Alter Ladenhüter statt Schnäppchen: Bei billiger Hardware vom

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Alter Ladenhüter statt Schnäppchen: Bei billiger Hardware vom
64 > KAUFBERATUNG > EINKAUFEN BEIM DISCOUNTER
PCtipp, Mai 2011
VON DANIEL BADER
D
as Angebot im Flyer vom Discounter um
die Ecke scheint unschlagbar: Ein
brandneues 15,6 Zoll grosses Notebook
für günstige 599 Franken, das ultraschnelle Multifunktionsgerät für 399 Franken
gibts fast gratis dazu. Locken Discounter mit solchen oder ähnlichen Billigangeboten, ist Vorsicht
geboten. Die vielen Superlative und Phrasen kaschieren meist Defizite. Vor allem PC-Unkundige
riskieren einen Fehlkauf, da sie sich hauptsächlich
vom günstigen Preis verleiten lassen. Zudem sind
viele vermeintliche Schnäppchen bei Discountern zeitlich und in der Stückzahl begrenzt, was
den unbedachten Sofortkauf zusätzlich anheizt.
Der PCtipp hilft, damit sich das Schnäppchen
zu Hause nicht als Enttäuschung entpuppt. Wir
zeigen Ihnen die acht häufigsten Verkaufstricks
der Discounter und geben Tipps, damit Sie nicht
auf diese Kaufmaschen hereinfallen.
Wichtig: Wir verzichten bewusst auf die Nennung spezifischer Discounter. Der PCtipp will
Ihnen mit dem Artikel beim Kauf helfen und
keinesfalls die Billiganbieter verunglimpfen.
Denn diese haben auch immer wieder sehr gute
Angebote. Die Prospektabbildungen sind nur
Beispiele und bedeuten nicht, dass dieser oder
jener Discounter unglaubwürdig ist.
1. Verwirrende Gerätenamen
KAUFFALLE
Alter Ladenhüter statt Schnäppchen:
Bei billiger Hardware vom Discounter
sollten Sie besser zweimal hinschauen.
Unsere Tipps verhindern Fehlkäufe.
Das schützt: Achten Sie beim Kauf
nicht auf den Gerätenamen, sondern
auf die integrierten Komponenten.
Überlegen Sie sich genau, welche Art von Notebook oder PC Sie brauchen. Am besten erstellen
Sie eine Liste, auf der alle wichtigen Kriterien
und Komponenten erfasst sind: Für welche Aufgaben verwenden Sie den PC? Muss das Notebook sehr portabel sein? Wie lange soll der Akku
reichen? Müssen Prozessor und Grafikchip
schnell genug für Spiele sein? Brauchen Sie viel
Speicherplatz? Achten Sie auch auf die Anschlüsse, also USB-Ports, HDMI-Buchse etc.
Ganz am Schluss notieren Sie sich, wie viel Geld
Sie für das Gerät maximal ausgeben wollen. Mit
dieser Liste gehen Sie in den Laden und kaufen
sich das Gerät, das Ihren Kriterien entspricht,
und nicht das neuste Schnäppchen.
ILLUSTRATION TOM HÜBSCHER, TNT-GRAPHICS.CH
VORSICHT,
Einer der beliebtesten Tricks bei Notebooks und
PCs sind Sondermodelle, die es sonst nirgends zu
kaufen gibt. Ein Beispiel: Das günstige Gerät vom
Notebook-Hersteller ABC trägt den Namen
01234 plus den Zusatz XYZ. Das Gerät 01234
wurde in den Fachmedien bereits getestet und
mit guten Noten ausgezeichnet.
Der Teufel steckt im Detail, in diesem Fall im
Namenszusatz XYZ. Der Discounter kauft bei der
Firma ABC eine grosse Menge an Notebooks des
Modells 01234, die aber an einigen wichtigen
Stellen vom Originalgerät abweichen. Denn nur
so kann er den günstigen Verkaufspreis erreichen.
