie hatte leider auch keine Auswirkungen
mehr auf die Geschichte Israels. Sein Götzendienst leitete den geistlichen Verfall Israels ein.
❷
Welche Auffälligkeiten / Besonderheiten gibt es im Prediger?
• „Unter der Sonne“ / „unter dem Himmel“
Bedeutung: Es wird eine Sichtweise beschrieben, die sich auf das beschränkt, was unterhalb
der Sonne, des Himmels zu beobachten ist, also eine rein irdische Sichtweise.
• „Eitelkeit der Eitelkeiten“ / „Nichtigkeit der Nichtigkeiten“ / „Sinnlosigkeit der Sinnlosigkeiten … und ein Haschen nach Wind“
Bedeutung: Die Sichtweise „unter der Sonne“ führt zu dem Schluss, dass nichts wirklich
andauert, nichts wirklich einen Sinn macht. Alles ist so wenig greifbar wie der Wind.
❸
Was ist das Thema von Prediger?
Nichts auf dieser Erde und nichts unter der Sonne macht Sinn, wenn man Gott ausblendet (1,1-3)!
❹
Wie geht der Schreiber bei seinen Überlegungen vor?
Seine Vorgehensweise nennt man Methodischen Atheismus. Dabei wird versucht, das Weltgeschehen zu erklären, ohne Gott ins Spiel zu bringen (1,12.13)
Zur Beschreibung naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten ist diese Vorgehensweise
durchaus sinnvoll, nicht jedoch zur Erklärung von Herkunft und Sinn der Welt.
❺
Ergebnis der Analyse des Predigers
Begrenzt man die Sicht auf das, was unter der Sonne geschieht, so bleibt alles Geschehen
vollkommen sinnlos. Nichts ist wirklich greifbar (1,14).
Darüber hinaus zeigt sich, dass es völlig unhaltbar ist, Gott auszuklammern (1,13).
❻
Zu welchem Endergebnis gelangt der Prediger?
Der Leser soll dazu geführt werden, dass er gottesfürchtig wird und auf Gottes Worte hört.
Denn Gott existiert und wird den Menschen zur Rechenschaft ziehen (12,13.14).
Der Prediger ist damit eine gute Evangeliums-Vorbereitung. Das NT geht natürlich weit über
den Prediger hinaus!
❼
Wer ist die (vorrangige) Zielgruppe des Predigers?
Junge Menschen, die das Leben noch vor sich haben (11,1-12,7.12).
5
1B
Ein in den QumranHöhlen gefundenes
Fragment aus dem Buch
des Prediger
6
BIBELARBEIT
❽
Was ist die Schreibabsicht des Predigers?
Der Prediger tritt als Hirte auf. Seine Worte sind als Treibstacheln gedacht, die den jungen
Menschen zu Gott treiben und ihm Umwege ersparen sollen (12,9-12)
❾
Der Autor hält sieben Mal in seiner Analyse an, blickt zurück und zieht Bilanz. Woran erkennt
man dies?
Er verwendet jeweils den Ausdruck „ich wandte mich …“, wenn er ein Resümee einleitet:
Resümee 1
Das Lustprinzip ist sinnlos
2,11
Resümee 2
Irdische Weisheit ist sinnlos
2,12-16
Resümee 3
Nihilismus führt nur zur Verzweiflung
2,20-23
Resümee 4
Tote sind besser dran als Lebende
4,1-3
Resümee 5
Beziehungen sind besser als Reichtum
4,7-12
Resümee 6
Kein Mensch lebt so, wie er sollte
7,25-28
Resümee 7
Alles irdische Leben ist vergänglich
9,11.12
❿
Warum ist es erstaunlich, dass Gott in diesem Buch überhaupt vorkommt?
Der Prediger hat angekündigt, dass er den Methodischen Atheismus als Untersuchungsmethode verwendet. Dass er dennoch von Gott redet, macht deutlich, dass sich Wissenschaft
ohne Gott letztlich nicht durchhalten lässt. Folgende Gottes-Exkurse enthält der Prediger:
Exkurs 1
Nicht einmal Essen geht ohne Gott
2,24-26
Exkurs 2
Der Mensch kann gar nichts ohne Gott
3,13-15
Exkurs 3
Ohne Gottes Gericht ist Unrecht unerträglich
3,17.18
Exkurs 4
Alle Menschen sind Gott verantwortlich
5,1-9
Exkurs 5
Gott muss selbst zum Genuss ermächtigen
5,18b-6,2
Exkurs 6
Die Schöpfung ist ohne Gott unverständlich
7,13.14
Exkurs 7
Gottesfurcht bewahrt vor Extremen
7,18
Exkurs 8
Gott ist schuldlos an der Sünde
7,29
Exkurs 9
Die Schöpfung verlangt nach einem Schöpfer
8,16.17
⓫
Schlussfolgerungen des Predigers
• Du kannst ganz so leben, wie du möchtest, so als ob Gott nicht existieren würde. Aber du
musst wissen, dass Gott dich dafür eines Tages zur Rechenschaft ziehen wird (11,7-10).
• Deshalb triff deine Entscheidung rechtzeitig, wenn du noch jung bist, denn von dem Alter ist
außer Altersbeschwerden und Tod nichts mehr zu erwarten (12,1-8).
⓬
Schwierigkeiten in Prediger
Der Prediger hat seinen Ansatz – den Methodischen Atheismus – mit verschiedenen Zielsetzungen und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bis zum bitteren Ende selbst
durchexerziert. Das jeweilige Ergebnis macht er rückblickend („da wandte ich mich …“) deutlich. Hier zieht Salomo Bilanz und präsentiert ein Resümee aus den vorangegangenen Untersuchungen. Immer wieder kommt er zu dem Schluss, dass ein Leben „unter der Sonne“, „unter
dem Himmel“ – also ohne Gott – völlig sinnlos ist. Aus diesem Grund ist seine Absicht zu
zeigen, dass der von ihm gewählte Zugang ohne Gott niemals Erfüllung bringen kann. Deshalb tauchen auch immer wieder Exkurse auf, in denen er die Notwendigkeit eines SchöpferGottes für den Menschen aufzeigt.
Alle Aussagen in Prediger sind also wahr, wenn man berücksichtigt, dass Gott weitgehend
ausgeklammert wird. Dann besteht z.B. tatsächlich kein Unterschied mehr zwischen Mensch
und Tier.
BIBELARBEIT
7
1C
11,7 – 12,14
10,1 – 11,6
8,9–9,18
7,1 – 8,8
1,15 – 6,12
1,1-14
Teil 1c – Überblick über den Prediger
Das Thema: Ein Leben ohne Gott ist völlig sinnlos
1,1-3
Eine erste Annäherung an das Thema
1,4-11
Der Verfasser: Salomo, der König über ganz Israel
1,12
Die Methodik: Der Methodische Atheismus
1,13a
Das Ergebnis: Ohne Gott ist alles völlig sinnlos
1,13b.14
Folgerung 1: Die Sinnlosigkeit irdischer Weisheit
1,15-18
Folgerung 2: Die Sinnlosigkeit des Lustprinzips
2,1-16
Folgerung 3: Die Sinnlosigkeit des Nihilismus
2,17-26
Folgerung 4: Zeitliche Begrenztheit alles Irdischen
3,1-15
Folgerung 5: Ungesühntes Unrecht schreit nach Gott
3,15-18
Folgerung 6: Ohne Gott wird der Mensch zum Tier
3,19-4,3
Folgerung 7: Die Sinnlosigkeit kapitalistischen Handelns
4,4
Folgerung 8: Die Sinnlosigkeit der Faulheit
4,5(-12)
Folgerung 9: Die Sinnlosigkeit irdischer Weisheit
4,13-5,9
Folgerung 10: Die Sinnlosigkeit des Reichtums
5,10-6,9
Folgerung 11: Die Sinnlosigkeit des Determinismus
6,10-12
Irdischer Vorzug des Nachdenkens vor der Oberflächlichkeit
7,1-14
Irdischer Vorzug der Mittelmäßigkeit
7,15-29
Irdischer Vorzug der Bedächtigkeit
8,1-8
Ungesühntes Unrecht schreit nach einem gerechten Gott
8,9-17
Völlige Ungerechtigkeit & Sinnlosigkeit eines auf die Erde
beschränkten Lebens ohne Gott
9,1-12
Der relative irdische Vorzug der Weisheit
9,13-18
1. Ein wenig Torheit zerstört viel Weisheit
10,1-3
2. Ein wenig Gelassenheit bewahrt viel
10,4
3. Wenig Würde in hohem Rang
10,5-7
4. Kleine Argumente für viel Faulheit
10,8.9
5. Kleine Ursache, große Wirkung
10,10.11
6. Nur Torheit – und schlimme Folgen
10,12-15
7. Die Wirkung von Wenigen auf Viele
10,16.17
8. Ein wenig Faulheit zerstört viel
10,18.19
9. Kleine Gedanken können große Folgen haben
10,20
10. Freigiebigkeit zahlt sich aus
11,1-6
Genieße dein Leben, bevor das Alter kommt – doch denke daran:
Ein sinnloses Leben ohne Gott endet im Gericht!
11,7-10
Entscheide dich jetzt, in deiner Jugend, denn vom Alter ist nichts
mehr zu erwarten.
12,1-8
Schreibabsicht: Die Worte des Predigers sind Treibstacheln, die
junge Menschen zu Gott treiben und Umwege ersparen sollen.
12,9-12
Das Endziel: Der Leser soll zur Gottesfurcht geführt werden, denn
Gott wird den Menschen zur Rechenschaft ziehen.
12,13.14
Einführung
Analyse und 11
Folgerungen aus
dem Methodischen
Atheismus
Erste Anwendung –
3 irdische Prioritäten
Zusammenfassung
–
3 exemplarisch ausgewählte Beispiele
Zweite Anwendung
–
10 irdische Lebensweisheiten
Schlussfolgerungen
& Schreibabsicht
8
NACHGEDACHT
Leben im Bewusstsein
des Todes
Thomas Lange
4:30 Uhr
Es ist 4:30 Uhr und mein Wecker klingelt. Ich
habe Frühschicht – mein Arbeitsplatz ist in
einem Pflegeheim für alte Menschen.
Wie es meine Gewohnheit ist, danke ich
gleich nach dem Ausschalten des Weckers dem
Herrn, dass ich gesund aufstehen und mit ihm
den Tag beginnen darf. Dann erfolgt das übliche
Prozedere vor dem Weg zur Arbeit: Frühstück,
Zähneputzen, Bibel lesen, beten.
6:00 Uhr
Als der Herr
über Leben
und Tod
den Wecker
benutzte,
um mich
aus dem
Nachtschlaf
zu holen,
wurden zum
selben Zeitpunkt die
Augen eines
anderen
Menschen
für immer
geschlossen
Als ich pünktlich um 6:00 Uhr meine Arbeit
beginnen möchte, erfahre ich, dass eine unserer
Heimbewohnerinnen in den frühen Morgenstunden verstorben ist.
Eine Bewohnerin, welche ich in dieser Frühschicht eigentlich hätte pflegen und versorgen
sollen.
Ich begebe mich in das Zimmer, in welchem
sie die letzten Jahre wohnte. Sie liegt in ihrem
Bett, mit einem weißen Bettlaken zugedeckt. Ich
ziehe das Laken etwas zurück, sodass der Kopf
zu sehen ist. Es ist deutlich zu erkennen, dass
in dieser Frau kein Leben mehr ist. Die Seele hat
sich vom Leib gelöst. Vor mir liegt die Hülle eines
Menschen – kalt, keine Durchblutung, kein Puls,
kein Herzschlag, nichts mehr. Die Leichenstarre
hat bereits begonnen.
Ich „verabschiede“ mich von ihr und muss
immer wieder darüber nachdenken, wo sie jetzt
wohl sein mag. Hatte sie Frieden mit Gott? Diese
Frage bleibt für mich unbeantwortet. Seitdem
ich sie kenne, litt sie unter Demenz im Endstadium.
Wieder 4:30 Uhr
Dann lese ich das Protokoll der Nachtschicht und
werde auf einmal sehr nachdenklich.
