Erfahrungsbericht über mein Austauschsemester in Chicago, Illinois

Transcrição

Erfahrungsbericht über mein Austauschsemester in Chicago, Illinois
Erfahrungsbericht über mein Austauschsemester in Chicago, Illinois, USA
Chicago-Kent College of Law – Fall Term 2012
Maximilian Herrle
I. Vorwort
Vor meinem Erfahrungsbericht möchte ich zunächst bemerken, dass ich mich überaus gefreut
habe, an diesem hervorragend organisierten Austausch teilnehmen zu dürfen. Ich habe ein
sehr aufregendes und in vielerlei Hinsicht erfahrungsreiches erstes Semester in Chicago
verbringen dürfen und ein Weiteres wird nun folgen. Wie alle unsere Vorgänger kann ich
auch nur jeden dazu ermutigen, sich um eine Teilnahme am USA-Austausch der Juristischen
Fakultät zu bemühen. Es lohnt sich in jeder Hinsicht und kann aufgrund der neuen
Umgebung, den vielen neuen Eindrücken und den multikulturellen Begegnungen als
lebensprägend
bezeichnet
werden.
Auch
der
sehr
wertvolle
Einblick
in
das
angloamerikanische Rechtssystem sowie hilfreiche neue Kontakte tragen hierzu bei. Da ich
von Anfang an plante, ein komplettes Jahr in Chicago zu studieren und nun auch noch
zusammen mit Lisa Sand das zweite Semester am Kent-College verbringe, gehe ich im
Bericht an den relevanten Stellen auch darauf ein, welche Schritte notwendig und hilfreich zur
Planung und Durchführung eines zweiten Semesters sind.
Falls nach dem Lesen des Erfahrungsberichts noch Unklarheiten bestehen sollten, stehe ich
gerne unter meiner email-Adresse [email protected] für weitere Fragen zur Verfügung.
II. Vorbereitung
1. Generelles
Nach einer Zusage für den Austausch sollte man möglichst bald mit der Organisation des
Auslandsaufenthalts beginnen. Dies ist vor allem bei der Buchung des Fluges und für evtl.
entstehende Komplikationen bzgl. des Visums entscheidend. Eine Orientierungshilfe für die
Organisation
bietet
das
alljährlich
mitte
Januar
stattfindende
Treffen
mit
den
vorangegangenen Augsburger Austauschstudenten aller U.S.–Universitäten. Dort wird einem
an die Hand gegeben, welche Schritte notwendig und was zu beachten ist. Auch bietet dieses
Treffen eine gute Gelegenheit, seine Austauschkollegen kennen zu lernen und gemeinsam den
Aufenthalt zu koordinieren.
Zudem wird – da es sich ja um einen Austausch handelt – von den Teilnehmern erwartet, das
sie im Gegenzug den Amerikanern, die am Augsburger Summer Program teilnehmen, die
Ankunft in Augsburg erleichtern, indem sie ihnen bei der Wohnungssuche und dem Einleben
behilflich sind. Dies ist keinesfalls als Last zu verstehen, sondern es ist im Gegenteil eine
“mords Gaudi”, den Austauschpartnern unser kleines Mittelalterstädtchen näher zu bringen.
Dabei kann man auch schon im Vorfeld Freundschaften knüpfen, die einem wiederum selbst
den Einstieg erleichtern können. So habe ich z.B. meinem Austauschpartner Tom Augsburg
und das “bayerische Landleben” sowie die typisch bayerische Küche näher bringen dürfen,
was er sehr genoss. Wir haben jetzt im zweiten Semester sogar zusammen mit einem weiteren
LL.M. Studenten aus Frankreich eine Wohngemeinschaft gegründet und es ist eine richtige
Freundschaft entstanden.
