Alkohol und Familie - Katholische Hochschule Nordrhein
Transcrição
Alkohol und Familie - Katholische Hochschule Nordrhein
Klein, M. (2000). Alkohol und Familie: Forschung und Forschungslücken [Alcohol and the family: Research update and research needs]. In: Kruse, G., Körkel, J. & Schmalz, U. Alkoholabhängigkeit erkennen und behandeln. Bonn: Psychiatrie-Verlag, S. 139 – 158. Michael Klein Alkohol und Familie: Forschung und Forschungslücken Angehörige von Suchtkranken leben in einer besonders schwierigen Lebsnssituation: Sie leiden unter den Folgen der Sucht und werden oft noch für das Leiden ihres suchtkranken Partners (mit)verantwortlich gemacht. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Angehörige, die meist nicht unter der Intoxikationswirkung von Drogen stehen, stärker und bewusster in der Familie leiden als die betroffenen Suchtkranken selbst. Entsprechende Studien zeigen eine verstärkte psychosoziale Belastung bei Angehörigen von Suchtkranken (z.B. Moos et al., 1982). Obwohl eine erste wissenschaftliche Studie zur Situation der Angehörigen von Suchtkranken schon vor dem 1. Weltkrieg veröffentlicht worden war (Heron, 1912), wurde die Fachöffentlichkeit insgesamt erst spät auf die Situation der Angehörigen von Suchtkranken aufmerksam und die Wissenslage ist heute noch, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, recht defizitär. In den Selbsthilfegruppen, speziell den sogenannten Angehörigengruppen, dominieren bis heute populärwissenschaftliche Modelle bezüglich der Rolle von Angehörigen von Suchtkranken. Zu einem nicht unwesentlichen Teil werden diese Vorstellungen auch in psychosozialen Helferkreisen zur Erklärung des Angehörigenverhaltens benutzt. Die Modelle besagen zumeist, dass Angehörige von Suchtkranken abhängige und selbstunsichere Persönlichkeiten sind, die sich trotz besseren Wissens nicht von ihren trinkenden Partnern zu lösen vermögen, sondern diese vielmehr noch durch unbewusstes, aber auch ungeeignetes Verhalten in der Abhängigkeit bestärken. Dies entspricht der monolithischen Vorstellung vom Angehörigen als "Co" (= Co-Abhängigen), eines Menschen mit einem klar vorhersagbaren Persönlichkeitsbild mit stark problematischen Zügen und pathologischem Interaktionsverhalten. Dabei liegen längst empirische Belege für die Heterogenität nicht nur der Gruppe der Alkoholabhängigen, sondern auch der Familien mit einem Alkoholabhängigen vor (z.B. von Villiez, 1986). Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Partner von Suchtkranken durchaus in einem normalen Wertebereich, was ihre Persönlichkeit und Psychopathologie betrifft, liegen können (Paolino et al., 1976). Geradezu sträflich hat die Suchtforschung den Bereich der Angehörigen bisher vernachlässigt, was entscheidend zur Persistenz der zahlreichen unüberprüften "Szene-Ideologien" beigetragen haben dürfte. Dementsprechend überwiegen dann populärwissenschaftliche Beiträge, die entweder ausschließlich auf Eigenerfahrung basieren oder seit Jahrzehnten vorhandene klinische Einsichten unüberprüft wiederholen. Entsprechende Buchtitel lauten dann für den Bereich der Partner von Suchtkranken z.B. "Ertrunkene Liebe", "Der Kuss der Selene", "Wiegenlied mit Spätfolgen", "Die Liebesgeschichte des Jahrhunderts" oder "Verstrickt in die Probleme anderer", "Herr Alkohol & Frau Co.", "Die Sucht gebraucht zu werden", "Wenn Frauen zu sehr lieben" usw. Beim Thema "Kinder von Suchtkranken" herrschen ähnlich hochemotionalisierte Buch- und Zeitschriftenartikel vor. Einige Beispiele lauten: "Die vergessenen Kinder", "Die armen Kinder", "Süchtig geboren", "Um die Kindheit betrogen", "Alles total geheim!" usw. In wichtigen Fachbüchern wird das Angehörigenthema jedoch gar nicht oder oft nur am Rande abgehandelt. In "Alkoholkonsum und Gemeinwohl" (Edwards et al., 1997), einem führenden Werk zur epidemiologischen Suchtforschung, tauchen die Angehörigen lediglich als die Opfer alkoholbedingter Gewalthandlungen auf. Im "Lehrbuch der Suchterkrankungen" (Gastpar et al., 1999) taucht der Angehörige des Suchtkranken noch nicht einmal im Stichwortverzeichnis auf. Das offensichtliche Vorherrschen stark affektiv besetzter populärwissenschaftlicher Beiträge verweist deutlich auf die Vernachlässigung, bisweilen Verleugnung, des Themas "Angehörige von Suchtkranken" durch Wissenschaft und Forschung. Der vorliegende Beitrag soll daher die bisher vorhandenen Forschungsresultate darstellen und eine Analyse der derzeitigen Problemkonzeptionalisierung liefern. Wer ist ein Angehöriger eines Suchtkranken? Unter Angehörigen von Suchtkranken werden in der Regel die nahestehenden Verwandten gefasst. Präziser und daher für die Praxis relevanter ist die Vorstellung, dass es sich um jene Menschen handelt, die in einer dauerhaften Gemeinschaft mit einer Person leben, die entweder Suchtmittel missbraucht oder von diesen abhängig ist. Als solche kommen in erster Linie (Ehe-)Partner und Kinder in Frage. Auf diese beiden Personengruppen wird im folgenden mit dem Akzent "Partner und Kinder von süchtigen Alkoholkonsumenten" ausführlich eingegangen. Andere relevante Personengruppen, wie z.B. die Eltern oder Partner von Drogenabhängigen, werden im Rahmen dieses Beitrags nicht behandelt. Ihre Erwähnung an dieser Stelle soll jedoch die Breite des Feldes der betroffenen Personen verdeutlichen. Einer der vielen Aspekte der Heterogenität des Angehörigenproblems ist in der hier kaum zu berücksichtigenden Gruppe der Partner von Drogenabhängigen zu sehen. Diese Personengruppe, zumeist Frauen, hat neben den allgemein gültigen Auswirkungen von Suchterkrankungen ihres Partners, wie sie im folgenden für die Partner von Alkoholabhängigen beschrieben werden, noch unter den Besonderheiten der illegalisierten Drogenszene (z.B. Beschaffungsdruck, Verführung zum Eigenkonsum ["anfixen"], Kriminalität und Beschaffungsprostitution) zu leiden. Zahlen zum Thema Angehörige von Suchtkranken Es gibt mehr Menschen, die im Umfeld von Suchtkranken leben als Suchtkranke selbst. Dieses oft übersehene Faktum unterstreicht die Notwendigkeit einer realistischen Wahrnehmung und Erforschung der Situation dieser Menschen genauso wie die Bedeutung von frühzeitigen adäquaten Hilfen. Die Suchthilfe hat sich bislang zu wenig auf die Situation und Bedürfnisse der Personen im Umfeld von Suchtkranken eingestellt (Klein, 1997). Dies ist umso erstaunlicher, als dass seit mehr als 10 Jahren systemische Erklärungs- und Behandlungskonzepte in weiten Bereichen der Suchthilfe dominieren. Diese betonen bekanntermaßen die Wichtigkeit des Interaktionsumfelds von Menschen bei der Entstehung dysfunktionaler Symptome. Im einzelnen ist davon auszugehen, dass mehr als 1.3 Millionen Menschen mit einem Alkoholabhängigen in einer Partnerschaft zusammenleben. Von diesen Partnern dürften zwei Drittel Frauen sein. Weitere 1.8 bis 2.0 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 18 Jahren sind betroffen. Bei etwa 0.15 Millionen Abhängigen von illegalen Drogen sind weiterhin bis zu 0.3 Millionen Eltern als Angehörige betroffen. Angehörige von Suchtkranken weisen nach Meinung vieler Kliniker ein höheres Ausmaß an psychischen Störungen auf, was sowohl prä- als auch postmorbid in Bezug auf die Suchtstörung ihres Angehörigen bedingt sein könnte. Dieser Eindruck ist jedoch möglicherweise durch die Tatsache verzerrt sein, dass es sich dabei ausschließlich um die Partner von behandelten Suchtkranken handelt, also um eine selektive Gruppe. In der Tat zeigen Studien zur Frage von Persönlichkeitsstörungen bei Ehefrauen von Alkoholikern, dass nur etwa die Hälfte auffällige Persönlichkeitszüge aufweist. Kogan et al. (1963) hatten 50 Frauen aus Selbsthilfegruppen und 50 Frauen aus einer Normalpopulation verglichen. Die Ehefrauen der Alkoholabhängigen zeigten zwar häufiger Störungen, bei jedem gemessenen Merkmal war aber höchstens die Hälfte der Frauen auffällig. Bestimmte dominierende Persönlichkeitsmuster konnten nicht gefunden werden. Im folgenden werden die beiden wesentlichen Angehörigengruppen, Partner und Kinder von Alkoholikern, bezüglich ihrer Merkmale, Symptome und Risiken ausführlicher dargestellt. I. Partner von Suchtkranken Partner von Suchtkranken wurden seit dem Beginn der Selbsthilfebewegung für Angehörige ("Al-Anon"), d.h. seit etwa 1950, allmählich als eigenständige Problemgruppe wahrgenommen. Allzu oft jedoch dienten die Partnerinnen von Alkoholikern als Mittel zum Zweck, mit dem die Therapie des Suchtkranken