Der Todeszeitpunkt war 4:30 Uhr!
Als der Herr über Leben und Tod den Wecker
benutzte, um mich aus dem Nachtschlaf zu
holen (der ja ein Bild des Todes ist), wurden
zum selben Zeitpunkt die Augen eines anderen
Menschen für immer geschlossen – Leben und
Sterben liegen so nah beieinander.
Davids Worte aus 1Samuel 20,3 kamen mir in
Erinnerung: „Nur ein Schritt ist zwischen mir und
dem Tod!“ Wie schnell kann es auch andersherum sein und ich werde abberufen während ein
anderer aus dem Schlaf aufwacht!
Die nächsten Tage ging mir diese „4:30 Uhr –
Zeitüberschneidung“ nicht mehr aus dem Kopf.
Was wollte der Herr mir damit sagen? Folgende Punkte wurden mir wieder sehr wichtig:
1. Leben im Bewusstsein
der Vergänglichkeit
„Die Tage unserer Jahre sind siebzig Jahre,
und wenn in Kraft, achtzig Jahre, und ihr
Stolz ist Mühe und Nichtigkeit, denn schnell
eilt es vorüber, und wir fliegen dahin. … So
lehre uns denn zählen unsere Tage, damit
wir ein weises Herz erlangen!“ (Ps 90,10.12)
2. Die von Gott anvertraute
Zeit ist begrenzt …
„Seht nun genau zu, wie ihr wandelt, nicht
als Unweise, sondern als Weise. Kauft die
rechte Zeit aus! Denn die Tage sind böse.
Darum seid nicht töricht, sondern versteht,
was der Wille des Herrn ist!“ (Eph 5,15-17)
3. Richtige Prioritäten sind gefragt
„Vernachlässige nicht die Gnadengabe in
dir …!“ (1Tim 4,14) „Sieh auf den Dienst, den
du im Herrn empfangen hast, dass du ihn
erfüllst.“ (Kol 4,17)
NACHGEDACHT
Hel m ut Meh ri n ger
9
„Erinnerungsstücke, die ans
Herz wachsen …“
Eine schmerzliche „Trainingseinheit“ nach
dem Frühstück
Angelika und Helmut Mehringer –sicher vielen „Fest&treu“- Lesern bekannt – sind im
Juni nach über 12 Jahren Missionsarbeit in Indonesien nach Deutschland zurückgekehrt.
Während sie bereits mit drei Reisetaschen in ihrer alten Heimat angekommen waren,
warteten sie auf all das, was sich an Erinnerungsstücken, Büchern und anderen wichtigen Sachen und Unterlagen in einem Containerschiff befand, welches in Richtung
Deutschland unterwegs war.
Die schmerzlichen und gleichzeitig wertvollen Erfahrungen, diese sie während dieser
Wartezeit machten, berichteten sie in ihren letzten Rundbriefen, aus denen wir hier Auszüge veröffentlichen, durch welche auch unsere Haltung zu irdischen Gütern hinterfragt
wird.
Liebe Freunde,
heute morgen stieß mich der Herr in Seinem
Wort auf einen Begriff bzw. ein Charakteristikum, das im Leben seiner wahrhaft Erretteten zu
sehen sein sollte und ich fragte mich, inwieweit
das bei mir wirklich der Fall ist: Ein „ungeteiltes
Herz“, das zuallererst und völlig auf den Herrn
gerichtet ist. Kurz danach sollte es dann eine
unerwartete und sehr reale „Trainings-Einheit“
dafür geben …
Es ist ein Gebot des Herrn
„… euer Herz sei ungeteilt mit dem HERRN, unserem Gott, um in seinen Satzungen zu wandeln
und seine Gebote zu halten“ (1Kö 8,61; vgl. Jak
4,8b). Das Liebesgebot von 5Mo 6,5 (Mt 22,37) ist
im Grunde eine der Äußerungen eines ungeteilten Herzens.
Ein ungeteiltes Herz wird
von Gott belohnt
„… die Augen des HERRN durchlaufen die ganze
Erde, um sich mächtig zu erweisen an denen,
deren Herz ungeteilt auf ihn gerichtet ist.“
(2Chr 16,9).
Es gibt Vorbilder
Unter den Vorbildern derer mit einem ungeteilten Herzen für den Herrn können wir z.B. König
Asa und Paulus studieren:
„… doch das Herz Asas war ungeteilt mit dem
HERRN alle seine Tage“ (1Kö 15,4).
„Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das
Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der
Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.“
(Phil 3,13)
Die praktische „Trainings“- bzw. „Test-Einheit“ kam nach dem Frühstück mit einer eMail:
Das Frachtschiff, mit dem der Container mit
unseren Sachen von Indonesien nach Hamburg
unterwegs war, ist im Arabischen Ozean bei
einem Unwetter in zwei Teile zerbrochen und
mit ca. 1.700 Containern gesunken …
In einem der Container waren einige Kisten untergebracht, mit denen wir das, was uns
wichtig war, nach Deutschland bringen lassen
wollten: meine gesamte dreisprachige Bibliothek einschließlich meiner dicken Studierbibeln
mit Notizen der letzten 15 Jahre, Geli’s Küchenutensilien, unsere Bekleidung, Werkzeug,
Bürosachen, Bilder und Geschenke der vielen
Freunde, usw. usw. – und halt all die Sachen, die
sich in zwölf Jahren so ansammeln und einem als
kleine Erinnerungsstücke ans Herz wachsen.
Tja, das sollte wohl eine praktische Hilfe sein,
um uns bewusst zu machen, woran unser Herz
wirklich hängt bzw. ob unser Herz tatsächlich
u n g e t e i l t auf den Herrn gerichtet ist. Und
damit wohl tatsächlich ein Grund zum Danken
(1Thes 5,18) und Freuen (Phil 4,4).
Somit ist jetzt klar:
Vor zwölfeinhalb Jahren reisten wir mit zwei
Reisetaschen und zwei
Alukisten nach Indonesien aus. Letzte Woche
sind wir mit drei Reisetaschen zurückgekommen – weniger als bei
der Ausreise. Und wenn
wir nach Abschluss der
Renovierungs-Arbeiten
in unsere Wohnung ein-
Vor zwölf
einhalb
Jahren reisten
wir mit zwei
Reisetaschen
und zwei
Alukisten
nach
Indonesien
aus. Letzte
Woche sind
wir mit drei
Reisetaschen
zurückgekommen
– weniger
als bei der
Ausreise
10
Ich weiß,
dass der
Herr gut
ist, sogar
in solchen
Ereignissen.
Er wollte,
dass ich
wieder und
wieder in
Seinem Wort
grabe, um
noch mehr
und noch
reichere
Schätze zu
bergen als
die, welche
ich bis dahin
schon entdeckt hatte
NACHGEDACHT
ziehen können, wird es dort viel übersichtlicher
und aufgeräumter aussehen als geplant.
Geschwister haben uns inzwischen auch
darauf hingewiesen, dass im Internet über
„unser“ Containerschiff „MOL COMFORT“
berichtet wird – und Fotos gezeigt werden. Seitens der Reederei wurde inzwischen bestätigt,
dass der Container, in dem sich unsere Sachen
befanden, im gesunkenen Teil des Schiffes verladen war. Damit können wir dieses Kapitel nun
wirklich abschließen und vertrauensvoll-freudig
in die Zukunft blicken: „Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn
ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem
Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in
Christus Jesus.“ (Phil 3,13) „Die Augen des HERRN
durchlaufen die ganze Erde, um sich mächtig zu
erweisen an denen, deren Herz ungeteilt auf ihn
gerichtet ist.“ (2Chr 16,9)
Mögen wir den Herrn täglich um solch ein
ungeteiltes Herz bitten – und dafür, dass Er die
nötigen Mittel verwendet, uns dazu zu verhelfen.
William Carey (1761 – 1834) –
und eine schmerzliche Erfahrung
Im Zusammenhang damit wollen wir euch eine
bekannte Begebenheit aus der Kirchengeschichte weitergeben. Ein lieber Bruder hatte
sie uns geschickt und uns daran erinnert. Im
Vergleich dazu ist unser kleiner Verlust nicht
der Rede wert – wohl aber auch eine gute Erinnerung, dass der Herr alle Umstände in seinen
Händen hat und immer so lenkt, dass sie seinen
guten Plänen dienen müssen. Ihm sei Dank und
Lob dafür!
Am 12. März 1812 kam es in Serampore in
Indien zu einem großen Brand, durch den innerhalb von wenigen Minuten die jahrelange und
mit vielen Opfern verbundene Übersetzungs-
Arbeit der Bibel durch William Carey in Flammen
aufging. Der Verlust an Papier zum Druck von
Bibeln war unermesslich. Der frisch gegossene
Tamil-Schriftsatz und die chinesischen Metalltypen wurden vollständig zerstört. Teile von
Manuskripten, Grammatiken und Wörterbüchern – von Carey in mühseliger Arbeit zusammengetragen – verbrannten.
William Carey schrieb damals: „Nichts außer
der Druckpresse konnte gerettet werden. Dies
ist ein schwerer Schlag, weil er das Drucken der
Heiligen Schrift auf eine lange Zeit hinaus verzögert. Zwölf Monate harter Arbeit reichen nicht
aus, um das Vernichtete wiederherzustellen,
vom Verlust der Manuskripte usw. überhaupt
nicht zu reden, die wir nie mehr werden ersetzen
können.“
Das erwähnte Manuskript bezog sich auf
die meisten Teile seiner Schriftauslegungen in
indischer Sprache, sein ganzes kanaresisches
Neues Testament, zwei Bücher, die das Alte Testament in Sanskrit enthielten, viele Seiten seines
Bengali-Wörterbuches, seine ganze Telugu. Dies
alles und ein großer Teil der Punjabi-Grammatik
und jede Spur seines weit fortgeschrittenen
Sanskrit-Wörterbuches waren durch das Feuer
ausgelöscht, die Missionsarbeit war vorerst
gestoppt. Warum lässt Gott so etwas zu?
William Careys Reaktion: „Gott wird zweifellos das Beste aus diesem Unglück werden lassen
und unsere Interessen fördern.“
Es dauerte nicht lange, da wurde die göttliche Strategie offenbar. „Die Katastrophe
öffnete die Ohren der britischen Christenheit.
In der Feuersbrunst erkannte sie die Größe des
Unternehmens … So erwies sich die Vernichtung
als ein Leuchtfeuer, das die Schar der eifrigen
Missionsfreunde vervielfältigte. Das Feuer hat
eurer Arbeit eine unvergleichliche Berühmtheit
gebracht“, schrieb Andrew Fuller in einem seiner treuen Warnbriefe. „Die Öffentlichkeit spart
nicht mit ihrem Lob. Achthundert Guineas wurden allein für Carey gespendet.“
Anthony Groves (1795 – 1853) –
und ein bitterer Verlust …
Eine weitere kurze, aber bestimmt schmerzhafte Episode und Lektion aus dem Leben von
Anthony Norris Groves, der seine langjährige
Studierbibel auf See verlor – seinen einzigen
irdischen Schatz:
Während der Seereise schrieb Anthony
Groves Notitzen in seine Bibel, dorthin, wo
noch Platz war und noch keine Kommentare
und Anmerkungen standen, die er während
der vergangenen Jahre sorgfältig festgehalten
hatte. Tag für Tag sammelte er Themen und
Verweise für künftige Studien und für Schriften
über verschiedene Themen, die er gerne sch-
KIRCHENGESCHICHTE
reiben wollte. Er hatte gerade „alle Grundsätze
des Neuen Testaments“ abgeschlossen und alle
Prophetien markiert und eingeteilt. Außer einem
kleinen Teppich war diese alte Bibel das einzige,
was er besaß: „Sie war tatsächlich fast der einzige Schatz, den ich mein eigen nennen wollte.
Und sie war mein Begleiter und mein Trost durch
viele dunkle und trostlose Jahre.“
Er brachte diese Bibel mit auf Deck, um mit
dem Waisenjungen Anundoo darin zu lesen.
Plötzlich schlugen die Segel hin und her und das
Schiff taumelte. Während Groves den Jungen
packte, damit er nicht hinfiel, wurde die Bibel
aus seiner Hand geschlagen.