2. Unterkunft
Gewohnt haben alle Chicago-Teilnehmer im ersten Semester in den Canterbury Court
Apartments (http://www.canterburycourtapartments.com/). Diese waren im Vergleich zu etwa
den TailorLoft Apartments (http://tailorlofts.info/) zwar ca. $ 200 teurer, sie boten jedoch für
uns einige Vorteile: wir hatten zuvor nur Gutes darüber gehört und wollten, da wir noch nicht
ortskundig waren, nicht auf eine “böse Überraschung” stoßen. Zudem ist das Personal sehr
freundlich. Die Apartments mit ca. 35 qm sind zwar alt aber möbliert und die Mietdauer kann
individuell genau nach den bewohnten Tagen abgestimmt werden. Im Gegensatz dazu können
bei TailorLofts nur Jahresmietverträge abgeschlossen werden. Diese bieten sich deshalb nur
an, wenn man spätere Bemühungen um eine Untervermietung in Kauf nehmen will. Ein
Pluspunkt für die TailorLofts wäre möglicherweise, dass viele Kent-Studenten in ihnen
wohnen und die meisten Parties dort gefeiert werden. Außerdem liegen sie nur ca. 10 Minuten
zu Fuß von der Uni entfernt. Andererseits sind die “Canterburys” sehr schön an der Gold
Coast gelegen, welches gewissermaßen das Prestige- und Ausgehviertel in Chicago ist. Es
sind nur 3 Minuten zum Lake Michigan und es gibt eine Vielzahl von Clubs und Bars, unter
anderem auch das legendäre, Geschichtsbücher füllende Pub “Mc Faddens”. Letztlich liegt es
in jedermanns eigenem Ermessen, für welche Wohnung man sich entscheidet. Für mich fand
die Entscheidung zwischen diesen beiden Unterkünften statt. Für weitere Optionen sei etwa
auf die günstigeren aber dezentralen On Campus Wohnheime (http://www.iit.edu/housing/)
des Illinois Intitute of Technology (IIT) oder die sehr nah an der Law School liegenden aber
teuren Presidential Towers (http://www.presidentialtowersapts.com/) verwiesen.
3. Flug
Als ungünstig für den Flugpreis erweist sich, dass sowohl Hin- als auch Rückflug im Zeitraum
der Schulferien liegen. Einem überteuerten Preis kann jedoch mit rechtzeitiger Buchung
entgegengewirkt werden. Ich würde auch empfehlen, bei einem Reisebüro zu buchen, um bei
eventuellen Problemen auf einen persönlichen Ansprechpartner zurückgreifen zu können.
Zudem können eine Reiserücktrittsversicherung und eine Umbuchungsoption (ca. 100 €) von
Vorteil sein. Ich selbst habe beispielsweise, da ich nicht direkt zuerst nach Chicago flog, noch
eine Hotelübernachtung in einer anderen Stadt zusammen mit dem Flug gebucht (beim
Reisebüro nach sog. “Landleistung” fragen), weshalb mein Flug insgesamt günstiger wurde.
4. Visum
Bezüglich des Visums empfiehlt es sich, bereits einige Zeit vor dem Botschaftsbesuch beim
amerikanischen Generalkonsulat in München damit zu beginnen, alle notwendigen Unterlagen
zusammenzutragen, um so unnötige Komplikationen und Mehrfachbesuche bei der Botschaft
zu vermeiden. Am besten folgt man einfach den acht Schritten auf der Konsulats-Hompage
unter http://german.germany.usembassy.gov/visa/niv/antrag/. Es müssen unter anderem
visumskonforme
Fotos
gemacht
werden
(Fotobestimmungen:
http://german.germany.usembassy.gov/visa/fotos/) und verschiedene Verwaltungs- und
Bearbeitungsgebühren bezahlt werden. Alles weitere zum Thema Visum siehe auf der
Hompage der Botschaft.
5. Krankenversicherung/ Gesundheitliches
Vor Studienbeginn verlangt die Universität, das man ihr eine spezielles Formular (sog.
