Südfrankreich - Sud de France Languedoc
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Südfrankreich - Sud de France Languedoc
Reise Le Midi LANDPARTIE DURCH SÜDFRANKREICH Zwischen Toulouse und Marseille entdeckt unsere Autorin Heike Weichler, dass zu wahrem Genuss nicht nur kulinarische Sinnesfreuden gehören. Ein Streifzug VON MANUFAKTUR ZU MANUFAKTUR FOTOS: Thomas Flügge BONJOUR TOULOUSE! Perfekte Einstimmung: MYWAY-Autorin Heike Weichler genießt die Aussicht vom Balkon TOLLE KULISSE Urige Häuser aus Kalkstein tummeln sich auf den Hügeln der Cevennen, wie hier in St. Martial 144 MYWAY 09 / 2015 5 1 2 1. GROSSE BAUKUNST Die Pont Neuf ist die älteste noch erhaltene Brücke in Toulouse. 2. NEUE MALEREI An der Kaimauer stellen junge Künstler aus. 3. NATURKOSMETIK Sinnliche Pflege aus der Traditionspflanze FRANKREICH 6 u To lou se Mi lla u 4. BUNTE WELT Die edle Handschuhmanufaktur „Causse Gantier“ spart nicht an farbigem Leder und passenden 5. GARNEN. 6. ROQUEFORT-LIEFERANT Schafsmilch schenkt dem Blauschimmelkäse seinen typischen Geschmack Cevennen rs Ma eil le 3 O b Henri Matisse hier auch Folle Blanche genossen hat, diesen köstlichen Weißwein der alten Rebsorte der Region? Wir haben ein Plätzchen in der Brasserie „Les Beaux Arts“ ergattert, einst Stammlokal des Künstlers in Toulouse. In Vorfreude auf das Dîner genießen wir die Atmosphäre der „rosa Stunde“. Das goldene Licht der Abendsonne lässt die Renaissance-Paläste aus rosa Ziegeln leuchten. Die weiche Luft nach einem Spätsommertag, gut gelaunte Flaneure, belebte Restaurants auf platanengesäumten Plätzen. Matisse fühlte sich bestimmt genauso beschwingt. Alors! Was probieren? Den berühmten Eintopf Cassoulet aus Bohnen, Speck, Entenkeule und Würsten vielleicht? Gehaltvoll, aber köstlich! Thomas, mein Liebster, kann’s vertragen. Ich bestelle lieber gratinierte Jakobsmuscheln. Glückstrunken nach diesem Urlaubsauftakt sinken wir in die Kissen in einem der romantischen Zimmer des „Hôtel St Sernin“. Doch Julia, eine Schulfreundin von mir und als Reiseleiterin bestens vertraut mit den Besonderheiten Südfrankreichs, hatte uns geraten, auf unserer Landpartie durch den sogenannten Midi auch die interessanten Manufakturen der 4 Region zu besuchen. So ist am nächsten Morgen eine spezielle Kosmetikboutique an der Place Saint-Étienne unser Ziel. KOSMETIK AUS TOULOUSE Im 15. und 16. Jahrhundert wurde die Stadt reich mit der Pastelpflanze. Aus den Blättern gewann man einen begehrten blauen Farbstoff. Das Gewächs kann noch mehr, wie ich von Carole Garcia, 43, erfahre. Die Besitzerin von „Graine de pastel“ schwärmt: „Das Öl hat Heilwirkung und jede Menge pflegende Substanzen.“ Daraus Naturkosmetik zu kreieren war die Idee der gelernten Pharmazeutin. Sie fand Bauern, die Pastel anbauten, und entwickelte eine erfolgreiche Pflegeserie. Es gibt sogar eine Färberei, die wieder mit dem Pastelblau arbeitet und den Laden mit Badtextilien beliefert. Ich probiere die Handcreme. Herrlich, die sahnige Textur. Und das Aroma des Shampoos ist wie eine Meeresbrise. Schnell füllt sich ALLES IM BLAUEN BEREICH Die Besitzerin vor ihrer Kosmetikmanufaktur 146 MYWAY 09 / 2015 die Einkaufstüte. Was mache ich bloß, wenn die Kosmetik Suchtpotenzial entwickelt? „Keine Sorge, man kann online bestellen“, verabschiedet uns Carole augenzwinkernd. HANDSCHUHE AUS MILLAU Am folgenden Tag führt uns die Route zunächst nach Albi. Ein Highlight für Kunstliebhaber ist dort das ToulouseLautrec-Museum: die weltgrößte Sammlung seiner Bilder des Pariser