Darum heissen die Notebooks neu 012354-XYZ,
Screen 1. So ist zum Beispiel der Akku abgespeckt und auf einen separaten Grafikchip wurde
verzichtet. Stattdessen kommt die schwächere,
integrierte Grafik zum Einsatz. Ausserdem ist
weniger Arbeitsspeicher an Bord.
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Täglich die neuste Hard- und Software auf www.pctipp.ch/produkte
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2
Was stimmt jetzt? Sind 100 Hz (unten) oder doch
200 Hz die höchste Tiefenschärfe?
Günstige Notebooks und PCs beim Discounter sind oft abgespeckte Sonderanfertigungen
2. Alles ist das Beste
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Gerne werden die Angaben zu einem Gerät als
Bestwerte verkauft. So kann es schon mal vorkommen, dass beim selben Discounter in aufeinanderfolgenden Flyern einmal 100 Hz und
einmal 200 Hz als «höchste Tiefenschärfe» beim
Flachbildschirm bezeichnet werden, Screen 2.
Der ahnungslose Käufer glaubt dem Anbieter
und denkt, er kaufe das beste Produkt.
Das schützt: In diesem Fall hilft nur
eines: Machen Sie sich selbst schlau.
Dazu bietet der PCtipp zum Beispiel
laufend Gerätetests im Heft oder im Web unter
www.pctipp.ch/testcenter. Auch eine kurze Internetrecherche via Google hilft meist weiter. Ein
aktueller Flachbildschirm sollte zum Beispiel
einen geringen Stromverbrauch aufweisen, ein
scharfes Bild anzeigen sowie genügend Anschlussstecker für Blu-ray-Player, Videokamera,
Spielkonsole, Audiogeräte etc. haben. Zeichnen
Sie für Letztere zum Beispiel eine Skizze mit dem
Fernseher und allen Geräten, die Sie an diesen
anschliessen wollen. Gehen Sie damit zum Discounter und bitten Sie den Verkäufer, ein passendes Gerät auszusuchen. Lassen Sie sich immer
auch eine Alternative vorführen.
3. Teures Zusatzmaterial
Zusatzkomponenten, die für den Betrieb eines
Produkts notwendig sind, können ins Geld gehen: Kaufen Sie sich zum Beispiel einen Drucker,
fehlt oft das USB-Kabel (kostet je nach Länge und
Qualität 5 bis 10 Franken). Bei Fernsehgeräten
spart sich der Anbieter das passende HDMIKabel (Kostenpunkt: ca. 15 bis 30 Franken). Weitere solche notwendigen Zusatzprodukte sind
USB-Sticks, Notebook-Taschen, Computermäuse oder Tastaturen, Screen 3.
Schauen Sie genau hin: Zusatzprodukte (hier etwa Druckertinte) müssen auch berücksichtigt werden
Kauftipps
7 goldene Kaufregeln
Machen Sie
1 Informieren:
sich so gut wie möglich
über Ihr Wunschgerät schlau,
bevor Sie in den Laden gehen.
Dabei helfen beispielsweise
Testberichte von Fachmagazinen oder Erfahrungsberichte
anderer Anwender.
Bestimmen
2 Preislimit:
Sie vor dem Gerätekauf
ein Preislimit. Halten Sie dieses auch ein.
3 Nicht alles glauben:
Seien Sie bei Slogans
misstrauisch. Hinter Phrasen
wie «riesiger Kontrast» oder
«Mega-Zoom» stecken meist
Einschränkungen. Zudem
werden die angepriesenen
Eigenschaften oft nur in
speziellen Konstellationen
erreicht. Fragen Sie nach.
Bitten Sie
4 Produktdemo:
den Verkäufer, Ihnen das
Wunschprodukt vorzuführen.
ansehen:
5 Alternativen
Lassen Sie sich im Laden
unbedingt auch Alternativen
zu Ihrem Wunschprodukt zeigen. Der Grund: Diese sind
vielleicht besser ausgestattet
oder günstiger.
Klären Sie
6 Kaufdetails:
vor dem Kauf Lieferbe-
dingungen, Serviceleistungen,
Rückgaberecht und Garantie ab.