Immunization Form) ausgefüllt zusendet, auf dem alle Standardimpfungen wie Mumps,
Masern, Röteln etc. seit der Kindheit dokumentiert sind. Auch ein Tuberkulosetest ist
notwendig. Da die meisten diesen noch nicht gemacht haben werden: man kann ihn beim
Gesundheitsamt oder beim Pneumologen anfertigen lassen. Dort kann man sich dann auch die
Impfungen vom Impfpass zusammen mit dem Tuberkulosetest in die Immunization Form
eintragen und abstempeln lassen (Stempel sind den amerikanischen Behörden immer der
liebste Authentizitätsbeweis). Man kann fehlende Impfungen zwar im Student Health Center
des IIT vornehmen lassen, es empfiehlt sich aber, diese Vorkehrungen bereits in Deutschland
zu treffen, da ansonsten nicht unerhebliche Gebühren erhoben werden.
Bezüglich Auslandskrankenversicherung ist zu erwähnen, dass alle Austauschstudenten
gezwungenermaßen die Krankenversicherung “Aetna” über das IIT abschließen müssen.
Diese musste auch bei einem Aufenthalt von nur einem Semester für die Dauer eines vollen
akademischen Jahres bezahlt werden und betrug $ 830. Es ist jedoch am Ende des ersten
Semesters eine Rückerstattung des zu viel gezahlten Betrags möglich.
Da mir frühere Austauschstudenten berichtet hatten, dass die Leistungen von “Aetna” im
Krankheitsfall eher mager ausfallen können, habe ich sicherheitshalber noch eine
Auslandskrankenversicherung für Studenten bei der ADAC abgeschlossen (ca. 140 € für ein
halbes Jahr).
6. Kostenüberschlag
Trotz eines Studiengebührenerlasses im ersten Semester und Förderung durch den DAAD
sind die USA nach wie vor eines der teuersten Länder für einen Auslandsaufenthalt.
Ausschlaggebend hierfür ist natürlich auch der Wechselkurs. Hier ein Überblick der Kosten,
mit denen generell im ersten Semester zu rechnen ist:
Health Insurance
$ 415
Activity Fee
$ 65
U-Pass
$ 100
Visum
SEVIS Fee
$ 180
Visa Einz.nachweis
$ 175
Unterkunft (monatl. $ 1075 x 5)
$ 5375
Bücher
$ 500 (ca./ kursabhängig)
Lebensunterhalt (ca. $ 500 monatl. x 5)
$ 2500
Auslandsstipendium DAAD
$ 5700 (-)
Gesamtkosten für ein Semester
$ 3610
Insgesamt ausschlaggebend für die Kosten ist natürlich auch der persönliche Lebensstil. Die
hier aufgelisteten Kosten stellen die Basiskosten dar. Hinzu kommen evtl. noch Reisekosten.
Insofern Inlandsflüge in den USA aber generell günstiger zu bekommen sind (z.B. Chicago –
New York schon für $ 89), halten sich diese relative in Grenzen.
7. Fördermöglichkeiten
Die Homepage der Juristischen Fakultät der Uni Augsburg bietet eine umfangreiche Liste
verschiedener Institute, bei denen man sich um Fördermöglichkeiten bewerben kann
(nachzulesen unter
http://www.jura.uni-augsburg.de/lehre/austausch/usa_studium/foerderungsmoeglichkeiten/).
Zudem bietet die Beantragung von Auslandsbafög eine Alternative. Hierbei sind die Hürden
verglichen zum Inlandsbafög geringer. Unsere Gruppe für Chicago erhielt zudem ein
Teilstipendium des DAAD. Dadurch blieb uns der langwierige Einzelbewerbungsprozess
erspart. Zudem hatten wir das Glück, das in diesem Jahr der monatliche Stipendienbetrag
beträchtlich erhöht wurde.
