behinderungsarten.
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NJV Ausbildungsskript G-Judo Auszug aus - Ausbildungsskript für die Anwendung im G-Judobereich Behinderungsarten Hinweis: Alle Bilder in diesem Skript sind uns freundlicherweise von Dieter Warnecke vom JC Riestedt zur Verfügung gestellt worden. Willkommen in Holland! Von Emily Perl Kingslev Ich werde häufig gebeten, die Erfahrung zu beschreiben, ein Kind mit einer Behinderung großzuziehen, um Menschen, die diese einzigartige Erfahrung nicht gemacht haben, zu helfen, besser zu verstehen. Damit sie sich vorstellen können, wie es wäre...es ist so...: Wenn du ein Kind erwartest ist es, als wenn du eine fabelhafte Reise planst – nach Italien! Du kaufst eine Handvoll Reisebücher und machst wundervolle Pläne, das Kolosseum, Michelangelos David, die Gondeln in Venedig. Vielleicht lernst du einige nützliche Sätze italienisch, alles ist sehr aufregend. Nach Monaten eifriger und freudiger Erwartung kommt endlich der große Tag, du packst deine Koffer und reist ab. Mehrere Stunden später landet das Flugzeug, die Stewardess kommt rein und sagt:... … „Willkommen in Holland!“ „HOLLAND staunst du... „was meinen sie mit Holland?? Ich habe Italien gebucht! Ich wollte immer in Italien sein, mein ganzes Leben lang habe ich davon geträumt nach Italien zu kommen!“ „Aber es hat einen Wechsel im Flugplan gegeben. Wir sind in Holland gelandet, und dort musst du bleiben...!“ Das wichtige daran ist, dass sie dich nicht an einen schrecklichen, abscheulichen, schmutzigen Ort voller Seuchen, Hungersnöte und Krankheiten gebracht haben, es ist einfach ein anderer Ort. Also musst du hinausgehen und dir neue Reiseführer kaufen und du musst eine ganz neue Sprache lernen und du wirst eine ganz neue Gruppe von Menschen kennen lernen, die du sonnst nie getroffen hättest. Es ist einfach ein a n d e r e r Ort. Es ist langsamer als Italien. Weniger auffällig als Italien, aber nachdem du eine Weile dort gewesen und wieder zu Atem gekommen bist, schaust du dich um und beginnst zu merken, in Holland gibt es Windmühlen, in Holland gibt es Tulpen, in Holland gibt es sogar Rembrandt...! Aber alle, die du kennst sind damit beschäftigt, von und nach Italien zu gehen, sie prahlen alle damit, was für eine wunderschöne Zeit sie dort verlebt haben und für den Rest deines Lebens wirst du sagen, ja dorthin hätte ich eigentlich gehen sollen, so hatte ich es geplant...! Die Trauer darüber wird nie vergehen, denn der Verlust dieses Traumes ist ein sehr bedeutender Verlust. Aber..., wenn du dein Leben damit verbringst, die Tatsache, das du nicht nach Italien gelangt bist, zu betrauern, wirst du nie frei sein, dich an den sehr speziellen, wunderschönen Dingen zu erfreuen... in Holland! 1.) Was ist Behinderung? Es gibt keine einheitliche Definition von Behinderung. Immer wieder wird versucht den Begriff Behinderung zu beschreiben bzw. eine allgemein gültige, auch weltweite Definition zu formulieren bzw. zu finden. Im Laufe der Zeit sind Definitionen entstanden, die jedoch immer wieder überarbeitet werden oder sich im Wandel befinden. Im folgenden werden gültige Definitionen wiedergegeben. Es stellt den Versuch dar zu klären, was Behinderung ist. Laut dem Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) § 2 Behinderung lautet die Definition von Behinderung so: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.