Technische Aktienanalyse

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Technische Aktienanalyse
Institut für Geld- und Kapitalverkehr
der Universität Hamburg
- 220 -
Examenskurs BBL
6.2 Technische Aktienanalyse
6.2 Technische Aktienanalyse
Definition
Bei der Technischen Aktienanalyse handelt es sich um die
Analyse von Kursbewegungen oder Umsatzentwicklungen in
der Vergangenheit, um Prognosen für zukünftige Kursentwicklungen abgeben zu können.
Thesen
1. Der Marktwert ist allein das Ergebnis von Angebot und
Nachfrage.
2. Angebot und Nachfrage werden durch rationale und irrationale Faktoren determiniert.
3. Kurse entwickeln sich grundsätzlich in langfristigen Trends.
4. Änderungen des Trends kommen durch Verschiebungen
von Angebot und Nachfrage zustande.
5. Historische Trends neigen dazu, sich zu wiederholen. Es
bestehen daher Vorhersagemöglichkeiten.
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- 221 -
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6.2 Technische Aktienanalyse
Kritik an der Fundamentalanalyse
1. Erfolgreiche Strategien erfordern Investoren, die über erhebliche finanzielle Ressourcen verfügen und auch bereit
sind, diese einzusetzen.
2. Eine nachhaltige Kurssteigerung setzt häufig erst dann ein,
wenn der fundamental orientierte Anleger bereits längere
Zeit investiert ist.
3. Unterbewertungen von Titeln können, müssen aber nicht
zwingend Käufe nach sich ziehen. Andererseits ist vorstellbar, daß trotz Überbewertung eines Titels Käufer auftreten.
4. Vollständigkeit des vorhandenen Datenmaterials?
5. Verläßlichkeit des vorhandenen Datenmaterials?
6. Kennzahlen können nicht besser sein als die ihrer Errechnung zugrundeliegenden Daten.
7. Probleme bei der Ermittlung eines geeigneten KGVs.
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6.2 Technische Aktienanalyse
Vorteile der technischen Analyse
1. Kurzfristige Kursschwankungen sind für den Anleger
bedeutsamer als langfristige. Die Ausnutzung kurzfristiger
Kursschwankungen führt zu höheren Gewinnen als die
Fixierung auf den Trend.
2. Informationen über fundamentale Bedingungen erreichen
den Entscheidungsträger vielfach zu spät.
3. Gerade weil viele Anleger ihre Transaktionsentscheidungen
an Charts orientieren, sollte man sich mit ihnen befassen.
4. Keine Abhängigkeit von Angaben des Jahresabschlusses
5. Psychologische und nicht quantifizierbare Faktoren werden
berücksichtigt.
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6.2 Technische Aktienanalyse
Kritik an der technischen Analyse
1. Marktverhalten, das in der Vergangenheit beobachtet
wurde, muß sich in der Zukunft nicht unbedingt fortsetzen.
2. Die Technische Analyse ist eine „Self-Fulfilling Prophecy“.
3. Ein dauerhafter Erfolg der technischen Analyse gefährdet
das Gewinnpotential der sich an ihr orientierenden Anleger.
Gegenargumente
- erfolgreiche Strategien werden gerade nicht veröffentlicht
- viele Analysten und Anleger trauen der technischen
Analyse nicht
- Know-How und Ausstattung fehlen der breiten Öffentlichkeit
- technische Analyse erfordert Zeit- und Arbeitseinsatz
4. Subjektivität
5. Verletzung der Efficient Market Hypothesis
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6.2 Technische Aktienanalyse
Dow-Theorie
Die Dow-Theorie ist der erste systematische Versuch, das allgemeine Niveau des Aktienmarktes darzustellen und vorherzusagen. Zu diesem Zweck wurden der Dow-Jones-Rail
Average, heute Dow-Jones Transportation Average, und der
heute als Dow-Jones bekannte Dow-Jones Industrial Average
entwickelt.