Anthony Groves Fazit: „Aber ich weiß, dass
der Herr gut ist, sogar in solchen Ereignissen.
11
Er wollte, dass ich wieder und wieder in Seinem
Wort grabe, um noch mehr und noch reichere
Schätze zu bergen als die, welche ich bis dahin
schon entdeckt hatte … Gut, meine Bibel ist fort
und ich denke, dass ich nie das Gefühl vergessen
werde, das ich verspürte, als sie über Bord fiel
und ich sie hinter uns rasch forttreiben sah.“
BILDNACHWEIS
S. 9: www.bt.dk/sites/default/files-dk/nodeimages/535/6/6535279-india-vessel-split-in-two.jpg
(28.08.2013)
S. 10:www.marinerthai.net/pic-news3/2013-06-28_023.jpg
(28.08.2013)
Adoniram Judson
Ch ri s t o p h Grunwa l d
bedrängt, aber nicht
besiegt (Teil 2)
„Wir fühlen uns völlig allein in der Welt – ohne einen Freund, außer uns selbst –
niemanden, auf den wir uns verlassen können – außer Gott. […]
Die Abkehr von unseren früheren Meinungen hat uns mehr Schmerzen verursacht als
alles andere, was uns jemals im Leben geschehen ist.“
Ann Judson1
Die Überfahrt nach Indien begann alles andere
als ruhig. Kurz nach dem Auslaufen wurden
sowohl Harriet Newell als auch Ann Judson sehkrank und nach nur fünf Tagen entdeckte man
ein Leck in der Caravan. Nur mit äußerster Mühe
konnte das einströmende Wasser ausgepumpt
und das Loch geschlossen werden – danach
entspannte sich die Reise jedoch. Die
frisch verheirateten Paare genossen
die Zweisamkeit und die Zeit mit den
Freunden. Zuerst entdeckten sie kurioserweise das Seilspringen und später
das Tanzen als Beschäftigung auf der
fünf Monate währenden Reise.
EINLADUNG
Maleachi-Tag am 26.10.2013 in Metzingen
Thema: „Gottes Reich zuerst“
Vorträge von Siegfried Weber, Johannes Pflaum, Martin Meyer und Martin Vedder
Ab 10:00 Uhr • Haus Bethesda • Reutlingerstr. 40 • 72555 Metzingen
Wer am gemeinsamen Mittagsessen teilnehmen möchte bitte anmelden:
[email protected] • Tel.: 07445 2276 (Erholungsheim Waldesruhe)
Herzliche Einladung für „Christen in der zweiten Lebenshälfte“
So., 6.10. – Fr., 11.10.013 • Thema: Das Buch Ruth
Ort: Begegnungsort des Bibellesebundes, Marienheide
Informationen und Anmeldung:
E.J. Stücher • Ostring 33 • 63512 Hainburg •Tel.: 06182 5950
12
Die Reise(n) Adoniram Judsons
nach Burma, eingezeichnet auf
eine Karte aus dem Jahr 1800.
Die Datumsangaben zu den
Reisen sind in der Aufzeichnung
wichtiger Daten (s. nächste
Seite) enthalten.
KIRCHENGESCHICHTE
Die Tauf-Frage
Adoniram verbrachte die Überfahrt außerdem
mit der Fortsetzung einer Bibelübersetzung aus
dem Griechischen, die er im College in Andover,
vermutlich zu Übungszwecken, begonnen hatte.
Mitte April blieb er bei der Bedeutung des griechischen Wortes baptizo („taufen“) hängen. Als
Kongregationalist war er als Kind getauft worden
und stand bislang auch theologisch hinter dieser
Praxis. Bei seinen Untersuchungen schien es ihm
nun aber, dass der Begriff im Neuen Testament
ein Untertauchen und nicht nur ein Besprengen
mit Wasser meint – und damit im Widerspruch
zur kongregationalistischen Praxis stehe.
Aber nicht nur dieser etymologische Aspekt
ließ ihn seine bisherige Position überdenken.
Er stellte sich neben der Frage nach dem „Wie“
auch die Frage „Wen“? Adoniram ging etwas
den waren? Sollten sie auch getauft werden?
Letzteres war Praxis und Lehrmeinung der
Kongregationalisten, aber je mehr Adoniram
diese Frage durchdachte, desto mehr stellte er
diese Meinung in Frage, zumal Markus 16,16 die
Taufe ausdrücklich mit dem Glauben verknüpft.
Außerdem fehlte jeglicher Schriftbeleg in Fürsprache der Kindertaufe:
„Wir sollten natürlich erwarten, dass die
Kindertaufe – wenn sie denn vorgeschrieben
wäre – in dem Gebot, dass die Anordnung der
christliche Taufe eingeführt hat, vorgeschrieben
wäre. Aber dieses Gebot schweigt in Bezug auf
Kinder. Hat aber nicht Christus uns irgendein
anderes Gebot gegeben, was die Kindertaufe
vorschreibt? Nicht ein einziges! Haben nicht die
Apostel, denen weitere Anweisungen des Willens Christi anvertraut wurden, einige Gebote
naiv davon aus, dass sich schon bald die ersten
Heiden bekehren würden. Ihm war klar, dass die
gläubig Gewordenen getauft werden sollten –
aber was war mit ihren Familien, insbesondere
den Kindern? In welcher Beziehung standen sie
zur Gemeinde, wenn ihre Eltern gläubig gewor-
zu diesem Thema hinterlassen? Nicht eines.
Haben sie uns nicht ein Beispiel für Kindstaufe
gegeben? Nicht eines. Haben sie nicht über
Kindertaufe gesprochen und uns so unzweifelhafte Andeutungen für diese Praxis gegeben?
Nein, zu keiner Gelegenheit. Im Gegenteil, wann
a) Dieses „Argument des Schweigens“ drehten Judsons Gegner einfach um: Da die Juden ihre Kinder beschneiden ließen und
die Gemeinde die Fortsetzung des abrahamitischen Bundes darstellt, sei davon auszugehen, dass die Christen automatisch
auch ihre Kinder taufen ließen (vgl. Apg 21,21). Wenn also Jesus bzw. die Apostel gegen die Kindertaufe gewesen wären,
hätten sie ausdrücklich Stellung nehmen müssen. Da sie dies aber an keiner Stelle tun, dulden sie damit den allgemeinen
Usus. (vgl. Pond, Enoch; „A treatise on the mode and subjects of Christian baptism, in two parts“; 1819; S 116)
KIRCHENGESCHICHTE
Am 17. Juni 1812 lief die Caravan in den Hafen
von Kalkutta ein – an Bord zwei Missionare, die
von den Kongregationalisten ausgesandt waren
und von denen einer nun im Begriff stand, die
Standpunkte der Baptisten anzunehmen! Ann
stand „zwischen den Stühlen“ – sie wusste
genau, was auf sie und ihren Mann zukommen
würde, wenn sie wirklich ihre bisherige Sicht
verwarfen! Es war in keiner Weise realistisch,
weiterhin die finanzielle Unterstützung des
„Board of Foreign Mission“ zu erwarten. Was zu
diesem Zeitpunkt noch nicht ganz klar war, aber
kurze Zeit später offensichtlich wurde: auch
die Zusammenarbeit mit den Newells und den
noch auf der Harmony nachkommenden Paaren
würde unmöglich werden. Wenn sie in einem so
wichtigen, praktischen Punkt verschiedenartig
dachten, würde es auf Dauer zu schwerwiegenden Problemen in der Missionsarbeit kommen.
In Kalkutta angekommen trafen Adoniram
und Samuel Newell (die Frauen blieben vorerst
an Bord der Caravan) den altgedienten William
Carey, der sie auf die Missions-Station nach
Serampore (etwas nördlich von Kalkutta) einlud.
Die Begegnung mit den englischen Missionaren
war schon vor der Abreise geplant worden –
auch das war für Adoniram ein Anstoß sich mit
der Tauf-Frage zu beschäftigen, da er damit
rechnete, mit den Baptisten in Diskussionen
gedrängt zu werden. In diesem Punkt lag er
aber falsch. Die Missionare in Serampore vertraten das schöne Prinzip, dass sie nie mit einem
anders denkenden Gast bzw. einem Mitglied
einer anderen Denomination eine Diskussion
über abweichende Lehrmeinungen vom Zaun
brachen.
wahrgenommen worden. Insofern hatten die
amerikanischen Missionare bei den Briten keinen
besonders guten Stand.
Sie erreichten nur eine kurzfristige Aufenthaltsgenehmigung. Nach nur wenigen Tagen
wurden sie von Serampore nach Kalkutta auf die
Polizeistation gerufen, wo man ihnen mitteilte,
dass sie schnellstmöglich das Land verlassen
sollten. Nur wohin? Zurück in die USA war keine
Option. Indien und Ceylon (Sri Lanka) war ihnen
durch die Behörden verwehrt.
Adoniram wollte ohnehin schon seit er über
Mission nachdachte nach Burma. Er hatte damals
den Reisebericht eines britischen Offiziers
gelesen, der aus politischen Gründen in Burma
gewesen war. Dieser Offizier Syme beschrieb
Burma in den schillerndsten Farben und so hatte
sich Adoniram ein recht romantisches Reiseziel vorgestellt. In Kalkutta wurde er aber durch
aktuelle und vor allem unvoreingenommene
Reiseberichte eines Besseren belehrt. Schnell
stellte sich heraus, das Syme nicht die Realität
beschrieben hatte und das ganz Burma über den
offensichtlich naiven und leicht zu täuschenden
Offizier lachte. Tatsächlich – so berichteten
Seeleute, die aus Burma kamen – war Burma
nichts weiter als eine despotisch geführte
Tyrannei, die zur Zeit in einem heftigen Krieg mit
Siam lag. An den Aufenthalt eines Ausländers
war gar nicht zu denken. William Carey bestätigte diese Gerüchte. Sein eigener Sohn Felix
lebte in Burma – er hatte dort mit drei weiteren
Missionaren eine Missionsstation aufbauen wollen. Einer der Missionare, Brain, war inzwischen
tot, ein anderer, Pritchett, war nach Vizagapatam aufgebrochen und Chater, der dritte, arbeitete inzwischen in Ceylon! Nur Felix Carey selbst
war noch in Burma. Dort wurde er geduldet, da
er eine burmesische Frau geheiratet hatte und
zeitweilig für die Regierung arbeitete.
Eine Ausreise nach Burma schien schlichtweg
unmöglich!
Hindernisse
Die Bibliothek des Mr. Rolt
Neben den geistlichen Umbrüchen brach die
unbarmherzige Realität des von den Briten
besetzten Indiens über die Missionare herein.
Am 18. Juni – also einen Tag nach der Ankunft
– erklärten die USA dem britischen Empire den
Krieg.b) Das die Ost-Indien-Kompanie, der die
Verwaltung der indischen Kolonie oblag, dies
zu diesem Zeitpunkt wusste, ist natürlich kaum
vorstellbar, aber die der Kriegserklärung vorausgegangenen langjährigen politischen Spannungen waren selbstverständlich auch in Indien
Die Missionare standen unter großem Druck. Sie
waren unmissverständlich aufgefordert worden,
das Land zu verlassen. Allerdings gab es zu diesem Zweck auch nicht unendlich viele Möglichkeiten. Ein Schiff musste gefunden werden, welches die Missionare als Gäste mitnehmen würde.
Nach eifrigem Suchen fand sich eines, welches
bereit war, wenigstens ein Paar als Passagiere
mit nach Mauritius zu nehmen. Die Missionare
entschieden sich dafür, dass die Newells die
Passage annehmen sollten, da Harriet in nur drei
immer sie über die Taufe gesprochen haben,
oder über die, denen sie gewährt wurde, macht
ihre Sprache deutlich, dass Taufe ein freiwilliger
Akt der Anbetung war und der Getaufte ein
bekennender Gläubiger.“2,a)
b) Dieser Krieg ist unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt: „Krieg von 1812“, „Mr. Madisons Krieg“ oder „2. Unabhängigkeitskrieg“ sind die verbreitetsten Bezeichnungen. Der Krieg endete am 24. Dezember 1814 mit dem „Frieden von Gent“. Am
Ende konnte sich keine der beiden Parteien als wirklichen Sieger bezeichnen. (Mehr Infos unter wikipedia.org > „BritischAmerikanischer-Krieg“.)