Nachtlebens. Bevorzugte Modelle waren – Liebesdienerinnen. Über Roquefort, die Heimat des Blauschimmelkäses, geht es weiter nach Osten. Wie imposant sich die Landschaft hier am Naturpark Les Grands Causses zeigt! Tafelberge, Schluchten, Kalksteinhöhlen, Wälder und charmante Dörfer. Plötzlich leuchten Thomas’ Augen. Habe ich was verpasst? Ah, jetzt sehe ich sie auch – die berühmte Brücke von Millau taucht auf. Fast 2500 Meter spannt sie sich über die Schlucht des Flusses Tarn und ist mit 343 Metern das höchste Bauwerk Frankreichs. Technik lässt mich sonst kalt. Aber bei der Überfahrt bekomme sogar ich fast Gänsehaut. In Millau ist Markttag. Die Stände drängen sich um zwei uralte Platanen mit mächtigen Kronen. Was für eine Vielfalt. Wir kosten Baguette mit gehobeltem Sommertrüffel. Ja, sie verstehen es zu genießen, die Franzosen. Bekannt ist Millau für die Produktion von Handschuhen. Die renommierteste Manufaktur besuchen wir: „Causse Gantier“. Extravagante Modelle und die Geschichte des Hauses werden im Entrée präsentiert wie in einer Kunstgalerie. Einen Blick in die Produktion werfen dürfen wir auch. Was wird nicht alles verarbeitet: etwa Leder vom Amazonaswildschwein und Stör, verziert mit Federn, Perlen, Spitze und Nieten. Kein Wunder, dass auch Karl Lagerfeld Kunde ist. Er bestellt jedes Jahr bis zu 200 Paar und schickt seine Entwürfe per Fax. Die exquisitesten Modelle kosten bis zu 3000 Euro. Aber es geht auch günstiger. Ein schlichtes braunes Paar ergattere ich für 90 Euro. Für die Nacht quartieren wir uns im „Hôtel de la Muse“ ein mit Panoramafenster zum Tarn. Herrlich einschläfernd, das Rauschen des Flusses. MIT FINGERSPITZENGEFÜHL Nahtkontrolle beim Chanel-Modell 09 / 2015 MYWAY 147 1 Reise-Infos 4 5 6 2 1. BERÜHMTE SPEZIALITÄTEN Marktstände offerieren Produkte der Cevennen. 2. SANFTE BEGLEITER Puschelige Esel kann man für Wandertouren mieten. 3. ECHTE HANDARBEIT Nur bestes Kaschmirgarn wird von Patrick Ducros und Mitarbeiterin Sophie verarbeitet 4. EIN MUSS Bouillabaisse, Spezialität aus Marseille. 5. BESTSELLER Seife in Sardinenform ist ein beliebtes Mitbringsel. 6. FLANIERMEILE Restaurants, Galerien, edle Jachten: Am alten Hafen gibt’s viel zu sehen. 7. LIEBLINGSSTADT Die Mittelmeer-Metropole hat Autorin Heike Weichler nachhaltig bezaubert ANREISE Flüge z.#B. mit Germanwings (www.germanwings.com) und Air France (www.airfrance.de) ab 40 € pro Strecke. Mietwagen vor Ort z.#B. über Auto Europe (www.autoeurope.de), pro Woche ab ca. 197 €. MANUFAKTUREN „Graine de pastel“: www.grainedepastel.com „Causse Gantier“: www.causse-gantie.fr „L’Artisanale du Cachemire“: Tel. 0033 / 467 81 35 83, [email protected] KASCHMIR AUS DEN CEVENNEN Philippe hatte uns gewarnt. „Ihr werdet die Kaschmirmanufaktur nicht alleine finden!“ Unser Gastgeber auf einem Bauernhof beim malerischen Bergdorf Saint-Martial sollte uns mehr zutrauen. Immerhin waren wir gerade mit seinen Eseln Chloé und Lucie in der atemberaubenden Karstlandschaft der Cevennen wandern. Die Gepäckträgerinnen bestimmten das Tempo, wir, mit Glück, die Richtung. Da würden wir doch wohl eine Strickerei in einem 182-Seelen-Ort finden! Philippe sollte recht behalten. Die Serpentinen kurven wir rauf und runter, aber „L’Artisanale du Cachemire“ von Patrick Ducros entdecken wir nicht. Ein Anruf, Patrick, 52, lacht und verspricht, uns am Dorfplatz aufzugabeln. Über einen Feldweg rumpeln wir zu seinem Betrieb. Nanu? Das Gebäude erinnert an ein Lagerhaus. Wer Patricks kostbare Strickwaren aus bis zu zwölffädigem Kaschmirgarn kennt, erwartet Glamouröses. Nicht Patricks Fall. Der Textilingenieur wurde schon von Hermès und Chanel umworben. „Gern hätten sie mich ihre Pullover stricken lassen. Die wären dann für 2000 Euro in den Boutiquen gelandet.