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JETZT ABER SERIÖS MANAGEMENT FOTOS: [M] TIPS-IMAGES / BILDAGENTUR-ONLINE, GETTY IMAGES, IMAGEBROKER / VARIO IMAGES, [M] BILDAGENTUR ZOONAR (RE.) Compliance-Regeln revolutionierenden Vertrieb.DerStarverkäuferhatausgedient, professionelleTeams übernehmen dasGeschäft. 68 UNTERNEHMEN MANAGEMENT ertrieb à la Ergo? Das kennen viele Sales-Leute auch – von früher. Was sei in den 90er Jahren noch gefeiert worden: opulenteAbendessenimSternetempelmit300-Euro-Flaschenerlesenen Rotweins. Pompöse Wochenendeinladungen ins Luxushotel inklusive VIPKartenfüreinBayern-Spiel.MontblancFüller zu Weihnachten. Und natürlich dieChampagnergelageindenspeziellen Etablissements.VieleVerkäufererzählen solcheGeschichten.Zitierenlassenaber willsichkeiner. Verständlich. Denn heute halten sich mehr und mehr Firmen strikt an Compliance-Regeln – auch Mittelständler. BeidenSchmiedewerkenGröditzetwa, einer Tochter der Georgsmarienhütte, achtetAndreasScharfstrengaufMoral und Ordnung. Der Vertriebsleiter sagt, auchdiemeistenseinerKollegeninanderen Firmen verzichteten auf barocke Formen der Absatzförderung: „Die Angstschwelleliegtheutevielniedriger, keinerwillfürdenJobinsGefängnis.“ Absurd hohe Boni, Bordellbesuche oder andere Formen der Bestechung – vorderJahrtausendwendenochprobate und steuerlich abzugsfähige Umsatzstimulanzien– scheinentatsächlichzur Ausnahme geworden zu sein. „Höchstens 3 Prozent der Geschäftsbeziehungen beruhen heute noch auf solchen Exzessen“, schätzt Professor Christian Belz, der an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaft lehrt und sich auf Vertriebspezialisierthat. ObKorruptionbeiSiemensundMAN, PreisabsprachenbeiyssenKruppoder derunappetitlicheAusflugderErgo-VersicherungsvertreterinsBudapesterGellertbad,dieAffärenderjüngstenVergangenheitwirkenoffenbarbeschleunigend fürdenSinneswandel.Musstendiebeteiligten Unternehmen doch hohe Strafen zahlen– undihröffentlichesImageblieb nichtseltenlangfristigramponiert. Allerdings arbeiten viele Sales-Expertennochimmerhemdsärmelig.Derfür den Geschäftserfolg entscheidende Bereichweißzwar,wasnichtmehrerlaubt ist,tutsichaberoftschwer,neueMethodenanzuwenden.„InmehralsderHälfte aller Unternehmen herrscht bei den Vertriebsmethoden enormer Verbesserungsbedarf “, konstatiert Fachmann Belz.EinRückstand,derumsodramatischerwirkt,dadieVerkäuferderzeitim- V 69 UNTERNEHMEN MANAGEMENT MEHR BERATEN FOTO: RENS VAN MIERLO, PR mensen Herausforderungen gegenüberstehen: Erfahrene Kunden informieren sichundkaufenanonymimWeb.ProfessionelleBeschafferpressensystematisch jedes Einsparpotenzial beim Einkauf heraus. Objektivierte Ausschreibungen verdrängengewachseneKontakte. „Die Zeiten, in denen die guten persönlichen Beziehungen eines Verkaufstalents – geschmiedet bei opulenten Vergnügen – glänzende Geschäfte garantierten, sind endgültig vorbei“, stellt Christian Artmann fest. Der Dozent, deranderSteinbeisSchoolofManagement and Innovation Verkäufer weiterbildet,predigtseinenStudentendeshalb unablässig: „Ihr müsst euch professionalisieren.“ Und das schnell. „Bereits heute sind rund70ProzentallerKundenautonom“, konstatiert Holger Dannenberg. Sprich, siewissengenau,wassiekaufenwollen, undbrauchenkeineBeratungdurcheinenVertriebsmenschen,erklärtderGeschäftsführervonMercuriInternational. DieaufSalestrainingfokussierteUnternehmensberatung hat deshalb in einer Studiefürmanagermagazinuntersucht, wie ein erfolgreicher Vertriebsprozess unter derart veränderten Bedingungen funktionierenkann(sieheGrafikunten). Vier Punkte kristallisieren sich nach einer Umfrage unter 1150 Vertriebsleitern in 