effektiver, konfrontativer und realistischer gestaltet werden konnte, ohne dass für den Angehörigen selbst ein Bedürfnis nach Hilfe gesehen wurde oder dass sie direkt Hilfe erhalten hätten. Immer wieder wird für Angehörige von Alkoholikern die Abhängigkeit vom Partner als stärkstes persönliches Problem formuliert. Fengler (2000, 93) liefert einige Fallbeispiele für die starke Abhängigkeit von Angehörigen von Suchtkranken: "So ermahnte eine Frau immer wieder erfolglos ihren Mann, weniger zu trinken, und bezog immer wieder Prügel von ihm. Ein Mann lernte am Tag der Scheidung von einer heroinabhängigen Frau eine andere heroinabhängige Frau kennen und beschloss spontan, sie als Partnerin bei sich aufzunehmen". Diese Fallbeispiele führen zum Konzept der Co-Abhängigkeit, einer spezifischen Form der Abhängigkeit, wie sie für Partner von Suchtkranken als Charakteristikum formuliert wurde. Co-Abhängigkeit Mit den Fortschritten in der Kommunikationsforschung seit 1965 wurde die Rolle der Partner von Suchtkranken kritisch thematisiert. In diesen frühen Arbeiten zur Interaktion in suchtbelasteten Familien kristallisierte sich auch das bisweilen negativ missbrauchte Zerrbild des "Komplizen" heraus, einer Person, die – meist unbewusst – durch ungeeignete Verhaltensweisen vor dem Hintergrund eigener Defizite das Leiden des Suchtkranken (!) weiter verlängert. Bislang hat sich jedoch nicht empirisch zeigen lassen, dass dieses Verhaltensmuster auf die Gruppe der Partner von Suchtkrankeninsgesamt zutrifft. Co-Abhängigkeit bezeichnet nach Fengler (1994) Haltungen und Verhaltensweisen von Personen, die durch Tun und Unterlassen dazu beitragen, dass der süchtige oder suchtgefährdete Mensch süchtig oder suchtgefährdet bleiben kann. Andere Autoren sehen Co-Abhängigkeit als eine Persönlichkeitsstörung, die durch die pathologische Abhängigkeit von einer anderen Person gekennzeichnet ist (McGovern & DuPont, 1992). In vielen Fällen kann diese Abhängigkeit von der anderen Person, also vom suchtkranken Partner, zu selbstschädigenden und – erniedrigenden Verhaltensweisen führen. Allerdings sind diese Annahmen bislang nicht ausreichend empirisch belegt worden und stützen sich ausschließlich auf klinische Beobachtungen. Die Autoren führen an anderer Stelle (DuPont & McGovern, 1991), ebenfalls vor dem Hintergrund klinischer Einzelfallstudien, aus, dass Co-Abhängigkeit eine behandelbare Persönlichkeitsstörung darstellt, die durch ein Muster zwanghafter Verhaltensweisen nach Anerkennung durch andere zum Zwecke der Erlangung von Sicherheit, Selbstwert und Identität gekennzeichnet ist. Cermak (1991) sieht Co-Abhängigkeit als ein Muster von Persönlichkeitseigenschaften an, die sich auf der Basis mangelndem Selbstbezugs ("anti-narzisstisch") komplementär, d.h. optimal, zu Suchtstörungen mit ihrem hohen Ausmaß an selbstbezogenen, bisweilen egoman wirkenden, Symptomen ergänzen. Whitfield (1984) sieht Co-Abhängigkeit als eine Erkrankung bzw. ein unangepasstes, problematisches, dysfunktionales Verhalten einer Person, die durch Zusammenleben, Zusammenarbeit oder in anderer Weisen in enger Verbindung mit einem Alkoholkranken steht. Kern dieser Definition ist also die spezifische Interaktion, die im Umfeld eines Alkoholabhängigen entsteht. Diese kann für den Angehörigen zu einem Stressfaktor werden, durch den sich eigenständige Erkrankungen (z.B. im psychosomatischen Bereich) entwickeln. Die Ambivalenz der Co-Abhängigkeit wird in folgender Definition deutlicher unterstrichen: "Er/sie ist ein Kompagnon, ein unwissentlich Verbündeter des Abhängigen und ein doppelter Teilhaber an der Krankheit: Er kriegt "seinen Teil ab" und er trägt ungewollt seinen Teil dazu bei, dass die Abhängigkeit sich festigt" (Schneider, 1996, 77). Als einzelne Problemverhaltensweisen eines Co-Abhängigen werden benannt: • • • • • • • Übermäßig Verantwortung für den Abhängigen übernehmen. Das Verhalten des Abhängigen selbst in Anbetracht offener Widersprüche und Inkonsistenzen entschuldigen und rechtfertigen. Dem Abhängigen Belastungen abnehmen oder ersparen wollen. Das Verhalten des Abhängigen kontrollieren, indem man ständig Verstecke, in denen der Abhängige seine Suchtmittel verbergen könnte, sucht. Den Abhängigen zwanghaft von Alkohol, Kauforten und Trinkanlässen fernhalten. Den Abhängigen beim Lügen ertappen wollen, ihm ständig misstrauen und ihn bekehren wollen. Selber unaufrichtig dem Abhängigen, anderen Personen oder sich selbst gegenüber sein, was Tatsachen und Gefühle bezüglich der Abhängigkeit und der eigenen Rolle betrifft. Die aufgelisteten Definitionen co-abhängigen Verhaltens machen einerseits die Tendenzen zum abhängigen Verhalten vor dem Hintergrund einer oft beeinträchtigten Persönlichkeit deutlich und unterstreichen die Möglichkeit der Ambivalenz dieser Rolle. Sie sind jedoch zu wenig differenziert und berücksichtigen zu wenig die Möglichkeiten der Flexibilität und Adaptabilität im menschlichen Verhalten. Versuche, eine eigene klinische Störung "Co-Abhängigkeit" zu operationalisieren, hat es wiederholt gegeben (z.B. Cermak, 1991). Diese sind jedoch bislang an Reliabilitäts- und Validitätsproblemen gescheitert. So zeigte sich, dass der von Potter-Efron & Potter-Effron (1989) entwickelte Co-Abhängigkeitsfragebogen CAQ (Codependency Assessment Questionnaire) fast nur Merkmale des Neurotizismus und von Stresserleben misst (Gotham & Sher, 1996) und daher keine eigenständige Kategorie "Co-Abhängigkeit" begründen kann. Auch die große Heterogenität der Gruppe der Angehörigen wurde bislang zu wenig erfolgreich in Form empirisch abgesicherter Subtypen erfasst. Solange keine verlässlichen Subgruppen von Angehörigenverhaltensweisen festgestellt werden und das Konzept nicht verlässlich diagnostizierbar ist, wird das Co-Abhängigkeitskonzept nicht als wissenschaftlich sinnvolle Kategorie anzusehen sein. Selbstreflexion für Partner von Alkoholabhängigen Angehörigen von Suchtkranken kann im Sinne einer Selbstüberprüfung ihrer Lebenssitaution und ihres Veränderungswunsches folgender Fragenkatalog vorgelegt werden (modifiziert nach Arenz-Greiving, 1998): 1. Wodurch war Ihre Rolle im Elternhaus bestimmt? Waren Sie derjenige, der Verantwortung für andere übernahm, viel leistete, vermittelte, sich ständig Anerkennung verdiente? 2. Was gefiel Ihnen an Ihrem Partner, als Sie sich kennenlernten bzw. heirateten? Gehörte dazu, dass er von Ihnen erwartete, umsorgt und gestützt zu werden, dass er sich gehen lassen konnte und Sie für ihn Verantwortung übernahmen? 3. Was hat Ihrer Meinung nach Ihrem Partner beim Kennlernen bzw. bei der Heirat besonders an Ihnen gefallen? Was hat er sich von Ihnen erhofft? Spielten Eigenschaften Ihrerseits wie Fürsorge, Opferwille, Tüchtigkeit und Bescheidenheit eine starke Rolle? 4. In welchem Umfang hat Ihr Partner dafür gesorgt, dass sich Ihr Leben entfalten konnte? Hat er Ihnen Unterstützung bei der Verwirklichung Ihrer Lebensträume gegeben? Hat er Ihre Neigungen gefördert, Ihre Bildung, Ihre berufliche Karriere? 5. Was haben Sie von Ihrem Partner für sich selbst erwartet? Hatten Sie Ansprüche an ihn, oder waren Sie eher zufrieden, dass sie ihn als Partner gewonnen hatten und dass Sie für ihn dasein konnten? 6. Aus welchen Quellen bezogen Sie Selbstwert? Sind es vorwiegend die Verantwortung und die Fürsorge für andere? Wie stünde es um Ihren Selbstwert, wenn dies wegfiele? 7. Was tun Sie für sich persönlich, für die Entfaltung und Pflege Ihrer individuellen Interessen und Neigungen? 8. Stimmt das Bild, das Sie nach außen abgeben, mit Ihrem persönlichen Selbstbild überein oder spielen Sie anderen gewöhnlich etwas vor? 9. Haben Sie sich Mühe gegeben, das Alkoholproblem Ihres Partners nicht öffentlich werden zu lassen? Wie haben Sie dies getan? 10. Welche Bereiche Ihres Lebens sind durch die Alkoholabhängigkeit Ihres Partners verkümmert? In welchen Bereichen haben Sie zurückstecken müssen und sich nicht selbst entfalten können? 11. Hat es durch das Trinken Ihres Partners auch Vorteile für Sie gegeben? Sind Sie selbstständiger, kompetenter, unabhängiger geworden? Werden Sie von anderen anerkannt, weil Sie so tüchtig sind und bei Ihrem Partner bleiben? 12. Womit befassen Sie sich gedanklich am meisten? Geht es um Ihren Partner, sein Trinken und die drohenden Konsequenzen oder sind Sie frei für andere Gedanken? 13. Wer oder was bestimmt vorwiegend Ihr Ehe- und Familienleben? 