10 UF 85/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

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10 UF 85/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
10 UF 85/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
2 F 870/99 Amtsgericht Strausberg
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In der Familiensache
der Frau D… K…,
Antragstellerin,
- Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin …
gegen
Herrn O… K…,
Antragsgegner,
- Verfahrensbevollmächtigter:
K 5 - Stand: 1.2.2005
Rechtsanwalt …
-2Beteiligte:
1.
Deutsche Rentenversicherung …,
Beschwerdeführerin,
2.
Deutsche Rentenversicherung B,
hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael,
die Richterin am Oberlandesgericht Berger und
den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr
am
8. März 2007
b e s c h l o s s e n:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 30. März 2006 abgeändert.
Der Versorgungsausgleich bleibt ausgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 € festgesetzt.
Gründe
Auf die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde der DRV ::: bleibt der Versorgungsausgleich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG in entsprechender Anwendung von § 628 ZPO ausgesetzt. Der Senat entscheidet ohne die in § 53 b Abs. 1 FGG vorgesehene mündliche Verhandlung. Den Beteiligten ist rechtliches Gehör gewährt worden, der Sachverhalt ist hinreichend
aufgeklärt und eine Einigung nicht zu erwarten, sodass von einer mündlichen Verhandlung
abgesehen werden kann (vgl. Keidel/Weber, FGG, 15. Aufl., § 53 b, Rz. 5).
Zu Unrecht hat das Amtsgericht den durch Beschluss vom 18.4.2001 nach § 2 Abs. 1 Satz 2
VAÜG ausgesetzten Versorgungsausgleich wieder aufgenommen. Die Voraussetzungen hierfür nach § 2 Abs. 2 VAÜG sind nicht gegeben. Zwar liegt mit dem Schriftsatz der Antragstel-
-3lerin vom 17.1.2006 ein Antrag i. S. v. § 2 Abs. 2 Satz 2 VAÜG vor. Doch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG sind, wie noch zu zeigen ist, durch den Rentenbezug
des Antragsgegners nicht eingetreten.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VAÜG ist der Versorgungsausgleich nur durchzuführen, wenn
keine angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art vorhanden sind und nur angleichungsdynamische Anrechte berücksichtigt werden müssen oder wenn der Ehegatte mit den
werthöheren angleichungsdynamischen Anrechten auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anrechte erworben hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Nach der im Beschwerdeverfahren bestätigten Auskunft der Deutschen Rentenversicherung
… vom 2.2.2006 hat der Antragsgegner in der Ehezeit vom 1.4.1982 bis zum 29.2.2000 eine
Anwartschaft auf eine fiktive Vollrente wegen Alters, der Entgeltpunkte (Ost) zu Grunde liegen, von monatlich 349,68 €, und, soweit der Anwartschaft Entgeltpunkte zu Grunde liegen,
von monatlich 20,33 € erworben. Diese Auskunft ist für die Durchführung des Versorgungsausgleichs maßgebend, obwohl der Antragsgegner seit dem 1.1.2006 eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht. Denn nur dann, wenn ein Ehegatte am Ende der Ehezeit eine Rente
wegen Erwerbsminderung bezieht, mit deren Entziehung nicht mehr zu rechnen ist, ist für die
Ermittlung des Wertunterschiedes im Rahmen des Versorgungsausgleichs von dem tatsächlichen Rentenzahlbetrag auszugehen, wenn dieser das fiktiv errechnete Altersruhegeld übersteigt (BGH, FamRZ 1984, 673; FamRZ 1985, 688; FamRZ 1989, 723). Nach der Auskunft
der DRV … vom 7.8.2006 ist aber mit einer Entziehung der Rente des Antragsgegners vor
Vollendung des 65. Lebensjahres mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen.
Dagegen hat die Antragstellerin nach der im Beschwerdeverfahren bestätigten Auskunft der
DRV B… vom 11.9.2000 eine nichtangleichungsdynamische Anwartschaft (West), der Entgeltpunkte zu Grunde liegen, von monatlich 116,58 DM, das sind 59,61 €, sowie eine angleichungsdynamische Anwartschaft (Ost), der Entgeltpunkte (Ost) zu Grunde liegen, von monatlich 511,85 DM, das sind 261,70 €, erlangt.
Daraus ergibt sich, dass die Antragstellerin über das höhere nichtangleichungsdynamische
Anrecht und der Antragsgegner über das höhere angleichungsdynamische Anrecht verfügt,
sodass der Versorgungsausgleich zurzeit nicht stattfinden kann.
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Der Versorgungsausgleich ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, auch nicht gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG durchzuführen. Denn er wirkt sich derzeit nicht aus, obwohl
der Antragsgegner eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht. Er verfügt nämlich über insgesamt werthöhere Anwartschaften und ist somit ausgleichspflichtig. Da die ausgleichsberechtigte Antragstellerin aber keine Rente bezieht, ist wegen des so genannten Rentnerprivilegs des § 101 Abs. 3 SGB VI die Rente des Antragsgegners derzeit noch nicht zu kürzen (vgl.
Maier/Michaelis, Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung, 7. Aufl., § 2 VAÜG, Anmerkung 2.2, Seite 740f).
Dass der Antragsgegner insgesamt werthöhere Anwartschaften erworben hat und daher gemäß
§ 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB ausgleichspflichtig ist, ergibt sich aus der nachfolgenden Berechnung.
Um die von den Parteien erworbenen Anrechte trotz ihrer unterschiedlichen Dynamik zum
Zwecke der Durchführung des Versorgungsausgleichs miteinander vergleichen zu können, ist
eine Bewertung der angleichungsdynamischen Anrechte gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 a VAÜG in
der Weise vorzunehmen, dass diese mit dem für das Ende der Ehezeit (29.2.2000) im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (1. Halbjahr 2007) geltenden Angleichungsfaktor multipliziert und so dem nichtangleichungsdynamischen Anrecht unmittelbar vergleichbar gemacht
werden. Dieser Angleichungsfaktor beträgt 1,0086343 (vgl. die Bekanntmachung der Angleichungsfaktoren für den Versorgungsausgleich in der Rentenversicherung vom 4.6.2003,
BGBl. I, 787 sowie Brudermüller/Schürmann, Tabellen zum Familienrecht, 27. Aufl., S. 51).
Auf diese Weise errechnet sich ein dem nichtangleichungsdynamischen Anrecht angeglichener Wert des angleichungsdynamischen Anrechts des Antragsgegners von 352,70 € (= 349,68
€ x 1,0086343) und des angleichungsdynamischen Anrechts der Antragstellerin von 263,96 €
(= 261,70 € x 1,0086343). Addiert man nunmehr die angeglichene Anwartschaft des Antragsgegners von 352,70 € und die von ihm erworbene nichtangleichungsdynamische Anwartschaft
von 20,33 €, dann ergibt sich ein Betrag von 373,03 €. Auf Seiten der Antragstellerin besteht
eine angeglichene Anwartschaft von 263,96 € sowie eine nichtangleichungsdynamische Anwartschaft von 59,61 €, insgesamt also 323,57 €.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO.
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Prof. Schael
Berger
Gutjahr