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n
Nachruf auf Helmut Alexander
A
m 3. Dezember 2009 verstarb
Prof. Dr. Helmut Alexander in
Brühl bei Köln. Seine wissenschaftliche Arbeit hat die Physik ausgedehnter Defekte in Halbleitern
über mehrere Jahrzehnte geprägt.
Als akademischer Lehrer hat er an
den Universitäten Göttingen und
Köln einen großen Kreis von Diplomanden und Doktoranden beispielhaft ausgebildet.
Helmut Alexander wurde am
30. Juli 1928 in Mannheim geboren.
Seine Kindheit und Jugend waren
geprägt durch sein Elternhaus, ein
evangelisches Pfarrhaus, sowie
durch den Zweiten Weltkrieg. Nach
dem Diplom 1957 an der Universität Mainz wechselte er zum MPI in
Stuttgart, wo er bei Werner Köster
und Peter Haasen seine Dissertation „Plastische Verformung von
Germanium-Einkristallen“ anfer­
tigte. Peter Haasen erhielt 1958
einen Ruf an das Institut für Metallphysik der Universität Göttingen
und bot ihm dort eine wissenschaftliche Assistentenstelle zum
Aufbau einer Halbleitergruppe an.
In Göttingen entwickelte Helmut
Alexander zwei wissenschaftliche
Schwerpunkte. Der erste betraf die
mikroskopische Deutung der Plas­
tizität von Halbleitern, zunächst
von Germanium, später auch Silizium und Verbindungshalbleitern.
1968 publizierten Helmut Alexander und Peter Haasen ein Buchkapitel, in dem erstmals die Plastizität
eines Materials, Germanium, zumindest qualitativ aus den mikroskopischen Messungen abgeleitet
wurden. Diese wegweisende Arbeit
ist bis heute die wohl meistzitierte
Referenz auf diesem Gebiet.
Der zweite Schwerpunkt von
Helmut Alexanders Göttinger Zeit
entwickelte sich aus einer Vermutung von William B. Shockley 1953,
wonach der Versetzungskern in
Halbleitern eine Reihe aufgebrochener Bindungen mit den Eigenschaften eines eindimensionalen
Elektronengases aufweisen könnte.
Zur Untersuchung der Elektronenzustände an Versetzungen wurde
in Diskussionen insbesondere mit
Reiner Labusch, einem Theoreti
Modellrechnungen bestätigt wurde. Versetzungsbewegung schafft
eine Vielzahl von Kristalldefekten,
die entweder am Versetzungskern
gefunden werden oder aber als
Punktdefekte oder Defektcluster im
Kristallvolumen zurückbleiben. Die
Elektronenmikroskopische Analyse
von verformten Halbleiterkristallen
zeigte, dass es möglich ist, durch
Verformung unter sehr hohem uniaxialen Druck bei niedrigen Temperaturen eine Population gerader
Versetzungen zu erzeugen, die zur
Helmut Alexander
Analyse der Eigenschaften einzelner Versetzungstypen, auch Partial­
ker aus der Schule von Friedrich
versetzungen, besonders geeignet
Hund, die Elektronenspinresonanz waren. Solche Proben wurden viean Versetzungen in Silizium als die len Arbeitsgruppen in der ganzen
interessanteste Methode zur Unter- Welt zur Verfügung gestellt.
suchung dieser Frage erkannt. Eine
Die Eigenschaften ausgedehnter
erste Messung und das Ergebnis
Gitterfehler sind auch für Siliziumeiner ersten Diplomarbeit wurden
Solarzellen sehr wichtig, da preisnoch in Göttingen zusammen mit
wertes multikristallines Silizium
Wilhelm Sander publiziert. Kurz
eine hohe Defektdichte aufweist.
nach seiner Habilitation im Jahre
Daher wurden Untersuchungen an
1966 erhielt Helmut Alexander eiSolarzellen zu einem zentralen Teil
nen Ruf an die Universität zu Köln, der Forschung seiner Arbeitsgrupden er 1968 annahm.
pe in Köln. So entwickelte er ein
In Köln übernahm Helmut AleModell zur Versetzungsentstehung
xander die Abteilung für Metallphy- beim Blockguss.
sik im II. Physikalischen Institut.
Auch die Entwicklung von KonDem bereits etablierten Gebiet der
zepten der Defektreduzierung im
magnetischen Untersuchungen
III-N-Materialsystem der blauen
von Metalllegierungen widmete er
und weißen Leuchtdioden mit sehr
sich bis zu seiner Emeritierung mit
hoher Dichte an Versetzungen und
beachtlichen Ergebnissen. Seine
anderen ausgedehnten GitterfehGöttinger Arbeiten an Versetzungen lern wurde durch das in Köln erarin Halbleitern setzte er in Köln fort, beitete grundlegende Verständnis
wo er auch ein Transmissionselekdieser Defekte und ihrer Wechseltronenmikroskop übernahm. Beru- wirkung erleichtert.
fungsmittel erlaubten den Aufbau
Gemeinsam mit Peter Haasen,
von Methoden zur kontrollierten
Reiner Labusch und Wolfgang
plastischen Verformung von HalbSchröter gründete Helmut Aleleitern bei hohen Temperaturen.
xander 1978 eine Konferenzserie,
Später kamen eine eigene Elekdie bis heute als Extended Defects
tronenspinresonanz, weitere elekin Semiconductors (EDS) weitrische Untersuchungsmethoden,
tergeführt wird. Zur besonderen
sowie moderne Transmissions- und Würdigung von Helmut Alexander
Rasterelektronenmikroskope dazu.
beschloss das Internationale SteueDie Kombination gut kontrolrungskomitee 2002 einen Helmutlierter plastischer Verformung mit
Alexander-Preis für den besten
quantitativen Analysen der komple- Konferenzbeitrag eines Nachxen Elektronenspinresonanzsignale wuchswissenschaftlers auszuloben,
ergaben den starken Hinweis, dass
der in diesem Jahr zum fünften Mal
Versetzungskerne in kovalenten
vergeben werden wird.
Halbleitern in der Regel rekons­
Helmut Gottschalk, Wolfgang
truiert sind, was später auch von
Schröter und Eicke Weber
© 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 9 (2010) Nr. 10 49
Dr. Helmut Gottschalk, Universität
Köln, Prof. Dr. Wolfgang Schröter, Universität Göttingen,
Prof. Dr. Eicke Weber, Fraunhofer-­
Institut für ­S olare
Energiesys­teme,
Freiburg