8. Money-Management und Sonstiges
Für einen möglichst gebührenfreien Zahlungsverkehr habe ich zunächst bei der Deutschen
Kreditbank (dkb) ein kostenloses Studentenkonto mit Giro- und Kreditkarte eröffnet. Im
Internet gibt es auch zahlreiche Rankings mit den aktuell günstigsten Konditionen für
Studentenkontos. Bei der dkb kostet eine Überweisung in die USA derzeit 12,50 € und
Abheben vom Geldautomaten in den USA ist (abgesehen von evtl. anfallenden Gebühren des
Automatenbesitzers) kostenlos. Zudem habe ich ein kostenloses (ausschließliches) OnlineKonto bei der Bank of America (BoA) eröffnet. Mit dieser Kombination ist es dann möglich,
Geld am BoA-Automaten kostenlos von der dkb-Kreditkarte abzuheben und gleich wieder auf
das BoA-Konto einzuzahlen. So kann man jegliche Gebühren umgehen. Lediglich für größere
Summen wie Studiengebühren oder Kautionszahlungen empfiehlt es sich, eine Überweisung
per wire transfer zu tätigen. Auch hat man mit einer Kontoeröffnung in den USA den Vorteil,
seine Miete bequem mit Checks anstatt bar zahlen zu können.
III. Studium
1. Generelles zur Law School und dem Studium
Das Kent-College darf man sich zunächst nicht wie eine gewöhnliche Campus-Universität bei
uns in Deutschland vorstellen. Es gibt keine Freiflächen oder Grünanlagen. Vielmehr ist die
Lawschool zusammen mit der Businessschool in einem Hochhaus auf neun Stockwerke
verteilt untergebracht. Von einem Kurs zum anderen gelangt man mit dem Fahrstuhl. Der
mangelnde Campus Flair wird aber durch die sehr zentrale Lage wieder wett gemacht. Man
studiert im Grunde downtown, es sind nur fünf Minuten bis zum größten Wolkenkratzer
Chicagos (Sears/ Willis Tower) und Pausen kann man bei schönem Wetter auch am ChicagoRiver verbringen.
Generell wird viel Wert auf wissenschaftlich korrektes Arbeiten und Professionalität gelegt.
Dies wird auch in jedem Kurs-Syllabus erwähnt und professionelles Verhalten stellt u.a. ein
Benotungskriterium dar.
2. Orientation Week
Bezüglich des Ablaufs für die Kurswahl und alle sonstigen überlebensnotwendigen
Informationen wird man in Kent nicht allein gelassen. Man bekommt in der ersten Woche
einen persönlichen Ordner mit allen relevanten Infos und es finden spezielle Sessions statt, in
denen alles zu Themen wie Kurswahl, Code of Conduct, Visum und International Office, UPass, Zahlung von Gebühren, Sicherheit etc. ausführlich erklärt wird. Auch das Event
“Student Mixer” sei hier als wichtige Gelegenheit erwähnt, die neuen LL.M. Kollegen kennen
zu lernen. Dabei werden alle Studenten im Eventraum im 9. Stock mit “amerikanischen
Köstlichkeiten” verwöhnt.
3. Kurswahl, belegte Kurse und Wertung
a) Generelles
Während der Orientation-Week machte sich jeder Student Gedanken bezüglich der
Kurswahl. Für diese Entscheidung waren die kurzen Kursbeschreibungen auf der Kent-
Kursdatenbank
(http://www.kentlaw.iit.edu/academics/jd-program/curriculum/course-
descriptions) sehr hilfreich. Zudem konnten bei speziellen Fragen ohne Weiteres auch die
Dozenten angeschrieben werden. Am Ende der Orientation-Week traf sich dann jeder
Student zu einem individuellen, zehnminütigen Gespräch mit Dean Edward Harris, dem
Assistant Dean für die internationalen LL.M. Programme, der in allen LL.M.
Angelegenheiten das letzte Wort hat. Dabei wurde nochmals geprüft, ob die Kurswahl den
jeweiligen Programmvoraussetzungen entsprach. Nach der Kurswahl im Internetportal
unter https://my.iit.edu began dann eine zweiwöchige “Add/Drop-Phase”, binnen der
Kurse noch gewechselt bzw. abgewählt werden konnten, wenn man unzufrieden war oder
das Gefühl eines überladenen Stundenplans hatte.