13
Die Abkehr von
unseren
früheren
Meinungen hat
uns mehr
Schmerzen
verursacht
als alles
andere,
was uns
jemals
im Leben
geschehen
ist
14
KIRCHENGESCHICHTE
Monaten ihr erstes Kind zur Welt bringen
sollte. Judsons würden in Kalkutta auf
(aus: Judson, Edwards, „Adoniram Judson“, Anson
die Notts, Halls und Luther Rice warten,
D.F.Randolph & Company; New York 1894, S. 561ff)
die noch immer mit der Harmony auf See
Beginn der Überfahrt
1812
(19. Feb)
waren. Anschließend würden sie über
nach Indien
weitere Schritte beraten.
Ankunft in Kalkutta,
1812
(17. Jun)
Ein freundlicher Engländer, Mr.
Indien
Rolt,
bot den Judsons für die Wartezeit
Benachrichtigung
der
1812
Mission über die
(01. Sep)
sein Haus als Wohnung an. Da Judveränderte Haltung
sons eigentlich nichts zu tun hatten,
zur Taufe
beschäftigte sich Adoniram erneut mit
Taufe in Kalkutta
1812
(06. Sep)
der Tauf-Frage, um endgültige Klarheit zu bekommen. Mr. Rolt hatte eine
Abreise nach
1812
(30. Nov)
Mauritius
üppige Bibliothek, die seine Frau, Witwe
eines Baptisten-Missionars, mit in die
Ankunft in Port St.
1813
(17. Jan)
Louis, Mauritius
Ehe gebracht hatte. Ann studierte nun
ihrerseits die Schrift. Sie hatte ihrem
Fertigstellung der
1813
(01. Apr)
„Sermon on Christian
Mann schon angedroht, dass er gerne
Baptism“ für den
Baptist werden könne, sie aber um nichts
Druck
in der Welt von ihrer Position weichen
Aufbruch nach Madras,
1813
(07. Mai)
Indien
würde. Nach einiger Zeit des Studiums
stiegen aber auch in ihr Zweifel auf, bis
Ankunft in Madras
1813
(04. Jun)
sie sich am Ende eingestand, dass ihr
Mann – und mit ihm die Vertreter der
Abreise nach Rangoon,
1813
(22. Jun)
Burma
Erwachsenen-Taufe – die biblischere
Ankunft in Rangoon
1813
Position vertraten.
(13. Jul)
Kurz darauf traf die Harmony ein
und nach einem herzlichen Willkommen
wurde das Thema unter den Missionaren
diskutiert. Besonders Luther Rice versuchte die
Judsons vehement von der kongregationalistischen Sicht zu überzeugen. Seine Lautstärke
überspielte dabei gekonnt seine eigene Unsicherheit bezüglich der Position, die er vertrat …
Für Adoniram war die Sache inzwischen klar:
Die Baptisten hatten Recht, die Kongregationalisten Unrecht. Das hatte aber zur Folge, dass er
selbst noch keine „biblische“ Taufe erlebt hatte.
Daher entschied er sich, einen Brief an die Baptisten in Serampore zu schreiben:
„Meine Untersuchungen […] haben mich
zu der festen Überzeugung geführt, dass das
Untertauchen eines bekennenden Gläubigen
die einzige christliche Taufe ist. […] Mrs. Judson
hat ein ähnliches Studium durchgeführt und ist
zur gleichen Schlussfolgerung gekommen. Da
wir uns daher in einem noch nicht getauften
Aufzeichnung einiger wichtiger
Daten und Ereignisse
Stand sehen, wünschen wir unseren Glauben
durch die Taufe, in Gehorsam seinen heiligen
Geboten gegenüber, bekennen.“3
Am 06. September 1812 wurden Ann und
Adoniram in Kalkutta getauft. Luther Rice ließ
sich am 01. November ebenfalls taufen.
Adoniram predigte drei Wochen nach seiner
Taufe, am 27. September, seine bekannte Predigt „Sermon on Christian Baptism“4, – nach
William Carey die beste Predigt über Taufe, die
er je gehört hatte. Es ist die einzige Predigt Judsons, die in Druck ging und veröffentlicht wurde.
Zusammen mit einem Brief an seine Heimatgemeinde, in welchem er sich erklärte, ist das Buch
auch heute noch als Reprint verfügbar.
Erwartete Reaktionen
Judson ahnte, wie die amerikanischen Kongregationalisten reagieren würden. Er schrieb ihnen
einen Brief, indem er klar machte, dass er keine
Unterstützung vom „Board“ erwartete:
„Nun liegt vor mir die Aussicht, allein zu
einer fernen Insel zu gehen, mit keiner gegenwärtigen Gesellschaft verbunden, von der ich
Mitarbeiter oder finanzielle Unterstützung
erwarten könnte. Ob sich die baptistischen
Gemeinden in Amerika über meine Situation
erbarmen, weiß ich nicht. Ich hoffe daher, dass
während meine Freunde das verurteilen, was
sie als Abkehr von der Wahrheit erachten, sie
am Ende doch Mitleid mit mir haben und für
mich beten.“5
Gleichzeitig hielt er fest:
„Das Lob Christi ist besser als das Lob der
Menschen. Lasst mich bei allen Ereignissen an
Christus festhalten und seine Gunst meiner
höchsten Freude vorziehen.“6
In Amerika löste Judsons Umdenken gelinde
formuliert einige Irritationen aus. Viele fühlten
sich verraten und zurückgestoßen. Es kursierten
sogar Gerüchte, Judson hätte sich aus „Rache“
von den Kongregationalisten abgewandt. Um
das zu verstehen muss man wissen, dass sich
Judson nach seiner Rückkehr von der Londoner
Mission Society den amerikanischen Brüdern
gegenüber, welche die Ausreise noch hinauszu-
c) Federführend scheint hier ein Theologe aus Ward namens Enoch Pond, später Rektor des Bangor College, gewesen zu
sein. Er veröffentlichte als Reaktion auf Judsons Predigt ein Büchlein mit dem sperrigen Titel „Eine Abhandlung über die
Art der Taufe und die zu Taufenden, in zwei Teilen. Entworfen als Antwort zu den Behauptungen und Argumenten des
Rev. Adoniram Judson“ (Manning; 1819) Darin verteidigt er vehement die pädobaptistische Sicht. Das Buch ist zwar nicht
frei von (z.T. auch scharfsinnigen) Argumenten, besticht jedoch leider viel mehr durch eine hässliche Polemik gegenüber
Judson. Obwohl Judsons Denominationswechsel nun schon sieben Jahre zurücklag, skizziert Ponds ausführlich Judsons
„Rüge“ und schließt auf die o.g. niederen Motive bei Judsons Gesinnungswechsel. Kleinkariert wird aufgearbeitet, wer was
wann wusste und warum Judson seine Bedenken angeblich auch vor seinen Missionarsfreunden bis zu seiner Taufe streng
geheim hielt usw. Samuel Nott, der mit der Harmony Kalkutta erreichte, machte jedoch deutlich: „Vom Zeitpunkt meiner
Ankunft in Kalkutta an war ich in seine inneren Kämpfe eingehend eingeweiht; und ich gebe meiner vollen Überzeugung
Ausdruck, wenn ich sage, dass er die Frage aufs gründlichste und sehr ernsthaft untersuchte, dass er sie mit gläubigem Sinn
durchdachte, und dass er in allen Gesprächen über das Thema von einem ehrfürchtigen, tiefreligiösen Geiste durchdrungen
war“ (Warburton, Stacy, R.; „Ostwärts!“; Ev. Buchhandlung St. Gallen, 1947; S. 82f)
d) Adonirams Vater, Adoniram Judson Senior, überdachte die Frage nach der Taufe ebenfalls und kam einige Jahre später zur
gleichen Überzeugung wie sein Sohn. 1817 musste er deshalb sein Pastorat in Plymouth niederlegen.
KIRCHENGESCHICHTE
zögern empfahlen (s. Teil 1), anscheinend recht
ungehalten benommen haben muss. Er wurde
dafür offiziell gerügt – erkannte sein Fehlverhalten aber sofort und bereute es. Wahrscheinlich
hat er selbst die Sache damit auch als erledigt
angesehen und vergessen. Auf Anfrage schrieb
er nämlich später, dass er nie eine derartige
Rüge erhalten habe. Das „Board of Mission“ hingegen stellte schriftlich klar, dass es tatsächlich
eine Zurechtweisung gab – was Judsons Gegner
gierig aufgriffen und seine Erinnerungslücke als
absichtliches Vertuschen seiner wahren Motive
darstellten.c),d)
Eine neue geistliche Heimat
Hilfesuchend wandten sich die Judsons an die
Missionare in Serampore. Diese empfahlen den
amerikanischen Baptisten, die zu diesem Zeitpunkt verstreut waren und kaum als geschlossene Denomination auftraten, die jungen
Missionare als „Vorsehung Gottes“ anzusehen,
die es ihnen möglich machen sollte, „am Eifer
der kongregationalistischen missionarischen
Brüder … teilzuhaben“7. Auch Adoniram schrieb
einige Briefe an führende Brüder in den USA, die
daraufhin in Bosten begeistert eine Organisation
mit dem Namen „Society for propagating the
Gospel in India and other Foreign Parts“8 zur
Unterstützung der jungen Missionare gründeten. Über verworrene Pfade war nun die zweite
Missionsgesellschaft in den USA gegründet
worden – und Adoniram trug in beiden Fällen
maßgeblich dazu bei!
Abreise
Nach kurzer Zeit wurde ein Schiff gefunden,
welches ebenfalls nach Mauritius segelte. Nach
einigen Schwierigkeiten und dramatischen Zwischenfällen bestiegen die Missionare die Creole
und trafen am 17. Januar 1813 in Port Louis ein.
Dort wartete Samuel Newell auf sie – allein!
Harriet war tot – genauso wie das Kind, das sie
erwarteten. Da sich ihre Reise wegen ungünstiger Winde verzögert hatte, gebar sie das Kind
15
mitten auf Hoher See. Zwei Tage nach der Geburt
kamen sie in einen schweren Sturm, der dazu
führte, dass alle auf dem Schiff völlig durchnässt
wurden. Das Baby bekam eine Lungenentzündung und starb nur drei Tage später. Harriet selber bemerkte kurz darauf erste Anzeichen einer
Tuberkulose – der Krankheit, die schon mehreren ihrer Angehörigen das Leben genommen
hatte. Sie starb drei Wochen nach der Ankunft
in Port Louis und ließ den gebrochenen Samuel
allein zurück.e)
Den jungen Missionaren wurde langsam
bewusst, dass ihre romantischen Vorstellungen
von der Mission, denen sie im heimischen Andover so gerne nachgehangen hatten, an der rauen
Wirklichkeit zerbrechen mussten …
Aufbruch nach Burma
In Port Louis waren die Missionare zwar von offizieller Seite gern gesehen – aber hier gab es kein
Arbeitsfeld. Auf der kleinen Insel fanden sich
fast nur Sklaven und deren Besitzer. Gerade letztere waren nicht besonders an EvangelisationsVeranstaltungen interessiert.
Luther Rice‘s Leberprobleme, die schon die
ganzen letzten Monate nicht zu leugnen gewesen waren, begannen sich zu verschlimmern.
Er reiste nach einigen Beratungen zurück in die
USA.
