Kampf um Rentabilität

Transcrição

Kampf um Rentabilität
Titel & Themen | Südamerika
»Produktivität steigern!« heißt das Motto unter der heißen Sonne Südamerikas
Kampf um Rentabilität
Die beiden größten südamerikanischen Weinländer kämpfen weiter mit schwierigen Wechselkursen, die ihre Rentabilität auffressen und das Exportwachstum bremsen. Während die
Großunternehmen ihr Angebot verfeinern, suchen Kleinprojekte Nischen mit sehr individuellen Weinen, die nicht den ausgetretenen Pfaden folgen.
D
em Wirtschaftsexperten Javier Merino gehört in Mendoza das florierende Beratungs- und Forschungsinstitut WineSur/Area del Vino. Er ist der
Meinung, der Währungsdruck habe auch
sein Gutes: »Die Kellereien arbeiten immer
noch nicht wirklich effektiv im Vergleich
zu Europa oder Nordamerika. Der aktuelle Rentabilitätsdruck wird auf mittlere Sicht
die Produktivität erhöhen. Das hätte sowieso früher oder später kommen müssen.«
Im Moment jedoch stöhnen die Kellereien
in Chile und Argentinien unter ihrer starken Währung. Wenn sie die verdienten Dollars und Euros umrechnen bleibt ihnen immer weniger Gewinn.
Chile jetzt mit Carignan
Die wohl erstaunlichste Erfolgsgeschichte Chiles ist der unaufhaltsam scheinende
36
Weinwirtschaft 5|12
Aufstieg des Weingiganten Concha y Toro
im Besitz der Familie Guilisasti. Die Jahresproduktion der AG belief sich zuletzt
auf 350 Mill. Flaschen, unter anderem von
9500 Hektar eigener Weinberge – etwa das
Dreifache des gesamten Rheingaus. Nicht
konsolidierte Besitzungen der Familie wie
Emiliana oder Cono Sur sind dabei noch
gar nicht eingeschlossen. Mit dem Zukauf
von Fetzer in Kalifornien ist nicht nur die
Internationalisierung des hervorragend geführten Familienunternehmens weiter fortgeschritten. Das Guilisasti-Imperium wurde auch zugleich der mit großem Abstand
weltgrößte Produzent ökologischer Weine. Der Bioanbau bei Fetzer, Cono Sur und
Emiliana beläuft sich auf über 1.000 Hektar, mehrere hundert Hektar werden gar biodynamisch angebaut. Bei allem bleibt dem
Bataillon exzellenter Chefönologen – andere wären froh, einen dieser Klasse in ihren
Reihen zu haben – noch genügend Zeit für
Fingerübungen: Experimente, Filigranarbeit in neuen Terroirs, individuelle und mutige Neuentwicklungen wie die extrem mineralischen Maycas-Weine und die Pflege
mehrerer Weltklasseweine wie »Don Melchor«, »Carmín de Peumo« oder »Terruño«.
Dass sich ein Markenwein wie Casillero del
Diablo, von dem 38 Mill. Flaschen produziert werden, mit jedem Wein der Preisklasse 7–8 Euro messen kann – auch von kleinen Erzeugern – beweist Qualitätsbewußtsein auf jeder Ebene.
Andere Großkellereien, vor allem Santa
Rita, aber auch San Pedro oder Santa Carolina machen ebenfalls keinen schlechten
Job, erreichen jedoch die Durchschlagskraft
www.weinwirtschaft.de
Sven Bruchfeld, Polkura: Erfolg durch Movi
und durch Spezialisierung auf Syrah
José Miguel Víu, Viu Manent: Erdbebenschäden beseitigt
des Marktführers nicht, auch wenn die Santa Rita-Marke »120« in vielen Ländern ebenfalls bereits Kultstatus für gute Qualität zu
relativ kleinem Preis besitzt.