“ Die internationale Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (world health organization, Abkürzung: WHO) das ICIDH 1 (International Classification of Impairment, Disabilities and Handicaps) von 1980 lautet: (1) Schädigung (impairment) von Organen oder Funktionen des Menschen; (2) Beeinträchtigung (disability) des Menschen, der aufgrund seiner Schädigung in der Regel eingeschränkte Fähigkeiten im Vergleich zu nichtgeschädigten Menschen gleichen Alters besitzt; (3) Benachteiligung (handicap) des Menschen im körperlichen und psychosozialen Feld, in familiärer, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht aufgrund seiner Schädigung und Beeinträchtigung. Die zweite Version ICIDH 2 von 2001 unterscheidet: Impairment: (function und structure) betreffen organische Schädigungen und funktionelle Störungen mit den Bezugsdisziplinen Anatomie und Physiologie Aktivity: (aktivity limitation) definiert die Aktivitäten, die Menschen auch mit Schädigung und Störungen ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben im Rahmen ihrer Möglichkeiten erlauben; das Maß der persönlichen Verwirklichung Participation: (participation restriction) beschreibt die soziale Teilhabe am Leben der Gesellschaft; es wird danach gefragt, wie sich Beeinträchtigungen der Gesundheit auf die Teilnahme an öffentlichen, gesellschaftlichen, kulturellen Aufgaben, Angeboten und Errungenschaften auswirken. Kontextfaktoren: enthalten milieuabhängige sowie personelle Bedingungen, Lebensumstände, Lebenshintergründe und Umwelten, mit denen der Mensch kommuniziert und die seine Integration fördern oder behindern können. Definition des deutschen Bildungsrates von 1973: „Als behindert im erziehungswissenschaftlichen Sinne gelten alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die in ihrem Lernen, im sozialen Verhalten, in der sprachlichen Kommunikation oder in den psychomotorischen Fähigkeiten soweit beeinträchtigt sind, dass ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wesentlich erschwert ist. Deshalb bedürfen sie besonderer pädagogischer Förderung.“ Wolfgang Jantzen: Sozialisation und Behinderung, Gießen, 1974: „Behinderung kann nicht als naturwüchsig entstandenes Phänomen betrachtet werden. Sie wird sichtbar und damit als Behinderung erst existent, wenn Merkmale und Merkmalskomplexe eines Individuums aufgrund sozialer Interaktion und Kommunikation in Bezug gesetzt werden zu jeweiligen gesellschaftlichen Minimalvorstellungen über individuelle und soziale Fähigkeiten. Indem festgestellt wird, dass ein Individuum aufgrund seiner Merkmalsprägung diesen Vorstellungen nicht entspricht, wird Behinderung offensichtlich.“ Ulrich Bleidick, Professor am Institut für Behindertenpädagogik der Universität Hamburg, beschreibt den Begriff Behinderung wie folgt: „Als behindert gelten Personen, die infolge einer Schädigung ihrer körperlichen, seelischen oder geistigen Funktionen soweit beeinträchtigt sind, dass ihre unmittelbaren Lebensverrichtungen oder ihre Teilnahme am Leben der Gesellschaft erschwert werden. Behinderung hat damit eine individuelle und eine soziale Seite. Persönliche Lebenserschwerungen liegen etwa dann vor, wenn der Körperbehinderte sich durch die Einschränkung seiner Bewegungsfähigkeit nicht frei bewegen kann und auf Hilfe angewiesen ist; der Gehörlose akustische Signale nicht wahrnimmt und im Straßenverkehr dadurch gefährdet ist; der Blinde sich optisch nicht zu orientieren vermag. Ebenso folgenreich sind die Erschwerungen, die der Behinderte im sozialen Feld erfährt, und die seine Eingliederung in das öffentliche Leben, in die Bildungsinstitutionen, in die Berufs- und Arbeitswelt und in die Familie