14. Leiden Sie unter dem übermäßigen Drang, Ihren Partner zu kontrollieren? Begegnen Sie ihm mit Misstrauen und Hassgefühlen? In diesem Fragenkatalog sind typische Lebenserfahrungen und –risiken von Partnern von Alkoholikern thematisiert. Wenn der Angehörige viele dieser Fragen mit Antworten auf co-abhängige Tendenzen beantwortet, so ist dies als ein Anreiz für Veränderungen (durch Selbst- oder Fremdhilfe) zu sehen. Die vertiefte Selbstreflexion soll den Angehörigen dabei helfen, seine Situation besser zu erkennen und zu bewerten. Partnerinteraktion Im Umfeld von Alkoholkranken realisieren sich wie auch bei anderen dysfunktionalen Systemen besonders rigide Interaktionsmuster, die wegen ihrer Veränderungsresistenz auch als "Interaktionsfiguren" bezeichnet werden. Da die Angehörigen von Suchtkranken wegen ihrer besonderen Nähe zum Suchtkranken besonders stark den emotionalen Belastungen des Zusammenlebens mit einem Suchtkranken ausgesetzt sind, lassen sich an ihnen die relevanten Interaktionsfiguren gut ablesen. Ein erstes, recht einfaches Interaktionsmodell unterscheidet zwischen symmetrischer und komplementärer Interaktion. Bei der symmetrischen Interaktion reagieren beide Partner mit den gleichen Verhaltensweisen (z.B. beide schimpfen; beide lassen sich gehen; beide gebrauchen Gewalt). Dieses Interaktionsmuster tritt bei Angehörigen von Suchtkranken nach klinischer Erfahrung eher selten auf. Dem gegenüber stehen komplementäre Interaktionen, bei denen die Partner mit gegensätzlichen Verhaltensweisen reagieren (z.B. einer schimpft, der andere beschwichtigt; einer lässt sich gehen, der andere verhält sich kontrolliert; einer gebraucht Gewalt, der andere erduldet diese Gewalt). Dieses sehr grob konzeptionalisierte Interaktionsmuster tritt bei Angehörigen von Suchtkranken nach klinischer Erfahrung häufiger und unflexibler als in anderen Partnerschaften auf. Empirische Untersuchungen zu diesen klinischen Eindrücken liegen kaum vor. Das Interaktionsmodell "symmetrisch-komplementär" hat jedoch Eingang in viele andere Modelle, so auch das im folgenden dargestellte, gefunden. Bereits Jackson (1954) hat eine Abfolge von Phasen mit verschiedenen Interaktionsmustern von Angehörigen von Suchtkranken beschrieben. Dieses, je nach Differenzierung drei- bzw. siebenphasige Modell, ist als erstes entwicklungsorientiertes Modell des suchtbelasteten Partnerschaft für die klinische Praxis wichtig geworden, da es eine grobe Einordnung des Partnerschaftsverhaltens ermöglicht. Dabei dominieren jeweils komplementäre Interaktionsmuster. Nach einer ersten Phase der Verleugnung des Alkoholproblems (1) mit Vermeiden des Themas oder Abstreiten eines Problems folgt die Phase der Eliminierung des Trinkproblems (2). In dieser Phase dominieren Kontrolle und Reglementierung des Partners. Sie endet mit häufiger werdenden Zuständen von Ohnmachtsgefühlen und Selbstmitleid aufgrund der Erfahrung, dass das Alkoholproblem des Partners nicht nachlässt, sondern zunimmt. In der anschließenden dritten Phase der Desorganisation (3), nachdem oft jahrelange Kontrolle zu keinem dauerhaften Erfolg geführt hat, nimmt die Partnerin das Trinken des Ehemannes hin. Er wird jetzt in seiner Rolle als Partner und Vater weniger unterstützt. wird der suchtkranke Partner ausgegrenzt. Die Partnerin fühlt sich resigniert und oft wertlos. Diese letzte Phase, die auch mit Anklage und Bestrafung einhergeht, führt bisweilen zur Trennung vom Partner, zur Einweisung/Überweisung in eine Behandlungsinstitution oder zum vorzeitigen Tod des Abhängigen. Der Versuch einer empirischen Bestätigung des Phasenmodells nach Jackson wurde u.a. von Lemert (1960) unternommen. Dabei gelang es mit Hilfe ausführlicher Interviews mit Partnern von Alkoholabhängigen in 70% aller Fälle die Abfolge der drei genannten Phasen zu bestätigen. Das ursprünglich von Jackson vorgeschlagene differenziertere Sieben-Phasenmodell konnte so nicht bestätigt werde, weshalb es hier auch nicht in seiner Ausführlichkeit dargestellt wird. Außerdem zeigte sich, dass die Frauen, deren Männer weiterhin süchtig tranken, wesentlich höhere Werte für Stresserleben aufwiesen als Frauen aus der Normalbevölkerung oder Frauen, deren Männer nach einer Suchterkrankung abstinent lebten (Kogan & Jackson, 1965). Am differenziertesten werden die Interaktionsfiguren in folgendem Modell deutlich (vgl. Schwoon, 1993; Klein, 1997), das die wichtigsten Beziehungsmöglichkeiten im Umgang mit Suchtproblemen darstellt. Ihm liegt wiederum die Vorstellung einer Komplementarität des Partnerverhaltens in Bezug auf das Suchtverhalten des Abhängigen zugrunde. Demnach können folgende Reaktionen auftreten: Das Ausmerzen (z.B. Alkohol ausschütten) Das Bekämpfen (z.B. schimpfen, tadeln) Das Bekriegen (z.B. entwürdigen, entehren) Das Zwingen (z.B. einweisen, einsperren) Das Eindämmen (z.B. Alkohol zuteilen) Das Kontrollieren (z.B. beobachten, verfolgen) Das Heilen (z.B. pflegen, hegen) Das Bekehren (z.B. in religiöse Gemeinschaft mitnehmen) Das Helfen (z.B. unterstützen, verstehen wollen) Das Begleiten (z.B. zulassen, abwarten) Das Gewähren lassen (z.B. sich nicht kümmern) Diese Interaktionsfiguren sind als jeweilige Anpassungsleistungen an die Eigengesetzlichkeiten der Abhängigkeit eines suchtkranken Partners zu verstehen und können in kurzer Abfolge variieren. Belastungen für Angehörige Partner und Kinder von Suchtkranken leben unter stärkeren Belastungen als Menschen in funktionalen Familien (Moos et al., 1982; Sher, 1991). Diese Belastungen können im familiären Kontext als Ergebnisse von "Duldungs"- und "Katastrophenstress" verstanden werden (Schneewind, 1991). Duldungsstress bezeichnet jene Reaktionen, die entstehen, wenn Menschen über längere Zeit hinweg Bedingungen ausgesetzt sind, die sie trotz Aversivität glauben nicht verändern zu können. Katastrophenstress entsteht in Systemen, in denen häufig unerwartete und scheinbar unberechenbare Ereignisse passieren, die von den Mitgliedern nicht kontrolliert werden können. Im einzelnen können für den Partner folgende Belastungssituationen auftreten: • • • • • • • • • • • Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit des suchtkranken Partners Vernachlässigung durch den suchtkranken Partner Aggression und Gewalttätigkeit Sexuelle Übergriffe, sexueller Missbrauch, Vergewaltigungen Vermehrte Partnerschafts- und Familienkonflikte Finanzielle Konflikte, erhöhtes Armutsrisiko Drohender oder tatsächlicher Arbeitsplatzverlust Arbeitslosigkeit, ggf. Langzeitarbeitslosigkeit Schulden Soziale Marginalisierung, Gefahr sozialer Isolation Notsituationen durch Alkoholintoxikationen des Partners In Einzelfällen können diese Belastungsfaktoren durch spezifische Konstellationen im Sinne von Mediator- bzw. Moderatorvariablen erhöht oder abgeschwächt werden (Sher, 1991). So kann das Vorhandensein eines tragfähigen sozialen Netzwerks (z.B. die eigenen Eltern oder Geschwister, enge Freunde) für die Angehörigen eher protektiv wirken. Auf der anderen Seite kann das Vorhandensein psychischer Störungen beim Angehörigen (z.B. Depressionen, Angsterkrankungen, somatoforme Störungen) die Auswirkungen der oben genannten Stressfaktoren verstärken. Grundhaltungen Angehöriger Besonders wichtig für Prävention und Behandlung von Problemen Angehöriger sind die inneren Grundhaltungen, die dafür verantwortlich sind, dass Angehörige oft viele Jahre starken Leidens ertragen. Zu diesen Grundhaltungen zählt die Annahme, dass mit ausreichend Liebe, Geduld und Ausdauer das Suchtproblem des Partners zu lösen sei, dass man sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellen darf, dass die Bedürfnisse der anderen wichtiger sind als die eigenen und dass man durch Kontrolle das Verhalten anderer dauerhaft verändern kann. Weitere Grundhaltungen können vor dem Hintergrund eines depressiv-resignativen Weltbildes entdeckt werden: Dass man sowieso nichts verändern könne, dass Abgrenzung und Abwehr alles nur schlimmer mache, dass man ohnehin im Konfliktfalle unterlegen sei. Viele dieser Grundhaltungen sind das Resultat negativer Lebenserfahrungen – oft auch schon aus Kindheit und Jugend – und spiegeln die geringe Selbstwirksamkeitserwartung der Betroffenen wider. Obwohl nicht zu allen postulierten Grundhaltungen Forschungsresultate vorliegen, gibt es einige interessante Belege. In einer Untersuchung an 116 Partnerinnen, deren alkoholabhängige Männer bereits eine Therapie seit ein bis vier Jahren abgeschlossen hatten, zeigte sich, dass sich die Hälfte der Frauen, obwohl die Mehrzahl der Männer abstinent lebte, für deren