Auf der anderen Seite bewegt sich viel in der
Szenerie der kleineren Familienbetriebe,
die es vor 20 Jahren als Flaschenfüller kaum
gab. Sie spezialisieren sich in Nischen und
können mit erstaunlichen Ergebnissen aufwarten. Die Gruppe »Movi« (www.movi.cl)
vereint 19 kleine Flaschenfüller mit durchschnittlich 30.000 Flaschen Jahresproduktion. Sie treten als verschworene Gemeinschaft auch im Ausland gemeinsam auf,
pflegen gezielt das Image der alternativen
Underdogs und haben offenbar keine Probleme, ihre Weine zu verkaufen. Zumindest
Polkura, Flaherty, Clos Andino, Lagar de Bezana und Reserva de Caliboro füllen Weine
von hervorragender Qualität. Kleine Reibereien mit Wines of Chile, in dessen Konzept
eine Gruppe wie Movi bisher nicht vorgesehen war, sind nahe liegend, gehören aber
vielleicht auch zur Imagepflege.
Ein zweite Organisation hat fast noch größere Bedeutung als Vorbild. Mit der Vereinigung »Vigno« – Viñadores de Carignan
de Chile – gelang es erstmals in Chile, eine
gemeinsame Marke für mehrere Erzeuger
zu kreieren. »Vigno« steht groß und in glei-
cher Schrift auf jeder Carignan-Flasche der
Mitgliedsbetriebe. Vigno-Weine müssen relativ strenge Kriterien erfüllen: sie müssen
zu mindestens 65 Prozent aus Carignan bestehen, aus einer eng begrenzten Lage und
aus unbewässerten Weinbergen stammen,
die mindestens 30 Jahre alt sind und sie
müssen zwei Jahre gelagert sein. Hier werden drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen:
n die Renaissance der in Chile fast vergessenen Rebsorte Carignan, die hier weniger
spröde Weine liefert als in Südfrankreich
und Spanien. Beste Beispiele sind die Weine von Gillmore, Viña Roja, Undurraga und
de Martino.
n Die Herausstellung der im Süden Chiles vorhandenen, teils sehr alten unbewässerten Weinberge, die trotz Vorarbeiten von
Morandé und Fournier noch immer zu wenig beachtet werden
n Die Zusammenarbeit großer und kleiner
Unternehmen, denn neben Garagenwinzern, die gleichzeitig bei Movi mitmischen,
sind hier auch Kellereien wie Undurraga,
Morandé, de Martino und Torres mit von
der Partie.
Vigno und Movi kommen dem Bestreben
Chiles, mehr Variationsreichtum und Individualität zu zeigen, sehr entgegen. Ausge-
www.weinwirtschaft.de
Titel & Themen | Südamerika
rechnet einer der führenden Önologen von
Concha y Toro, Marcelo Papa, betont: »Wir
brauchen diese kleinen Projekte ebenso
wie die großen Marken. Dass es beides gibt,
macht die Stärke Chiles aus.«
Neues haben freilich auch etablierte Produzenten zu bieten. Der immer noch kleine Spitzenerzeuger Domus Aurea (D: Witt,
Bremen) hat mit den Marken Peñalolen
und den Ökoweinen »Pargua« sein Portfolio erweitert. De Martino, das sich immer
mehr zu einem Vorreiter in Sachen Terroir und Qualität entwickelt, arbeitet jetzt
mit alten Tontanks und hat neue 5.000-Liter-Holzfässer für die Topweine angeschafft.
Vergoren wird nur noch mit wilden Hefen.
Im Mittelpunkt der Kellerarbeit steht das
Streben nach Eleganz. Eine großartige Serie »Single Vineyard« ist das Ergebnis. Undurraga, wo die Einzellagenweine der Serie »Terroir hunter« immer besser werden,
will eine eigene Kellerei für Topweine bauen und trägt schon jetzt mit der Produktlinie »Volcanos de Chile« Weinbergen von
vulkanischen Böden Rechnung. Mit Koyle
haben die früheren Eigentümer von Undurraga ein biodynamisches 80-Hektar-Weingut am Andenrand aufgebaut, das nun erstmals Weine auf den Markt bringt. Sie zeigen, dass man sich trotz moderater Preise
qualitativ ganz oben ansiedeln will. Bei Viu
Manent hat man nach den Zerstörungen
die alten Gebäude originalgetreu wieder errichtet und will nach internationalen Erfolgen mit Malbec nun Weine aus den in Chile
kaum bekannten Granache und Mourvèdre
auf den Markt bringen.