erschweren“ (Bleidick 1994, S. 650). Noch einmal Bleidick, U. und Hagemeister, U. zum Begriff Behinderung: „(...) Hier zeigt sich, dass nicht die Schädigung, die zu einer körperlichen oder psychischen Behinderung führt, als solche von Belang ist, sondern ihre Folgewirkung auf die Person. (...). Insofern stellt sich, zumal für den Betroffenen, die Behinderung geradezu als soziale Kategorie dar: inwieweit Behinderung existent wird, hängt mit davon ab, wie das soziale Umfeld auf Defekte, Mängel, Schädigung und Behinderung reagiert und wie der davon Betroffene selbst mit seinem Behindertsein fertig wird (...). Letztlich bestimmen die Normvorstellungen der jeweiligen Gesellschaft, wer als behindert gilt und wer nicht, wie schwer und wie leicht sein Handicap ist (...). Welches Verhalten als abweichend oder gestört empfunden wird – etwa nur die völlige Kontaktlosigkeit eines Autisten oder schon die motorische Unruhe eines <Störenfrieds> in der Schulklasse oder das Sexualverhalten eines Homosexuellen – all das hängt von mehr oder minder bewussten, unausgesprochenen oder sogar gesetzlich kanonisierten Wertvorstellungen der Gesellschaft ab. Die Behinderung ist mithin eine andere Größe (...): ein an den Rollstuhl gefesselter, <objektiv> schwerer Behinderter kann mit seinem Defekt unter Umständen eher fertig werden als ein nur leicht körperlich Versehrter, der sich am Bilde des Unversehrten misst, in diesem sozialen Bezugssystem sein Anderssein stärker als Leidensdruck empfindet und insofern <schwer behiondert> ist (...). Die Behinderung selbst wird damit (...) nicht als unabänderliches naturwüchsiges Schicksal hingenommen. Sie ist vielmehr ein dynamischer Tatbestand, eine beeinflussbare Größe, eine soziale Aufgabe.“ 2.) Wie entsteht eine Behinderung? Eine Behinderung kann pränatal (während der Schwangerschaft), perinatal (während der Geburt) und postnatal (nach der Geburt) entstehen. Pränatal können die Ursache sein: Drogenkonsum der Mutter, auch Alkohol und Tabak, Medikamente zählen ebenfalls dazu; chronische Krankheit und Infektionen (Viruskrankheiten), Strahlung (Röntgenstrahlung),misslungene mechanische Schwangerschaftsunterbrechungen, Blutgruppenunverträglichkeit (z.B.. Rhesusfaktor Unverträglichkeit), Mangel- und Unterernährung der Mutter. Perinatal können die Ursachen sein: Sauerstoffmangel, Frühgeburt, Kaiserschnitt, Saugglocke und Geburtszange (Hirnblutung). Postnatal können die Ursachen sein: Sauerstoffmangel, Infektionen (Hirnhautentzündung), Frühgeburt, Kinderkrankheiten. Durch Gendefekte, Unfälle, Gewalteinwirkung, schwere Krankheiten und durch Kriegsverletzungen können ebenfalls Behinderungen entstehen. 3.) Geistige Behinderung Bei einer geistigen Behinderung ist das Gehirn in irgendeiner Weise so stark geschädigt, dass es nicht in vollem Ausmaß arbeiten kann. Das können Hirnorganische Schäden, neurologische Schäden und sinnesphysiologische Schäden sein. Eine Intelligenzminderung ist die Folge eines geschädigten Gehirns. Die Definition des Deutschen Bildungsrates von 1974 einer geistigen Behinderung lautet wie folgt: „Als geistig Behindert gilt, wer (...) in seiner psychischen Gesamtentwicklung und seiner Lernfähigkeit so sehr beeinträchtigt ist, dass er voraussichtlich lebenslanger, sozialer und pädagogischer Hilfen bedarf. Mit den kognitiven Beeinträchtigungen gehen solche der sprachlichen, sozialen, emotionalen und der motorischen Entwicklung einher.“ Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt geistige Behinderung von der Minderbegabung über die leichte, die mäßige, die schwere bis zur schwersten Behinderung ein. In der Praxis wird zwischen geringem, mittlerem, hohem und sehr hohem Hilfebedarf unterschieden. Die Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen sind fließend. Menschen mit leichter geistiger Behinderung und geringem Hilfebedarf „Sie können sich in angemessener Form sprachlich verständigen und Beziehungen aufnehmen. Durch sonder- und heilpädagogische Förderung im Kindes- und Jugendalter haben sie lesen, schreiben und in begrenztem Zahlenraum rechnen gelernt. Durch Förderung erreichen sie im persönlichen und sozialen Bereich weitgehende Selbstständigkeit und können nach berufsfördernden Maßnahmen einer entsprechenden Berufstätigkeit nachgehen. Weitere Begleitung, Beratung und Erwachsenenbildung müssen den erreichten Stand sichern. Dies gilt auch für bereits geschlossene oder neu aufzunehmende Beziehungen zu anderen Personen.“ Menschen mit mäßiger geistiger Behinderung und mittlerem Hilfebedarf „Sie können sich in einfacher Sprache verständigen und Beziehungen aufnehmen. Ihre Sprache und verwendeten Begriffe sind konkret, fassbar, praxisbezogen. Schrift und Ungang mit Zahlen erlernen sie nur bruchstückhaft oder nicht. Einfache räumliche Orientierung ist ihnen möglich, die zeitliche Orientierung umfasst etwa den Tagesablauf und bestimmte, sich wiederholende Ereignisse im Jahresablauf. Kinder und junge Erwachsene dieser Gruppe können durch sonder- und heilpädagogische Maßnahmen soweit gefördert werden, daß sie sich im lebenspraktischen Bereich selbst helfen, in einer überschaubaren vertrauten Umgebung zurechtfinden, allgemeine Umgangsformen gelernt haben und eine einfache Tätigkeit ausüben können. Sie bedürfen auch als Erwachsene stetige Anleitung und in vielen Lebensbereichen der ständigen Hilfe, da sie ihre Belange nicht vertreten können.“ Menschen mit schwerer geistigen Behinderung und hohem Hilfebedarf „Sie äußern sich vorwiegend durch Körpersprache, auch wenn sie verschiedene Laute oder einzelne Worte aussprechen können. Beziehungen werden mit lebhaften körperlichen Bewegungen aufgenommen. Durch frühzeitig beginnende sonder- und heilpädagogische Förderung, durch Beispiel und Handführung können sie einfache Umgangsformenerlernen, auch einfache Tätigkeiten ausführen. Sie sind aber immer auf ergänzende Hilfen angewiesen. Sie bedürfen der Anleitung, der Aufforderung, des Hinweises und des Lobes, um ihre Fertigkeiten anzuwenden und Beziehungen zu halten.“ Menschen mit schwerster geistiger Behinderung und sehr hohem Hilfebedarf „Sie äußern sich ausschließlich durch ihren Körper und durch Laute und können von sich aus keine Beziehung aufnehmen. Sie bedürfen der umfassenden körperlichen Pflege und Hilfe in allen lebenspraktischen Bereichen. Durch Zuwendung, Berührung, Ansprache, Musik kann ihre Wahrnehmung differenziert und erweitert werden, so dass sie auf ihre Umgebung reagieren und auch selbst Bedürfnisse mitzuteilen lernen. Auf diese Weise entsteht eine mitmenschliche Beziehung, die von der betreuenden Person abhängig ist“ (Thesing T.; Vogt M. 1999, S.195 ff.) 4.) Trisomie 21 Trisomie 21 auch als Down-Syndrom bekannt (wurde früher oft als Mongolismus bezeichnet) wurde nach dem englischen Nervenarzt John Langdon Down benannt, der es 1866 erstmals beschrieb. Menschen mit Trisomie 21 sind verhältnismäßig klein, haben eine schrägstehende Lidachse am Auge, eine breite Nasenwurzel, einen flachen Hinterkopf, kleine Hände und Finger und nur eine Handfurche in der Handinnenfläche. Ein angeborener