Grundaussagen der Dow-Theorie
1) Die Entwicklung der Indices wird in drei Trends untergliedert:
• Primärtrend
- wichtigster, langfristiger Trend
- Dauer > 1 Jahr
- Wertänderung > 20%
• Sekundärtrend
- mittelfristiger Trend
- Dauer: 3 Wochen bis 3 Mte. (selten länger)
- Korrektur zum Primärtrend
• Tertiärtrend
- kurzfristiger Trend
- Dauer: bis 6 Tage
- eher unbedeutend, da leicht manipulierbar
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2) Prinzip der Bestätigung
Die Dow-Theoire verlangt, daß beide Indices eine Trendumkehr signalisieren.
- vielfach werden sich die Indices nicht parallel entwickeln
- zeitliche Verzögerungen sind denkbar
- die künftige Entwicklung ist dann unklar
3) Volume goes with the trend
Der Umsatz in einem Titel steigt tendenziell, wenn sich die
Kurse in Richtung des vorherrschenden Primärtrends bewegen. Der Umsatz dient indes lediglich als zusätzlicher Hinweis auf den Trend, maßgeblich ist die Entwicklung des
Kurses selbst.
4) Dow-Linie
Der Sekundärtrend verläuft zwei Wochen oder länger in
einer parallelen Zone von bis zu 5% um einen Mittelwert.
Der anschließende Ausbruch hat signalgebende Wirkung.
Seine Bedeutung ist umso größer, je länger die Seitwärtsbewegung andauerte und je näher die Preisgrenzen zusammenliegen.
5) Es werden ausschließlich Schlußkurse betrachtet. Notierungen im Verlauf eines Handelstages bleiben unberücksichtigt.
6) Ein Trend besteht solange, bis seine Umkehr definitiv
signalisiert wurde.
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Kritik
1) Die Dow-Theorie liefert keine eindeutigen Signale.
2) Die Signale der Dow-Theorie kommen vielfach zu spät.
3) Die Dow-Theorie analysiert nur den Primärtrend, nicht den
für den kurzfristig orientierten, risikofreudigen Investor
ebenfalls interessanten Sekundärtrend.
4) Die Aussagen der Dow-Theorie beschreiben nur den Gesamtmarkt, spezielle Empfehlungen hinsichtlich bestimmter
Titel werden nicht gegeben.
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Exkurs: Marktphasen
Die drei Phasen einer Hausse
a) Phase of accumulation
- vorausschauende Investoren kaufen Titel trotz unvorteil hafter wirtschaftlicher Lage
- Geschäftsberichte spiegeln die negative Entwicklung
der Unternehmen wider
- die Öffentlichkeit ist Aktienabstinent
b) Phase of increasing activity
- verbessertes Geschäftsklima
- steigende Gewinne der börsennotierten Gesellschaften
- technisch orientierte Anleger sind erfolgreich
c) Überhitzungsphase
- hohe Anzahl an Neuemissionen
- Vielzahl positiver Nachrichten
- Börse im Zentrum des öffentlichen Interesses
- intensiver Handel in „cats and dogs“
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Die drei Phasen einer Baisse
a) Distribution Period
- vorausschauende Investoren erkennen die außergewöhnliche Höhe der Unternehmensgewinne und
verkaufen
- hohe Umsätze
- Öffentlichkeit sehr aktiv, indes zunehmende
Enttäuschung wegen ausbleibender Gewinne
b) Panic Phase
- am Markt treten immer weniger Käufer auf
- der Wunsch nach schnellem Verkauf der Titel
verstärkt sich
⇒ vielfach folgt eine kurzzeitige Seitwärtsbewegung oder Erholung (Sekundärtrend)
c) Dritte Phase
- Unternehmensnachrichten verschlechtern sich
- Kursverfall schwächt sich im Zeitablauf ab
- „cats and dogs“ fallen wesentlich stärker als
Standardwerte, da letztere tendenziell auch in der
Baisse erst später verkauft werden
Exkurs-Ende
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Elliot-Wellen-Theorie
1. Aktienkurse verlaufen in einer sich wiederholenden Wellenform.
2. Ein kompletter Wellenzyklus besteht aus fünf Aufwärtswellen und drei Abwärtswellen (Korrekturwellen).
3. Jede Welle läßt sich in Wellen eines kleineren Grades zerlegen, Wellen in Richtung des Trends in fünf Wellen, Korrekturwellen entgegen dem Trend in drei Wellen.