Während die Exporte 2011 bei steigenden Preisen in der Menge eher stagnierten, stimmen die Aussichten auf die Ernte 2012 nicht nur optimistisch. Anhaltende Trockenheit und Hitze hat vor allem in
Aconcagua, Maipo und Casablanca zu Dehydrierungsproblemen geführt, die auch
die Erntemenge beeinträchtigen. Die gute
Wirtschaftslage führt andererseits dazu,
dass nur noch mit Mühe genügend Erntehelfer für die Handlese zu finden sind. Ein
Grund mehr für den steigenden Anteil Maschinenlese in chilenischen Weinbergen.
Die Verfeinerung und Verbreitung des 2011
aufgelegten Nachhaltigkeitssiegels gehört
für die Verantwortlichen der Branche zu
einer wichtigen Zukunftsaufgabe. Das ist
verständlich angesichts der Tatsache, dass
die Schneemengen auf den Anden, lebenswichtig zur Bewässerung, tendenziell weni-
www.weinwirtschaft.de
Javier Merino: „Gut, dass durch die Währungssituation Rationalisierungsdruck
entsteht
ger werden und Tiefbrunnen in trockenen
Regionen am Meer bereits zu erkennbarer
Absenkung des Grundwasserspiegels geführt haben.
Argentinien:
Wohnen im Weinberg
In Argentinien stöhnen die Kellereien unisono über die kontraproduktive Lohn- und
Exportpolitik der Regierung, die Preissteigerungen verursacht, welche im Export
nicht realisiert werden können. Mittelfristig
könnte eine Reihe von Kellereien in ernste
Situationen geraten, wenn die Konkurrenzfähigkeit im Export weiter abnimmt.
Aber anscheinend ist die Branche optimistisch. Es wird weiter kräftig renoviert
und gebaut. Vor allem in der dominierenden Region Mendoza bewegt sich viel. Einer der Großen der Branche, López, hat
sich fast ganz aus dem Export zurückgezogen, ist aber praktisch in jedem Restaurant
des Landes zu finden. Traditionell im Weinstil mit gereiften Roten aus großen Holzfässern, hat man mit einem schicken Res-
Chile
Wichtige Rebsorten (2011)*
Sorte
Cabernet-Sauvignon
Chardonnay
Sauvignon Blanc
Merlot
Carmenere
Syrah
Pinot Noir
Cabernet Franc
gesamt
* nur für Weinerzeugung, rot: 71 %
Quelle: Vinos de Chile
www.weinwirtschaft.de
Hektar
40.977
13.082
12.159
10.041
8.885
6.027
2.884
1.339
122.133
taurant, einem modernen, großen Verkaufsund Verkostungsladen und Führungen für
jährlich tausende Touristen die Zeichen der
Zeit erkannt.
Umgekehrt verkauft Dominio del Plata, wo
jetzt auch Susana Balbos Sohn eingestiegen ist, bisher fast alles im Ausland: »Wir
wollen uns jetzt auch ein wenig um den argentinischen Markt kümmern. Im Export
kämpfen wir mit der Rentabilität. Glücklicherweise sind wir auf inzwischen 2,6 Mill.
Liter gewachsen. Das dämpft den Fixkostenanteil«, erklärt die Chefin.
In jüngerer Zeit entstanden einige Bodegas mit recht hohem Anspruch, etwa Lamadrid und Durigutti, zwei Projekte des Kubaners Guillermo García und des Önologen
Hector Durigutti, die in einer Kellerei untergebracht sind. Auch Casarena, ebenfalls
in Agrelo, arbeitet mit ausländischem Kapital. Es berät: Michel Roland. Diamandes
ist die jüngste und vorerst letzte Bodega im
französischen »Clos de los Siete«-Arreal bei
Vista Flores. Hier ist der Bordelaiser Chateaubesitzer Alfred Bonnie Besitzer eines
höchst aufwendigen Prunkbaus mit 100 ha
Weinbergen.
Die Zahl der kleineren Projekte wächst. Die
Spitzen-Malbecks von Malbeck de Angeles aus einer Produktion von nur 20.000
Flaschen sind leider immer noch nicht in
Deutschland erhältlich. Hubert Weber, Önologe bei Weinert, (Weltklasse: der jetzt freigegebene 1994er Weinert Malbeck estrella)
hat unter eigenem Namen einige höchst interessante, europäisch wirkende Weine auf
Cabernet-Basis gefüllt, die in Deutschland
bisher nicht vertreten sind. Altmeister Carmelo Patti, der seine Weine erst nach Jahren verkauft, füllt nur etwa 50.000 Flaschen und bietet wunderbar gereifte Rote
in sensationeller Qualität an.