Herzfehler ist relativ häufig. Sofern der Herzfehler nicht vorliegt ist die Lebenserwartung nicht wesentlich vermindert. Männer mit Trisomie gelten als zeugungsunfähig. Bei Frauen mit Trisomie 21 ist eine Fortpflanzung möglich, das Wiederholungsrisiko liegt aber bei 50%. Ein Kind mit Trisomie 21 gibt es unter 600-800 Neugeborenen. Etwa jedes siebte Kind der Gruppe der geistig Behinderten ist ein Trisomie 21 Kind. Diese Kinder kann man auch unter den lernbehinderten Kindern antreffen. Nach dem 40. Lebensjahr ist das genetische Risiko für eine Frau, ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen, 50 mal größer als mit 20-30 Jahren. Bei Müttern im 45. Lebensjahr kommt auf 30 Geburten ein Trisomie 21 Kind. Bei Vätern nach dem 55. Lebensjahr besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko. Eine pränatale Diagnose kann durch eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) festgestellt werden. Die Ursache von Trisomie 21 ist die fehlerhafte Verteilung der Chromosomen bei der Reifeteilung der Eizelle oder der Samenzelle. So kommt es, dass Menschen mit Trisomie 21 in jeder Körperzelle ein Chromosom zuviel haben, also insgesamt 47 satt 46 Chromosomen. Meistens handelt es sich um ein überzähliges Chromosom am Chromosomenpaar mit der Nummer 21, so dass hier drei Chromosomen vorliegen. Menschen mit Trisomie 21 verfügen im allgemeinen über eine gesunde Emotionalität und eine außerordentlich hoch entwickelte Fähigkeit, soziale Kontakte zu knüpfen. Selbstverständlich, mühelos, offen und direkt begegnen sie anderen Menschen. Auch gelten sie als Personen, die ihre eigenen Bedürfnisse gut durchsetzen können. 5.) Körperbehinderung Ulrich Oskamp. Professor für Körperbehindertenpädagogik an der Universität Dortmund, definiert Körperbehinderung folgendermaßen: „Als körperbehindert gelten Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, deren Bewegungsfähigkeit aufgrund einer Schädigung des Gehirns, der Nerven, der Muskeln oder des Skelettsystems nicht nur vorübergehend beeinträchtigt ist. Neben der Auswirkung auf die Funktionsfähigkeit der Bewegungsorgane kann die Schädigung als Mitschädigung oder als psychosoziale Folgewirkung das Wahrnehmen, das Denken, das soziale Verhalten, das emotionale empfinden oder die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigen. Dennoch ist die Körperbehinderung nicht als unveränderbar anzusehen. Sie resultiert aus körperlichen, psychischen und sozialen Wechselbeziehungen und wirkt sich, je nach Bewegungsanforderungen und verbliebenen Restfunktionen oder Kompensationsmöglichkeiten, in verschiedenen sozialen Situationen bei jedem Betroffenen anders aus“ (Oskamp 1994. S. 678) Körperbehinderungen im Überblick: Lähmungen, Bewegungsstörungen Schädigungen des Skelettsystems Zentral bedingt (ZNS) (Infantile) Cerebrale Parese: - Spastische Lähmung - Athetose - Ataxie - Dysmelien (Fehlbildungen der Gliedmaßen) - Wachstumsanomalien z.B. Kleinwuchs - Spaltbildungen z.B. LippenKiefer-Gaumen-Spalte - Wirbelsäulendeformationen, Klumpfuß, Glasknochen Peripher bedingt (z.B. Nervenleitung): - Spina bifida - Querschnittslähmung - Kinderlähmung Muskelschwund Frühkindliche zerebrale Bewegungsschädigung (Infantile Cerebrale Parese) Wird im Volksmund häufig als „Spastiker“ bezeichnet. Ursache für diese oder ähnliche Formen der frühkindlichen Körperbehinderung ist eine pränatal, perinatal oder postnatal erworbene Schädigung eines Teiles des noch nicht ausgereiften frühkindlichen Gehirns, das für willkürliche Bewegungen verantwortlich