Doch was sich den Missionaren als Verlust
darstellte, zeigte sich im Rückblick als unglaubliche Fügung! Rice reiste zwar nie wieder auf das
eigentliche Missionsfeld, aber dafür unermüdlich
durch die USA. Dort sammelte er unentwegt
Gelder für die Mission und trieb maßgeblich die
Gründung der „General Missionary Convention
of the Baptist Denomination in United States of
America for Foreign Missions“9 voran – einem
Zusammenschluss aller kleineren Missionsgesellschaften, die in den zwei vorausgegangenen
Jahren entstanden waren.f)
Darüber hinaus gründete Rice außerdem das
Columbia College, welches heute unter dem
e) Harriet Newell starb im Alter von 19 Jahren am 30. November 1812. Teile ihres Tagebuches und ihrer Korrespondenz wurden
kurze Zeit später als „Memoiren“ veröffentlicht und prägten in den USA eine Vielzahl von Christen. Kurz bevor sie erkrankte
schrieb Harriet: „Ich hoffe, dass ich unser Ziel in guter Gesundheit erreiche. Aber ich sorge mich deswegen nicht. Ich weiß,
dass Gott alle Dinge in der bestmöglichen Weise anordnet. Wenn er anordnet, dass ich Schmerzen leiden sollte und auf dem
stürmischen Ozean krank und ohne Freundin den größten Unbequemlichkeiten ausgesetzt bin, soll ich dann murren und
denken, dass er mich hart behandelt? Oh nein. Sollen die heftigsten Prüfungen und Enttäuschungen zu meinem Los werden,
schuldig und schwach wie ich bin, dennoch denke ich, dass ich im Herrn jubeln und mich am Gott meiner Errettung erfreuen
kann.“ („Memoirs of Mrs Harriet Newell“; Edinburgh 1817; S. 187). Ihr Mann hielt die letzten Szenen fest: „Als ich ihr sagte,
dass sie den nächsten Tag nicht überleben würde, erwiderte sie, ‚Was für erfreuliche Nachrichten: ich sehne mich danach
aufzubrechen.‘ Einige Zeit später fragte ich sie: ‚Wie erscheint dir der Tod?‘ Sie antwortete: ‚Herrlich, wahrhaft willkommen.‘“ (Ebd. S.191)
f) Judsons Hilfegesuch hatte nicht nur die Gründung der o.g. Organisation in Bosten zur Folge, sondern im ganzen Land wurden kleinere Gesellschaften gegründet, die dann 1814 zusammengeführt wurden, so dass die Baptisten erstmals offiziell
als Denomination organisiert waren. Schon 1845 spalteten sie sich jedoch im Vorfeld des Bürgerkrieges. Die Diskussion um
die Haltung von Sklaven ließ auch die Christen nicht unberührt und die meisten Christen in den Südstaaten befürworteten
die Sklavenhaltung, während die Baptisten im Norden sie nicht gutheißen konnten. Der allgemeine amerikanische Konflikt
führte also nicht nur zur politischen Spaltung in Süd- und Nordstaaten, sondern auch in Süd-Baptisten („Southern Baptist
Convention“) und Nord-Baptisten („American Baptist Missionary Union“)!
Das Lob
Christi ist
besser als
das Lob der
Menschen.
Lasst mich
bei allen
Ereignissen
an Christus
festhalten
und seine
Gunst meiner höchsten Freude
vorziehen
16
MISSION
Namen „George Washington University“ immer
noch existiert.
Die Judsons kehrten indes zurück nach Madras, Indien. Dort wurden sie erneut mit der OstIndien-Gesellschaft konfrontiert und wieder zu
einer schnellen Ausreise angehalten. Judson
trieb sich täglich im Hafen herum, um ein Schiff
zu finden. Schließlich stieß er auf die Georgiana
– ein „gebrechliches, altes Fahrzeug“10. Am 22.
Juni 1813 bestiegen Adoniram und seine inzwischen schwangere Frau eineinhalb Jahre nach
ihrer Ausreise und unzähligen bereisten Seemeilen das Schiff, welches sie – trotz aller menschlicher Warnungen – in ihre neue Heimat bringen
sollte: Rangoon, Burma.
Christen in China –
Licht und Schatten
Seit 2004 besuchen wir jährlich mindestens
einmal eine wachsende Anzahl „Hauskirchen“ in
verschiedenen Provinzen dieses riesigen Landes,
das einer einzigen Großbaustelle gleicht.
Die Bezeichnungen „Hauskirchen“ oder
„Untergrundkirchen“ sind eigentlich nicht mehr
zutreffend, denn die Christen versammeln sich
inzwischen nicht mehr nur in Häusern, sondern
auch in gemieteten Sälen oder Seminar-Räumen
von Hotels.
Auch handelt es sich meist nicht mehr um
einen „Untergrund“, denn in vielen Fällen sind die
Versammlungen in der Öffentlichkeit bekannt
und manchmal sogar mit einem einladenden
Schild versehen. Allerdings handelt es sich um
illegale Versammlungen – also Gemeinden,
die nicht registriert sind und in früheren Zeiten
tatsächlich verfolgt
wurden.
Seit einigen
Jahren werden sie aber
mit wenigen
Ausnahmen
„geduldet“.
Von Jahr
zu Jahr können wir beobachten, dass
die Gemeinden wachsen
QUELLENANGABEN
1 Brief an eine Freundin; 07.09.1812 bzw. Brief an ihre Eltern
14.02.1813; Wayland, Francis; „A Memoir Of The Life And
Labors Of The Rev. Adoniram Judson“, Vol I und II; Phillips,
Sampson and Company; Boston; 1853 (Reprint) S. 106 / 108
2 „A Sermon on Christian Baptism“; Boston 1846; S. 34
3 27.08.1812; Wayland, a.a.O. S. 109
4 „Predigt über die christliche Taufe“
5 Judson, Edward; „Adoniram Judson, A Biography“; Anson
D.F.Randolph & Company; New York; 1883; S. 42.43
6 Brief an die Gemeinde in Plymouth, Massachusetts; Wayland, a.a.O. S. 102
7 Brief von Rev. Marsham an Rev. Baldwin, Bosten, 01. September 1812; Wayland, a.a.O. S. 113
8 „Gesellschaft zur Verbreitung des Evangeliums in Indien
und anderen fremden Teilen“
9 „Allgemeiner Missionsbund der baptistischen Denomination in den USA für Außenmission.“
10 Edwards, a.a.O. S.48
Bild S. 11 aus: Warburton, Stacy R.; „Ostwärts!“; Ev. Buchhandlung St. Gallen, 1947;
Wolfgang Bühne
und immer neue Gemeinden entstehen. Besonders junge Menschen – darunter erstaunlich
viele Studenten und Akademiker – kommen
zum Glauben an den Herrn Jesus. Nicht durch
öffentliche Evangelisationen, die nach wie vor
nicht erlaubt sind. Auch nicht durch Traktat- und
Verteil-Aktionen, die nur illegal durchgeführt
werden können, sondern durch das persönliche
Zeugnis und das veränderte Leben der Christen.
Wie eine „Hauskirche“ entsteht
Vor zwei Jahren zum Beispiel besuchten wir
in einer der großen Millionenstädte ein junges
chinesisches Ehepaar. Beide waren vor wenigen
Jahren als Studenten in Deutschland zum Glauben gekommen und nun nach China zurückgekehrt, um als Mediziner in verantwortungsvollen
Positionen zu arbeiten.
Sie waren damals sehr zurückhaltend mit
ihrem Bekenntnis zum Herrn, weil sie wussten,
dass ihre berufliche Karriere sehr schnell beendet sein könnte, wenn sie sich öffentlich als
Christen outen würden. Damals hätten wir ihnen
mehr Mut zum Zeugnis gewünscht.
Als wir sie aber im Juli dieses Jahres besuchten, wurden wir von ihnen in ein Restaurant eingeladen, wo bereits eine Anzahl junger Mediziner
mit vielen Fragen auf uns wartete. Sie alle waren
für unseren Herrn gewonnen worden – durch
das zaghafte, zurückhaltende, aber glaubwürdige Verhalten unserer beiden Freunde.
MISSION
17
Die wachsende Stadt
Wenzhou
Inzwischen sind es über 20 Christen, die sich
als „Hauskirche“ treffen und bereits überlegen,
eine zweite Gemeinde zu bilden, weil der Platz
nicht mehr für alle Besucher reicht.
Ungebremstes Wachstum
in Wenzhou
Diese etwa sieben Millionen-Stadt im SüdOsten des Landes ist als „Jerusalem von China“
bekannt. Dort leben schon seit vielen Jahren
enorm viele Christen. „Gebet für die Welt“
(Stand 2001) schätzt die Zahl der Christen in dieser Stadt auf 30% der Bevölkerung. Diese Zahl
scheint etwas hoch zu sein, aber wenn es „nur“
15% wären – was realistischer ist – dann würden
allein in dieser Stadt mit Umfeld mehr als eine
Millionen Christen leben!
Ein Beispiel für das Wachstum:
Als wir 2004 zum ersten Mal eine „Hauskirche“
besuchten, waren dort etwa 30-40 Geschwister
versammelt. Heute sind aus dieser Gemeinde
PEKING
NANJING
SHANGHAI
WENZHOU
GUANGZHOU
drei Gemeinden entstanden mit je mehr als 100
Geschwistern, die zudem zahlreiche evangelistische Hauskreise und Jüngerschaftskreise
betreuen und eine christliche Buchhandlung im
Universitäts-Gelände unterhalten.
Inzwischen sind auch einige Missionare aus
diesen Gemeinden in solche Gebiete ausgesandt
worden, wo zahlreiche Minderheiten leben, die
bisher vom Evangelium nicht erreicht wurden.
Dort lernten wir ein weiteres junges Ehepaar
kennen, die sich vorbereiten, um unter den Muslimen in der Qinhai-Provinz zu evangelisieren.
In Wenzhou besuchten wir auch eine der
zahlreichen, offiziellen christlichen Buchhandlungen und konnten nur staunen über das
wachsende Angebot an christlicher Literatur.
Allerdings fanden wir in den Regalen auch
wieder jede Menge „Unkraut unter dem Weizen“. Neben den Büchern von C.H. Spurgeon,
Warren W. Wiersbe, Oswald Sanders, John
Bunyan, John Piper, Tim Keller usw. findet man
auch fragwürdige Autoren wie Joyce Meyer,
Norman V. Peale, Rick
Warren, Kenneth Hagin
und andere mehr.
Es fehlen in den
zahlreichen
christlichen Buchläden einfach gereifte Mitarbeiter, welche die Inhalte
der meist amerikanischen Autoren beurteilen können.
Interessant war uns
die Mitteilung, dass
immer mehr Christen
ihre Bücher online
bestellen und damit
der Versandhandel auf
Kosten der Buchläden
wächst – ähnlich wie in
Europa.
„Der mäßige
Druck von
Seiten der
Regierung
hält uns nahe
beim Herrn.
Wenn kein
politischer
Druck mehr
vorhanden
ist, wird auch
uns der Materialismus
überschwemmen und
geistlich arm
und kraftlos
machen!“
18
MISSION
Christliche Schulen
Die Zahl der illegalen christlichen Schulen in
China wächst ebenfalls von Jahr zu Jahr.
„Alicia“, die Schulleiterin der „Elia-Schule“ in
Nanjing (s. Fest und Treu 02/2012), schätzt die
Zahl auf über 200. In Nanjing ist man übrigens
mit der Schule in die Stadtmitte umgezogen, um
die wachsende Zahl an Schülern unterrichten zu
können. Dort teilt man sich die Räume mit einer
Musikschule, um einerseits die Kosten zu senken
und andererseits unauffälliger zu sein.
Für uns war es sehr interessant, mit den etwa
20 Lehrern der Schule – die alle für ein halbes
Gehalt dort arbeiten – einen Austausch zu
haben, viele Fragen zu stellen und ihre Fragen zu
Wer sich ein Bild von der beantworten.
Situation der Christen
in China unter Mao Tse-tung
machen und die erstaunlichen
und überaus ermutigenden
Erfahrungen Samuel Lamb’s in
seiner über 20jährigen Haftzeit
miterleben möchte, sollte seine
Lebensgeschichte „Niemals allein
– Verfolgung und Erweckung
im Land des Roten
Drachen“, CLV, lesen.
Wolfgang Bühne und
Samuel Lamb
Abschiedsbesuch bei Samuel Lamb
Ein weiteres Besuchsziel war die Stadt Guangzhou, wo wir unter anderem noch einmal Samuel
Lamb besuchen wollten, den geistlichen Vater
der wohl größten lokalen „Untergrundkirche“ in
China mit mehr als 4.000 Mitgliedern!