4. Die Zeit hat keinen Einfluß auf das Wellenmuster. Es werden neun Wellengrade differenziert (Dauer 200 Jahre bis
wenige Stunden).
5. Die Fibonacci-Reihe und der Goldene Schnitt bilden die
mathematische Grundlage der Elliot-Wellen-Theorie.
6. Anhand bestimmter Wellenformationen lassen sich Aussagen über zukünftige Kurse treffen.
7. Bei Versagern erreicht die 5. Welle nicht das Niveau der 3.
Welle. Versager stellen ein Zeichen für die Sachwäche des
derzeitigen Trends dar.
8. Statt der üblichen 5-3-5 Formation können Korrekturwellen
u.a. auch 3-3-5 Formationen (Flachs) ausbilden. Flachs
stellen ein Zeichen für die Stärke eines zukünftiger Aufwärtstrends dar.
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Kritik
1. Richtige Kursprognosen setzen ein korrektes Abzählen der
Wellen voraus.
2. Je nach Zählweise lassen sich die Wellen unterschiedlich
interpretieren. Die Kursprognosen differieren dementsprechend.
3. Die Elliot-Wellen-Theorie ist zur Klassifizierung historischer Kurse gut geeignet, weniger aber zur Kursprognose.
4. Die Anwendung der Elliot-Wellen-Theoire auf einzelne
Aktien erweist sich als nicht erfolgreich.
5. Die Elliot-Wellen-Theorie bewährt sich in solchen Märkten
am besten, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen.
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Bedeutung der Fibonacci-Reihe
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, ...
Aufbau
- die Summe zweier aufeinander folgender Elemente liefert
das nächste Element der Fibonacci-Reihe
- das Verhältnis zweier aufeinanderfolgender Elemente strebt
gegen 0,618
- das Verhältnis eines Elements zu dem ihm vorangegehenden Element strebt gegen 1,618
⇒ Goldener Schnitt
Verbindung zur Elliot-Wellen-Theorie
1) Fibonacci-Ratios
- Wellenanzahl führt unabhängig von der Tiefe der
Untergliederung zu Werten der Fibonacci-Reihe
- Minimum Target für die Spitze von Welle 3
= 1,618 x Länge von Welle 1, ausgehend vom
Tiefpunkt von Welle 2
- Minimum Target für die Spitze von Welle 5
= 2 x 1,618 x Länge von Welle 1, ausgehend vom
Tiefpunkt von Welle 2
- für eine 5-3-5 Korrektur sind Welle a und c i.a.R.
gleich lang
2) Percentage Retracement
- übliche Marktkorrekturen: 100%, 50%, 67%
- gleichzeitig: Verhältnis der drei ersten FibonacciZiffern
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3) Fibonacci Time Targets
- ausgehend von einem bedeutenden Weendepunkt
werden künftige Tops and Bottoms an FibonacciTagen erwartet
4) Analyse von Zyklen
vgl. Kondratieff-Zyklus: 54 Jahre
(Fibonacci-Ziffer: 55 Jahre)
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6.2 Technische Aktienanalyse
Charttechniken
Unter einem Chart versteht man die Darstellung der Kursentwicklung einer Aktie oder eines Indices in einem Diagramm.
Bei Linien-, Balken- und Kerzencharts wird häufig gleichzeitig auch die Umsatzentwicklung betrachtet.
Im Diagramm wird auf der Ordinate die Kurshöhe abgetragen.
Man differenziert zwischen einer metrischen und einer logarithmischen Skaleneinteilung. Der Vorteil der logarithmischen Einteilung liegt darin, daß prozentual gleiche Kurssteigerungen graphisch gleich dargestellt werden und somit
auch die Kursverläufe von Aktien mit einem sehr unterschiedlichen Kursniveau verglichen werden können.
Auf der Abszisse wird bei Linien-, Balken- und Kerzencharts
die Zeit abgetragen. Die dort betrachteten Zeiteinheiten umfassen i.a.R. einen Tag, eine Woche oder einen Monat. Bei
Point & Figure Charts hat die Abszisse keine Maßeinheit.