Zehn
Credits
sind
hierbei
das
notwendige
Minimum
zur
Erfüllung
der
Stipendiumsvoraussetungen des DAAD, zwölf Credits sind notwendig für das Visum und
um den Status als Vollzeitstudent zu erfüllen. Das Maximum belegbarer Credits beträgt
16. Davon ist jedoch im ersten Auslandsemester bei allen ungewohnten Neuheiten eher
abzuraten. Ein Pensum zwischen zwölf und 14 Credits scheint angemessener und
realistisch bewältigbar.
Auch bei der Entscheidungsfindung bzgl. der Kurse ist Eile
geboten, da das Kursprogramm in amerikanischen Vorlesungen generell sehr schnell
voranschreitet und sich bald viel Lernstoff ansammelt.
Auch von Bedeutung für die Kurswahl kann die Art und Weise der Abschlussprüfung
sein. Dabei sind die amerikanischen Professoren in der Prüfungsgestaltung sehr flexibel.
So werden Abschlussprüfungen teilweise als sog. “Take Home Exams” angeboten. D.h.
das Exam kann binnen einer bestimmten Zeit (meist zwei bis vier Tage) zu Hause unter
Einsicht aller Materialien erledigt werden. Diese Prüfungsart ist jedoch nicht zu
unterschätzen, da qualitativ höhere Anforderungen gestellt werden. Aus diesem Grund
und generell zur Panikvermeidung am Semesterende empfiehlt es sich, die meist
umfangreichen Reading Assignments (Leseaufträge von bis zu 50 Seiten pro Stunde) ernst
zu nehmen. Ich machte jedoch die persönliche Erfahrung, dass es irgendwann realistisch
nicht mehr machbar war, bis zu 150 Seiten Case Law pro Tag zu lesen. Deshalb empfiehlt
es sich, bei Semesterbeginn von amerikanischen J.D. Studenten oder in einschlägigen
TWEN Portalen auf WestLaw entsprechend vorgefertigte und komprimierte Skripte zu
beschaffen. Diese halfen mir enorm, ein Grundverständnis der entsprechenden Materie zu
erlangen. In einem zweiten Schritt habe ich dann die Themen, die vom Dozenten
schwerpunktmäßig besprochen wurden, im Textbuch nachgelesen und in einem dritten
Schritt aus beiden Quellen mein eigenes Skriptum erstellt. Allerdings ist es aufgrund der
sog. “sokratischen Lehrmethode” (Student bereitet den Stoff zu Hause vor, in der
Vorlesung wird dann kritisch darüber diskutiert), die die meisten Professoren anwenden
unerlässlich, die Assignments vorab zumindest zu “skimmen”, d.h. zu überfliegen und
sich Notizen zu machen, um bescheid zu wissen, worüber diskutiert wird.
b) Kurse
(1) Introduction to the American Legal System (Prof. Decatorsmith): 2 Credits
Prof. Decatorsmith, der eigentlich einen steuerrechtlichen Hintergrund hat, übernahm
die Aufgabe, den gesamten LL.M. Studenten während der ersten zwei Wochen vor
dem offiziellen Semesterbeginn eine verblockte Einführung in das amerikanische
Rechtssystem zu geben. Dabei wurden sehr breit gefächert die wichtigsten
Rechtsgebiete wie Constitutional Law, Property Law, Contracts oder auch Criminal
Law kurz angerissen und die grundlegenden angloamerikanischen Rechtskonzepte
erläutert. Prof. Decatorsmith brachte uns auch das sog. “Case Briefing” bei, d.h. das
schnelle summarische Zusammenfassen von Fällen, was sich für die nachfolgenden
Kurse als sehr hilfreich erwies. Er verstand es, uns den Stoff durch seine légère und
humorvolle Art in sehr unbeschwerter Atmosphäre zu vermitteln, sodass die
Veranstaltung eine gelungene Einführung bot.