Bis vor einem Jahr hatte dort Samuel Lamb
noch wöchentlich gepredigt, aber nun mussten
wir ihn in einem mehr als schlichten Krankenhaus aufsuchen, weil er an einem unheilbaren
Leber-Tumor erkrankt war.
Wir trafen ihn zur Mittagszeit in einem
Zweibett-Zimmer, wo man die Mahlzeiten auf
einem kleinen Kocher selbst zubereiten kann
oder muss. Es waren einige Besucher da, die sich
um ihn sorgten und wir fanden unseren 89 Jahre
alten Bruder zwar von der Krankheit gezeichnet,
aber wie gewohnt mit einem freudigen, getrosten Lächeln. Er erzählte uns, dass er den Herrn
gebeten hatte, ihn an seinem 90sten Geburtstag
im Oktober dieses Jahres heimzuholen.
Als wir ihn am Schluss unseres Besuches
fragten, ob er uns noch einen Gruß für die Chris-
Ein Buchladen in Wenzhou
ten in Deutschland mitgeben könnte, antwortete er spontan und kurz: „Liebe Grüße an die
Geschwister in Deutschland! Gott segne euch
alle! Setzt euer Leben ein im Dienst für unseren
Herrn Jesus! Hallelujah!“
Als wir uns anschließend mit einem der
neun Ältesten der „Gemeinde ohne Namen“
trafen, erzählte er uns, dass Samuel gebeten
wurde, doch einen Bruder aus seiner Verwandschaft zu seinem Nachfolger auszurufen, um die
Gemeinde vor einem möglichen Chaos nach seinem Tod zu schützen. Aber Samuel Lamb hatte
sich geweigert, einen solchen zu ernennen. Sein
Argument:
„Die Gemeinde ist einzig und allein ein Werk
Gottes und Gott soll bestimmen, wie es nach
meinem Heimgang weitergehen soll!“
Am 3. August, etwa drei Wochen nach unserem Besuch, erreichte uns die Nachricht, dass
unser Herr diesen treuen Bruder noch vor seinem
Wunschtermin „heimgeholt“ hat.
Bedenkliche Entwicklungen:
„Die Digitale Demenz“
Obwohl uns von allen Brüdern, die wir auf unserer
Reise trafen, bestätigt wurde, dass die Freiheit
für die Christen im Land mit wenigen Ausnahmen wächst, beobachteten wir dennoch einige
Entwicklungen, die uns Sorge bereiten und für
die wir um Gebets-Unterstützung bitten.
Während wir in den vergangenen Jahren in
den Parkanlagen, in der U-Bahn, im Flughafen
usw. beobachten konnten, dass fast alle Chinesen ein Buch oder eine Zeitung in der Hand
hatten und eifrig darin lasen, so stellten wir in
diesem Jahr fest, dass jetzt fast alle statt Literatur ein Handy, Smartphone oder ähnliche Geräte
bedienten. Die „Digitale Demenz“ verbreitet
sich offensichtlich in China noch schneller als in
Deutschland – leider auch in den Gemeinden.
Während sonst jeder eine Bibel und Schreibzeug in der Hand hatte, schauen nun die meisten
auf einen kleinen Monitor und kein Verkündiger
kann feststellen, ob tatsächlich Bibeltext gele-
MISSION
19
sen oder Börsendaten und Sport-Nachrichten
studiert werden.
Wenn das keine kurzzeitige Mode-Erscheinung ist, dann muss man echte Sorge um die
geistliche und geistige Entwicklung unserer
Geschwister haben!
Karriere-Stress
Besonders viele der gebildeten und begabten
Geschwister stehen in Gefahr, ein „Burn-out“
zu bekommen. Der Leistungsdruck im Beruf ist
sehr stark und nimmt viel Zeit in Anspruch. Dazu
kommt, dass fast jeden Abend eine GemeindeVeranstaltung stattfindet: Gebetsstunden,
Hauskreise, Jüngerschaftskurse, evangelistische
Treffen, Bibelstunden usw. Für die Familie bleibt
nur wenig Zeit – meist sind beide Eheleute
berufstätig – und was an Zeit und Kraft für die
persönliche Stille vor dem Herrn übrig bleibt,
ist minimal. Das kann auf die Dauer nicht gut
gehen – besonders dann, wenn man nicht mehr
Student ist.
Klerikalismus
Der wachsende Einfluss durch presbyterianische Verkündiger, Seminare und elektronische
Medien (meist aus Süd-Korea, Singapur und
den USA) haben positiv dafür gesorgt, dass z.B.
die Charismatische Bewegung in den meisten
Regionen immer weniger Einfluss hat und das
Bibelstudium und Bibelwissen zugenommen
haben. Das wird auch an der wachsenden Zahl
puritanischer und calvinistischer Literatur in den
Buchläden deutlich.
Leider ist damit aber oft eine bedenkliche
Tendenz zum Klerikalismus verbunden. Statt auf
Älteste legt man plötzlich Wert auf „Pastoren“
die dazu meist auf Seminaren ordiniert wurden.
Die Gemeindeglieder werden dann zu Zuschauern oder Konsumenten degradiert, die nicht
mehr angeleitet werden, ihre eigenen Gaben zu
entdecken und zu entfalten, sondern sich unterhalten bzw. bedienen lassen.
Ein anderes Problem ergibt sich daraus,
dass einige durchaus konservative Gemeinden
glauben, von Gott einen politischen Auftrag zu
haben, bzw. gegen die Missstände in der Politik
und Gesellschaft protestieren oder demonstrieren zu müssen. Das lässt sich die Regierung natürlich nicht gefallen, sondern geht mit
Schärfe gegen diese Aktionen vor, wodurch es
tatsächlich zu Verhaftungen, Versammlungsverboten usw. kommt. In der westlichen Presse
ist dann schnell die Rede von wachsender
„Verfolgung“ oder „Unterdrückung“ – wobei
sich dieser Druck nicht grundsätzlich gegen die
Christen wendet, sondern gegen ihre politischen
Aktivitäten.
Was tun?
Für uns sollte das ein Grund mehr sein, für die
Geschwister in China zu beten. Es sind Führer
nötig, die demütig und gottesfürchtig als Vorbild
vorangehen. Brüder wie Samuel Lamb, Siegfried
Koll, Allan Yuan und andere, die inzwischen beim
Herrn sind. Sie hatten Einfluss und Autorität –
auch über die regionalen Grenzen hinaus.
Es ist auch Literatur nötig, um die Christen
auf Schieflagen, ungesunde Theologie, Irrlehren
usw. hinzuweisen. Daher sehen wir es für uns als
eine der wichtigsten Aufgaben, für gute Literatur zu sorgen. In Zusammenarbeit mit unseren
chinesischen Freunden haben wir den Druck von
zahlreichen wichtigen Kommentaren in Auftrag
gegeben. Dazu erweckliche, apologetische und
evangelistische Bücher vor allem von William
McDonald, aber auch von E. Lutzer, A. Seibel
und eine hohe Auflage von W. Busch: „Jesus
unser Schicksal“. Dieses bekannte evangelistische Buch wird in China erstaunlicherweise sehr
gerne von jungen Menschen gelesen.
Die Bücher werden zur Zeit meist noch im
„Untergrund“ gedruckt und kostenlos verbreitet. Besonders in den abgelegenen und ärmeren Regionen sind solche Bücher für unsere
Geschwister eine große Hilfe, für die sie sehr
dankbar sind. (An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an alle Geschwister, die mitgeholfen haben, diese Drucke zu finanzieren!)
Noch kann man dankbar sein für die gewaltige Erweckung in China, die Gott geschenkt hat.
Aber die ersten Anzeichen von Ermüdung und
schleichendem Materialismus sind erkennbar.
Bereits vor Jahren hatte uns Samuel Lamb
voller Sorge gesagt: „Der mäßige Druck von
Seiten der Regierung hält uns nahe beim Herrn.
Wenn kein politischer Druck mehr vorhanden ist,
wird auch uns der Materialismus überschwemmen und geistlich arm und kraftlos machen!“
Beten wir ernstlich, dass Gott das in seiner Gnade verhindert und die Herzen unserer
Geschwister in China auf den Herrn ausgerichtet
hält!
Lehrer und Lehrerinnen der
Elia-Schule
„Liebe Grüße
an die Geschwister
in Deutschland! Gott
segne euch
alle! Setzt
euer Leben
ein im Dienst
für unseren
Herrn Jesus!
Hallelujah!“
Samuel Lamb
20
BUCHBESPRECHUNGEN
Randy Alcorn
Post von Graf Moderthal
CLV, Pb., 320 S., € 8,90
Viele Leser werden dankbar sein, dass
dieses einige Jahre vergriffene Buch
nun wieder neu aufgelegt wurde.
Spannend geschrieben, sollte dieses aktuelle, an- und aufregende Buch
jeder Christ lesen. Aber auch aufgeschlossenen Außenstehenden könnte
es einen heilsamen Schrecken einjagen und sie zum Nachdenken bringen.
Worum es geht: Graf Moderthal, ein Dämon oberer Rangordnung, schreibt seinem Unterteufel Qualob Briefe, die gezielte Instruktionen enthalten, wie er J. Fletcher, einen ganz
normalen Familienvater, der Tag für Tag durch sein Leben stolpert, davon abhalten kann Christ zu werden. Nachdem er seine
Bekehrung nicht verhindern konnte, versucht er ihn zumindest
an der konsequenten Nachfolge zu hindern und ihn zur Sünde
zu verführen.
Der Autor, durch C. S. Lewis Klassiker „Briefe an einen Unterteufel“ angeregt, bietet mit diesem Buch aber keinen billigen
Abklatsch, sondern eine intelligent geschriebene Lektüre. Dabei greift er sehr aktuelle Lebensphilosophien unserer Zeit, aber
auch Trends und Lebensgewohnheiten unter Evangelikalen auf,
die der Teufel benutzt, um uns unglaubwürdig, lächerlich und
für ihn ungefährlich zu machen. Szenen aus dem Leben Fletschers wechseln jeweils mit einem Brief Graf Moderthals ab, in
dem er seinem Untergebenen Qualob bösartige Anweisungen
gibt, wie er die momentane Lebenssituation Fletchers für seine
Ziele ausnutzen kann. Dabei geht es z.B. um Sexualität, Internet,
Fernsehen, okkulte Musik und Spiele, Ehe- und Erziehungsprobleme, Selbstsucht, aber auch falsche Vorstellungen über Himmel und Hölle, Umgang mit Geld und Zeit, sowie um Weltförmigkeit und Gesetzlichkeit unter Christen. Es wird deutlich, wie
Satan all das für seine finsteren Zwecke einsetzt. Dieses Buch
dient zur Selbstprüfung und schärft das Gewissen. Bitte lesen
und weiterempfehlen!
Wolfgang Bühne
Frederick L. Kosin
Briefe, die nie geschrieben
werden …
CLV, Pb., 156 S., € 7,90
Der Autor dieses äußerst aktuellen
und aufwühlenden Buches sieht seit
vielen Jahren seine Aufgabe darin, zusammen mit seiner Frau überall in der
Welt Missionare zu besuchen, sich Zeit
für ihre Sorgen, Freuden, Zweifel, Probleme und Wünsche zu nehmen und sie zu ermutigen.
Das, was er immer wieder an Enttäuschungen, Frustrationen, Ehe- und Glaubenskrisen zu hören bekam, hat er in diesen
„Briefen“ zu Papier gebracht: Briefe von einem Missionskandidat, einem Kurzzeit-Missionar, einem altgedienten Missionar,
einem Missionarskind, einem Missionar, der versagt hat, einer
Mutter, die Missionarin ist usw. Was sie schreiben würden, wenn
sie sich endlich einmal alles ehrlich von der Seele laden könnten,
was sie wirklich bedrückt, was keiner erwartet und was auch
keinen Spender animiert, das Spendenvolumen zu erhöhen –
das findet seinen Niederschlag in diesen „nicht geschriebenen“
Briefen.
Sie zeigen die Alltagsrealität vieler Missionare, von welcher
in der Regel weder die Heimatgemeinde etwas ahnt, noch die
mehr oder weniger zahlreichen Spender, welche meist ein völlig unrealistisches Bild von dem Tagesablauf, den Anfechtungen
und Auseinandersetzungen von Missionaren haben.