Chartarten
- Liniencharts
- Balkencharts
- Kerzencharts
- Point & Figure Charts
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Liniencharts
- pro betrachteter Zeiteinheit wird nur ein Kurs verwandt
- üblicherweise werden entweder Kassa- oder aber
Schlußkurse betrachtet
- die Einzelwerte werden durch eine Gerade miteinander
verbunden
- Vorteil: Problemlose Datenbeschaffung
- Nachteil: Kursbewegungen innerhalb der betrachteten
Zeiteinheiten bleiben unberücksichtigt
Balkencharts
- beim Balkencharts werden pro betrachteter Zeiteinheit
mehrere Kurse verwandt
- die jeweiligen Höchst- und Tiefstkurse werden durch einen
senkrechten Strich miteinander verbunden
- der Schlußkurs wird durch einen horizontalen Strich nach
rechts, der Eröffnungskurs durch horizontalen Strich nach
links gekennzeichnet
- die Balken werden nicht miteinander verbunden
- Nachteil: Die Datenbeschaffung ist im Vergleich zum
Linienchart relativ aufwendig.
- Vorteil: Kursbewegungen innerhalb der betrachteten
Zeiteinheit werden in die Darstellung einbezogen
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In Balken- und Liniencharts können ergänzend gleitende
Durchschnitte, Dividendenzahlungen und Kapitalveränderungen eingetragen werde. Die Kurse vor der Dividendenzahlung
bzw. der Kapitalveränderung werden bereinigt, sodaß für diesen Zeitraum nicht mehr die tatsächlichen historischen, sondern bereinigten Kurse dargestellt werden.
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Kerzencharts
- beim Kerzenchart werden insgesamt vier Kurse verwandt
- die Differenz zwischen dem Eröffnungs- und dem Schlußkurs wird als Rechteck eingetragen und bildet den Körper
der Kerze
- die Spanne zwischen Höchst- und Tiefstkurs wird durch
eine Linie markiert und bildet den Schatten der Kerze
- die Verbindung zwischen Körper und Höchstkurs wird als
oberer Schatten, die Verbindung zwischen Körper und
Tiefstkurs als unterer Schatten der Kerze bezeichnet
- liegt der Eröffnungskurs über dem Schlußkurs, ist die Kerze
schwarz, liegt der Eröffnungskurs unterhalb des Schlußkurses, so ist die Kerze weiß (rot)
- generell gilt, daß lange schwarze Kerzen ohne unteren
Schatten auf eine schwache Tendenz hindeuten, lange
weiße Kerze ohne oberen Schatten dagegen eine feste Tendenz andeuten
- je länger der entsprechende Schatten ist, desto stärker wird
diese Aussage relativiert
- kurze weiße oder schwarze Kerzen mit langen Schatten
deuten auf einen unsicheren Markt hin
- im Extremfall sind alle Kurse identisch, es entsteht eine sog.
Doji-Linie
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- mehrere Kerzen können zudem ohne Informationsverlust zu
einer Kerze zusammengefaßt werden
- im Gegensatz zu anderen Charttechniken, bei denen man
sog. Formationen analysiert, betrachtet man bei Kerzencharts Chartkombinationen
- werden zwei oder mehr Tageskerzen miteinander verknüpft,
so eignet sich diese Kombination zur Prognose des Kursgeschehens am folgenden Tag
- werden zwei oder mehr Wochenkerzen miteinander verknüpft, können daraus Rückschlüsse über die Kursentwicklung der nächsten Woche gezogen werden
- Vorteile von Kerzencharts
• anschauliche Darstellungsform (Verwendung von Farben
und Differenzierung von Körper und Schatten)
• Kombinationen erlauben Prognosen über zukünftige
Kursentwicklung
- Nachteile von Kerzencharts
• aufwendige Datenbeschaffung
• aufwendige graphische Darstellung
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Point & Figure Charts
- zur Darstellung von Kursveränderungen werden Symbole
