Neurofibromatose

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Neurofibromatose
Kindernetzwerk e.V.
für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene mit
chronischen Krankheiten und Behinderungen
Krankheitsübersicht
Neurofibromatose
KINDERNETZWERK
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unseres pädiatrischen Beraterkreises und wissenschaftlichen Fachbeirats – aus
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Bei der Krankheitsübersicht wird darauf geachtet, dass die Informationen verständlich
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Wir streben einen möglichst hohen Grad an Aktualität an, können aber wegen des
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Aufgrund der Seltenheit vieler Erkrankungen ist es nicht möglich, bei allen
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Neurofibromatose
Neurofibromatose Typ 1
von Recklinhausen-Syndrom
Zusammengestellt für das Kindernetzwerk von
Prof. Dr. Gerhard Neuhäuser, Gießen
2004
Kurzbeschreibung
Autosomal dominant vererbtes neurokutanes Syndrom (Phakomatose)
mit variablen Veränderungen an der Haut und am Nervensystem sowie an anderen Organen
Symptome/Formen/Krankheitsverlauf:
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Schon bei der Geburt können Hautveränderungen auffallen mit so genannten Cafe-aulait-Flecken von hellbrauner Farbe, die einen Durchmesser von mehr als 0,5 dm aufweisen und vor allem am Rumpf und an den Gliedmaßen lokalisiert sind. Sie nehmen allmählich an Zahl und Größe zu; beim Kleinkind sollten mindestens 5 bis 6 solcher Flecken
von 1 bis 1, 5dm Durchmesser festzustellen sein, bevor eine Neurofibromatose vermutet
wird.
•
Ab dem Jugendalter entstehen entlang der Hautnerven weiche und derbe, mitunter juckende Knötchen (Neurinome, Neurofibrome), die der Störung den Namen gegeben
haben.
•
Charakteristisch sind auch schon vorher kleine Pigmentflecken im Bereich der Achselhöhlen und der Leistenbeugen („freckling“, Naevipili).
•
Gelegentlich kommt eine umschriebene Gewebsverdickung mit Pigmentierung der haut
schon bei Neugeborenen vor, auch später kann umschriebener Riesenwuchs im Gesicht
oder an den Gliedmaßen auftreten (plexiformes Neurinom oder Rankenfibrom) und
manchmal grotesk anmutende Veränderungen hervorrufen.
•
Mitunter werden die Tumore bösartig und nehmen rasch an Größe zu; es handelt sich
dann meist um Schwannome(Tumor der Nervenscheide) oder um Neurofibrosarkome.
•
In der Iris beobachtet man bei Erwachsenen häufiger als bei Kindern kleine bräunlichweiße Flecken, so genannte Lisch-Knötchen, am besten mit der Spaltlampe.
•
Eine Beteiligung des Zentralnervensystems macht sich durch unterschiedliche
Symptome bemerkbar:
Die kognitiven Funktionen können schwach ausgebildet sein, bei 2-5% betroffener Kinder
kommt eine geistige Behinderung vor; auch wenn die Intelligenzleistungen vielfach als
normal gelten, zeigt ein differenzierter Vergleich mit Geschwistern, dass besonders visomotorische und perzeptive Funktionen weniger gut ausgebildet sind (Lernstörungen bei
etwa 30%).
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Gelegentlich treten epileptische Anfälle auf und das EEG zeigt Hinweise für eine gesteigerte Anfallsbereitschaft.
Der Kopfumfang ist häufig gegenüber der Norm vermehrt. Bei der MRT-Untersuchung
können Tumoren nachgewiesen werden, vor allem im Bereich der Sehnerven (Optikusgliome; bei etwa 15 %); sie haben dann mitunter eine Sehbehinderung zur Folge, bei intrakranieller Lokalisation verursachen sie endokrine (hypophysäre) Störungen oder Hirndruckerscheinungen.
Selten kommen intrazerebrale und spinale Tumoren vor, auch eine Höhlenbildung (Syringomeyelie) am Rückenmark kann auftreten.
•
Als Hinweis auf mesodermale Störungen findet man Verbiegungen der langen Röhrenknochen; es entstehen schlecht heilende Falschgelenke (Pseudarthrosen), vor allem an
Schienbein(Tibiapseudoarthrose, zu 95 % durch Neurofibromatose 1 verursacht; tritt in
0,5 bis 1% häufiger bei Jungen als Mädchen auf; meist wurde das Gen dann von der
Mutter geerbt).
•
In etwa 2% kommt es ab dem Altern von 5 bis 15 Jahren zur Ausbildung einer progredienten Skoliose (Buckel).
•
Die Hypoplasie des Keilbeins ist Ursache eines pulsierenden Exophthalmus (Vortreten
des Auges).