Ein weiterer heißer Tipp für sehr gelungene, elegante Weine aus einer sehenswert renovierten alten Adobe-Bodega ist Benegas
mit großartig reifenden, gut strukturierten
Weinen.
Auch in den etablierten Bodegas steht die
Zeit nicht still. Bei Trapiche fegt mit den
neuen Eigentümerfamilie Bemberg ein
neuer Wind durch die Keller und Büros.
José Zuccardi, der den preiswerten und erfolgreichen »Fuzion« in Canada aus Kostengründen durch einen Fuzion Reserva ersetzen musste, ist auch im oberen Preisbereich aktiv. Eine eigene kleine Experimentierbodega liefert Hintergrundinformati-
Titel & Themen | Südamerika
on. Demnächst soll in Altamira eine eigene Bodega für Topweine entstehen. Bei Salentein legt nun der alte Hase José Galante
(jahrzehntelang Catena/Esmeralda) Hand
an und treibt die Qualitätspolitik voran. Mit
2009 »Numina« ist eine beispielhaft elegante Cuvée gelungen. Norton, dessen Restaurant einen Besuch wert ist, hat sein Portfolio um den ersten Schaumwein erweitert,
der in klassischer Methode erzeugt wurde.
Überhaupt wird in ganz Südamerika neuerdings sehr viel mehr über Schaumwein gesprochen (und produziert) als noch vor zwei
Jahren. Seinen ersten hat kürzlich auch Aurelio Montes jun. bei Kaiken degorgiert.
Fokus auf Terroir liegt bei Altos las Hormigas, wo der Boden- und Bewässerungsexperte Pedro Parra die 55 Hektar untersucht, damit jede einzelne Parzelle exakt
angepasste Pflege und Bewässerung erhalten kann. Einer der besten Weine Südamerikas: 2008 Malbeck Single Vineyard.
Empfehlenswert sind nun auch wieder die
Weine von La Anita, wo Manuel Más, seit
kurzem alleiniger Besitzer, mithilfe seiner
Önologin Soledad Vargas und Beraterin Susana Balbo kräftig modernisiert hat.
Auf 1.300 m Höhe hat Atamisque eine der
höchstgelegenen Kellereien eröffnet (D:
Rindchen). Was in den ersten Jahrgängen
auf die Flasche kam, liefert den Beweis für
die These exzellenter Aromenausbildung
in großer Höhe. Die Haupteigentümer
John du Monceau und Aldo Monteverdi lieben es groß und schön: Zum 800 Hektar
großen Besitz gehören neben 70 ha Weinbergen eine Forellenzucht und Luxuslodges
sowie ein Restaurant.
Atamisque passt zu der geradezu explodierenden Konjunktur für önotouristische
Wohn- und Hotelprojekte. Lodges in Weinbergen, Appartements zwischen Reben und
Restaurants mit Blick auf Malbeck und Anden scheinen beste Nachfrage zu genießen.
Leider opfert man dafür nicht selten großartige alte Malbeck-Weinberge in den besten
Lagen zwischen Mendoza und Lujan.
Die Ökologie soll trotzdem nicht zu kurz
kommen: Nachdem fast alle Überseeländer
eigene Programme aufgelegt haben, denkt
nun auch ein offizielles argentinisches Gremium über das Thema Nachhaltigkeit im
Weinbau nach. Mit Ergebnissen ist noch
2012 zu rechnen.
Das Weinland an der Ostseite der Anden
bleibt im Export erfolgreich, muss aber der
ungünstigen Währungsrelation Tribut zol-
40
Weinwirtschaft 5|12
Manuel Más, La Anita: starker Qualitätsanstieg durch erhebliche Investitionen
len. Die hohe Inlandsinflation und explodierende Lohnkosten haben in Verbindung
mit dem relativ stabilen Peso den argentinischen Wein empfindlich verteuert. Mit eindeutigen Konsequenzen für das Jahr 2011:
der Exportmarkt für preiswerte Flaschenweine ist zusammengebrochen (–48% für
Weine unter 18 US-$ pro Kiste), weil sie
kaum noch zu diesem Preis herzustellen
sind.
