Stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrags mit
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Stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrags mit
Stillschweigende Änderung des Arbeitsvertrags mit widerspruchsloser Entgegennahme eines tieferen Lohns? (Urteil des Bundesgerichts 4A_443/2010) Der argentinische Profifussballer Im Juli 2001 schloss ein argentinischer Berufsfussballer mit einem schweizerischen Fussballclub einen Arbeitsvertrag für den Zeitraum 2001 bis 2005. Schriftlich wurde vereinbart, dass in der ersten Saison ein Grundlohn von monatlich CHF 15‘000 auszubezahlen ist. Für die Folgejahre wurde vertraglich fixiert, dass der Monatslohn im zweiten Jahr CHF 18‘750, im dritten Jahr CHF 45‘000 und im letzten Jahr CHF 48‘750 beträgt. Rechtsanwälte Rechtsanwälte Notariat Notariat Steuerberatung Steuerberatung Mediation Mediation Dr. Dr. iur. iur.Hanspeter HanspeterGeissmann Geissmann Rechtsanwalt Rechtsanwalt Lic. Lic.iur. iur.Martin MartinKuhn Kuhn Rechtsanwalt Rechtsanwalt Fachanwalt FachanwaltSAV SAVFamilienrecht Familienrecht Lic. Lic. iur. iur.Silvia SilviaKoch Koch Rechtsanwältin Rechtsanwältin Lic. Lic.iur. iur.Stefan StefanSemela Semela Rechtsanwalt RechtsanwaltLL.M. LL.M. Lic. Lic.iur. iur.Marcel MarcelMerz Merz Rechtsanwalt Rechtsanwaltund undNotar Notar Dr. Dr.iur. iur.Gesine GesineWirth-Schuhmacher Wirth-Schuhmacher Rechtsanwältin Rechtsanwältin auch zugelassen in Deutschland Wegen Verletzungen konnte der Fussballer die erhoffte Leistung nicht erbringen. Nachdem der Spieler nicht mehr in der ersten Mannschaft des Fussballclubs zum Einsatz kam, wurde er im Jahr 2004 an einen anderen Fussballclub ausgeliehen. Sein Betreuer und Spielvermittler unterzeichnete eine schriftliche Vereinbarung, in welcher festgehalten wurde, dass während der Dauer der Ausleihe ein Salär von CHF 16‘000 ausbezahlt werde. In der nachfolgenden Saison spielte der Fussballer wieder für die Arbeitgeberin. Ihm wurde hierfür ein monatlicher Bruttolohn von CHF 25‘200 nebst Spesen ausbezahlt. Lic. iur. Raphael Weiss Rechtsanwalt Lic. iur. Raphael Weiss Rechtsanwalt Lic. iur. Judith Rhein Falken Rechtsanwältin 2a Mellingerstrasse Falken 2078 Postfach Mellingerstrasse CH -5402 Baden 2a Postfach+41 2078 Telefon (0)56 203 00 11 Falken CH-5402 Baden Fax +41 (0)56 203 00 12 Mellingerstrasse 2a203 00 11 Telefon +41 (0)56 mail @geissmannlegal.ch Postfach 2078 203 00 12 Fax +41 (0)56 www.geissmannlegal.ch CH-5402 Baden [email protected] Telefon +41im (0)56 203 00 11 Eingetragen Anwaltsregister www.geissmannlegal.ch Fax +41 (0)56 203 00 12 Eingetragen im Anwaltsregister Später verlangte der Fussballer Lohnnachzahlungen vom Fussballclub. Sein [email protected] www.geissmannlegal.ch Anwalt machte dabei geltend, dass die Vereinbarung aus dem Jahr 2004 nicht Eingetragen im Anwaltsregister gültig sei, weil diese nur vom nicht vertretungsbefugten Spielervermittler, nicht aber vom Fussballspieler selbst unterzeichnet worden sei. Massgebend sei deshalb der Vertrag aus dem Jahr 2001 und es bestehe ein Manko von CHF 400‘000. Da der Fussballclub nicht zur Zahlung bereit war, kam es zur gerichtlichen Auseinandersetzung, welche erst mit dem Urteil des Bundesgerichts vom 26. November 2010 (4A_443/2010) ein Ende fand. Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Fussballers mit folgender Argumentation ab: Abänderung von Verträgen Gemäss Art. 1 und Art. 2 Abs. 3 OR ist zum Abschluss bzw. der Abänderung eines Vertrages die übereinstimmende gegenseitige Willenserklärung der Parteien erforderlich. Eine solche kann vorbehaltlich gesetzlicher oder vertraglicher Formvorbehalte auch stillschweigend bzw. durch kon- kludentes Verhalten erfolgen. Für den Einzelarbeitsvertrag bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Form (Art. 320 Abs. 1 OR). Er kann daher mündlich oder durch konkludentes Verhalten geschlossen oder abgeändert werden. Dies gilt auch für eine Abänderung des verabredeten Lohns. Ist für einen Vertrag, für welchen keine gesetzlichen Formvorschriften bestehen, die Anwendung einer solchen vereinbart worden, so wird vermutet, dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht verpflichtet sein wollen (Art. 16 Abs. 1 OR). Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts wird eine solche Vermutung aber umgestossen, wenn die Parteien die vertraglichen Leistungen trotz Nichtbeachtung der Form vorbehaltlos erbringen und entgegennehmen. Mit andern Worten wird in solchen Fällen ein konkludenter Verzicht auf den Formvorbehalt angenommen Zustimmung zur vorgeschlagenen Abänderung durch Stillschweigen? Wenn wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten ist, gilt Stillschweigen als Zustimmung zu einem Antrag, wenn ein solcher nicht innert angemessener Frist abgelehnt wird (Art. 6 OR). Von einer stillschweigenden Zustimmung des Arbeitnehmers kann nur ausgegangen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, unter denen der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben gehalten ist, eine mögliche Ablehnung ausdrücklich zu erklären. Ist für den Arbeitnehmer erkennbar, dass der Arbeitgeber von seinem (stillschweigenden) Einverständnis ausgeht und andernfalls bestimmte Massnahmen ergreifen oder gar eine Kündigung aussprechen würde, sieht das Bundesgericht hierin solche besonderen Umstände. Der Arbeitnehmer muss deshalb seine Ablehnung der vorgeschlagenen Lohnkürzung innert angemessener Frist zum Ausdruck zu bringen. Die Arbeitgeberin bringt nämlich mit der Auszahlung des gekürzten Lohns ihrerseits zum Ausdruck, dass sie von einer stillschweigenden Zustimmung des Arbeitnehmers zur Lohnkürzung ausgeht. Das Bundesgericht betrachtete bereits in einem früheren Entscheid die widerspruchslose Annahme eines gekürzten Lohns während einer festen sechsmonatigen Vertragsdauer als konkludente Zustimmung, obwohl der Arbeitnehmer einen ihm vor Arbeitsantritt unterbreiteten neuen Vertrag, der die Lohnkürzung enthielt, nicht unterzeichnet hatte (Urteil 4C.242/2005). Widerspruchslose Entgegennahme als konkludente Zustimmung Im vorliegenden Urteil gelangte das Bundesgericht zum Ergebnis, der Fussballer wäre nach Treu und Glauben gehalten gewesen, der Arbeitgeberin innert angemessener Frist mitzuteilen, dass er die Vertragsänderung nicht akzeptieren wolle. Weil er während mehr als sechs Monaten den herabgesetzten Lohn 2 widerspruchslos entgegengenommen hat, wurde sein Verhalten vom Bundesgericht als konkludente Zustimmung zur Vertragsänderung qualifiziert. Die beidseitige Umsetzung des Vertrags über längere Zeit betrachtete das Bundesgericht als stillschweigenden Verzicht auf die vertraglich vorbehaltene Schriftform. «Reden ist Silber, Schweigen ist Gold» gilt nicht uneingeschränkt. Obschon die konkludente Zustimmung zu einer Vertragsänderung eher den Ausnahmefall bildet, zeigt das Bundesgerichtsurteil auf, dass es gewisse Lebenssituationen erfordern, in nachweisbarer Form zu widersprechen, wenn man nicht einverstanden ist. 31.10.2011 lic. iur. Raphael Weiss Rechtsanwalt 3