ist. Man bezeichnet dies als eine „Infantile Cerebrale Parese“ (ICP). Mit achtzig Prozent ist die „Spastische Lähmung“ die häufigste von mehreren Erscheinungsformen dieser Infantilen Cerebralen Parese. Die Muskulatur der Hände, Arme, Beine und Füße, oft auch die des Mundes und Gesichts verkrampft sich dabei. Andere Erscheinungsformen sind erkennbar an verzerrten Bewegungen des Kopfes und des Gesichts und „wurmförmigen“ Bewegungen der Arme und Beine (Athetose), wieder andere an unkoordinierten, torkelnd erscheinenden Bewegungsmustern (Ataxie). Häufig gibt es Mischformen. Die zerebrale Bewegungsschädigung kann sich auf nur eine Gliedmaße (Monoplegie) oder auf beide Gliedmaßen (Diplegie) auswirken, sie kann auch die Einbuße der Bewegungsunfähigkeit aller vier Gliedmaßen (Tetraplegie) sowie der Sprechorgane (Dysarthrie) zur Folge haben. Bei einer Halbseitenlähmung (Hemiplegie) sind Arme und Beine einer Körperhälfte betroffen. Im Leben erworbene Bewegungsstörung (Cerebrale Parese) Die im späteren Leben erworbene zerebrale Bewegungsstörung („Cerebrale Parese“ = CP) ähnelt in ihrer Erscheinung den frühkindlichen Formen. Als Ursachen kommen in Betracht: Hirnhautentzündungen, Schädel-Hirn-Verletzungen, Hirntumore, Schlaganfälle u.a. Das Apallische Syndrom ist eine cerebrale Parese im zustand eines „wachen Komas“. Es gibt viele junge Menschen, die nach schweren Motorradunfällen und schweren Schädel-HirnTraumen oft jahrelang in einem „wachen Koma“ gepflegt werden müssen. Querschnittslähmung durch angeborene oder erworbene Schädigungen des Rückenmarks Als angeborene Ursache ist der mangelnde Verschluß des embryonalen Rückrats zu nennen, der bei der Geburt als Spaltbildung in Form eines offenen Rückens erkennbar ist (Spina bifida). Trotz operativer Maßnahmen können die Bereiche unterhalb des Wirbelspaltes teilweise oder ganz gelähmt bleiben. Häufig ist der Kreislauf der Flüssigkeit gestört, der das Gehirn und das Rückenmark umgibt (Liquor), so dass die Gefahr besteht, dass sich ein „Wasserkopf“ (Hydrocephalus) bildet. Auch dieser Gefahr wird operativ vorgebeugt; ein kleines Ventil reguliert den Liquordruck. Die unfallbedingte Querschnittslähmung kann sich ähnlich wie die Spina bifida, außer auf die Lähmung der Gliedmaßen, auch auf innere Organe, z.B. auf Blase, Darm und Sexualorgane, auswirken. Weitere Ursachen vollständiger oder teilweiser Querschnittslähmung können u.a. sein: Spinale Kinderlähmung (Poliomyelitis): Virusinfektion des Rückenmarks oder Stammhirns; überall, wo die aktive Schutzimpfung abgelehnt wird, können neue Polio-Erkrankungen auftreten. Multiple Sklerose (frühestens im jungen Erwachsenenalter): degenerative Hirnerkrankung. Lähmungen als Folge von Muskelerkrankungen Progressive Muskeldystrophie: Hier handelt es sich um eine Muskelerkrankung, die zum Schwund der quergestreiften Muskulatur führt (Muskelschwund), das Muskelgewebe wird zersetzt. Die Krankheit ist erblich, beginnt allerdings erst im Kleinkindalter. Sie wird durch ein mutiertes Gen auf dem X-Chromosom ausgelöst. In der Regel sind nur Jungen betroffen. Ihr krankes X-Chromosom wird durch kein gesundes dominiert. Der Krankheitsprozeß ist von den Beinen zum Schultergürtel hin aufsteigend und mit Fortschreitender Lähmung verbunden. Man spricht auch von einer progredienten Erkrankung (Schmeichel 1983,221230). Beim Typ Duchenne sterben die Kranken im allgemeinen vor dem 20. Lebensjahr, bei den anderen Typen ist der Verlauf langsamer. Bei einer Muskelatrophie kommt es zu einer Verringerung und