Die gesamten Flaschenweinexporte gingen
gegenüber 2010 um 7 Prozent zurück. Weil
aber die Preise um 16 Prozent stiegen, erhöhte sich der Exportwert um 9 Prozent.
Da einfacher argentinischer Wein weiterhin gefragt ist, stiegen die Faßweinexporte
um 128 Prozent auf 1 Mill. Hektoliter, obwohl Chile und Südafrika zeitweise deutlich billiger lieferten.
Insgesamt hat Argentinien im vergangenen Jahr 3,1 Mill. Hektoliter Wein exportiert. Mehr als ein Viertel davon ging in
die USA, wo Malbeck buchstäblich in aller
Munde ist. Auf 40 Prozent aller exportierten Flaschenweine steht Malbeck als Rebsorte, gefolgt in großem Abstand von Cabernet, Chardonnay und Torrontés. Erheb-
Argentinien
Die größten Kellereien
Name
FeCoVita*
Peñaflor**
Catena-Gruppe
Norton
Trivento
Zuccardi
López
Mill. l/Jahr
260
100
60
24
22
17
15
* Sammelcooperative, hoher Faßweinanteil
** davon Trapiche: 30 Mio.
Quelle: eigene Schätzungen
liche Fortschritte macht das Land in Asien.
Vor allem das Geschäft mit China floriert –
bei sehr guten Durchschnittspreisen. Nach
Deutschland stiegen die Exporte, vor allem
an Fassweinen, wieder deutlich an, trotz erheblicher Preissteigerungen. 5,2 Mill. Liter
Lieferungen, davon 3 Mill. Fasswein, standen Einnahmen in Höhe von 13 Mill. Euro
(+22%) entgegen.
Die Faßweinpreise schwankten erheblich.
Sie stiegen von Januar bis August auf das
Doppelte und brachen im Dezember deutlich ein. Für die neue Ernte 2012 rechnen
die Agronomen nach dem qualitativ exzellenten Jahrgang 2011 vor allem in San Juan,
aber auch in Mendoza mit weniger Ertrag
als im vergangenen Jahr, einmal aufgrund
von Verrieselungen, zum anderen weil in
einigen Regionen Hagel erhebliche Schäden anrichtete. Trotzdem glauben Beobachter im Augenblick eher nicht an einen
Wiederanstieg der Preise. Mit der Traubenqualität ist man kurz vor der Ernte zufrieden, obwohl es aufgrund einer Hitzeperiode mit geringen Tag-Nach-Schwankungen
zu vereinzelten Dehydrierungsproblemen
gekommen ist.
Brasilien: Rote aus Campanhas
Wegen des feuchtwarmen Klimas pflanzten
die italienischstämmigen Winzer im traditionellen Weinbaugebiet Bento Goncalvez fast nur Hybridreben. Für die Schaumweinherstellung konnte man früher ernten
und litt weniger unter Fäulnisproblemen,
was den Anbau von Vinifera-Reben sinnvoll machte. Damit gaben sich die Winzer
ab 1990 nicht mehr zufrieden. Sie wollten
im Stillweingeschäft mitmischen, auch im
Export, spätestens als Chile und Argentinien begannen, den brasilianischen Markt zu
kapern.
Die Weintradition der grünen, zauberhaft
hügeligen Landschaft machte die Gegend
um Bento Goncalvez, vor allem das Valle
dos Vinhedos zu einem beliebten Urlaubsziel für Weinreisende. Neugründungen mit
Fokus auf Vinifera-Weine erfolgten. Vor allem der Familie Miolo gelang innerhalb von
20 Jahren, ausschließlich mit Vinifera-Weinen von einem kleinen Familienbetrieb zu
einem der Großen des Geschäfts neben Aurora und Salton aufzusteigen. Kleinere Erzeuger wie Valduga, Lidio Carraro, Boscato
oder Pizzato bringen bemerkenswerte Rotweine auf die Flasche, wobei häufig Merlots
besonders überzeugen. Beim Schaumwein
www.weinwirtschaft.de
setzt Valduga, aber auch die kleine Kellerei
Geisse Maßstäbe. Fast burgundisch mineralischen Chardonnay hat Cordilheira de
Sant’Ana gefüllt.