•
Neurinome entwickeln sich mitunter auch an inneren Organen (Darm, Blase), sie gehen
vom autonomen Nervensystem aus.
•
Hochdruck kann durch ein Phäochromocytom (Tumor der Nebenniere) bedingt sein,
kommt aber auch ohne diese Ursache vor.
•
Oft gibt es lästigen Juckreiz, Kopfschmerzen oder hartnäckige Obstipation, was mit einer
Störung von Mastzellfunktionen in Zusammenhang gebracht wird.
Diagnostik
Die Diagnose wird hauptsächlich aufgrund der klinischen Befunde gestellt. Es müssen mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein:
- 6 oder mehr Cafe-au-lait-Flecken (präpubertär 5mm, postpubertär 15 mm),
- 2 oder mehr kutane Neurofibrome oder plexiformes Neurinom „freckling“, Optikusgliom,
- mehr als zwei Lisch-Knötchen,
- charakteristische Knochenveränderungen (Keilbein, Tibia),
- Verwandte 1. Grades mit Neurofibromatose 1.
Durch gezielte Röntgenaufnahmen sind Knochenveränderungen nachzuweisen:
Sphenoidal-hypoplasie oder Tibiapseudarthrose, auch Defekte in der Schädelkalotte oder
Knochenzyten.
Die bildgebende Diagnostik (Magnetresonanztomographie) zeigt häufig (bei etwa 75%)
ausgeprägte Signalveränderungen, besonders im Bereich der Stammganglien, in Hirnstamm
und Kleinhirn; bei diesen „unidentified bright objects“ (UBO) handelt es sich wohl um Gliaveränderungen, die möglicherweise mit zerebralen Funktionsstörungen einhergehen (nach verschiedenen Studien häufiger bei Kindern mit Lernschwierigkeiten), sich im weiteren Verlauf
aber auch wieder zurückbilden können.
Selten kommt eine Ventrikelerweiterung oder ein Hydrozephalus vor.
Speziell ist auf Tumoren des Optikus zu achten, die oft lange Zeit keine Symptome verursachen.
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Bei Anfällen wird ein EEG erforderlich. Mittels visuell evozierter Potentiale kann, auch im Zusammenhang mit der augenärztlichen Untersuchung, die Funktion des Sehnerven überprüft
werden.
Regelmäßig sind wegen eines nicht seltenen renovaskulären Hochdrucks entsprechende
Kontrollen nötig.
Bei psychologischer Untersuchung werden kognitiven Funktionen differenziert erfasst.
Durch molekulargenetische Analyse ist das verantwortliche Gen nachzuweisen. Die Untersuchung von DNS-Polymorphismen im Neurofibromatose 1-Gen (Restriction Fragment Length
Polymorphismen Site, RFLPS) wird auch bei der pränatalen Diagnostik eingesetzt, wenn ein
Elternteil betroffen ist.
Wegen der Progredienz mancher Symptome sind Kontrolluntersuchungen in regelmässigen Abständen von 6-12 Monaten zu empfehlen, sobald die Diagnose eindeutig gestellt
werden kann, also etwa nach dem 6. Lebensjahr (klinische und augenärztliche Untersuchung, evozierte Potentiale, MRT).
Ursachen
Ursache der Neurofibromatose 1 ist eine autosomal dominant vererbte Genmutation, die in
50% sporadisch als Neumutation auftritt, sonst von einem Elternteil weitergegeben wurde.Das Gen ist auf Chromosom 17q11.2 lokalisiert, bisher sind mehr als 200 Allele bekannt.
Es hat bei fast vollständiger Penetranz (Durchsetzungsfährigkeit von 100%) eine sehr variable Expressivität (Ausprägung in unterschiedlicher Symptomatik als „Neurocristopathie“).
Genprodukt ist das Neurofibromin, ein Tumorsuppressor-Gen, das ras-Protoonkogene aktivieren kann, die Zellproliferation und –differenzierung beeinflussen. Seine Guanosin-Triphosphatase-Aktivität bewirkt die Aufspaltung und damit Hemmung der zellteilungsaktivierenden
Wirkung eines Komplexes von Produkten der ras-Protoonkogene mit Guanosin-Triphosphat.
Bei Aktivitätsminderung werden ras-Proteine aktiviert und es können Tumoren entstehen,
wenn beide Allele mutiert sind (im Sinn einer „second hit Mutation“ nach der Knudson-Hypothese).
Das die Neurofibromatose 2 verursachende autosomal dominante Gen ist auf Chromosom
22q12 lokalisiert; die Bedeutung seines Genprodukts Merlin ist noch weitgehend ungeklärt.
