Cannabis-Anbau: Die rechtliche Lage in Österreich

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Cannabis-Anbau: Die rechtliche Lage in Österreich
07.04.2015, 08:38 von APA
Cannabis-Anbau: Die rechtliche Lage in Österreich
Cannabis-Stecklinge gibt es vielerorts zu kaufen. / Bild: (c) epa/ABIR SULTAN
Die
Sache
mit
dem
legalen
Hanfanbau
ist
gar
nicht
so
einfach
erklärt.
Solange
die
Hanfpflanzen
nicht
zur
Blüte
gebracht
werden,
ist
deren
Besitz
erlaubt.
Wien. "Samen und Blätter der Cannabispflanze, die nicht mit Blüten- und
Fruchtständen vermengt sind, sind ausdrücklich von der Suchtgiftverordnung
ausgenommen (...)", ortete das Wiener Oberlandesgericht.
Denn erst mit der Blüte entwickelt der Hanf den berauschenden CannabisWirkstoff THC. Dessen Erwerb, Erzeugung und Verkauf ist in Österreich strafbar.
Und in diesem juristischen Graubereich werden in Österreich zahlreiche Geschäfte
betrieben, die auf legalem Weg Cannabispflanzen aufziehen und schlussendlich
mit dem Hinweis verkaufen, dass die Stecklinge nicht zur Suchtgiftgewinnung
verwendet werden dürfen.
Dazu werden die Pflanzen unter Vorgaukelung eines langen Sonnentages
aufgezogen. Das heißt, das Cannabis wird für mindestens 18 Stunden beleuchtet,
um die Ausbildung von Blüten- und Fruchtständen hintanzuhalten. Der Hanf ist
eine einjährige Pflanze, die im Frühjahr keimt, im Sommer wächst und im Herbst,
wenn die Tage kürzer werden, zu blühen beginnt. "Mit der Bestrahlung von 18
Stunden simulieren wir den Sommer und verhindern so die Blüte", erzählte
Alexander Kristen, der seit elf Jahren im Geschäft ist.
"Flowery Field" in Brunn am Gebirge
In seiner Gärtnerei "Flowery Field" in Brunn am Gebirge wächst auf 1.000
Quadratmeter eine völlig legale Cannabisplantage. Aus den Mutterpflanzen
werden die Stecklinge für den Verkauf aufbereitet, nicht immer zur Freude von
Anrainern. Obwohl die Gewächse keine Blüten haben, wurde Kristen im Zuge
seiner Geschäftstätigkeit bereits mehrmals angezeigt, weil Nachbarn verdächtigen
süßlichen Marihuanageruch in seinen Räumlichkeiten wahrnahmen. Vier Mal
wurden die Vorwürfe gerichtsanhängig, die Verfahren jedoch eingestellt.
Cannabisstecklinge
Das Problem ist nämlich, dass Marihuanakonsumenten seit geraumer Zeit ihr
Suchtgift lieber daheim anbauen, als das Gras auf der Straße zu erwerben, weiß
Anwalt Philipp Wolm, der u.a. Mitglieder der Wiener Drogenbande "La Familia"
vertritt. "Weil das ist auch die leichtere Variante für den Konsumenten, um an sein
Gift zu kommen", erklärte der Strafverteidiger. Somit könnte den Geschäften, in
denen Cannabisstecklinge an diese Homegrower verkauft werden,
Beitragstäterschaft unterstellt werden. "Das ist aus meiner Sicht absolut strittig
momentan, weil der Vorsatz des Grow-Shop-Betreibers müsste sein, dass die
Abnehmer dadurch Suchtgift gewinnen können und er sich auch mit diesem
Umstand abfindet. Das könnte eine Beitragstäterschaft rechtfertigen", meinte
Wolm.
Operation "Grasgeflüster"
2012 wurde nämlich in der Steiermark eine Bande festgenommen, weil u.a. der
Geschäftsbesitzer des Hanfshops nebenher eine illegale Cannabiszucht betrieben
haben soll. Bei der Operation "Grasgeflüster" wurden damals 24 Kilo Marihuana
sichergestellt, kein gutes Licht für andere Grow-Shop-Betreiber.