23 Ländern als besonders wirksamheraus: ■ dieEntwicklungeinerausformulierten Vertriebsstrategie für das gesamte Unternehmen; ERMITTLER: Den wahren Bedarf ihrer Kunden eruieren die Mitarbeiter von Philips-Medizintechnikmanager Hannes Dahnke. Oft brauchen Röntgenpraxen keinen neuen Kernspin- oder Computertomografen, sondern eine bessere Organisation oder eine neue Software. ■ die bereichsübergreifende KonzentrationallerRessourcenaufdieBedürfnisse derKunden; ■ dieEinführungvonklarstrukturierten ProzessenimVertriebund ■ eine bessere Qualifizierung der Verkäufer. „Weniger Spaß, mehr System in der Vertriebsarbeit“,aufdieseknappeFormel bringtHaraldSchedlvonderUnternehmensberatung Simon-Kucher & PartnersdenWandel,denbislangerstwenige Vorreiter im Vertrieb vollzogen haben. DennaufdemWegvomaufdringlichen Klinkenputzer, der vor allem an seine Provisiondenkt,zumkompetentenPartner der Kunden durchläuft nicht nur derVerkäufereinenLernprozess.DasgesamteUnternehmenmusssichmitseinenSystemenundProzessenvielstärker nach den Bedürfnissen seiner Klienten ausrichten. VERTRIEB MIT STRUKTUR SowieesdieSchmiedewerkeinGröditz getanhaben.Die1779inderNähevon ERFOLGSFAKTOREN Eine Studie zeigt, worauf es im Vertrieb ankommt Erfolgreiche Unternehmen TOP 10 % Umsatzschwache Unternehmen Teilnehmer der Studie (1150 befragte Vertriebsleiter)* FLOP 10 % Welche Strategien die Unternehmen nutzen, in Prozent 80 48 Klar definierte Vertriebsstrategie 75 38 Festgelegte Verkaufsprozesse 71 76 Trainingsmodule für die Abläufe 22 40 Jährliche Kundenbefragungen 69 Bereichsübergreifende Verkaufsansätze 29 *Die Unternehmensberatung Mercuri International unterschied bei der Umfrage zwischen den 10 Prozent Unternehmen, die besonders gute Umsätze erzielten, und dem Zehntel mit den schwächsten Zahlen. Quelle: Mercuri International Grafik: manager magazin 70 manager magazin 2 / 2013 UNTERNEHMEN MANAGEMENT Hospital geht, um neue Maschinen zu verkaufen, entsteht ein VertrauensverhältniszumKunden“,erklärtderPraktiker das Erfolgsrezept der Kooperation zwischenFortbildungundVertrieb. HannesDahnke,derdenBereichBildgebende Systeme leitet, freut sich über das Beispiel aus dem Alltag. „Es zeigt, dass wir all unsere Ressourcen nutzen, um die Krankenhäuser bestmöglich zu bedienen.“ So verfolge Philips bei der Betreuung von Röntgenpraxen einen Consultingansatz.Beratersollenherausfinden, welche Lösung zur Situation vor Ort passt. Was häufig etwas völlig anderessei,alsderKundesichzunächst vorstelle,sagtDahnke.Oftbrauchtendie Radiologen keinen neuen Tomografen, sonderneintechnischesUpgrade.Oder sie könnten die Zahl der untersuchten Patienten durch optimierte Abläufe steigern. Für den Verkäufer heißt das, dass er oftaufdenschnellenAbschlussverzichten muss. Dafür „binden wir langfristig Kunden,diemitunsindenverschiedenstenGebietendauerhaftenUmsatzgenerieren“, umreißt Dahnke die ganzheitliche Verkaufsphilosophie, die Philips seitmehrerenJahrenpraktiziert. STARVERKÄUFER IN DER SINNKRISE DiewahrenProblemederKundenerkennen, das gesamte eigene Unternehmen einbeziehen,unterschiedlichsteInteressen koordinieren – die neuen Anforderungen an den Vertrieb stürzen viele Starverkäufer von gestern in eine tiefe Sinnkrise.Unddasnichtnurdurchden Paradigmenwechsel vom Drücker zum Manager. Neuerdings müssen sich die MitarbeiterimVertriebanklardefinierte ProzesseundstrikteRegelungenhalten. UnddasempfindenMenschen,diesich gernalsgenialeKünstlersehen,wahrlich alsechteZumutung. „DastehtdenUnternehmenschwieriges Change-Management bevor“, weiß DozentArtmanndurchseinentäglichen Umgang mit Vertriebsmenschen. Noch immerinterpretierenvieleVerkäuferdas