Abstinenz verantwortlich fühlte (Fahrner, 1990). Ebenso viele leben mit einer Angst vor dem Rückfall ihres Mannes. In der schon erwähnten Untersuchung von Moos et al., (1982) ergab sich, dass Angehörige deutlich weniger Alkohol tranken als Vergleichspersonen aus der Normalbevölkerung. Sie scheinen also ein besonders kontrolliertes restriktives Verhaltensmuster zu praktizieren. Darüber hinaus hatten sie weniger soziale Kontakte und berichteten – allerdings nur im Falle einer Rückfälligkeit ihres Mannes mehr negative Lebensereignisse. Ehefrauen von Alkoholikern erwiesen sich nur als besonders dominant, wenn sich der Alkoholismus des Partners bereits vor der Eheschließung entwickelt hatte (Lemert, 1962). Ambivalente Haltungen Angehöriger Was Professionelle wie Betroffene immer wieder überrascht, ist die oft zwiegespaltene Haltung der Angehörigen von Suchtkranken. Dies mag sich darin ausdrücken, dass sie auf der einen Seite das Suchtverhalten ihres Partners aufs Schärfste kritisieren, während sie es ihm auf der anderen Seite ermöglichen, sein Suchtverhalten fortzusetzen. Dieses Ermöglichungsverhalten ("enabling") kann in Schutz- und Entschuldigungsreaktionen gegenüber der Außenwelt bis hin zur Übernahme der gesamten Verantwortung für die Familie bestehen. Was von Angehörigen oft selbst beklagt wird, ist ihre Unfähigkeit zu konsequentem Verhalten. Dabei neigen sie oft zur Selbstüberforderung, was sich insbesondere bei der Entwicklung und Verfolgung realistischer Ziele zeigt. So resultiert das Scheitern von Angehörigen allzu oft aus unrealistischen Zielen, z.B. beim Erlernen konsequenten Verhaltens ("Ich trenne mich noch heute von Dir!"). Zum Grundkonflikt des Abhängigen gehört, dass er auf der einen Seite in ein System fast undurchdringlicher Verstrickungen eingebunden ist, auf der anderen Seite aber lange Zeit glaubt, vom Gleichgewicht mehr zu profitieren als von jeder Veränderung. Wie Steinglass (1983) zeigte, sind Veränderungen im Leben dysfunktionaler Familien – insbesondere Suchtfamilien – am ehesten in der Folge kritischer Lebensereignisse (wie z.B. Geburt eines Kindes, Arbeitsplatzverlust, Unfall oder schwere Krankheit) zu erwarten. In der klinisch psychologischen Forschung wurde die ambivalente Rolle des Angehörigen mit dem Modell des tertiären Kranheitsgewinns konzeptionalisiert. Darunter wird der Vorteil verstanden, der sich für einen Angehörigen - neben allen Nachteilen – ergibt, wenn der Partner für längere Zeit suchtkrank ist (z.B. Zugewinn an Sozialkompetenz, Achtung und Bewunderung im Bekanntenkreis). Es wird dabei angenommen, dass über diesen Weg die "Gewinnanteile" als positive Verstärker das systemische Gleichgewicht der suchtbelasteten Familie mit aufrechterhalten. Selektive Partnerwahl bei Kindern aus suchtbelasteten Familien Dass Töchter suchtkranker Väter in erhöhtem Maße einen suchtkranken Mann zum Partner wählen, wird von Seiten erfahrener Kliniker immer wieder berichtet. Dieser geschlechtsspezifische Effekt einer selektiven Partnerwahl ("assortive mating") von Töchtern alkoholabhängiger Väter konnte in einer Untersuchung mit mehr als 1400 Personen deutlich bestätigt werden, wobei allerdings das Geschlecht des alkoholabhängigen Elternteils, d.h. ob es sich um Vater oder Mutter handelte, keine Rolle spielte. Dabei stellte sich heraus, dass die Töchter aus suchtbelasteten Familien mehr als zweieinhalb Mal so häufig einen suchtkranken Partner heirateten als Vergleichsprobandinnen ohne familiäre Suchtbelastung. "Data relating to 708 men and 708 women, the parents of the questionnaire respondents, revealed that even after controlling for the increased rate of alcohol-dependent spouses among alcoholics, assortive mating appears to be associated with positive family histories of alcoholism. Within this sample, nonalcoholic daughters of alcoholics were more than twice as likely to marry an alcoholic as nonalcoholic daughters of nonalcoholics, irrespective of the alcoholic parent´s gender" (Schuckit et al., 1994, 237). Während für die Töchter aus suchtbelasteten Familien der Effekt einer selektiven Partnerwahl nachgewiesen worden ist, ist ein derartiger Effekt für Söhne nicht bekannt. Aus einer Untersuchung an alkoholabhängigen Männern und Frauen geht hervor, dass die alkoholabhängigen Frauen der Stichprobe in 31.1% aller Fälle mit einem alkoholabhängigen Mann verheiratet waren, während sich die alkoholabhängigen Männer der Stichprobe nur in 8.3% aller Fälle eine alkoholabhängige Frau zur Partnerin wählten (Hall et al., 1983). Psychische Störungen bei Partnern von Suchtkranken Dass Angehörige von Suchtkranken eher als Normalpersonen unter psychischem Stress und psychischen Störungen leiden können, wurde bereits erwähnt. Nach der Untersuchung von Kogan et al. (1963) war es etwa die Hälfte der Partner, die psychisch auffällig waren, ohne dass in der damaligen Untersuchung die entsprechenden Störungskategorien erhoben worden waren. Diese Störungen können sowohl vor der Beziehung mit einem Suchtkranken bestanden haben oder sich in Folge der Beziehung entwickelt oder verstärkt haben. Rimmer & Winokur (1972) analysierten die psychische Gesundheit von 57 Ehefrauen alkoholabhängiger Männer, die in ambulanter Behandlung waren. 42% hatten wiesen eine Familiengeschichte bezüglich Suchtstörungen bei Verwandten ersten oder zweiten Grades auf. Die Vergleichszahl für affektive Störungen lag bei 16%. Weitere 16% ergaben sich für andere psychiatrische Störungen. Selbst betroffen von Depression waren 32% der Partnerinnen alkoholabhängiger Männer. Die Vergleichsquote bei parallelisiert ausgewählten Normalprobanden lag bei 2%. Von den psychischen Störungen, die bei Angehörigen Suchtkranker, nach klinischer Erfahrung am häufigsten auftreten können, sind zu nennen: Angststörungen, affektive Störungen, somatoforme Störungen und substanzbezogene Störungen (Achse-I-Störungen). Unter Achse-I-Störungen werden solche Störungen verstanden, die in der Regel nicht überdauernd, oft reaktiv, meist mit Krankheitseinsicht und Leidensdruck versehen und im Verhältnis zu den Persönlichkeitsstörungen leichter zu behandeln sind. Sie werden- daher der Name – in den psychiatrischen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM-IV auf der ersten von fünf Achsen codiert. Demgegenüber sind die Achse-II-Störungen solche, die relativ früh im Leben, meist schon in der Adoleszenz, beginnen, deren Symptome in Widerspruch zu den vorherrschenden kulturellen Normen und Werten stehen, eher überdauernd und schwer zu behandeln sind. Die wichtigsten Achse-II-Störungen in diesem Zusammenhang sind die Persönlichkeitsstörungen. Bei diesen kommt meist noch das Merkmal der Ich-Syntonie (Ich-Stimmigkeit) hinzu. Dabei erleben sich die betroffenen Personen als nicht problembelastet oder gar gestört, sondern lokalisieren die Ursache interaktionaler oder gar individueller Probleme bei anderen ("Du bist schuld!"). Bei Angehörigen von Suchtkranken treten vor allem zwei Persönlichkeitsstörungen häufiger als bei Normalprobanden auf (siehe z.B. Salzmann & Körkel, ???): 1. Die abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F60.7) 2. Die ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F60.6). Deren Symptome werden im folgenden aufgelistet. Als Hauptmerkmale der abhängigen (dependenten) Persönlichkeitstörung nach ICD10 werden benannt (Dilling et al., 1991): a. Überlassung der Verantwortung für wichtige Bereiche des eigenen Lebens an andere. b. Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht. c. Mangelnde Bereitschaft zur Äußerung angemessener Ansprüche gegenüber Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht. d. Selbstwahrnehmung als hilflos, inkompetent und schwach. e. Häufige Ängste vor Verlassenwerden und ständiges Bedürfnis, sich des Gegenteils zu versichern; beim Alleinsein sehr unbehagliche Gefühle. f. Erleben von innerer Zerstörtheit und Hilflosigkeit bei der Beendigung einer engen Beziehung. g. Bei Missgeschick neigen diese Personen dazu, die Verantwortung anderen zuzuschieben. Die Merkmale dieser Persönlichkeitsstörung, die sehr deutlich an viele klinische Schilderungen von Angehörigenverhalten erinnern, müssen nicht alle gleichzeitig vorliegen, um die entsprechende Diagnose zu rechtfertigen. Es müssen vielmehr wenigstens vier der genannten Merkmale vorliegen. Neben der abhängigen Persönlichkeitsstörung, die von allen Persönlichkeitsstörungen bei Angehörigen von Suchtkranken am häufigsten vorliegen dürfte, ist die ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung ebenfalls wichtig. Ihre Hauptsymptome nach ICD-10 lauten (Dilling et al., 1991): a. Andauernde und umfassende Gefühle von Anspannung und Besorgtheit. b. Gewohnheitsmäßige Befangenheit und Gefühle von Unsicherheit und Minderwertigkeit. c. Andauernde Sehnsucht nach Zuneigung und Akzeptiertwerden. d. Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung und Kritik. e. Weigerung zur Aufnahme von Beziehungen, solange der betreffenden Person nicht unkritisches Akzeptiertwerden garantiert ist; sehr eingeschränkte persönliche Beziehungen. f. Gewohnheitsmäßige Neigung zur Überbetonung potenzieller Gefahren oder Risiken alltäglicher Situationen, bis zur Vermeidung bestimmter Aktivitäten, ohne das Ausmaß phobischer Vermeidung. g. Eingeschränkter Lebensstil wegen des Bedürfnisses nach Gewissheit und Sicherheit. Auch bei dieser Persönlichkeitsstörung langt das Vorliegen von vier Symptomen aus. Im Falle der Angehörigen von Suchtkranken ist zusätzlich anzunehmen, dass sie Mischformen der vermeidenden und ängstlichen Persönlichkeitsstörung in sich vereinigen. Außerdem können sie Anteile der zwanghaften und selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung in sich vereinen. Da, wie schon erwähnt, bei weitem nicht alle Partner von Alkoholabhängigen unter einer psychischen Störung leiden müssen, liegt es für die Forschung an, hier genaue Prävalenzen zu erheben, damit zwischen verschiedenen Störungsbildern bei Angehörigen einerseits und Reaktions- und Bewältigungsmustern andererseits klar unterschieden werden kann. Hilfen für Angehörige Das Hilfesystem für Angehörige ist bei weitem nicht so differenziert wie das für Suchtkranke. Dennoch gibt es zahlreiche Möglichkeiten der Hilfe, die möglichst früh einsetzen sollten. Diese bestehen in den bekannten Selbsthilfegruppen, die teilweise speziell für Angehörige (z.B. Al-Anon) durchgeführt werden. In manchen Fällen, in denen eine komplexe, behandlungsbedürftige psychische Störung vorliegt, sollte professionelle Hilfe in Form von Psychotherapie aufgesucht werden. Besonders wichtig erscheinen Formen der sozialen Unterstützung und Gruppenangebote, da diese den Angehörigen Hilfen auch jenseits der zeitlich limitierten Angebote (Therapiestunde, Selbsthilfetreffen) bereitstellen können. II. Kinder von Suchtkranken Die zweite große Angehörigengruppe, auf die im Rahmen dieses Beitrags fokussiert wird, sind die Kinder von Alkoholabhängigen. Auch diese Gruppe wurde traditionell wenig berücksichtigt. Inzwischen liegen zu diesem Themenbereich jedoch – vor allem aus dem angloamerikanischen Bereich – zahlreiche Forschungsergebnisse und Interventionsansätze (siehe zusammenfassend z.B. Klein & Zobel, 1997) vor. Die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas "Kinder von Suchtkranken" ist dementsprechend weiter fortgeschritten als die des vorausgehenden Themenbereichs "Partner von Suchtkranken". Zahlen zum Thema Kinder von Alkoholabhängigen In einer Vielzahl von Studien wurde nachgewiesen (z.B. McKenna & Pickens, 1981; Hesselbrock et al., 1982), dass Alkoholabhängige überzufällig oft aus Familien stammen, in denen bereits Vater bzw. Mutter oder beide Elternteile abhängig waren. Schon im Altertum wurde von Philosophen wie Aristoteles und Plutarch beobachtet, dass Kinder von Trinkern oft selbst ein auffälliges Trinkverhalten entwickelten. Der von Plutarch stammende Satz "Trinker zeugen Trinker" (zit.n. Goodwin, 1979, 57) weist auf diesen Sachverhalt anschaulich hin, suggeriert aber zugleich, dass die Abhängigkeit quasi durch Geburt, und damit unausweichlich, an die Kinder weitergegeben wird. Eine oft zitierte Reviewstudie (Cotton, 1979) zeigte, dass von knapp 4000 alkoholabhängigen Personen 30.8% einen abhängigen Elternteil aufwiesen. Demgegenüber gaben in der nichtklinischen Kontrollstichprobe von 922 Personen lediglich 4.7% einen abhängigen Elternteil an. Für eine gemischte psychiatrische Vergleichsstichprobe von 1082 Patienten konnte in 12.0% aller Fälle Alkoholabhängigkeit in der Elterngeneration ermittelt werden. Eine Langzeitstudie über einen Zeitraum von 33 Jahren (Drake & Vaillant, 1988) brachte für erwachsene Kinder aus Suchtfamilien in 28% der Fälle eine Diagnose für Alkoholabhängigkeit. Männer mit einem abhängigen Vater hatten mehr als doppelt so häufig eine Alkoholabhängigkeit als Männer ohne abhängigen Vater. Als besonders belastet erweisen sich diejenigen jungen Erwachsenen aus einer suchtbelasteten Familie, bei denen beide Elternteile suchtkrank waren oder bei denen ein suchtkranker Elternteil seine Abhängigkeit nicht erfolgreich bewältigen konnte. Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass es das quantitative und qualitative Ausmaß der Exposition gegenüber der elterlichen Abhängigkeit ist, das sich pathogen auf die Entwicklung der Mitglieder der nächster Generation auswirkt. Junge Erwachsene, deren Eltern ihre Abhängigkeit schon lange überwunden haben oder bei denen nur ein Elternteil suchtkrank war, haben eine vergleichsweise bessere Entwicklungsprognose, die sich – wie Moos et al. (1990) zeigen konnten – vielfach gar nicht von der junger Erwachsener aus normalen Familien unterscheidet. Die Autoren kommen deshalb auch zu der Schlussbewertung: "The stress-related influence of parental alcoholism seems to diminish or disappear when the parent succeeds in controlling his or her alcohol abuse" (Moos et al., 1990, 183). Die aufgeführten Studien belegen in Übereinstimmung mit einer Vielzahl anderer Untersuchungen (siehe zusammenfassend: Sher, 1991; Lachner & Wittchen, 1997), dass Kinder von Alkoholikern, und zwar insbesondere Söhne, als Risikogruppe für die Entwicklung von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit angesehen werden müssen. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass diese Kinder im Vergleich zu Kindern nicht suchtkranker Eltern ein bis zu sechsfach höheres Risiko haben, selber abhängig zu werden oder Alkohol zu missbrauchen. Belegt ist auch, dass für Kinder in suchtbelasteten Familien das Risiko der Erkrankung an anderen psychischen Störungen (insbesondere Angststörungen, Depressionen, Persönlichkeitsstörungen) deutlich - wenn auch nicht so stark wie für Abhängigkeitserkrankungen - erhöht ist (Velleman, 1992). Jedoch ist ausdrücklich nicht davon auszugehen, dass alle Kinder von Alkoholikern eine eigene Abhängigkeit oder andere psychische Störungen entwickeln müssen. Vielmehr spielen zahlreiche pathogene und protektive Faktoren bei der Transmission von Störungen, also der Weitergabe einer Krankheit von der Elterngeneration auf die Kinder, eine wichtige abschwächende oder verstärkende Rolle. So hat sich gezeigt, dass die Abhängigkeit beider Elternteile das Erkrankungsrisiko der Kinder erhöht (Quinten & Klein, 1999), wie andererseits die Aufrechterhaltung von Transaktionsmustern und –ritualen aus der Zeit vor der Abhängigkeit das Erkankungsrisiko für die Kinder abschwächt (Bennett & Wolin, 1994). Klar ist jedoch, dass die Gruppe der Kinder aus suchtbelasteten Familien als Ganzes eine höhere Vulnerabilität gegenüber Verhaltens- und Erlebensstörungen aufweist als Kontrollgruppen mit normalem familiärem Hintergrund. Es zeichnet sich dabei ab, dass Merkmale der Familienumwelt, Persönlichkeitseigenschaften, Kognitionen und biologische Dispositionen des Kindes interagieren und letztendlich das Auftauchen sowie die Ausprägung von psychischen Störungen bestimmen. Neuere Studien zeigen (siehe zusammenfassend Pollock, 1992), dass vor allem Söhne von Alkoholabhängigen als junge Erwachsene auf Alkohol oft anders reagieren als Vergleichspersonen, und zwar sowohl subjektiv (d.h. in ihrem eigenen Empfinden) als auch objektiv (d.h. mit physiologischen Parametern). Im einzelnen ergab sich, dass sie einerseits die berauschenden Effekte des Alkohols erst bei einer höheren Konzentration wahrnahmen - also mehr trinken mussten, um den gleichen berauschenden Effekt zu spüren wie Vergleichspersonen. Die später einsetzenden unangenehmen Effekte, - gemeinhin als Kater, Hangover usw. bekannt - nahmen sie ebenfalls in geringerem Maße wahr. Andererseits wurde für Söhne von Abhängigen eine erhöhte Stressdämpfung nach Alkoholkonsum nachgewiesen (Levenson et al., 1987). Dies hat zur Folge, dass Alkoholtrinken positiv erlebt wird, da es das subjektive Stresserleben verringert. Diese Ergebnisse (allgemeine vegetative Hyperreagibilität und herabgesetzte Sensitivität auf Ethanol) machen