Lesen Sie dazu auch den Artikel «Service garantiert», S. 34.
Erklä7 Verkaufsgespräch:
ren Sie dem Verkäufer
ganz genau, wofür Sie das Produkt brauchen. Fragen Sie unbedingt auch nach, ob alle Kabel und wichtiges Zubehör
vorhanden sind. Falls teures
Zubehör gekauft werden muss,
suchen Sie nach einer Alternative. Eventuell haben Sie passendes Kabel/Zubehör daheim.
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PCtipp, Mai 2011
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Begriffe wie
z.B. Ambilight
Spectra 2 verwirren mehr, als
dass sie nützen
Das schützt: Prüfen Sie vor dem Kauf,
ob der Hersteller alle nötigen Kabel und
Peripheriegeräte beilegt. Haben Sie bereits einen USB-Drucker zu Hause und kaufen
sich einen neuen, lässt sich dessen Kabel weiterverwenden. Verzichten Sie in diesem Fall auf den
Kauf zusätzlicher Kabel.
4. Wohlklingende Fachbegriffe
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Verkaufspreise,
Auszeichnungen
und Phrasen
(hier «Multimedia-Design-PC»)
werden gross
hervorgehoben
Discounter protzen gerne mit englischen Fachausdrücken und Abkürzungen. Diese hören sich
gut an, sagen dem unerfahrenen Anwender aber
nur wenig. So wird etwa mit Prozessoren wie dem
«Intel Pentium P6200» geworben oder der Monitor bietet «High-Definition LED BrightView»,
Screen 4. Das Gemeine daran: Die Prospekte der
Discounter bieten keinerlei Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Produkten und verschweigen,
wie gut diese Merkmale tatsächlich sind.
Hinter dem Prozessor «Intel Pentium P6200»
verbirgt sich beispielsweise ein Zweikernprozessor der vorletzten Generation, «High-Definition
LED BrightView» ist auch als GlareType bekannt
und nichts anders als ein LED-Flachbildmonitor
mit glänzendem Display. Viele Anwender mögen
solche glänzenden Displays nicht, da diese bei
Lichteinfall oft stark spiegeln.
Das schützt: Schauen Sie sich das Gerät
vor Ort im Laden genau an. Überzeugen
Sie sich von der Verarbeitung. Bitten Sie
den Verkäufer bei einem Monitor, unterschiedliche Bilder und Farben darzustellen. Nur so
finden Sie heraus, ob Ihnen der Bildschirm tatsächlich gefällt. Ausserdem können Sie sich im
PCtipp-Heft und unter www.pctipp.ch über
neue Produkte informieren. Dort veröffentlichen
wir regelmässig unabhängige Vergleichstests und
erklären neue Technologien.
5. Preissymbole und Pfeile
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Nachrechnen
und das Lesen
von Testberichten lohnen sich
bei Sets immer
Übertreibungen sind in den Flyern der Discounter an der Tagesordnung. Geworben wird mit
gross dargestellten Preisen und vielen Pfeilen
sowie visuell hervorgehobenen Phrasen – von
«ultraschlankes Design» über «einfache Bedienung» bis hin zu Slogans wie «sichtbar intelligenter» Intel-Prozessor, Screen 5.
Das schützt: Sie bekommen auch beim
Discounter nichts geschenkt. Vielfach
werden Ladenhüter mit grossen Preisnachlassen beworben. Seien Sie bei Lockangeboten aller Art immer auf der Hut. Versuchen Sie
vor dem Kauf, weitere Informationen zum Produkt einzuholen – entweder übers Internet, bei
anderen Anwendern oder in Fachmagazinen wie
dem PCtipp. Die wichtigsten Qualitätsmerkmale
eines Produkts sind immer Leistung, Ausstattung
und Verarbeitung. Kontrollieren Sie diese Merkmale vor dem Kauf genau.