gemeinsame Pflegen und Teilen einer Datenbasis oder das Austauschen von Best Practices als die Preisgabe ihres Herrschaftswissens.Undsounterlaufen sie oft die Customer-Relationship-Management-Systeme und machen aus KundenkontaktenStaatsgeheimnisse. DochdiealtenHaudegenkämpfenauf verlorenemPosten–auchweildieEinkaufsabteilungenihreProzesseumorganisierthaben.MiteinerEinladunginein Gourmetrestaurant lässt sich kein Geschäft mehr machen. Das gilt auch für Länder,indenendergemeineVertreter meint, mit einem gefüllten Aktenkoffer antretenzumüssen. Algerien zum Beispiel. Als das Volk Anfang2011auchindiesemarabischen Land gegen seine Regierung auf die Straßeging,hobendieMachthaberden seit19JahrenherrschendenAusnahmezustand auf und führten Reformen durch. So bekämpfen sie nun auch die Korruption.BeimKaufvonSolartechnik jedenfallsgebeeskeinerleiAnzeichenfür WÜNSCHE ERFÜLLEN FOTOS: RALPH BALKER, INA KLIX / SWG DresdengegründeteStahlschmiedeproduziertheutestatteinfacherStabstähle nachKundenvorgabenbearbeiteteKurbelwellen oder spezielle Teile für EnergiemaschinenfürdieAutoindustrieund denMaschinenbau. Das veränderte Portfolio ist Teil der neuenVertriebsstrategie,diedasTraditionsunternehmen in den vergangenen Jahren entwickelt hat. „Wir wollten unseren Markt strukturierter angehen“, erzähltMitgeschäftsführerScharf.„Deshalb konzentrieren wir uns jetzt auf wenigeBranchenundspezialisierteProdukte,exportierendafürabernichtmehr nur in unsere Heimat Europa, sondern auch nach China, Russland, Brasilien, undindieUSA.“Stattwiefrühernuran Stahlhändler zu liefern, kooperiere der 750-Mann-Betriebjetztdirektmitseinen Abnehmern,etwadengroßenAutomobilzulieferern.MitErfolg:„Heutewerden zumBeispieldieStoßfängerfürdas7erBMW-Faceliftingweltweitinvonunsgeschmiedeten und bearbeiteten Formen hergestellt.“ EinverständnisunterallenVerkäufern darüberzuerzielen,beiwelchenKunden inwelchenRegionensichdasUnternehmenmitwelchenWarenundDienstleistungen am besten hervorheben kann, das klingt eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit. Doch Mercuri-Partner Dannenberg hat bei seiner Umfrage erkannt: „Häufig verfolgt noch jeder Vertriebler seine eigene Verkaufsstrategie, Hauptsache,amJahresendestimmtder Umsatz.“ Solches Einzelkämpfertum funktioniertaberimmerweniger.Produkteund Services werden zunehmend komplex und erklärungsbedürftig, häufig sind Komplettlösungen gefragt, an denen viele verschiedene Abteilungen eines Unternehmens beteiligt sind. Aus dem einsamenVerkaufsgeniemusseinTeamspieler werden, der mit Kollegen aus diversen Fachbereichen zusammenarbeitet und deren Engagement für den Kundenkoordiniert. So schult Michael Wolff, Experte für Magnetresonanztomografie,regelmäßig medizinisch-technische Assistentinnen in den physikalischen Grundlagen der MRT-Geräte von Philips. Bei der Gelegenheit kann der anwesende AccountManager ganz praktisch den Kontakt zum Radiologen und dessen Abteilung intensivieren.„WeilPhilipsnichtnurins MASSSCHNEIDER: Mit Speziallösungen überzeugt Andreas Scharf, Vertriebschef der Schmiedewerke Gröditz, seine Kunden. So offeriert er ihnen individuell bearbeitete Stahlwerkstücke. UNTERNEHMEN MANAGEMENT KLUG MOTIVIEREN FOTOS: GETTY IMAGES, MARKUS HAUSCHILD Bestechung, sagt Peter Fath. Der Technik-undMarketingvorstandvonCentrotherm Photovoltaics muss es wissen, denn die Schwaben haben den Machthabern eine komplette Fabrik für Fotovoltaikmodule verkauft, die zurzeit an derAutobahnnebendemFlughafenvon Algiergebautwird. „MauscheleienwarenbeiunserenVerhandlungenunmöglich,weilunsimmer sechsbisachtPersoneninunterschiedlichen Besetzungen gegenübersaßen“, berichtet der Manager des Maschinenbauers. Die Gesprächspartner, die teilweise in höchsten Rängen standen, seien gut vorbereitet gewesen und hättenrundumprofessionellagiert. Werdamithaltenwill,mussseineVertrieblerandersschulenalsfrüher.