Richtungsweisend könnte zu diesem Thema der Beschluss des OLG Wien sein.
Eine niederösterreichische Gärtnerei wehrte sich gegen die Beschlagnahmung von
rund 1.000 Cannabispflanzen und 5.000 Hanfsetzlingen, indem sie einwandte,
dass das Kultivieren von Cannabissetzlingen nicht grundsätzlich strafbar sei, da sie
zu keinem Zeitpunkt ins Auge gefasst hätte, dass mit diesen Pflanzen Suchtgift
erzeugt werde, sondern diese als "Zierpflanzen" verkauft werden sollten. Die
Betreiber dieser Gärtnerei verwiesen auch auf "Flowery Field", was zur Folge hatte,
dass auch gleich gegen Kristen ermittelt wurde.
"Beipackzettel"
Die Anklagebehörde ortete nämlich Beitragstäterschaft, da sich der Betreiber des
niederösterreichischen Hanf-Shops auch strafbar mache, "wenn er selbst zwar
lediglich Stecklinge züchtet und weitergibt, seine Abnehmer jedoch damit Suchtgift
gewonnen haben und dieser Umstand von seinem Vorsatz umfasst ist", zitierte das
OLG. "Dass er sich allerdings mit der Suchtgiftgewinnung seiner Handelspartner
(oder deren Abnehmer) abfand, ist dem Akteninhalt derzeit nicht zu entnehmen",
ortete das Oberlandesgericht. Auf einem "Beipackzettel" habe das beschuldigte
Unternehmen den Kunden "unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, sich
keinesfalls mit einer Suchtgiftgewinnung durch seine Käufer abfinden zu wollen."
Somit gebe es im Rahmen dieser Grenzen "Raum für legalen
Cannabispflanzenanbau", entschied das OLG.
An diese Vorgabe hält sich auch Kristen. "Wir weisen im Geschäft darauf hin, dass
die Pflanzen nicht zu einem gesetzwidrigen Zweck verwendet werden dürfen",
deutet der Geschäftsmann auf ein Informationsschild neben der Kassa. 2004 hat
er in einem 20 Quadratmeter großen Raum in einem Keller in Wien-Neubau seine
erste Plantage gepflanzt, das war "für die Leute noch etwas Exotisches". Die
Geschäftsidee für eine legale Hanfaufzucht kam Kristen ausgerechnet bei seinem
Jusstudium im Rahmen der Strafrechtsprüfung.
80 bis 100 verschiedene Cannabissorten
Jetzt verkauft er in seinen nüchtern gehaltenen Verkaufsräumen 80 bis 100
verschiedene Cannabissorten, über einen Umsatz schweigt er sich allerdings aus.
Er soll jedoch in die Millionen gehen. Jede Woche verkauft er "mehrere tausende"
Stecklinge. Mittlerweile hat er 30 Mitarbeiter. Seine Kunden sind in allen
Schichten zu finden. "Akademiker, Polizisten, bis hin zu den Leuten, die das volle
Klischee erfüllen" würden Kristens Zierpflanzen kaufen.
Entkriminalisierung von Cannabis
"Ich merke schon die gesellschaftliche Veränderung", meinte Kristen. Seit elf
Jahren führt er das Geschäft und "ich merke wie ich jetzt von den Leuten
behandelt werde und wie es noch vor zehn Jahren war." Eine Entkriminalisierung
von Cannabis zum Eigenbedarf sieht auch die Strafgesetzbuch-Reform vor. Dabei
soll der Grundsatz der "Therapie statt Strafe" für Drogensüchtige stärker betont
werden. Das heißt, der Besitz von Kleinstmengen an Drogen nachweislich zum
Eigengebrauch soll nicht mehr automatisch zur Strafanzeige führen, wenn der
Betreffendemit den Gesundheitsbehörden kooperiert.