verwandt: Ein „x“ steht für einen Aufwärtstrend, ein „o“
steht für einen Abwärtstrend
- Kursveränderungen werden dabei nur dann angetragen,
wenn sie ein bestimmtes Ausmaß überschreiten, dadurch
soll erreicht werden, daß Trends klarer erkennbar werden
- solange die Kursbewegung in eine Richtung geht, werden
die Zeichen über- oder untereinander eingetragen
- eine neue Spalte wird erst dann begonnen, wenn sich die
Richtung der Kursbewegung nachhaltig ändert
- dazu muß die gegenläufige Kursbewegung ein bestimmtes
Mindestmaß überschreiten. Je nachdem, ob zum Trendwechel ein, drei oder fünf Zeichen eingetragen werden
müssen, spricht man von einem Ein-, Drei- oder FünfPunkt-Umkehrchart
- die Breite des Charts wird durch die Häufigkeit der Trendwechsel im betrachteten Zeitraum determiniert
- um den zeitlichen Ablauf erkennbar zu machen, werden die
Monate Januar bis September mit den Zahlen 1 bis 9, die
Monate Oktober bis Dezember mit den Buchstaben A bis C
markiert
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- Die Eintragung in den Chart läuft nach folgendem Muster
ab:
Ist die letzte Eintragung ein „o“, so ist zuerst der Tagestiefstkurs zu betrachten. Liegt er unter dem bisherigen
Tiefstkurs, so wird ein „o“ eingetragen und dem jeweiligen
Tageshöchstkurs keine Beachtung geschenkt Liegt der Tagestiefstkurs nicht unter dem bisherigen Tiefstkurs, so ist
der Tageshöchstkurs zu betrachten, um festzustellen, ob die
für einen Trendwechsel erforderliche Mindestkursbewegung
stattgefunden hat. Aufwärtsbewegungen beginnen immer
ein Kästchen über dem Minimum der letzten „o“-Säule.
Ist die letzte Eintragung im Chart ein „x“, so ist zunächst
der Tageshöchstkurs zu betrachten. Liegt dieser über dem
bisherigen Höchstkurs, so ist ein „x“ in den Chart einzutragen. Ist der Kurs indes nicht weiter gestiegen, so ist zu prüfen, ob der Tagestiefstkurs so niedrig ist, daß die Voraussetzung für eine Trendumkehr gegeben ist. Ist dies der Fall,
so ist eine neue Spalte mit einem „o“ zu beginnen. Eine
Abwärtsbewegung beginnt immer ein Kästchen unter dem
Maximum der letzten „x“-Säule.
- Vorteile des Point & Figure Charts
• platzsparende Darstellungsform
• nur wesentliche Kursbewegungen werden dargestellt
• volatile Perioden werden sehr ausführlich dargestellt
- Nachteil von Point & Figure Charts
• keine Möglichkeit zur Darstellung der Umsatzentwicklung
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6.2 Technische Aktienanalyse
Analyse von Charts
1. Trendlinien / Trendkanäle
2. Widerstands- / Unterstützungslinien
3. Chartformationen
- Kopf-Schulter-Formation
Schlägt ein Aufwärtstrend in einen Abwärtstrend um, so
liegt der mittlere der drei Scheitelpunkte am höchsten. Die
beiden anderen bilden die Schultern. Die jeweiligen
Tiefpunkte werden durch eine sog. Nackenlinie miteinander
verbunden. Wird diese bei der rechten Schulter nach unten
durchbrochen, dann liegt ein Verkaufssignal vor. Dieses
wird bestätigt, wenn die Umsätze von der linken zur rechten
Schulter hin abnehmen, nach Durchbrechen der Nackenlinie
indes wieder zunehmen.
- umgekehrte Kopf-Schulter-Formation
Schlägt ein Abwärtstrend in einen Aufwärtstrend um, so
liegt der mittlere der drei Scheitelpunkte am tiefsten. Die
beiden anderen bilden die Schultern. Die jeweiligen Hochpunkte werden durch eine sog. Nackenlinie miteinander
verbunden. Wird diese bei der rechten Schulter nach oben
durchbrochen, dann liegt ein Kaufsignal vor. Dieses wird
bestätigt, wenn die Umsätze von der linken zur rechten
Schulter hin abnehmen, nach Durchbrechen der Nackenlinie
indes wieder zunehmen.