(2) Patent Law (Prof. Schwartz): 3 Credits
Der Kurs zum U.S. amerikanischen Patentrecht bei Prof. Schwartz stellte sich als
mitunter einer der anspruchvollsten Kurse heraus. Behandelt wurden der Patent Act
von 1952, der noch geltendes Recht darstellt, sowie der America Invents Act, der als
Änderungsgesetz mit weitreichenden Folgen ab 2013 in Kraft treten wird. In aller
Kürze gesagt werden in diesem Kurs alle rechtlichen Voraussetzungen vermittelt, die
für die Patentierung einer Erfindung notwendig sind. So werden z.B. die Normen 101
(patentierbare Materie, Kriterium der Nützlichkeit), 102 (Neuheit, Stand der Technik),
103 (Offensichtlichkeit) und 112 (schriftliche Beschreibung, Ausführbarkeit), die den
Hauptbestandteil des amerikanischen Patentrechts bilden en detail besprochen. Aber
nicht nur die “patent prosecution”, also das Erlangen eines Patents vor dem PTO
(Patents- and Trademark Office), sondern auch die “patent litigation” (die rechtliche
Durchsetzung des Patentanspruchs) und Schadensersatz sowie Lizenzabkommen u.a.
werden erörtert.
Prof. Schwartz hat vor seiner Anstellung als Vollzeit-Professor selbst zehn Jahre lang
als Patentanwalt im Bereich Litigation gearbeitet und zudem einen Abschluss in
Chemie. Er erzählte daher oft von seinen persönlichen Erfahrungen und lies aktuelle
Problematiken mit in seine Vorlesungsgestaltung einfließen, was mir sehr gefiel. Da es
für amerikanische J.D. Studenten zum Besuch dieser Vorlesung Voraussetzung ist,
einen Undergraduate-Abschluss im Bereich Engineering oder Life Sciences zu haben,
sitzt man ausschließlich mit Studenten in der Vorlesung, die z.B. schon einen
Abschluss in Molekularbiologie haben. Dies ist bei den durchwegs technischen bzw.
chemischen Erfindungen, die den Sachverhalten zugrunde liegen, ohne Frage hilfreich,
meines Erachtens aber nicht zwingend notwendig. Man kann die Vorlesung auch ohne
diesen Hintergrund gut meistern.
Zu Beginn des Semesters erlernten wir auch das Formulieren eines Patentanspruchs
(sog. claim construction) und mussten zur Übung gleich mal einen claim für die
Neuerfindung eines Bleistifts formulieren. Die Schwierigkeit dabei lag darin, den
Anspruch weit genug zu formulieren, um ein möglichst breites Patent zu Erlangen,
jedoch gleichzeitig auch eng genug, damit dieser nicht vom PTO abgewiesen würde.
Das Lesepensum war mitunter das Größte. Jedoch war der Kurs von Professor
Schwartz klar strukturiert und machte mir daher und aufgrund der Verbindung von
Technik und Recht am meisten Spaß.
(3) Trademarks and Unfair Competition (Prof. Piatt): 3 Credits
Prof. Piatt schreckte uns zu Beginn der Vorlesung erst einmal mit der Information ab,
dass der Kurs viel Lesearbeit bedürfe und schnell voranschreite. Auch ihr sehr
energischer Stil und zeitweiliges Aufschreien mochten den einen oder anderen vom
Belegen des Kurses wieder abgebracht haben. Diese Befürchtungen erwiesen sich
jedoch als übertrieben. Im Laufe des Semesters zeigte sich, dass sie überaus hilfsbereit
war und stets individuell auf die Studenten einging. Ihre Hilfsbereitschaft ging sogar
über Fragen zum gewöhnlichen Stoff hinaus. Sie stand für Fragen zur Masterarbeit
immer zur Verfügung und mailte mir das gesamte Semester über themenverwandte,
hilfreiche Artikel. Eine solches Betreuungsverhältnis zwischen Professoren und
Studenten war mir bis dato von Deutschland unbekannt.
