Das Leistungsspektrum der neuen trifokalen Multifokallinse

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Das Leistungsspektrum der neuen trifokalen Multifokallinse
Das Leistungsspektrum der neuen trifokalen
Multifokallinse vom Typ Physiol FineVision
K. Likaj, C. Althaus, O. Cartsburg, M. Engels, M. Fröhlich, St. Schmickler
Zusammenfassung
Ziel: Die trifokale Multifokallinse von Physiol ist eine neue diffraktive Multifokallinse
mit einer Nahaddition von +3,0 dpt und einer Intermediäraddition +1,75 dpt auf IOLEbene. In einer prospektiven Studie sollte herausgefunden werden, wo die Stärken und
Schwächen der neuen Multifokallinse im Vergleich zu den gängigen diffraktiven Multifokallinsen liegen. Hierzu werden 3-Monats-Ergebnisse herangezogen.
Methoden: Die Linse wurde bei 10 Patienten in beide Augen implantiert. Die Patienten
wurden am 1. postoperativen Tag, nach 1 Woche, 4 Wochen und 3 Monaten nachuntersucht. Bei der 3-Monats-Untersuchung fand neben der ärztlichen Untersuchung auch
eine Fotodokumentation in Mydriasis statt.
Ergebnisse: Die Patienten kommen in allen Bereichen ohne Brille zurecht und sind sehr
zufrieden. Der Intermediärbereich zeigt in der Defokuskurve keinen Knick. Obwohl alle
Patienten Halos bei Nacht äußern, empfinden sie nur wenige als störend.
Zusammenfassung: Die Physiol FineVision Multifokallinse führt zu guten Visusergebnissen in allen Distanzen. Hier unterscheidet sie sich von konventionellen diffraktiven
Multifokallinsen. Allerdings zeigt auch diese Linse das Problem der Halos bei Nacht.
Summary
Purpose: The new FineVision trifocal IOL provides 3 foci for near (+3.0 D), intermediate
(+1.75 D) and far vision. This prospective trial should evaluate clinical outcomes in comparison to common diffractive MIOL’s.
Methods: 10 patients had bilateral implantation of FineVision trifocal IOL’s. Clinical examination was run postoperatively at day 1, after 1 week, 4 weeks and 3 months. Photo
documentation was also performed after 3 months.
Results: Patients get a good visual acuity in all 3 foci without spectacles. There is no sharp
drop in visual acuity in the intermediate zone. Despite of halo-phenomena at night, only
individual patients feel disturbed.
Conclusion: The FineVision trifocal IOL obtains in comparison to common multifocal
lenses good visual acuities in all 3 distances. Nevertheless there are still halo phenomena
at night.
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Multifokallinsen
Allgemeines
Die physikalischen Eigenschaften einer Multifokallinse basieren auf dem Huygenschen Prinzip der Lichtbeugung am Spalt bzw. Gitter. Diese Gitterarchitektur ist an
der Vorderfläche von Multifokallinsen als konzentrisches Ringrelief angebracht und
gewährleistet damit die Erzeugung von mehreren Fokuspunkten (sog. Maxima), die
jedoch ohne die prismatischen Eigenschaften einer Apodisation [3] (Blaze-GitterPrinzip) nicht geordnet entlang der optischen Achse liegen könnten und somit zu
störenden Beugungsordnungen führen würden. Mithilfe dieses Blaze-Gitters ist es
somit möglich, störende Beugungsordnungen zu unterdrücken und Fokuspunkte
entlang der optischen Achse anzuordnen. Im Rahmen der FineVision IOL wird
durch die von Gatinel et al. beschriebene Linsenarchitektur neben dem Fern- und
Nahbereich zusätzlich ein Intermediärbereich bedient [1].
Das Ziel unserer Studie war es, die Stärken und Schwächen dieser neuen Linse zu
erfassen. Hierfür wurden zehn Patienten an beiden Augen mit einer FineVision IOL
versorgt und anschließend nachuntersucht – am ersten postoperativen Tag, nach­
einer Woche, vier Wochen, drei Monaten. Zudem führten wir eine subjektive Halometrie
mit Halo-/Glare-Karten und eine Fotodokumentation der Linsenposition samt Haptik
in Mydriasis durch, um etwaige Dislokationen oder Haptikdeformierungen zu erfassen.
Methoden
Patienten
Diese prospektive Studie schließt zehn Patienten ein, die 2012 an beiden Augen
mit FineVision IOLs versorgt wurden. Ausschlusskriterien waren hierbei Augenvor­
erkrankungen ausgenommen Katarakt. Alle Operationen wurden im Augen-ZentrumAhaus durchgeführt.
Linseneigenschaften
Die FineVision IOL (Abb. 1) ist eine asphärische, diffraktive, trifokale Linse bestehend
aus hydrophilem Acrylat (25 %). Sie ist mit einem UV- und Blaulichtfilter ausgestattet
und weist einen Gesamtdurchmesser von 10,75 mm (optischer Durchmesser 6,15 mm)
auf. Es werden drei Fokusebenen bedient: Ferne (+10 bis +35 dpt), Inter­mediärbereich
(+1,75 dpt) und Nähe (+3,5 dpt) [6].