Das Buch endet mit wichtigen Ratschlägen, was die Gebetsinhalte in der Fürbitte für Missionare betrifft und gibt Anregungen, wie eine Gemeinde Missionare aus ihren eigenen
Reihen zubereiten und begleiten kann.
Dieses Buch habe ich in einem Rutsch gelesen und bin sehr
dankbar für die einfühlsame, aber sehr realistische Schilderung
der Probleme und Erfahrungen von Missionaren. Alle, die sich für
Mission interessieren, für Missionare beten, sich auf einen Einsatz vorbereiten oder selbst Missionare sind, werden nachdenklich und mit vielen neuen Gebetsanliegen dieses Buch aus der
Hand legen. Wolfgang Bühne
Werner Gitt
Schatzsucher
… eine verblüffende Entdeckung
CLV, Pb., 352, € 6,50
Dieses Buch des bekannten Wissenschaftlers ist recht ungewöhnlich zusammengestellt: Der erste Teil enthält eine anschauliche Auslegung des
Gleichnisses vom „Schatz im Acker“,
mit dem Ergebnis, dass es nichts Lohnenderes und Erstrebenswerteres gibt
als den himmlischen „Schatz“. Es folgt ein Teil mit fünf Kapiteln
über den Himmel selber, in dem W. Gitt anhand vieler Bibelstellen und persönlicher Begegnungen zeigt, wie schön und spannend es wohl im Himmel sein muss – im Reich des gütigsten und
liebevollsten aller Herrscher. Ein dritter Teil ist eine Zusammenstellung verschiedener interessanter Erlebnisse, die auch meist
mit der Suche oder der Ablehnung des Himmels zu tun haben.
Und der große letzte Teil, der über die Hälfte des Buches
ausmacht, enthält zehn Zeugnisse von Menschen, denen der
Autor durch seine Vortrags- und Reisetätigkeiten begegnet ist.
Ganz unterschiedliche Menschen aus Europa beschreiben darin, wie sie Jesus begegnet sind und dadurch verändert wurden:
Eine Frau aus Schlesien, die als Kind unter einem brutalen Stiefvater zu leiden hatte und später von Beziehungen enttäuscht
wurde. Ein Bulgare, der auf der Suche nach Gott zunächst orthodoxer Priester werden wollte, dann aber – vom Studium
der orthodoxen Theologie enttäuscht – Medizin studierte. Als
Mediziner begegnete er an einer deutschen Uni Christen und
schließlich wurde er eine Schlüsselfigur, um Bibeln und christliche Literatur in das damals kommunistische Bulgarien zu bringen, auch zu Politikern, Ministern und Bürgermeistern. Ein Atheist, der später Geschäftsleute missionierte. Ein Tscheche, der
den „Prager Frühling“ erlebte und als Student die Flucht in den
Westen und in die „Freiheit“ schaffte, wo er durch Vorträge von
Werner Gitt zum Glauben kam und später mit der Familie wieder nach Tschechien zog, um seinen desillusionierten Landsleuten das Evangelium vorzuleben. Eine türkische Muslimin,
BUCHBESPRECHUNGEN
die in Deutschland aufwuchs, aber zwangsverheiratet wurde,
schreckliche Ehen und eine Abtreibung erlebte, bis sie bei Jesus
endlich wahre Liebe fand. Ein Topmanager, den eine innere Leere quälte. Eine Familie, die ihren jugendlichen Sohn verlor usw.
Alle Berichte sind sehr interessant zu lesen und vermitteln
neben den unterschiedlichsten persönlichen Schwierigkeiten
und den verschiedenen Wegen, die Gott benutzte, auch noch
interessante Informationen über andere Kulturkreise, andere
politische Systeme und die Situation in Deutschland von der
Hitlerzeit bis heute.
Die Kapitel über den Himmel wirken auch für einen „alten“
Gläubigen sehr motivierend. Skeptiker und dem Glauben Fernstehende werden eventuell etwas Mühe haben, die sehr vielen
Bibelzitate einzuordnen. Dafür sind die Beispiele aus Geschichte, Gegenwart und Wissenschaft und die Zeugnisse umso verständlicher. Fazit: Lesenswert, aber nicht für jeden Außenstehenden wird alles nachvollziehbar sein.
Michael Bühne
Benedikt Peters
21
stertum vor allem Thema des 3. Mosebuches ist; von dem
Wandel als Pilger und Fremdlinge unter den Nationen (2,114,6), was seine Parallele in der Darstellung der Wüstenwanderung im 4. Mosebuch findet, und schließlich von der
Offenbarung der Herrlichkeit Gottes (4,7-5,14), so wie das
Ziel und Ende der Wege Gottes im Fokus des 5. Mosebuches
stehen.
Wer an einer an Anekdoten reichen Unterhaltungslektüre
interessiert ist, wird sicher von dem Buch enttäuscht sein. Doch
wer die Heilige Schrift im Gesamtzusammenhang kennenlernen
möchte, wird dankbar von der Auslegung Gebrauch machen. Internetnutzer können den Text kostenlos von der Homepage des
Verlages downloaden. Mit der Einfügung in das digitale Bibelstudienprogramm CLeVer ist zu rechnen.
Gerrit Alberts
Manuel Seibel
Eintracht oder Zwietracht
Der erste Brief des Petrus
Eine Herausforderung
für das Volk Gottes
CLV, geb., 144 Seiten, € 8,90
VCG, geb., 206 S., € 12,00
Die Auslegung des ersten PetrusBriefes ist ein weiterer Band der
Kommentar-Reihe des Autors im CLVVerlag. Sie begann mit der Erläuterung
des Propheten Sacharja und soll mit
weiteren Bänden fortgesetzt werden.
Die Ausführungen machen zunächst den Zusammenhang zwischen
dem Leben des Petrus und seinem Brief deutlich: Als Jünger erlebte er in besonderer Weise die Gnade des Herrn Jesus. Ernüchtert durch sein Versagen erhielt er den Auftrag, die Herde des
Herrn zu hüten und zu weiden. In der Auslegung wird „die wahre
Gnade“ (5,12) des „Gottes aller Gnade“ (5,10) als roter Faden des
Briefes herausgearbeitet.
Der Kommentar zeichnet sich durch folgende Vorzüge aus:
• Eine durchdachte Zusammenfügung der Gesamtaussage
des Briefes und der Details. Der rote Faden erschließt die
Einzelheiten des Briefes und die Einzelheiten zeigen den
roten Faden.
• Eine sorgfältige Vers-für-Vers-Auslegung. Auch schwer
verständliche und häufig missverstandene Aussagen wie die
Predigt zu den Geistern im Gefängnis (3,19) und die Tatsache, dass den Toten gute Botschaft verkündigt wurde, werden aus dem Zusammenhang erklärt.
• Hilfreiche sprachliche Erläuterungen des griechischen
Grundtextes. Zum Beispiel bringt der Autor sprachliche und
inhaltliche Argumente, warum in 2,24 zu übersetzen ist:
„welcher selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz
getragen hat“ und nicht „auf das Holz“, ein sprachlich kleiner, aber inhaltlich immenser Unterschied.
• Eine fundierte Einordnung in den Gesamtkontext der Heiligen Schrift. Exemplarisch seien hier die Parallelen zwischen
dem 1. Petrusbrief und den fünf Büchern Mose genannt. Petrus spricht anfangs von Gottes Erwählung und Verheißung
(1,1-12), ein Thema im 1. Mosebuch; von der Erlösung (1,13-25)
die im 2. Mosebuch thematisiert wird; von dem heiligen und
königlichen Priestertum der Gläubigen (2,1-10), wie das Prie-
Über Richter 19-21 werden wohl nur
wenige Leser einmal einen Vortrag
oder eine Bibelarbeit gehört haben.
Die ausführliche Schilderung der grausamen Ereignisse im Volk Israel zur
damaligen Zeit vermutet man nicht in
der Heiligen Schrift – und doch sind sie von Gott inspiriert und
enthalten wichtige Warnungen und Lektionen für das Verhalten
Einzelner und ganzer Gemeinden in einer Zeit der Oberflächlichkeit, der Weltförmigkeit und des Individualismus.
Genau diese nicht leicht zu verstehenden Kapitel hat der
Autor in diesem Buch sehr sorgfältig und verständlich ausgelegt.
Auch wenn sich seine praktischen Anwendungen und selbstkritischen Bezüge in erster Linie auf einen besonderen Kreis von
Gemeinden beziehen, sind sie doch für jeden Leser wichtig und
nachdenkenswert, der die Bildersprache des Alten Testamentes
schätzt und das aktuelle, aber leider auch notvolleThema „Einheit und Gemeinschaft“ noch nicht frustriert beiseite gelegt
hat.
Wolfgang Bühne
Friedhelm Jung
Glaube kompakt
Grundzüge biblischer Dogmatik
Lichtzeichen, geb., 184 S., € 11,95
Dieses Buch ist eine Zusammenfassung der Dogmatik-Vorlesungen, die
der Autor als Dozent am Bibelseminar
Bonn gehalten hat. Es geht um die
zentralen biblischen Lehren, die für
den christlichen Glauben grundlegend
sind, um vor allem fragenden Lesern
und jungen Christen eine Hilfe zu bieten, eigene Überzeugungen anhand der Bibel zu überprüfen und im missionarischen
Gespräch weitergeben zu können. Daher verzichtet der Autor
mit wenigen Ausnahmen bewusst auf eine Auseinandersetzung
mit den Sichtweisen anderer Theologen, sondern versucht allein
22
BUCHBESPRECHUNGEN
von der Bibel her zu argumentieren, deren absolute Autorität und Irrtumslosigkeit er deutlich bekennt.
Es geht vor allem um sieben große Themen der Bibel: „Von
Gott“ – „Von der Schöpfung“ – „Von der Sünde“ – „Von Christus“ – „Von der Gnade“ – „Von der Gemeinde“ – „Von den letzten Dingen“.
F. Jung vertritt bei den ersten fünf Themen eine konservativ-reformatorische Theologie was das Menschenbild, die Erwählung, die Person Christi und die Gnade betrifft. In den Ausführungen zu den beiden letzten Themen erkennt man seine
baptistische und dispensationalistische Prägung. Bei einigen
schwierigen Themen bleiben jedoch Fragen offen – so verwirft
er z.B. die calvinistische Lehre von der „begrenzten Sühne“.
Ansonsten schreibt der Autor wohltuend eindeutig, leicht
verständlich, nachvollziehbar und verzichtet dabei auf Weitschweifigkeit.
Eine gute, kompakte Hilfe, die eigenen Überzeugungen zu
überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.Wolfgang Bühne
Matthew Henry
Kommentar zur Bibel
Matthäus – Johannes
Überarbeitet von Martin
H. Manser
3L, geb., 780 S., (zweispaltig),
Lexikonformat, € 39,90
In der englischsprachigen Welt ist der
puritanische Bibelausleger Matthew
Henry (1662-1714) ein Begriff.
Spurgeon sagte von ihm: „Als Ersten unter den Gewaltigen
der Bibelausleger müssen wir Matthew Henry nennen. Er ist
fromm und kernig, gesund und vernünftig, suggestiv und nüchtern, treffsicher und vertrauenswürdig. Du wirst feststellen, er
glitzert nur so vor Metaphern, ist reich an Analogien, voll von
Illustrationen, überfließend an Betrachtungen … Er ist gewöhnlich klar, anschaulich und voller Mark; er sieht sofort durch einen
Text hindurch.“ Spurgeon empfahl den Studenten an seinem
Predigerseminar, die ersten zwölf Monate nach ihrer Absolvierung den gesamten Henry (sechs Bände zu je über 1000 Seiten)
zu lesen. Das werde ihnen Anleitungen und Anregungen zum
Predigen geben: „Euch werden Gedanken und Einfälle kommen
wie die Schwalben, die im Herbst eine alte Scheune umschwirren.“
Das nun auf Deutsch erschienene Werk wird als „neu“ vorgestellt, denn es handelt sich nicht um die Übersetzung des ursprünglichen Kommentars von Matthew Henry, sondern um eine
Bearbeitung. Im „Vorwort zur neu überarbeiteten Ausgabe“ erfahren wir vom englischen Bearbeiter M. H. Manser, dass er den
Kommentar lesbarer machen wollte, weshalb er die von ihm als
„langatmig“ empfundenen Sätze Henrys kürzte.