„Einen charismatischenTrainerengagierenund das ganze Programm als Druckbetankung an einem Wochenende durchziehen funktioniert sicher nicht“, erklärt Mercuri-Berater Dannenberg. StattdessenmüsstensichdieMitarbeiterpermanent weiterbilden – in Online-Schulungen, Web-Konferenzen, mit E-Learning, UNTERNEHMER: Plansecur bietet seinen selbstständigen Beratern die Chance, sich als Partner an der Gesellschaft zu beteiligen. Für viele Anlageexperten sei das ein großer Anreiz, sich ganz besonders für die Gesellschaft zu engagieren, sagt Geschäftsführer Johannes Sczepan. UNTERNEHMEN MANAGEMENT aber auch im persönlichen Austausch mitKollegenundKunden. KOSTBARES KUNDENWISSEN Bei Hilti etwa treffen sich regelmäßig dieVertriebsteamseinerRegion.DietypischenrotenAutosderVertreterbelegen dann den ganzen Parkplatz eines gutbürgerlichen Hotels. Im Konferenzraum beratendieAußendienstler,wiesiebessermitdenKundenzusammenarbeiten. Etwawiesietreffsichererermittelnkönnen,welcheProdukteundLösungendie Unternehmen für ihre Aufgaben denn wirklich benötigen – immer nach dem Motto: „Wir verkaufen keine Bohrhämmer,sondernLöcherinderWand.“ Weil sich alle Mitarbeiter des WerkzeugherstellerssointensivmitdenAnliegenihrerKlientelbeschäftigen,entstand etwadieIdeefürdenselbstschärfenden Meißel. Hatten doch vielfach Handwerker darüber geklagt, dass sie zu selten dazu kämen, die Bohreinsätze nachzuschleifen.HeutekaufensieHiltidenauf diese Anregung hin entwickelten Polygonmeißelmassenweiseab. Beraten statt verticken, strukturiert a rbeiten statt improvisieren, im Team spielen statt allein kämpfen – der Job desVerkäufersändertsichinZeitenvon Compliance, Online-Shopping und professionellemEinkaufradikal.Ersteinmal zuungunstendesVertrieblers,weilerwenigerProvisionenundauchsonstkeine materiellenBelohnungenkassiert. Wie können die Unternehmen ihre Mitarbeitermotivieren,denWandelmitzumachen? Mit den alten monetären Mechanismen jedenfalls nicht, ist Jörg Müller überzeugt. Der Personalchef der BernerGroup,dieAutowerkstättenund Bauunternehmen mit Werkzeugen und Verbrauchsmaterial beliefert, betreut rund6000AußendienstlerundstelltgeradedasGehaltssystemvonweitgehend provisionsbasiert auf hohen Fixanteil und geringe Erfolgsbeteiligung um. DabeiwirddievariableKomponentenicht andenindividuellenUmsatz,sondernan den Gesamtgewinn gekoppelt. „Wissenschaftlich ist längst bewiesen, dass die vermeintlichen Incentives weitgehend wirkungslos bleiben“, begründet Müller seinVorgehen.„HoheBonifürEinzelleistungenwirkensogaroftkontraproduktiv aufdasUnternehmen.“ Stattdessen muss es dem Arbeitgeber gelingen,dieMotivationseinerVerkäufer anderszufördern.DerFinanzdienstleisterPlansecur,derseit27JahrenskandalfreiVersicherungen,FondsoderImmobilienvermittelt,siehtsichhieralsBeispiel. FesteUmsatzvorgabenfürbestimmteFinanzproduktegibtesnicht,daPlansecur unabhängig von den Anbietern ist und mitihnenkeinefestenAbnahmemengen vereinbart.StattdessenstimmendieBeratermitderZentraleab,welcheZielesie erreichenwollen.Vorallemabergehtes inderFirmenkulturnichtmehrvorwiegendumdenschnellenDeal.„75unserer 200 Berater sind Gesellschafter und damit auch an einem langfristigen Erfolg interessiert“, erläutert Geschäftsführer JohannesSczepandasGrundprinzipUnternehmertumstattDrückerkolonne. EinAusfluginsAmüsiervierteloderdie goldeneRolexalsAnerkennung?Passtda wirklichnichtmehrzumGeschäft. Eva Müller