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6.2 Technische Aktienanalyse
- M-Formation
Die M-Formation deutet auf das Ende eines Aufwärts- und
den Beginn eines Abwärtstrendes hin. Sie ist verhältnismäßig schwierig zu identifizieren. Erst wenn der Kurs bei einer
zweiten Aufwärtsbewegung die Höhe der vorherigen Spitze
nicht übertrifft und anschließend wieder sinkt, deutet sich
diese Formation an. Auf der Höhe des sog. Tales zwischen
den Spitzen wird eine Basislinie eingezeichnet. Wird siese
nach unten durchbrochen, so liegt ein Verkaufssignal vor.
Dieses wird bestätigt, wenn die Umsätze von links nach
rechts sinken und erst nach Durchbrechen der Basislinie
wieder ansteigen.
- W-Formation
Die W-Formation deutet auf das Ende eines Abwärts- und
den Beginn eines Aufwärtstrendes hin. Sie ist verhältnismäßig schwierig zu identifizieren. Erst wenn der Kurs bei
einer zweiten Abwärtsbewegung den vorherigen Tiefpunkt
nicht unterschreitet und der Kurs anschließend wieder ansteigt, deutet sich diese Formation an. Auf der Höhe des
sog. „Tales“ zwischen den Spitzen wird eine Basislinie eingezeichnet. Wird siese nach oben durchbrochen, so liegt ein
Kaufsignal vor. Dieses wird bestätigt, wenn die Umsätze
von links nach rechts sinken und erst nach Durchbrechen
der Basislinie wieder ansteigen.
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6.2 Technische Aktienanalyse
4. Methode der gleitenden Durchschnitte
Der gleitende Durchschnitt ist ein Verfahren zur Glättung
eines Kursverlaufes und dient zum Erkennen des
zugrundeliegenden Trends
n
GD =
n
t
∑K
i =1
t −i +1
n
Ordnung des gleitenden Durchschnittes
Index des Tages, zu dem der gleitende Durchschnitt
errechnet werden soll
Ordnung des gleitenden Durchschnittes
kurzfristige Trends
mittelfristige Trends
langfristige Trends
10<n<30
50<n<100
n=200
Handelsregel
- Kauf, sobald der Kurs (der kurzfristige gleitende Durchschnitt) den langfristigen gleitenden Durchschnitt von unten
nach oben schneidet.
- Verkauf, sobald der Kurs (kurzfristiger gleitender Durchschnitt) den (langfristigen) gleitenden Durchschnitt von
oben nach unten schneidet.
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- 243 -
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6.2 Technische Aktienanalyse
Charakteristika der GD
- der einzelne Preis hat nur einen geringen Einfluß
- nur anhaltende und signifikante Preisänderungen ändern
den gleitenden Durchschnitt
- je höher der Grad des gleitenden Durchschnitts, desto
langsamer erfolgt die Anpassung
Vorteil
- leicht zu errechnen
- in Trendphasen sehr verläßlich
Nachteil
- bei Seitwärtsbewegungen u.U. zahlreiche Kauf/Verkaufssignale
- Signale u.U. zu spät
- optimaler GD kann für jede Aktie verschieden sein
- Trade -Off
Je kleiner der Grad des GD ist, desto schneller reagiert der
Indikator auf Trendänderungen, allerdings häufen sich auch
Fehlsignale;
je höher der Grad des GD ist, desto weniger Fehlsignale
treten auf, indes treten die Signale vielfach erst mit erheblicher zeitlicher Verspätung auf.
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- 244 -
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6.2 Technische Aktienanalyse
5. Relative Stärke nach Levy
Die relative Stärke nach Levy untersucht das Verhältnis der
Entwicklung einer Aktie zu der des Gesamtmarktes, einer
Branche oder einer anderen Aktie.
Die relative Stärke einer Aktie zeigt sich darin, daß
- eine Aktie bei einem Kursanstieg stärker steigt als der
Gesamtmarkt,
- eine Aktie bei einem Kursverfall nicht so stark sinkt wie
der Gesamtmarkt
Die relative Stärke ist ein Rangkriterium zur Bestimmung
derjenigen Aktien, die sich in der jüngsten Vergangenheit besser als der Markt entwickelt haben. Sie ist indes kein Maß für
Risiko oder Volatilität.