Ich lese seit vielen Jahren den ursprünglichen Henry und
habe seine Sätze nie als langatmig empfunden. Lang, ja, aber
von großer Frische und Lebendigkeit. Manser hat aber nicht nur
gekürzt, er hat auch ganze Sätze ausgelassen – leider. Zudem
hat er, wie er bekennt, Henrys „Standpunkte – wie zum Beispiel gegenüber der Römisch Katholischen Kirche – etwas abgemildert“. Das ist äußerst bedauerlich, zumal Manser nicht nur
abgemildert, sondern teilweise Verurteilungen des Katholischen
Aberglaubens ganz unterschlagen hat.
Hier ein Beispiel: Henry schreibt zu Johannes 19,25: „Es ist
eine gottlose und gotteslästerliche Konstruktion aus der Feder
gewisser papistischer Schreiber, wenn sie aus der Tatsache, dass
die Jungfrau Maria am Kreuz stand, folgern, sie habe nicht weniger als Christus dazu beigetragen, für unsere Sünden Genüge zu tun, so dass sie Co-Mediatrix (Mit-Mittlerin) Co-Adiutrix
(Mithelferin) unserer Errettung geworden sei.“ Ich halte es heute
für mindestens so wichtig wie zur Zeit Henrys (17./18. Jhdt), die
Irrtümer der Kirche von Rom mit klaren Worten aufzudecken.
Der Bearbeiter hat aber auch geändert. Im ursprünglichen
Text steht zu Johannes 17,2 u. a. diese Erklärung: „Hier sehen wir,
wie der universalen Herrschaft des Erlösers das Folgende unterstellt wurde: Er hat Gewalt über alles Fleisch, damit er der
Zahl der Auserwählten ewiges Leben geben möchte. Man beachte: Die Herrschaft Christi über die Menschenkinder bezweckt
die Errettung der Gotteskinder. Denn alles ist um ihretwillen,
2Kor 4,15. Alle Gesetze Christi, alle Verordnungen und Verheißungen, die allen gegeben sind, haben den Zweck, in wirksamer
Weise all denen, die Christus gegeben wurden, das ewige Leben
sicherzustellen. Er ist als Haupt über alles der Gemeinde gegeben. Die Verwaltung der beiden Reiche der Vorsehung und der
Gnade sind in die gleiche Hand gegeben, und damit muss alles
zum Guten zusammenwirken für die Berufenen.“
In Mansers Bearbeitung und darum auch in der deutschen
Ausgabe fehlt der ganze fett gedruckte Satz. Steht der aber
nicht, hat der darauf folgende Satz nicht die Bedeutung, die
Henry ihm gab. Das muss man nachgerade eine Verfälschung
der Gedanken M. Henrys nennen. Und dann fehlen im Anschluss
daran wichtige Erläuterungen. Der ganze übersetzte Abschnitt
lautet im „Neuen Matthew Henry“: „Hier gibt es die Unterordnung der umfassenden Vollmacht des Erlösers unter dies. Christi Vollmacht über die Menschen soll das Heil der Kinder Gottes
bewirken. Die Verwaltung der Reiche der Vorsehung und der
Gnade sind in die gleichen Hände gelegt, damit alle Dinge dazu
gebracht werden können, zum Guten derer zusammenzuwirken,
die berufen sind.“
Abgesehen von diesen Mängeln haben die Herausgeber der
deutschen Leserschaft einen nützlichen Kommentar zugänglich
gemacht. Was findet er in ihm?
Einleitend zum ganzen Werk erörtert Henry zunächst die
Bedeutung und Eigenart des Neuen Testaments (leider gegenüber dem Original sehr stark gekürzt) und darauf der vier Evangelien. Zu einem jeden Evangelium gibt er eine kurze, prägnante
und nützliche Einleitung. Jedes Kapitel wird einleitend in knappen Worten zusammengefasst und gegliedert. Darauf folgen die
Kommentare zu jedem Vers. Zunächst wird Sinn und Bedeutung
desselben diskutiert; dazu findet der Autor immer wieder Anlass, wichtige, im jeweiligen Textabschnitt enthaltene Lehren zu
erörtern, auch falsche Lehren zu widerlegen. Es folgen darauf
stets praktische Anwendungen für das Glaubensleben. Hier als
Kostprobe einige Gedanken Matthew Henrys zu Johannes 17,2:
„Er hat Vollmacht über alles Fleisch: Über das ganze Menschengeschlecht. Er hat auch Vollmacht über die Welt der Geister, doch jetzt, als er Mittler zwischen Gott und der Menschheit war, machte er seine Vollmacht über alles Fleisch geltend.
Die er unterwerfen und retten sollte, waren Menschen; aus dem
Menschengeschlecht war ihm ein Überrest gegeben, und deshalb waren alle aus dieser Reihe von Lebewesen seinen Füßen
unterworfen (Hebr 2,8). Über das Menschengeschlecht, welches
als verderbt und gefallen betrachtet wurde …
Diese Bücher können in jeder christlichen Buchhandlung bestellt werden
E
BUCHBESPRECHUNGEN
Der Herr Jesus hat alle Vollmacht über dieses sündige Geschlecht und alles Gericht ist ihm übergeben (s. Joh 5,22). Wen
er nicht beherrscht, den verwirft er, Ps 22,29; 72,8; Mt 28,18; Joh
3,35. Die große Absicht und der Zweck dieser Vollmacht: Damit
er allen ewiges Leben gebe, die du ihm gegeben hast. Hier haben wir, wie der Vater die Erwählten dem Erlöser übergibt und
sie ihm als die Krone und die Belohnung seines Werkes gibt. Hier
haben wir, wie sich der Sohn verpflichtet, die Seligkeit derer zu
bewahren, die ihm gegeben waren, damit er ihnen ewiges Leben
gebe …“ (S. 705)
Benedikt Peters
Wayne Grudem
Biblische Dogmatik
Eine Einführung
in die systematische Theologie
VKW/Arche, geb., 1.430 S.,
(Lexikonformat), € 59,90
Nachdem dieses umfassende Werk
bereits in viele Sprachen übersetzt und
weit verbreitet worden ist, liegt es nun
erstmals auch in deutscher Übersetzung vor.
Der Autor gibt bereits im Vorwort einen Überblick über seine
persönlichen Überzeugungen, was fair und auch für den Leser
zur Einordnung dieses Werkes sehr hilfreich und wertvoll ist:
Wayne Grudem vertritt u.a.:
• Eine „konservative Sichtweise der biblischen Irrtumslosigkeit, die deutlich im Einklang mit der ‚Chicago-Erklärung‘
steht“
• „Eine traditionell reformierte Position in Bezug auf die Fragen der Souveränität Gottes und der Verantwortung des
Menschen, des Ausmaßes des Sühneopfers und der Versöhnung sowie der Frage der Prädestination“
• Die Überzeugung, „dass diejenigen, die wahrhaft wiedergeboren sind, ihr Heil niemals verlieren werden“
• Dass Männer und Frauen in der Ehe und in der Gemeinde
verschiedene Rollen bzw. Aufgaben haben
• Die Glaubenstaufe nach baptistischem Verständnis
• Dass alle Geistesgaben heute noch gültig sind – allerdings
ist „Apostel“ seiner Meinung nach ein „Amt“ und keine
„Gabe“ und daher heute nicht mehr existent
• Die Sicht, dass die Wiederkunft Christi jeden Tag stattfinden
kann. Sie wird seiner Überzeugung nach „prämillenialistisch“
(vor dem Tausendjährigen Reich), aber „posttribulationistisch“ (nach der Großen Trübsal), sein.
Mit diesem Bekenntnis macht Grudem deutlich, dass er weder ein klassischer Cessationist noch Dispensationalist ist, aber
auch kein klassischer calvinistischer Bundestheologe. Damit bewahrt der Autor den Leser vor falschen Erwartungen.
EINLADUNG
23
Sehr hilfreich und informativ sind die ausführlichen und sachlich-fairen Darstellungen und Beurteilungen der verschiedenen Auffassungen und falschen Positionen, die zu den jeweiligen biblischen Lehren existieren, wobei
die eigene Überzeugung des Autors bescheiden, aber deutlich
erkennbar vertreten und begründet wird. So vertritt er z.B. die
Überzeugung, dass die Schöpfungstage aus jeweils 24 Stunden
und nicht aus längeren oder langen Perioden bestanden haben,
ohne aber andere Auffassungen von ernsthaften bibeltreuen
Theologen respektlos für absolut ausgeschlossen zu halten.
Wohltuend ist die gottesfürchtige und demütige Haltung,
die das ganze Werk kennzeichnet. Grudem hält sich durchaus
für fehlbar und überlässt es dem Leser, die richtigen Schlüsse
aus seinen Erkenntnissen und Ausführungen zu ziehen. Jedes
Thema wird mit einem passenden Lied und mit Anregungen
und Fragen abgeschlossen, damit der Leser praktische Konsequenzen für sein Leben ziehen kann.
Der Autor verzichtet bewusst auf eine akademische Sprache, schreibt leicht verständlich und betont erbaulich, unzweideutig, aber nicht polemisch.
Für Grudem ist „wahre Theologie ‚Lehre, die der Gottesfurcht entspricht‘ (1Tim 6,3), und wenn Theologie richtig studiert wird, dann wird dies ein Wachstum in unserem Christenleben und unsere Anbetung zur Folge haben“ (S. 23).
Man wird eine Anzahl sachlicher Fehler finden – z.B. ist die
Annahme längst widerlegt, dass vor J.N. Darby die Lehre von der
„geheimen Entrückung der Gemeinde“ in der Kirchengeschichte
nie vertreten wurde (S. 1218).
Auch wird man mit Recht bemängeln können, dass einige
seiner Ausführungen und Schlussfolgerungen zum Thema „Geistesgaben“, „Wunder“ usw. eindeutig von Charismatikern wie
John Wimber und Jack Deere geprägt sind, denen er zwar nicht
blind folgt, die aber meines Ermessens nach biblisch nicht haltbar sind und deshalb besonders kritisch gelesen werden sollten.
So wird z.B. auch das „Ruhen im Geist“ (S. 709) verharmlost und
zu blauäugig dargestellt.
Andererseits staunt man, wie Wayne Grudem auf feine,
geistliche Weise falsche Lehren und Traditionen in allen evangelikalen Lagern korrigiert und widerlegt. Dabei bekommt man
nicht den Eindruck, dass der Autor konfessionell festgelegt ist,
sondern auch korrekturbereit ist, wenn es biblische Argumente
gibt.
Besonders solche Leser, die gefestigte biblische Überzeugungen haben, werden sicher nicht alle Sichtweisen Grudems
teilen können. Dennoch kann ihnen dieses umfassende Werk
eine große Hilfe sein, um auch andere Sichtweisen und Traditionen zu bestimmten Lehrthemen kennenzulernen, zu verstehen – aber auch auf eine überzeugende, gewinnende und vor
allem biblisch begründete Weise widerlegen zu können.
Wolfgang Bühne
KfG – Herbstkonferenz • 03.10. – 06.10.2013 • Rehe/Westerwald
Thema: „Gemeindegründung und Gemeindebau“
Vorträge von Fred Colvin; Abendvorträge: Andreas Ebert (FR) und Wolfgang Bühne (SA)
Informationen und Anmeldung:
KfG • Postfach 1322 • 36082 Hünfeld
www.kfg.org
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Noch
Wolfgang Bühne • Postfach 11 26 • D-58540 Meinerzhagen
PVSt. • Deutsche Post AG • Entgelt bezahlt! • VKZ H 11661
Gott mag seinem Diener Erfolg erlauben, wenn Er ihn so
weit erzogen hat, dass er den Erfolg nicht mehr braucht,
um glücklich zu sein.
Wer durch den Erfolg erhoben und durch das Versagen zu
Boden gedrückt wird, ist noch ein fleischlicher Mensch.
A
W
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Z
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