deutlich, dass eine dispositionell erhöhte Toleranz in bezug auf Alkohol sowie verstärkte Stressdämpfungseffekte entscheidende Risikofaktoren im Rahmen des genetisch determinierten Vulnerabilitätsanteils für die Entwicklung von Abhängigkeit darstellen. Ein zweiter wesentlicher Risikofaktor, neben den biologischen Anlagen, ist in der Familienumwelt der Kinder suchtkranker Eltern zu sehen. Die in diesem Zusammenhang am häufigsten anzutreffende Familienkonstellation, bestehend aus einem alkoholabhängigen Vater und einer nicht suchtkranken Mutter, bringt entscheidende Veränderungen in der Dynamik der betroffenen Familien mit sich. Die Eltern können oft ihren Pflichten als Erzieher der Kinder nicht mehr in genügendem Maße nachkommen, da der Abhängige in vielen Fällen auf das Suchtmittel fixiert ist und daher die Kinder kaum mehr wahrnimmt. Die Mutter braucht ihre Kräfte meist für das grundlegende Funktionieren der Familie und die Wahrung einer vermeintlich intakten Fassade nach außen hin. All diese suchtbedingten intrafamilialen Veränderungen zeigen Wirkungen hinsichtlich einer negativeren Familienatmosphäre, einer deutlich schwächeren oder stärkeren, d.h. extremeren, Familienkohäsion sowie in Bezug auf die Frustration kindlicher Bedürfnisbefriedigungen (z.B. nach Sicherheit, Verlässlichkeit, Geborgenheit) und die Qualität der Eltern-Kind-Bindungen. Hauptsymptome Kinder in suchtbelasteten Familien gelten, wie bereits erwähnt, als eine Risikogruppe bezüglich der Entwicklung eigener Suchterkrankungen ab dem Jugendalter, aber auch bezüglich vielfältiger psychischer und körperlicher Störungen in Kindheit, Jugend- und Erwachsenenalter. Am häufigsten werden "die Symptomgruppen Hyperaktivität, Störungen des Sozialverhaltens, Intelligenzminderungen, somatische Probleme und Misshandlungen sowie Angst und depressive Symptome" (Elpers & Lenz, 1994, 107) erwähnt. Im Jahre 1969 legte Margaret Cork mit der Veröffentlichung ihres Buches "The forgotten children" eine erste systematische klinische Befragung von Kindern aus suchtbelasteten Familien vor. Sie hatte in ihrer Studie 115 Kinder aus Alkoholismusfamilien im Alter von 8 - 16 Jahren ausführlich interviewt. Die von den betroffenen Kindern am häufigsten genannten Anliegen und Erfahrungen waren: 1. Nicht zu Freunden gehen, um nicht in die Zwangslage zu geraten, diese zu sich nach Hause einladen zu müssen, wo die Eltern sich beschämend verhalten könnten. 2. In der Schule mit den Gedanken zu Hause sein, was dort gerade Schlimmes passiert oder bald passieren wird. 3. Andere Kinder beneiden oder eifersüchtig auf diese sein, wenn sie Spaß und Leichtigkeit mit ihren Eltern erleben. 4. Sich als Kind unter Gleichaltrigen isoliert, abgewertet und einsam fühlen. 5. Sich von den Eltern vernachlässigt, bisweilen als ungewolltes Kind fühlen. 6. Für die Eltern sorgen, sich um sie ängstigen, insbesondere wenn die Mutter süchtig trinkt. 7. Sich um Trennungsabsichten oder vollzogene Trennungen der Eltern unablässig Sorgen machen. 8. Als Jugendlicher die Eltern nicht im Stich lassen wollen (z. B. nicht von zu Hause ausziehen können). 9. Die Eltern für ihr Fehlverhalten entschuldigen. Lieber andere Menschen oder sich selbst beschuldigen. (10)Vielfache Trennungen und Versöhnungen der Eltern erleben und sich nicht auf einen stabilen, dauerhaften Zustand verlassen können. 11. Wenn der trinkende Elternteil schließlich mit dem Alkoholmissbrauch aufhört, weiterhin selbst Probleme haben oder solche suchen. Zu den von Kindern insgesamt am häufigsten genannten Erfahrungen gehört die der Unberechenbarkeit des elterlichen Verhaltens. Dies bezieht sich verstärkt auf den Alkohol trinkenden, aber auch auf den jeweils anderen, (meist als coabhängig bezeichneten) Elternteil. Versprechungen, Vorsätze, Ankündigungen usw. werden oft nicht eingehalten, aber auch inkonsistentes Belohnungs- und Bestrafungsverhalten herrscht vor. Generell werden sehr viele Ambivalenzerfahrungen und Loyalitätskonflikte berichtet (z.B. manchmal übermäßig verwöhnt und manchmal übermäßig bestraft zu werden; den alkoholabhängigen Elternteil extrem zu verachten und zu hassen, ihn aber auch sehr zu mögen und zu umsorgen; den alkoholabhängigen Elternteil auch im Erwachsenenalter noch kontrollieren zu müssen). In manchen Fällen wurde deutlich, dass Kinder das süchtige Trinken ihrer Eltern auf sich selbst attribuierten, z.B. wegen spezifischer eigener Fehlverhaltensweisen oder - im Extremfall - wegen ihrer bloßen Existenz. West & Prinz (1987) benennen in ihrer Überblicksarbeit, in der sie 46 empirische Studien aus den Jahren 1975 bis 1985 auswerteten, Auswirkungen in den folgenden Bereichen: (1) Hyperaktivität und Verhaltensauffälligkeiten (2) Substanzmissbrauch, Delinquenz und Schuleschwänzen (3) Kognitive Funktionsstörungen (4) Soziale Interaktionsprobleme (5) Körperliche Probleme (6) Angst und Depressionen (7) Körperliche Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung (8) Dysfunktionale Familieninteraktionen. Für Kinder in Suchtfamilien gelten besondere Regeln, z.B. dass Gefühlskontrolle, Rigidität, Schweigen, Verleugnung und Isolation geeignete Problembewältigungsverhaltensweisen (Wegscheider, 1988) sind. Es herrschen auch oft extreme Belastungssituationen vor. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie mehr Streit, konflikthafte Auseinandersetzungen und Disharmonie zwischen den Eltern erleben als andere Kinder; sie extremeren Stimmungsschwankungen und Unberechenbarkeiten im Elternverhalten ausgesetzt sind; sie häufiger in Loyalitätskonflikte zwischen den Elternteilen gebracht werden; Verlässlichkeiten und Klarheiten im familiären Ablauf weniger gegeben sind sowie Versprechungen eher gebrochen werden; sie häufiger Opfer von Misshandlungen (physisch, psychisch, sexuell) und Vernachlässigung werden. Es wäre wünschenswert, zu den bereits erforschten Aspekten stärker die subjektiven Theorien der betroffenen Kinder zum Problemverhalten der Eltern hinzuzufügen. Dies könnte im übrigen Interventions- und Präventionsprogrammen verstärkten Nutzen einbringen, da diese dann direkt an den Problemkonstruktionen der Betroffenen ansetzen. Drohende Konsequenzen Aus einer umfangreichen Überblicksarbeit zu den familiär übertragenen Vulnerabilitätsfaktoren geht das erhöhte Erkrankungsrisiko für Kinder in suchtbelasteten Familien deutlich hervor (Lachner & Wittchen, 1997). Unter Vulnerabilität wird dabei das erhöhte Risiko für die Belastung mit einer psychischen Störung, nicht das reale Vorhandensein einer derartigen Störung verstanden. Im einzelnen unterscheiden die Autoren entsprechend dem biopsychosozialen Modell zwischen psychischen Störungen, emotionalen Merkmalen und Persönlichkeitseigenschaften, kognitiven, sozialpsychologischen und biologischen Variablen in ihren Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen aus Alkoholikerfamilien. Aus der Vielzahl der berichteten Studien zeigen folgende Vulnerabilitätsmerkmale die deutlichsten Unterschiede zwischen Kindern in suchtbelasteten Familien und Kontrollkindern, wodurch klar wird, welche Konsequenzen für die Kinder von Suchtkranken am ehesten drohen: 1. Lebensgeschichtlich früher Beginn mit Alkohol- und Drogenmissbrauch. (2) Häufigere Diagnosen in den Bereichen Angst, Depression und Essstörungen. (3) Stärkere Hyperaktivität, Impulsivität und Aggressivität. (4) Defizite im schulischen Leistungsbereich. (5) Defizite im visuellen Wahrnehmungsbereich. 