Postoperative Untersuchungen
Im Rahmen der postoperativen Untersuchungen wurden die Visuswerte für den
Fern- (5 m/cc und sc), Intermediär- (70 cm/sc) und Nahbereich (33 cm/sc) überprüft.
Eine subjektive Halometrie erfolgte mittels Halo-/Glare-Karten (Nr. 1–6; Abb. 2).
­Außerdem konnten mithilfe von Spaltlampenfotos in Mydriasis Linsen- und Haptikstabilität überprüft werden.
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Likaj et al.: Das Leistungsspektrum der neuen trifokalen Multifokallinse vom Typ Physiol FineVision
Abb. 1: FineVision IOL (bifokal, diffraktiv) Abb. 2: Halo-/Glare-Zuordnungskarten
Ergebnisse
Die Implantation der FineVision IOLs verlief in allen 20 Augen komplikationslos. Im
Rahmen der Spaltlampenuntersuchung beobachteten wir sowohl eine gute Zentrierung als auch stabile Linsenbügel ohne Knickphänomene (Abb. 3).
Abb. 3: Spaltlampenfoto FineVision IOL
Halophänomene wurden von allen Patienten beschreiben, wobei 70 % sich nur
moderat geblendet fühlten und im Alltag gut zurecht kamen (Karten-Nr. 1–2). Ein
Patient (10 %) zeigte sich jedoch deutlich von Halo- und Glare-Phänomenen gestört
(Abb. 4). Eine mögliche Neuroadaptation, die zu einer subjektiven Vernachlässigung der Dysphotopsien führen kann, bleibt bei diesem einen Patienten noch abzuwarten [2].
Während alle im Nahbereich binokular einen unkorrigierten Visus von ≥0,8 erreichten, ergaben sich im Fernbereich vereinzelt sogar Werte von sc 1,2. Doch auch
der Intermediärbereich wurde bei den meisten Patienten zufriedenstellend abgedeckt – 80 % kamen mit einem binokularen unkorrigierten Visus von 0,7 gut zurecht
(Abb. 5).
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Multifokallinsen
6
6
5
Patienten
4
Patienten
Patienten
5
3
3
2
2
1
1
0
123 456
Blendungsgrad
Abb. 4: Subjektive Halometrie (erfasst über Halo-/
Glare-Karten)
interm sc
4
0
1,21,00,90,8 0,70,60,50,4
Visus
Abb. 5: Unkorrigierter Visus im Intermediärbereich
Diskussion
Mit zunehmenden Erwartungen kataraktoperierter Patienten, ihren Alltag ohne
Brille zu meistern, geraten Multifokallinsen immer mehr in den Mittelpunkt. Die
bisherigen diffraktiven Multifokallinsen können sowohl den Fern- als auch den Nahbereich bedienen, zeigen jedoch eine Schwäche im Intermediärbereich [5]. Gerade
hier möchte die FineVision IOL mit ihrem diffraktiv trifokalen Design angreifen [1].
Im Rahmen unserer Studie haben wir uns mit den klinischen Ergebnissen und somit
auch der Patientenzufriedenheit auseinandergesetzt.
Aufgrund bisheriger Erfahrungen mit diffraktiven Linsentypen haben wir uns
ebenfalls für eine binokulare Implantation entschieden, um im Vergleich zum
­monokularen Einsatz bessere Kontrastergebnisse zu erzielen [4, 5]. Es konnte gezeigt
werden, dass Patienten nicht nur im Fern- und Nahbereich gute Visusergebnisse
erreichen, sondern auch im Intermediärbereich größtenteils zufrieden sind (kein
Knick im Defokusprofil). Dennoch deckt diese Studie noch Einzelfälle auf, die gerade mit Lichtphänomenen wie Halos und Glares Schwierigkeiten haben. Es bleibt
noch abzuwarten, ob der Mechanismus der Neuroadaptation diese Stör­faktoren weiter ausblenden wird.
Finanzielle Interessen
Die Autoren haben kein finanzielles Interesse.
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Likaj et al.: Das Leistungsspektrum der neuen trifokalen Multifokallinse vom Typ Physiol FineVision
Literatur
1. Gatinel D, Pagnoulle C, Houbrechts Y, Gobin L: Design and qualification of a diffractive trifocal optical
profile for intraocular lenses. J Cataract Refract Surg 2011;37:2060–2067
2.Pieh S, Lackner B, Hanselmayer G et al.: Halo size under distance and near conditions in refractive
multifocal intraocular lenses. Br J Ophthalmol 2001;85:816–821. Siehe: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/
articles/PMC1724058/pdf/v085p00816.pdf
3.Davison JA, Simpson MJ: History and development of the apodized diffractive intraocular lens. J Cataract
Refract Surg 2006;32:849–858
4.Jacobi FK, Kammann J, Jacobi KW et al.: Bilateral implantation of asymmetrical diffractive multifocal
intraocular lenses. Arch Ophthalmol 1999;117:17–23. Siehe: http://archopht.jamanetwork.com/data/
Journals/OPHTH/9851/ecs80070.pdf
5.Sheppard AL, Shah S, Bhatt U et al.: Visual outcomes and subjective experience after bilateral
implantation of a new diffractive trifocal intraocular lens. J Cataract Refract Surg 2013;39:343–349
6.PhysIOL. FineVision product brochure, 2012. Siehe: http://international.physiol.be/_boutique/MultifocalIOL/39739-FineVision.html
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