Grundlegende Annahme
Aktien, die in der Vergangeneheit Relative Stärke gezeigt haben, werden sich auch in der Zukunft relativ stärker entwickeln als das Referenzmaß.
Handelsregel
Kaufe in einer Aufwärtsbewegung Aktien mit einer hohen
Relativen Stärke, verkaufe diese Aktien, sobald ihre Relative
Stärke einen bestimmten Schwellenwert unterschritten hat.
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- 245 -
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6.2 Technische Aktienanalyse
Künstliche neuronale Netze
Künstliche neuronale Netze stellen den computerimplementierten Versuch dar, die Lern- und Verknüpfungsfähigkeit des
menschlichen Gehirns auf komplizierte nichtlineare Wirkungszusammenhänge zu übertragen.
Expertensystem
- DasWissen eines Experten wird systematisch in „WennDann“-Regeln abgebildet. Diese Vorgehensweise ist indes
verhältnismäßig teuer und zeitintensiv.
- Grob vereinfacht handelt es sich bei einem Expertensystem
um ein sehr ausgefeiltes Verfahrenshandbuch.
- Dieses ist indes statisch, d.h. es finden keine Lernprozesse
statt.
- Ihre Anwendung ist nur auf häufiger auftretende Probleme,
die mit statischem Erkenntnisstand gelöst werden können,
wirtschaftlich.
- Eine Handhabung fehlerhafter, inkonsistenter und unvollständiger Informationen ist nicht möglich.
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- 246 -
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6.2 Technische Aktienanalyse
Künstliche neuronale Netze
- KNN sind im Gegensatz zu Expertensystemen dynamisch,
d.h. es finden Lernprozesse statt.
- Während des Lernprozesses soll das KNN aus Beispielen
Problemlösungsverhalten selbst erlernen.
- Zielsetzung ist es, die Fähigkeiten des menschlichen
Gehirns auf Computer zu übertragen:
• Lernen
• Generalisieren
• Abstrahieren, Mustererkennung
- Änderungen der Problemstellung erfordern keine neue
Programmierung.
- KNN sind in der Lage, inkonsistente, fehlerhafte und
unvollständige Daten zu handhaben.
Eignung für die technische Aktienanalyse
KNN können selbständig Gesetzmäßigkeiten erkennen und
erlernen, die sich nur schwer explizit formulieren lassen.
KNN erkennen neben linearen auch nicht-lineare Funktionszusammenhänge.
Die technische Aktienanalyse geht davon aus, daß sich Muster
im Marktverhalten wiederholen und zu Kursprognosen genutzt werden können.
Die Verwendung von KNN in der technischen Aktienanalyse
bietet sich daher an.
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6.2 Technische Aktienanalyse
Biologischer Hintergrund von KNN
Ein KNN simuliert das biologische System des menschlichen
Gehirns.
Gehirnzellkomplexe werden in Struktur und Funktionsweise
nachgebildet, um die Simulation menschlicher Denkvorgänge
zu erreichen.
Ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Gehirns sind
die Neuronen.
Diese arbeiten in Gruppen zusammen, die Netzwerke genannt
werden.
Jede Gruppe bzw. jedes Netzwerk besteht aus mehreren tausend miteinander verbundenen Neuronen.
Diese Neuronen erfüllen drei Aufgaben:
- Sammeln von Inputs,
- Verarbeitung der Inputs,
- Weitergabe eines Outputs an die nachfolgenden
Neuronen.
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- 248 -
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6.2 Technische Aktienanalyse
Funktionsweise eines Backpropagation-Netzes
Im Rahmen der Kursprognose wird üblicherweise ein
dreischichtiges Backpropagation-Netz verwendet.
Jede Schicht besteht aus Prozessoren, die ihrerseits mit anderen Prozessoren verbunden sind.
• Eingabe-Schicht (Input Layer)
• Zwischen-Schicht (Hidden Layer)
• Ausgabe-Schicht (Output Layer)
Die Verbindungslinien zwischen den Prozessoren sind gewichtet, d.h. daß die Werte, die die Prozessoren an ihre Nachfolger weitergeben, mit einem der Verbindungslinie zugeordneten Faktor multipliziert werden. Somit werden Werte excitatorisch oder inhibitorisch weitergegeben.