Verkümmerung des Muskelgewebes, z.B. dann, wenn der Muskel nicht mehr arbeitet, weil der zuführende Nerv tot ist. (Thesing T.; Vogt M. 1999, S.164 ff.) Erklärung/Etymologie der medizinischen Fachbegriffe: Ataxie: Gestörte Bewegungskoordination Athetose: Überbeweglichkeit Dysarthrie: Störung der Sprechweise (Artikulation) Infantile Cerebrale Parese: infantil: infans (lat.): Kind – cerebral: cerebrum (lat.): Gehirn – Parese: Motorische Schwäche, unvollständige Lähmung Dysmelie: Angeborene Fehlbildung an den Gliedmaßen Dystrophie: Ernährungsstörung (im Gewebe), dys (gr.): Fehler, Störung – a (gr.): nicht; Verneinungsform – troph (gr.): die Ernährung betreffend Hemiplegie: Halbseitige Lähmung, plegie (lat.): Lähmung, hemi (gr.): halb – mono, di, tetra (gr.): eins, zwei, vier Hydrocephalus: „Wasserkopf“ pallium: Mantel, hier Großhirnrinde progredient: fortschreitend, progredere (lat.): voranschreiten spasmus): Krampf, Verstärkte Muskelspannung spina: Dorn bifida: gespalten tonus: Spannung 6.) Autismus Der Begriff „Autismus“ geht auf das griechische Wort „autos“ = selbst, selbstbezogen zurück. Wir verstehen darunter „in sich zurückgezogen sein“ oder „in sich gekehrt leben“. Zwei Grundformen des Autismus werden unterschieden, der Kanner-Autismus und der AspergerAutismus, benannt nach dem amerikanischen Psychiater Kanner und dem österreichischen Kinderarzt Asperger. Unabhängig voneinander beschrieben beide 1944 eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit Kontaktstörungen zur menschlichen und dinglichen Umwelt. Kanner beschrieb die schwere, extreme Verlaufsform, den sogenannten frühkindlichen Autismus. Kontaktstörung: Autisten kapseln sich extrem ab, sie können keinen Blickkontakt herstellen, sie entwickeln keine Mimik und Gestik mit Symbolgehalt („Prinzengesicht“), sie zeigen kein Neugierverhalten. Veränderungsangst: Autisten zeigen ein ängstlich-zwanghaftes Bedürfnis nach Gleicherhaltung der Umwelt. Sie haften an ganz bestimmten Ordnungen; Änderungen bedrohen sie. Objektfixierung: Der Autist ist gefangen in stereotypen Bewegungen, z.B. schaukelt er mit dem Oberkörper, fächert mit seinen Fingern, kreiselt und wirbelt Ringe, Kugeln und Löffel, lässt stundenlang wie hypnotisiert Murmeln und Glasperlen durch die Finger rieseln. Er scheint seine Körperbewegungen als lustvoll zu erleben, die Selbststimulation kann auch autoaggressives Verhalten sein. Er kann sich nicht öffnen für neue Handlungsmuster und zeigt kein imitatives Lernverhalten. Sprachstörung: Die Sprachentwicklung bleibt aus oder ist verzögert. Sprache wird nicht zur Kommunikation, sondern aus Freude an Lauten und Wortklängen eingesetzt: Selbstgespräche, Echolalie. Stimmungslabilität: Es ist oft eine Neigung zu Affektausbrüchen zu beobachten. Schreien, Lachen, Weinen wechseln rasch, ohne erkennbare Ursache. Störungen in der Sensomotorik: Keine Erschreckensreaktion, gestörte Reflexhandlungen. Asperger-Autisten zeigen die beschriebenen sozialen und emotionalen Persönlichkeitsstörungen ebenfalls, aber in einer milderen Verlaufsform. (Thesing T.; Vogt M. 1999, S.185) 7.) Sinnesbehinderungen Blindheit; Sehbehinderung Folgende Abstufungen von der Blindheit zur Sehbehinderung sind zu unterscheiden: (1) Vollständige Blindheit (Amaurose); (2) Praktische Blindheit: Wahrnehmung von Lichtschein, d.h. minimaler Sehrest; (3) Hochgradige Sehbehinderung: Wahrnehmung vager Schatten; (4) Geringgradige Sehbehinderung: Gegenstandsunterscheidung für Orientierung ausreichend, nicht aber für die Normalschule (Kobi 1977, S.54). Angeborene