Der Kurs konzentrierte sich auf das U.S. amerikanische Markenrecht als Teildisziplin
des Rechts des unlauteren Wettbewerbs. Klassisches Lauterkeits- und Kartellrecht
wurde nur am Rande erwähnt. Wer sich hierfür interessiert, sollte die Kurse “Antitrust
Law” oder “Unfair Competition Law” belegen.
Prof.
Piatt
brachte
als
echte
Markenrechtlerin
zu
beinahe
jeder
Stunde
Produktverpackungen von teilweise bereits ausgestorbenen Marken mit und
veranschaulichte so den Unterricht. Auch mussten über das Semester verteilt ca. 4
Assignments abgegeben werden, in denen teils im Team neue Marken für Produkte
entwickelt, rechtlich geschützt und deren Stärke beurteilt wurden. Prof. Piatt rief
weiterhin in jeder Stunde in alphabetischer Reihenfolge Studenten auf, die zu den
aufgegebenen Leseportionen referieren mussten.
Es gab eine schriftliche Abschlussklausur, die jedoch nur zu 50% in die Gesamtnote
einfloß. Die andere Hälfte der Note bestimmte sich durch Unterrichtsteilnahme und
die Ergebnisse der Assignments.
(4) Copyright Law (Prof. Staudt): 3 Credits
Prof. Staudt, der bereits seit 1978 am Kent-College unterrichtet, gilt als Urgestein an
dieser Universität. Er ist spezialisiert auf Recht und Technologie und hatte bereits eine
führende Position beim Suchdienstanbieter LexisNexis inne. Sein Unterricht bestand
ausschließlich aus einer Diskussion des zuvor studierten Fallrechts. Dabei ging er
gerne mal durch die Reihen, um willkürlich Studenten zum aktuellen Fall zu prüfen;
stets mit der nur scheinbar simplen Frage abschließend: “Copyrightable? Yes? No?”.
Allerdings ließ er bei den LL.M. Studenten des Öfteren auch Milde walten.
Im Unterricht wurde u.a. geklärt, welche schöpferischen Ausdrucksformen vom
amerikanischen Urheberrecht erfasst werden oder wie Besitz, Dauer und Erneuerung
geregelt sind. Auch die Zweithaftung, die Durchsetzung des Urheberrechts und das
bedeutsame amerikanische Konzept des “Fair Use” wurden besprochen.
Am Ende des Kurses gab es eine schriftliche, dreistündige Abschlussklausur, in der
zwei Urheberrechtsfälle gutachterlich erörtert werden mussten.
Doch auch die Teilnahme am Unterricht zahlt sich aus, insofern dadurch die Endnote
um bis zu einem halben letter grade angehoben werden kann. Der Kurs war insgesamt
sehr lohnend und man sollte sich nach Möglichkeit diesen klassischen amerikanischen
Professor, wie er im Buche steht, nicht entgehen lassen.
(5) Legal Writing Seminar for Intellectual Property Law (Prof. Lee/ Prof. Guerrini):
1 Credit
Alle Teilnehmer des Intellectual Property Law Programms müssen u.a. verpflichtend
das begleitende Seminar in Legal Writing belegen. Dieses erstreckt sich über eine
Dauer von zwei Semestern, wobei das Hauptziel in der Anfertigung einer Masterarbeit
im Bereich des Geistigen Eigentums besteht. Die Arbeit muss einem Umfang von 30
Seiten entsprechen und ein IP-Thema mit internationalem Bezug behandeln.
Im ersten Semester leitete ausschließlich Prof. Guerrini das Seminar. Sie war sehr
darauf bedacht, den Teilnehmern einen guten wissenschaftlichen Stil und
Professionalität zu vermitteln und stand für die Betreuung der Seminarthemen sogar
am Wochenende per Pager zur Verfügung. Im zweiten Semester wird Prof. Lee, der
Leiter des Intellectual Property Law Programms federführend zum Seminar
hinzustoßen.