Die Prozessoren haben die Funktion, eine vom Benutzer definierte Anzahl von Eingangswerten zu summieren und einen
Vergleich mit dem Schwellwert des Prozessors durchzuführen.
Wenn der Schwellwert des Prozessors überschritten wird, gibt
der Prozessor seinerseits einen Wert an die ihm nachfolgenden
Prozessoren ab.
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- 249 -
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6.2 Technische Aktienanalyse
Backpropagation-Lernalgorithmus
Lernen in einem KNN bedeutet eine zielgerichtete Korrektur
der Gewichte zwischen den Prozessoren.
Hierzu können die Ausgabewerte während des Lernens vorgegeben sein oder nicht. Man unterscheidet zwischen überwachten und unüberwachten Lernalgorithmen.
Überwachte
Lernalgorithmen
Ausgabewerte sind
vorgegeben.
Unüberwachte
Lernalgorithmen
Ausgabewerte sind nicht
vorgegeben.
Die Trainingsphase findet i.a.R. vor dem Praxiseinsatz des
KNN statt. Hierzu werden in das KNN Rückkopplungsmechanismen eingefügt, die eine Korrektur der Gewichte ermöglichen, so daß eine Aufgabe genauer gelöst wird.
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6.2 Technische Aktienanalyse
Entwicklung von KNN-Anwendungen
-
Sammlung von Daten für Training und Test
Festlegung der KNN-Struktur
Trainingsphase
Implementierung
Fehlerquellen bei der Modellierung eines KNN
Overlearning
Beim Overlearning lernt das KNN die Zeitreihenverläufe der
Trainingsphase auswendig. In einer neuen Datenumgebung
scheitert das KNN, da es keine Generalisierungsfähigkeit erworben hat.
Strukturbruch
Durch die Erweiterung der Datenmenge kann ein Strukturbruch im Zusammenhangsgefüge der historischen Daten auftreten. Die Prognosequalität sinkt.
Forderungen
Überzogene Forderungen des Anwenders an die Prognosegenauigkeit des KNN führen zur Generalisierungsunfähigkeit
des Netzes während der Trainingsphase.
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6.2 Technische Aktienanalyse
Vorteile von KNN
-
Fehlertoleranz / Robustheit
Generalisierungsfähigkeit
Anpassungsfähigkeit / Lernfähigkeit
Erfassen nichtlinearer Zusammenhänge möglich
Handhabung fehlerhafter, unvollständiger und inkonsistenter Daten möglich
Nachteile von KNN
- bislang kein sicheres theoretisches Fundament, Suche nach
optimaler Netzwerktopologie bislang noch nicht gelöst
- Fehlerquellen bei der Modellierung von KNN
- Weg, auf dem das KNN zu seinen Ergebnissen gelangt, ist
nicht nachvollziehbar, d.h. Tests auf Konsistenz und
Verläßlichkeit können nur beim Output ansetzen
- Programmierfehler lassen sich daher nur am Output ablesen
- Training ist sehr zeitintensiv
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- 252 -
Examenskurs BBL
6.2 Technische Aktienanalyse
Literatur
Bensignor, Rick, Fibonacci Numbers Work in Mysterious
Ways. In: Bloomberg – Equity Research Special Section, o. Jg
(1998), Februar, S. 74-79.
Cohen, Jerome B.; Zinbarg, Edward D.; Zeikel, Arthur,
Investment Analysis and Portfolio Management. 5. Aufl., Homewood / Ill. 1987, S. 252-301.
Dittmar, Thomas; Hilbert, Andreas, Bonitätsprüfung mit
Hilfe künstlicher neuronaler Netze. In: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 10. Jg. (1998), Nr. 5, S. 343-352.
Levy, Robert A., Conceptual Foundations of Technical Analysis. In: Financial Analysts Journal, Vol. 22 (1966), Nr. 4, S.
83-89.
Silber, William L., Technical Trading: When it works and
when it doesn’t. In: Journal of Derivatives, Vol. 1 (1994), Nr.
3, S. 39-44.
Aufgaben
SS 99 (1), WS 98/99 (9), WS 94/95 (8), WS 93/94 (6), WS
92/93 (3)