“ Ihm hätte man bloß ein Hungerhonorar gezahlt. Da lässt Patrick die Kaschmirfans lieber zu sich kommen – und bietet Maßge- stricktes schon ab 300 Euro an. Bei den Musterteilen im Atelier fällt mir ein taillierter V-Pulli sofort ins Auge. In den Regalen lagern Garnspulen in allen denkbaren Farben. Will ich dramatisches Weinrot? Lieber heiteres Himmelblau? Lächelnd legt mir Patrick ein smaragdgrünes Modell um die Schultern. Ja! Genau richtig für mich. Man merkt, dass er seit 25 Jahren Kunden berät. Während Patrick Maß nimmt und wir Details wie die Größe des Ausschnitts besprechen, verrät er, dass Madonna, Tom Cruise und Catherine Deneuve Stücke von ihm tragen. Die Nachfrage ist groß, und er beschäftigt nur vier Strickerinnen. Ob Star oder nicht – jeder Kunde muss sich zwei, drei Monate gedulden. Aber das mache ich gern bei diesem Stück fürs Leben. SEIFE AUS MARSEILLE Auf der letzten Etappe unserer Landpartie reihen sich die Sehenswürdigkeiten nur so aneinander. Nîmes und Arles mit DUFTENDES ANDENKEN Manufaktur-Seife am Hafen von Marseille 148 MYWAY 09 / 2015 FOTOS: Thomas Flügge, Fotolia, Getty Images, Shutterstock 3 ihren römischen Amphitheatern, die reizvolle Altstadt von Aix-en-Provence und das dortige Atelier von Paul Cezanne. Es scheint, als habe der Maler es nur für einen Moment verlassen. Und dann, aus dem Hügelland kommend, öffnet sich uns ein großartiges Panorama: azurblaues Wasser bis zum Horizont, davor das Häusermeer von Marseille. Welche Klischees hatte ich über die Mittelmeer-Metropole im Kopf. Lärmiger Schmelztiegel und Verbrecherjagden in französischen Krimis. Nichts davon stimmt so. Seit die zweitgrößte City Frankreichs Kulturhauptstadt war, zeigt sich Marseille im Zentrum herausgeputzt und gezähmt. Am alten Hafen flanieren wir die Promenade entlang, genießen die traditionelle Fischsuppe Bouillabaisse im „Miramar“, einem der namhaftesten Restaurants vor Ort. Die hohe Qualität dort hat ihren Preis, dafür ist die Bouillabaisse aber auch großartig. Auf dem Fischmarkt am Quai des Belges bewundern wir den zappelnd frischen Tagesfang der Fischer. Dann spazieren wir hügelaufwärts ins Viertel Cours Julien zu einer Marseillaiser Institution, der Seifensiederei „Savonnerie de la Licorne“. Besitzer Serge Bruna, 51, empfängt uns zur Führung. Im bezaubernd altmodischen Produktionsbereich duftet es herrlich nach den Kräutern der Provence. Aus 72 Prozent Olivenöl, Pflanzenzutaten und Soda werden die berühmten Seifenwürfel gesiedet, geschnitten und gestempelt. Vieles in Handarbeit, 150 Tonnen jährlich. „Die Seife ist so rein und mild, dass man damit sogar Babyhaare waschen kann“, erklärt Serge stolz. Ich schnuppere an den Stücken: Aromen von Orangenblüten, Lavendel und Rosmarin steigen mir in die Nase. Zu Hause werde ich mich mit dieser Sinnenfreude zurück nach Südfrankreich träumen. „La Savonnerie Marseillaise de la Licorne“: www.savonde-marseille-licorne.com WOHNEN „Hôtel St Sernin“ in Toulouse (www.hotelstsernin.com) mit Blick auf die Basilika, DZ ab 80 €. „Hôtel de la Muse“ bei Millau (www.hotel-delamuse.fr), wildromantische Lage direkt am Tarn, DZ ab 120 €. B&B bei Philippe Leonard in St. Martial (www.chambreshotes-cevennes.fr), hübscher Bauernhof, DZ ab 55 €. „New Hotel of Marseille“ (www.new-hotel.com), beim alten Hafen, DZ ab 134 €.