Das Seminar vermittelt das Erstellen wissenschaftlicher Texte nach amerikanischen
Maßstäben und Methodik von Grund auf. Im ersten Semester wird deshalb parallel zur
Themenfindung der Chicago-Kent Code of Conduct (Verhaltenskodex) und die
Vermeidung von Plagiarismus erläutert. Außerdem lernt man das U.S. eigene
Zitiersystem nach dem sog. “Blue Book” Standard kennen. Dabei wird im Grunde jede
Art von Quelle in einem eigens vorgegebenen Format zitiert. Zudem wird im ersten
Semester Teil I (Einführung und Problemerörterung) verfasst, im zweiten Semester
dann Teil II (Lösung) und Teil III (Erwiederung potentieller Kritik). Nach diesem
Schema werden die meisten Artikel in U.S. Law Journals verfasst.
Das Seminar wird im Fall Term nur mit einem credit gutgeschrieben, im Spring Term
dann mit zwei. Es ist jedoch mit seinen alle zwei Wochen wiederkehrenden
Abgabefristen und dem sehr hohen wissenschaftlichen Anspruch an die Qualität der
Arbeit nicht zu unterschätzen.
IV. Freizeit in Chicago
1. Nachtleben
Bezüglich des Nachtlebens sind Bars wie das McFaddens und Public House oder Clubs
wie The Mid und Soundbar Namen, die man auf jeden Fall genauer unter die Lupe
nehmen sollte. Auch den Besuch eines Jazz- oder Blues-Clubs wie der Green Mill oder
dem Blue Chicago kann ich nur wärmstens empfehlen, insofern ja Chicago weltbekannt
für diese Musikstile ist. Siehe hierzu auch das alljährlich im Millenium-Park stattfindende
“Chicago Jazz Festival”.
2. Sport
Sportlich dürfte “Chi Town” auch für jeden Geschmack etwas zu bieten haben. Wer in den
Canterburys wohnt und sich gerne im Freien austobt, für den bietet es sich an, entlang des
Lake Michigan laufen oder im Sommer im See selbst schwimmen zu gehen. Günstige
Aktionen der Gyms in Zusammenarbeit mit dem College werden auch angeboten (ab $ 35
Monatsbeitrag für Studenten). Es gibt auch Tennis-, Fußball- und sogar einen Golfplatz
entlang des Lake Michigan. In einem Kanal im Lincoln Park kann man auch das Rudern
(Rowing) ausprobieren. Und abschließend sei noch das Keating Sport Center am Main
Campus des IIT erwähnt (http://www.illinoistechathletics.com/). Dort gibt es eine
Schwimmhalle mit 25 m Bahnen und ein Fitness Center, beides kostenlos.
V. Resümee
Abschließend kann ich nur nochmals betonen, welch eine spannende Zeit ich bisher in dieser
überwältigenden Großstadt verbracht habe, die ich noch für eine Weile mein Zuhause nennen
darf. Der sprachliche und studienbezogene Mehrwert, den ich aus dem ersten Semester gezogen
habe sowie die vielen neuen Freundschaften, die man mit tollen Persönlichkeiten aus aller Welt
schließen kann, sollten Grund genug für jeden sein, sich einen Auslandsaufenthalt zum Ziel zu
setzen. Bleibt mir nur noch, mich ganz herzlich beim Lehrstuhl von Herrn Prof. Möllers,
insbesondere bei Herrn Prof. Möllers selbst, seiner Sekretärin Frau Weidenhammer und vor allen
Dingen bei Herrn Andreas Harrer für die Ermöglichung des Auslandsaufenthalts und die
hervorragende Betreuung zu bedanken. Weiterer besonderer Dank gilt Dean Harris und seinem
Team vom International Office des Kent-College, sowie Prof. Lee, dem Direktor des Programms
in International Intellectual Property Law und seinen Mitarbeitern. Danke!