Häufigkeiten
Die Neurofibromatose 1 kommt als häufigstes neurokutanes Syndrom in einer Frequenz
von 1:2.000 bis 1:3.000 vor
Neurofibromatose 2: Häufigkeit 1:30.000 bis 1:40.000
Verwandte Krankheiten / Differentialdiagnose / Begleitfehlbildungen
Cafe-au-lait-Flecken können isoliert auftreten und autosomal dominant vererbt werden; sie
haben nur kosmetische Bedeutung.
Bei der Neurofibromatose 2 sind Hauterscheinungen meist gering, man findet vor allem Tumoren im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels (N.statoaktusticus), die zu Taubheit, Tin-
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nitus und Schwindel führen; selten treten Katarakt (grauer Star), Hirntumoren und spinale
Geschwülste auf.
Differentialdiagnostisch sind das McCune-Albright-Syndrom (polystotische fibröse Dysplasie) und das Watson-Syndrom (Cafe-au-lait-Flecken, Pulmonalstenose, Lernbehinderung)
zu berücksichtigen.
Das Noonan-Syndrom (Kleinwuchs, Pterygium, Pulmonalstenosen) kann mit eine Neurofibromatose 1 kombiniert sein.
Standardtherapie
Eine kausale Therapie ist nicht möglich.Symptomatische Maßnahmen umfassen vor allem:
 Die Entfernung störender oder Funktionsausfälle verursachender Tumoren, die je nach
Lokalisation unterschiedlich gut möglich ist,
 Die Behandlung von cerebralen Anfällen und fördernde Aktivitäten bei Entwicklungsstörungen.
 Schwierig ist meist die Behandlung von Pseudarthrosen, da es oft zu Rezidiven kommt.
 Gegen Juckreiz und andere Beschwerden können Medikamente (Z. B. Ketotifen) eingesetzt werden.
Die Progredienz der Symptome ist wohl nicht zu beeinflussen.
Weitere Therapien, zum Teil noch in der Erforschung
Möglicherweise ergeben sich durch die weitere Klärung der pathogenetischen Zusammenhänge und der Beziehungen zwischen Gen und Krankheitssymptomen neue Ansätze für
eine wirksame Therapie (z. B. durch Studien an einer „NF1-knockout“-Maus).
Prognose
Bei der ausgeprägten Variabilität der Neurofibromatose 1 ist die Prognose sehr unterschiedlich. Es können lediglich Hauterscheinungen vorhanden sein und keine sonstigen Symptome
auftreten, es können aber auch durch Tumoren unterschiedlicher Lokalisation, vor allem
wenn diese rasch wachsen, ungünstige Situationen entstehen. Deshalb sind Aussagen nur
individuell und nach dem Ergebnis sorgfältiger Kontrolluntersuchungen möglich.
Beratung der Familien
•
Bei der genetischen Beratung ist ein Wiederholungsrisiko von 50% für Geschwister anzugeben, wenn Symptome bei einem Elternteil nachzuweisen sind. Liegt eine Spontanmutation vor, ist das Risiko nicht vermehrt, betroffene Menschen geben das Gen aber mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Kinder.
•
Pränatale Diagnostik ist möglich; wegen der sehr variablen Expressivität sind prognostische Aussagen aber problematisch.
•
Wird die Diagnose Neurofibromatose 1 gestellt, muss ein ausführliches Gespräch mit Eltern und Kindern geführt werden, um die Symptome sowie den möglichen Verlauf genau
zu schildern und für die notwendigen Kontrolluntersuchungen zu motivieren, ohne dabei
unnötig zu beunruhigen.
•
Vielfach ist eine länger dauernde Beratung auch im Rahmen der bei Vorliegen einer Entwicklungsstörung notwendigen Frühförderung hilfreich.
BUNDESVERBÄNDE
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Informationsmaterial anfordern. Fragen Sie dort auch nach Ansprechpartnern des
jeweiligen Verbandes in der Umgebung Ihres Wohnortes! Falls vorhanden, sind
auch Auslandsadressen mit aufgelistet. Bitte haben Sie dafür Verständnis, daß wir
in Bereichen, in denen bereits bundesweite Ansprechpartner existieren, primär
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spezieller Hilfen überlassen. Bei zusätzlichen Fragen können Sie sich natürlich
jederzeit wieder an das Kindernetzwerk wenden!
Von Recklinghausen-Gesellschaft e.V.
Stiftung Klingelknopf
BV Neurofibromatose, Bundesgeschäftsstelle
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22111 Hamburg
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Fax: 0 40 - 65 99 24 81
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MITGLIED IM KINDERNETZWERK
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- Das Kind mit Neurofibromatose Typ 1
- Informationen über Neurofibromatose Typ 2
- Neurofibromatose Typ 1 und Teilleistungsstörungen
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Ohmstr. 62
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60486 Frankfurt
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