6. Stärkere intrafamiliäre Konflikte. Zu den drohenden Konsequenzen sind insbesondere solche Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen zu zählen, die aus der sozialpsychologischen Forschung bekannt wurden, wenn Personen keine ausreichende Kontrolle über die eigenen Handlungsfolgen und die Umwelt ausüben können. Dazu zählen insbesondere negative Selbstwirksamkeitserwartung und erlernte Hilflosigkeit. Beide Phänomene treten auf, wenn ein Individuum zu wenige Erfahrungen erfolgreicher Interaktionen mit seinem Umfeld macht und es seine Handlungsziele überwiegend nicht durchsetzen kann. Es ist jedoch anzumerken, dass viele Symptome für Kinder aus Suchtfamilien nicht spezifisch sind, sondern dass einerseits bei Kindern aus anderen dysfunktionalen Familien ähnliche Konsequenzen möglich sind, und dass andererseits die direkt alkoholbezogenen Vulnerabilitätsfaktoren (z.B. genetisches Risiko) stark mit anderen Variablen (z.B. familiale Gewalt) kovariieren. Risikovariablen Im folgenden wird zwischen direkten und indirekten Auswirkungen elterlichen Alkoholmissbrauchs auf die Entwicklung von Kindern unterschieden. Diese Einflüsse sind besonders bedeutsam, da sie die Vulnerabilität für bestimmte Verhaltensstörungen beeinflussen können. Die indirekten Auswirkungen sind solche, die in Interaktion mit Umwelt- und Familienvariablen ihre Pathogenität entfalten. Bei den indirekten Auswirkungen sind es nicht der Alkohol, die Droge oder die psychotrope Substanz selbst, welche die Schädigung beim Kind hervorruft, sondern die Begleitumstände und Konsequenzen des Missbrauchs bzw. der Abhängigkeit. Hierzu zählen z.B. die Instabilität und Unberechenbarkeit des Elternverhaltens, die häufiger auftretenden Formen von Kindesmisshandlung, missbrauch und –vernachlässigung, die häufigeren Trennungen und Scheidungen, chronische Konflikte und Streitigkeiten in den Familien, ein erhöhtes Ausmaß an physischer und psychischer Gewalt usf. Im allgemeinen ist der innerfamiliäre Stress (besonders Duldungs- und Katastrophenstress) deutlich erhöht. Bei den Kindern entwickeln sich Symptome mangelnden Selbstwertgefühls, geringerer Selbstwirksamkeitserwartung und häufig auch Selbsthass und Schuldgefühle (Sher, 1991; Nastasi & DeZolt, 1994). Zu den möglichen direkten Auswirkungen elterlichen Alkoholmissbrauchs auf Kinder zählt an erster Stelle das fetale Alkoholsyndrom (FAS) und die fetalen Alkoholeffekte, im deutschen Sprachraum auch oft Alkoholembryopathie (AE) genannt. Hinzu kommen Alkoholvergiftungen, die nach Ergebnissen von Lamminpää & Vilska (1990) häufiger bei Kindern aus suchtbelasteten Familien als bei unbelasteten Kindern auftreten. Alkoholembryopathie Bei diesem Syndrom sind vor allem kognitive und neuropsychiatrische Schädigungen festzustellen. Die Hauptsymptome des FAS sind Dysfunktionen des zentralen Nervensystems, abnormale Gesichtselemente, Verhaltensdefizite und Wachstumsrückstände (Retardierung). Auch werden häufig enge Zusammenhänge mit Hyperaktivität, geistiger Retardierung und EEG-Anomalien berichtet. In Deutschland kommen heutzutage jährlich etwa 2200 Kinder mit fetalem Alkoholsyndrom zur Welt (Löser, 1995). Mit einer Prävalenz von 1:300 Neugeborenen ist die Alkoholembryopathie (AE) hierzulande häufiger als z.B. Morbus Down mit 1:650 (Löser, 1995). Aufgrund der sehr permissiven Alkoholkonsumkultur in unserer Gesellschaft wird das Gefährdungsrisiko für Ungeborene hierzulande im internationalen Vergleich als hoch angesehen. Da die Problematik der Alkoholembryopathie an anderer Stelle dieses Buches (Querverweis geben!) ausführlich dargestellt wird, mögen diese kurzen Hinweise ausreichen. Hilfen für Kinder von Alkoholabhängigen Aus dem gesamten Forschungsstand (West & Prinz, 1987) ist abzuleiten, dass entscheidend für die Pathogenisierung des Kindes in der suchtbelasteten Familie die Dauer, Art und Häufigkeit der Exposition gegenüber den Folgen des süchtigen Verhaltens eines oder beider Elternteile ist. Für die Frage, in welchen Fällen es also zur Transmission einer Störung kommt, sind vor allem Qualität und Quantität der Exposition gegenüber den negativen Folgen der Alkoholabhängigkeit der Eltern entscheidend. Daher sind dies auch die für Prävention und Intervention bedeutsamsten Aspekte. Unter präventiven Aspekten erscheint es ratsam, Kindern von Alkoholikern möglichst früh Hilfen bereitzustellen, um eine optimale Entwicklung wahrscheinlicher zu machen bzw. erste auftretende Störungen schnell zu behandeln. Daher bewegen sich Frühinterventionen für Kinder aus suchtbelasteten Familien meist an der Grenzlinie zwischen Primär- und Sekundärprävention. Diese Frühinterventionen umfassen meist die ganze Familie. Dabei müssen auf der einen Seite das vorhandene Risiko und die resultierende Vulnerabilität, auf der anderen Seite die bereits vorhandenen Ressourcen genau erfaßt werden, um beide Bereiche in Präventionsplanung und effektive Frühintervention einfließen zu lassen. Aber auch die direkte Arbeit mit Kindern von Suchtkranken hat sich als wichtig und wirksam erwiesen (Robinson & Rhoden, 1998). Dies trifft zum einen auf diejenigen Fälle zu, in denen die Eltern (noch) nicht oder nur ein Elternteil (i.d.R. der Angehörige) bereit sind, Hilfe anzunehmen, zum anderen – als unterstützende Maßnahme -, wenn die Eltern bereits eine Hilfeleistung erhalten. Im einzelnen ist bei den Hilfeleistungen für Kinder von Suchtkranken zwischen Einzel- und Gruppenarbeit mit den Kindern, begleitender Elternarbeit und freizeitpädagogischen Angeboten zu unterscheiden. Diese geschieht in der Regel im ambulanten Kontext (siehe z.B. Dilger, 1994; Ehrenfried et al., 1998), kann aber auch in komplexeren Fällen halboder vollstationär, vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, erfolgen. Die wichtigsten Prinzipien für Hilfen für Kinder von Alkoholabhängigen sind in der Frühzeitigkeit, der Dauerhaftigkeit und Vernetztheit der Maßnahmen in Bezug auf andere familienbezogene Hilfen zu sehen. Schluss Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, anhand der noch sehr spärlichen Forschungsergebnisse zu Angehörigen von Suchtkranken mit den Schwerpunkten Partner und Kinder die Sensibilität für diese Personengruppen, die mehr Personen umfassen als die Suchtkranken selbst, zu steigern. Entsprechende Konsequenzen für das Hilfesystem scheinen naheliegend und zwingend: Darunter sind Frühintervention, Umfeldinterventionen, spezialisierte, zumindest jedoch problemsensibilisierte, Hilfeangebote, Verstärkung der Sekundärprävention für Angehörige, Schwerpunktprävention für Risikogruppen und schließlich ressourcenund lebensfeldorientierte Hilfen zu verstehen. Es bleibt zu hoffen, dass die sich abzeichnenden Innovationen innerhalb der Suchthilfe zu Gunsten dieser Personengruppen zu einer Intensivierung der Hilfemaßnahmen und der Professionalisierung führen werden. Schließlich ist noch anzumerken, dass Hilfen für Partner und Kinder von Alkoholabhängigen sich in gegenseitiger Abstimmung ergänzen und befruchten können. Die Zielgröße heißt dann Hilfen für die von Sucht belastete Familie. Literatur Arenz-Greiving, I. (1998). Selbsthilfegruppen für Suchtkranke und Angehörige. Ein Handbuch für Leiterinnen und Leiter. Freiburg: Lambertus. Bachmeier, R., Funke, W., Herder, F., Kluger, H., Medenwaldt, J., Missel, P., Weissinger, V. & Wüst, G. (1999). Basisdokumentation 1998. Ausgewählte Daten zur Entwöhnungsbehandlung im Fachverband Sucht e.V. Bonn: Fachverband Sucht e.V. (= Reihe: Qualitätsförderung in der Entwöhnungsbehandlung; Band 7). Bennett, L.A. & Wolin, S.J. (1994). Familienkultur und Alkoholismus-Weitergabe. In: Appel, C. (Hrsg.) Kinder alkoholabhängiger Eltern. Ergebnisse der Suchtforschung. (S. 15 - 44). Freiburg: Lambertus. Cermak, T. (1991) Co-addiction as a disease. Psychiatry Annals 21, 266 –272. Cork, M.R. (1969). The forgotten children: A study of children with alcoholic parents. Toronto: Addiction Research Foundation. Cotton, N.S. (1979). The familial incidence of alcoholism. Journal of Studies on Alcohol 40, 89 - 116. Dilger, H. (1994). "Maks": Ein Modellprojekt für Kinder und ihre suchtkranken Eltern. In: Arenz-Greiving, I. & Dilger, H. (Hrsg.): Elternsüchte - Kindernöte. Berichte aus der Praxis. (S. 68 - 78). Freiburg: Lambertus. Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M.H. (Hrsg.) (1991). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. Bern: Huber. Drake, R.E. & Vaillant, G.E. (1988). Predicting alcoholism and personality disorder in a 33-year longitudinal study of children of alcoholics. British Journal of Addiction 83, 799 - 807. DuPont, R.L: & McGovern, J.P: (1991). Co-dependence: A new diagnosis. Part I. Directions in Psychiatry 11, 1 - 8. Edwards, G. et al. (1997). Alkoholkonsum und Gemeinwohl. Strategien zur Reduzierung des schädlichen Gebrauchs in der Bevölkerung. Stuttgart: Enke. Ehrenfried, T., Heinzelmann, C., Kähni, J. & Mayer, R. (1998). Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus Familien Suchtkranker. Balingen: Selbstverlag (2. Korrigierte Auflage). Elpers, M. & Lenz, K. (1994). Psychiatrische Störungen bei Kindern alkoholkranker Eltern. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie 22, 107 - 113. Fengler, J. (1994). Süchtige und Tüchtige. München: Pfeiffer. Fengler, J. (2000). Co-Abhängigkeit. In: In: Stimmer, F. (Hrsg.). Suchtlexikon. (S. 90 96). München: Oldenbourg. Gastpar, M. , Mann, K. & Rommelspacher, H. (Hrsg.) (1999). Lehrbuch der Suchterkrankungen. Stuttgart: Thieme. Goodwin, D.W. (1979). Alcoholism and heredity. Archives of General Psychiatry 36, 57 - 61. Gotham, H.J. & Sher, K.J. (1996). Do codependent traits involve more than basic dimensions of personality and psychoptahology? Journal of Studies on Alcohol 57, 34 – 39. Hall, R.L., Hesselbrock, V.M. & Stabenau, J.R. (1983). Familial distribution of alcohol use: II. Assortive mating of alcoholic probands. Behavior Genetics 13, 373 – 382. Heron, D. (1912). A second study of extreme alcoholism in adults. London: Eugenics Laboratory Memoirs No. 17. Hesselbrock, V.M., Stabenau, J.R., Hesselbrock, M.N., Meyer, R.E. & Babor, T.F. (1982). The nature of alcoholism in patients with different familiy histories for alcoholism. Progress in Neuro-Psychopharmacology and Biological Psychiatry 6, 607 - 614. Jackson, J.K. (1954). The adjustment of the family to the crises of alcoholism. Quarterly Journal of Studies on Alcohol 15, 562 - 586. Klein, M. (1997). Ziele und Strukturen des Suchthilfesystems. Gestern - heute – morgen. In: Sticht, U. (Hrsg.). Gute Arbeit in schlechten Zeiten - Suchtkrankenhilfe im Umbruch. (S. 130 – 159). Freiburg: Lambertus. (= 22. Freiburger Sozialtherapiewoche 1997). Klein, M. & Zobel, M. (1997). Kinder aus alkoholbelasteten Familien. Kindheit und Entwicklung. Zeitschrift für Klinische Kinderpsychologie, 6, 133 - 140. Kogan, K.L., Fordyce, W.E. & Jackson, J.K. (1963). Personality disturbances of wives of alcoholics. Quarterly Journal of Studies on Alcohol 24, 227 – 238. Kogan, K.L. & Jackson, J.K. (1965). Stress, personality and emotional disturbance in wives of alcoholics. Quarterly Journal of Studies on Alcohol 26, 486 – 495. Lachner, G. & Wittchen, H.U. (1997). Familiär übertragende Vulnerabilitätsmerkmale für Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit. In: Watzl, H. & Rockstroh, B. (Hrsg.). Abhängigkeit und Missbrauch von Alkohol und Drogen. (S. 43 - 89). Göttingen: Hogrefe. Lamminpää, A. & Vilska, J. (1990). Children´s alcohol intoxications leading to hospitalizations and the children´s psychosocial problems. Acta Psychiatrica Scandinavica 81, 468 - 471. Lemert, E.M. (1960). The occurence and the sequence of events in the adjustment of families to alcoholism. Quarterly Journal of Studies on Alcohol 21, 679 – 697. Lemert, E.M. (1962). Dependency in alcoholic marriages. Quarterly Journal of Studies on Alcohol 23, 590 - 609. Levenson, R.W., Oyama, O.N. & Meek, P.S. (1987). Greater reinforcement from alcohol for those at risk: Parental risk, personality risk, and sex. Journal of Abnormal Psychology 96, 242 - 253. Löser, H. (1995). Alkoholembryopathie und Alkoholeffekte. In: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.) Jahrbuch Sucht ´96. (S. 41 – 52). Geesthacht: Neuland. McGovern, J.P. & DuPont, R.L. (1992). Co-dependence: The other half of addiction. Houston Medicine 8, 5 – 11. McKenna, T. & Pickens, R. (1981). Alcoholic children of alcoholics. Journal of Studies on Alcohol 42, 1021 - 1029. Moos, R.H., Finney, J.W. & Cronkite, R. (1990). Alcoholism treatment: Context, process and outcome. New York: Oxford University Press. Moos, R.H., Finney, J.W. & Gamble, W. (1982). The process of recovery from alcoholism. II. Comparing spouses of alcoholic patients and matched community controls. Journal of Studies on Alcohol 43, 888 – 909. Nastasi, B.K. & DeZolt, D.M. (1994). School interventions for children of alcoholics. New York: Guilford Press. Paolino, T.J., McCrady, B., Diamond, S. & Longabaugh, R. (1976). Psychological disturbances in spouses of alcoholics. An empirical assessment. Journal of Studies on Alcohol 37, 1600 – 1608. Pollock, V.E. (1992). Meta-analysis of subjective sensitivity to alcohol in sons of alcoholics. American Journal of Psychiatry 149, 1534 - 1538. Potter-Efron, R.T. & Potter-Efron, P.S. (1989). Assessment of codependency with individuals from alcoholic and chemically dependent families. Special issue: Codependency: Issues in treatment and recovery. Alcoholism Treatment Quarterly 6, 37 - 57. Quinten, C. & Klein, M. (1999). Langzeitentwicklung von Kindern aus suchtbelasteten Familien – Ergebnisse der Thommener Kinderkatamnese. In: Fachverband Sucht (Hrsg.): Suchtbehandlung. Entscheidungen und Notwendigkeiten. (S. 235 - 243). Geesthacht: Neuland. (= Schriftenreihe des Fachverbandes Sucht e.V.; 22). Rimmer, J. & Winokur, G. (1972). The spouses of alcoholics: An example of assortive mating. Diseases of the Nervous System 33, 509 – 511. Robinson, B.E. & Rhoden, J.L. (1998). Working with children of alcoholics. The practitioner´s handbook. 2nd Edition. Thousand Oaks: Sage. Schneewind, K.A. (1991). Familienpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer. Schneider, R. (1996). Die Suchtfibel. Informationen zur Abhängigkeit von Alkohol und Medikamenten. Baltmannsweiler: Röttger-Schneider (= 10., vollst. überarb. Aufl.). Schuckit, M.A., Tipp, J.E. & Kelner, E. (1994). Are daughters of alcoholics more likely to marry alcoholics? American Journal of Drug and Alcohol Abuse 20, 237 - 245. Schwoon, D.R. 1993. Bekehren - Heilen - Ausmerzen - Begleiten: Wiederkehrende Interaktionsfiguren im Umgang mit Alkoholikern. In: Andresen, B., Stark, F.M. & Gross, J. (Hrsg.). Psychiatrie und Zivilisation. (S. 213 – 228). Köln: Edition Humanistische Psychologie. Sher, K.J. (1991). Children of alcoholics. A critical appraisal of theory and research. Chicago: University of Chicago Press. Steinglass, P. (1983). Ein lebensgeschichtliches Modell der Alkoholismusfamilie. Familiendynamik 8, 69 – 91. Streissguth, A.P., Barr, H.M., Sampson, P.D. & Bookstein, F.L. (1994). Prenatal alcohol and offspring development: The first fourteen years. Drug and Alcohol Dependence 36, 89 - 99. Velleman, R. (1992). Intergenerational effects - a review of environmentally oriented studies concerning the relationship between parental aclohol problems and family disharmony in the genesis of alcohol and other problems. II. The intergenerational effects of family disharmony. The International Journal of the Addicitions 27, 367 389. von Villiez, T. (1986). Sucht und Familie. Berlin: Springer. Wegscheider, S. (1988). Es gibt doch eine Chance. Hoffnung und Heilung für die Alkoholiker-Familie. Wildberg: Bögner-Kaufmann. (= Deutsche Übersetzung der englischsprachigen Erstausgabe von 1981). West, M.O. & Prinz, R.J. (1987). Parental alcoholism and childhood psychopathology. Psychological Bulletin 102, 204 - 218. Whitfield, C.L: (1984). Co-alcoholism: Recognizing a treatable illness. Family and Community Health 7, 16 –27. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Michael Klein Katholische Fachhochschule Nordrhein-Westfalen Forschungsschwerpunkt Sucht Abteilung Köln Wörthstraße 10 D - 50668 Köln In den 70er Jahren wurde das Konzept dann weiter generalisiert. Man ging nicht mehr davon aus, daß die Ehefrau die Co-Abhängigkeit innerhalb der Partnerschaft entwickelte, sondern daß sie die Co-Abhängigkeit bereits in der Kindheit durch das Aufwachsen mit einem abhängigen Elternteil entwickelt hat. Demnach wählen Frauen mit entsprechenden familiären Erfahrungen in der Regel ebnfalls einen abhängigen Partner, da sie auch hier wieder Verantwortung übernehmen und daraus ihre Identität ableiten können. Anfang der 90er Jahre wurde das Konzept dann auf alle Familien übertragen, die als 'dysfunktional' angesehen werden können. Demnach entwickeln Kinder aus dysfunktionalen Familien in ihrem späteren Leben ebenfalls dysfunktionale, hilfebezogene Beziehungsmuster mit suchtbelasteten Menschen (Prest & Protinsky, 1993). Die empirische Bestätigung dieser Sichtweise steht allerdings noch aus. Fischer et al. (1992) fanden keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dysfunktionalen Merkmalen in der Herkunftsfamilie und späterem co-abhängigem Verhalten. Irwin (1995) fand bei 190 Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 31.5 Jahren sowohl im Codependence Inventory (O'Brien & Gaborit, 1992) als auch auf der Spann-Fischer Codependency Scale (Fischer et al., 1991) keinen Zusammenhang zwischen dem Aufwachsen mit einem abhängigen Eltenteil und späterem co-abhängigen Verhalten. Es zeigte sich auch kein Zusammenhang zwischen traumatischen Kindheitserfahrungen und späterer Co-Abhängigkeit. Hinkin & Kahn (1995) fanden, daß Frauen mit elterlicher Abhängigkeit (Durchschnittsalter 45 Jahre) und abhängigem Ehemann nicht mehr Symptome von Co-Abhängigkeit zeigten als solche Frauen ohne elterliche Abhängigkeit, deren Ehemann ebenfalls abhängig war.