Doch der aktuelle Trend geht in Richtung
Süden, zur Grenze nach Uruguay. Geringere Niederschläge und sanft gewellte Landschaft – bisher weitestgehend Weideland
– erfordern weniger als die in Bento meist
notwendigen 25 Spritzungen und die Mechanisierung fällt leichter als an den steilen
Hängen um Bento Goncalvez. Javier González, der als Betriebsleiter das Projekt Dunamis leitet, sagt nichts anderes als die meisten Fachleute vor Ort: »In Campanhas produzieren wir bei niedrigeren Produktionskosten bessere Rotweine als in Bento Gon-
Uruguay: Fassweingeschäfte
In Uruguay, dem kleinsten der vier wichtigen südamerikanischen Weinländer, hat
der Rückgang des Weinkonsums seit Mitte der 90er Jahre ebenfalls einen Blick über
die Grenzen nötig gemacht. Obwohl die
enormen Hektarerträge früherer Jahrzehnte der Vergangeneheit angehören, trinken
die Uruguayos nicht mehr ihre gesamte
Produktion alleine; nicht einmal nach einem Jahrgang wie 2010, den der Geschäftsführer von Wines of Uruguay, Gustavo Margariños, als den »bisher besten überhaupt«
bezeichnet.
Angesichts beachtlicher Lagerbestände und
vor einer mit 120 Mill. kg eher großen Ernte
2012 trifft es sich gut, dass bereits in diesem
Brasilien: fast überall wird schon die brandneue TPC-Technik zur Blattstärkung mit Heißluft
angewendet
calvez. Die werden sich dort immer mehr
auf Schaumweine konzentrieren.« Miolo
besitzt hier bereits über 3.000 ha Land. Davon gehören 1.200 zu Almaden, einer ehemaligen Seagrams-Gründung, die Miolo
übernommen und umgekrempelt hat. Salton, Valduga und Lidio Carraro sind weitere Großinvestoren im Süden.
Im Export ist man mit dem Büro »Wines of
Brasil« gut aufgestellt. Doch der ganz große
Schritt nach vorne ist bei etwa 10 Mill. Liter
Export, 80 Prozent davon als Fasswein, bisher nicht gelungen. Verschiedene, sich teilweise widersprechende Statistiken machen
die Übersicht nicht eben leicht. Für 2011
weisen die Statistiken von Wines of Brasil
einen deutlichen Anstieg im Wert um 30
Prozent aus, bei verdoppelten Literpreisen
und rückläufigen Mengenverkäufen. Gute
Chancen rechnet man sich aus, wenn die
Fußball- Weltmeisterschaften 2014 und die
Olympiade 2016 näher kommen, die beide
in Brasilien stattfinden.
www.weinwirtschaft.de
Jahr ein Fassweinexport nach Russland in
Höhe von 4,6 Mill. Liter avisiert wird und
ein weiterer nach China in Höhe von 2 Mill.
Liter. In Richtung China wird weiter verhandelt, um auch Moste aus der neuen Ernte zu liefern.
Schon in den vergangenen Jahren stiegen die Exporte (+20%), ebenso wie 2010
(+25%), allerdings von sehr niedrigem Niveau ausgehend. Verglichen mit 3,4 Mill. Litern gesamter Weinausfuhren im Jahr 2011
wären die Exporte nach Russland und China eine Art Quantensprung. Im Jahr 2011
betrug der Exportanteil gerade 4 Prozent
der Ernte. Zwei Drittel gingen nach Brasilien, Mexiko und in die USA. Weitere Kunden waren unter anderem Japan, China,
Russland, Polen, Deutschland, Frankreich,
Großbritannien und Skandinavien.
Die größten Rebflächen liegen traditionell
in der Nähe der Hauptstadt Montevideo.
Neuerdings haben ausländische Investoren
unweit der Küste in der Nähe des Urlaubsortes Punta del Este neu gepflanzt. Mit Wei-
Titel & Themen | Südamerika
nen aus Tannat und Albariño sowie Weintouren wollen sie offenbar den Urlaubern
neue Anreize bieten. n
Jürgen Mathäß
42
Weinwirtschaft 5|12
Übersatz
www.weinwirtschaft.de