Im nächsten PCtipp 6/2011 finden Sie ausserdem viele nützliche Tipps, worauf Sie beim Kauf
von Hardware genau achten sollten. Dabei berücksichtigen wir die wichtigsten Gerätekategorien – von Kameras über Drucker und Bildschirme bis hin zu Notebooks. Der PCtipp 6/2011
erscheint am 24. Mai 2011 am Kiosk.
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Täglich die neuste Hard- und Software auf www.pctipp.ch/produkte
6. Günstiges Gesamtpaket
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Preisnachlässe
durch Bons und
Rabatte suggerieren, dass ein
Produkt speziell
günstig ist
8
Geschenkkarten
animieren zum
Shopping beim
Herausgeber
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Die Infos auf den
Webseiten sind
oft rudimentär,
im Vordergrund
steht der Preis
Ein beliebter Trick sind besonders günstige
Gesamtpakete mit PC, Monitor und Drucker,
Screen 6. In solchen Fällen sollten Sie immer
genau nachrechnen. Denn meistens werden über
diese Sets die Lagerbestände an älteren Auslaufmodellen abgebaut. Dadurch kaufen Sie mit dem
neuen Desktop-PC vielleicht einen betagten Drucker mit hohen Verbrauchskosten oder einen
älteren Monitor, der bei schnellen Bildwechseln
deutliche Schliereneffekte zeigt.
Das schützt: Vergleichen Sie die Preise
der einzelnen Produkte auf Preisportalen wie www.pctipp.ch/preisvergleich
oder www.toppreise.ch. Oft erscheint danach der
stark vergünstigte Setpreis nicht mehr so billig.
Die zweite wichtige Regel: Prüfen Sie bei Druckern oder Multifunktionsgeräten immer die
Folgekosten. Wie teuer sind zum Beispiel Papier
oder Toner? Fragen Sie auch den Verkäufer danach. Weicht er aus, lassen Sie besser die Finger
von dem Gesamtpaket. Lesen Sie auch Testberichte zu den Geräten; so wissen Sie, ob es sich
bei einem Produkt um einen Ladenhüter handelt.
7. Rabatte und Bons
Relativ neu ist das Geschäft mit zeitlich begrenzten Bons oder Rabatten, Screen 7. Der Trick:
Die Discounter nehmen als Originalpreis den
hohen offiziellen Verkaufspreis und suggerieren
so eine starke Vergünstigung des Geräts. Dabei
erhält man die Produkte in vielen Läden ohne
Rabatt genauso günstig. Auch Geschenkkarten
bieten oft Rabatt und müssen natürlich schnell
beim Verkäufer eingelöst werden, Screen 8.
Das schützt: Vergleichen Sie die Rabatte
mit den tatsächlichen Strassenpreisen.
PCtipp nennt beispielsweise in seinen
Kaufberatungen immer den Strassenpreis eines
Produkts. Die Strassenpreise finden Sie auch auf
Preisvergleichsportalen wie www.toppreise.ch
oder www.pctipp.ch/preisvergleich.
8. Mickriger Webauftritt
Die Webseiten der Discounter sind immer sehr
ähnlich aufgebaut: Detaillierte Produktinformationen gibt es so gut wie keine, dafür wird das
hochaktuelle Sonderangebot übergross dargestellt. Zudem stechen sogleich die Aktionen und
Rabatte ins Auge, die natürlich nur beim jeweiligen Discounter erhältlich sind. Das einzige Ziel
solcher Webauftritte, Screen 9: Appetit machen,
um die Käufer anzulocken. Ist der Kunde erst
einmal im Geschäft, wird er sich in den meisten
Fällen zu einem Kauf bewegen lassen.
Das schützt: Ziehen Sie immer eine
zweite, unabhängige Quelle zurate,
wenn Sie ein interessantes Angebot entdecken. Am besten suchen Sie dazu via Google
Informationen zu dem Produkt zusammen, damit Sie genau wissen, welche Komponenten es
enthält. Auf diese Weise können Sie sich zu Hause
ein Bild machen, ob sich der Gang zum Discounter überhaupt lohnt.