Ursachen: z.B. erbliches Retinoblastom: bösartiger Tumor, der bei zweijährigen Kindern entlang der Sehnerven ins Gehirn wächst, das erblindete Auge scheint zu schielen (50% Risiko für die Nachkommen); „Mikrophtalmus“: Auge ist verkleinert angelegt; „Anophthalamus“: Auge fehlt ganz. Erworbene Ursachen: Netzhautablösung infolge Zuckerkrankheit (vgl. Hensle 1982, S. 9396) Blinde und sehbehinderte Menschen sind in Lernvollzügen, die auf visuellen eindrücken beruhen, behindert. Sie müssen sich die Informationen, die sehende Personen visuell aufnehmen, vollständig oder überwiegend über andere Wahrnehmungskanäle – insbesondere über das Gehör und den Tastsinn – aneignen. Das Fehlen des optischen Umweltkontaktes schränkt die Möglichkeiten der zwischenmenschlichen Kommunikation erheblich ein. Die Mobilität ist beschränkt auf eine bekannte Umwelt. Taubheit; Schwerhörigkeit Folgende Abstufungen von der Volltaubheit zur Schwerhörigkeit sind zu unterscheiden: (1) Volltaubheit: Keine auditive Wahrnehmung (ist sehr selten!); (2) Resthörigkeit: Wahrnehmung einzelner Geräusche bestimmter Stärke und Frequenz, jedoch sprachtaub im Frequenzbereich der Sprache; (3) Hochgradige Schwerhörigkeit: Wahrnehmung vager Sprachlaute, jedoch auf visuelle Sprachhilfen angewiesen; (4) Mindere Schwerhörigkeit: Spracherwerb erfolgt, mehr oder weniger beeinträchtigt, über das Ohr (Kobi 1977,S.57). Angeborene Ursachen: z.B. vererbte Taubheit, pränataler Medikamentenschaden (Thalidomid), Rötelnembryopathie. Erworbene Ursachen: z.B. Folge einer Masern-Meningitis. Die teilweise erhebliche Einschränkung der Kommunikation bei einer Gehörlosigkeit kann zu sekundären Folgewirkungen im gesamten psychosozialen Bereich führen: z.B. seelische Labilität, stärkere Erregbarkeit, insgesamt erschwerte Persönlichkeitsentwicklung. Häufig sind solche Verhaltensweisen als das Ergebnis einer kommunikativ bedingten Fehlentwicklung und –Erziehung anzusehen. (Thesing T.; Vogt M. 1999, S.178 ff) 8.) Minimale Cerebrale Dysfunktion Unter einer minimalen cerebralen Dysfunktion (MCD) verstehen wir eine leichte Störung der Hirnfunktionen. Kinder mit minimaler cerebraler Dysfunktion zeigen eine Vielfalt von Störungsbildern, die in unterschiedlichen Kombinationen vorkommen. Besonders bei starker Belastung, z.B. bei kognitiver Daueranforderung, treten die Symptome deutlich hervor. Es werden drei MCD-Formen unterschieden: Hyperkinetische Syndrom („Zappelphillipp-Syndrom“) Die Kinder haben starke Konzentrationsstörungen, sind hyperaktiv, ständig in Bewegung und können nicht bei der Sache bleiben. Teilleistungsstörungen Beispiel: Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) Die Kinder können das gesehene Wort innerlich nicht richtig verarbeiten und koordinieren. Sie haben eine Störung in ihrer Wahrnehmungsverarbeitung. Sie können z.B. die Buchstaben eines Wortes nicht richtig analysieren und zusammensetzen. Man bezeichnet dies als eine visuelle Differenzierungsschwäche, z.B. wenn ähnliche Buchstaben wie d und g verwechselt werden. Die Fähigkeit zur senso-motorischen Integration ist gestört. Analoges gilt für das Gehörte: Akustische Differenzierungsschwäche Weitere Teilleistungsschwächen Im kognitiven Bereich: Probleme in der Raum-Lage-Orientierung, Probleme beim mathematischen Denken Minimale Cerebrale Parese Die Kinder sind motorisch ungeschickt, z.B. beim Sport, beim Zuknöpfen der Jacke oder beim Zubinden der Schuhe. (Thesing T.; Vogt M. 1999, S.192) 9.) Epilepsie Als Epilepsie wird eine Erkrankung bezeichnet, die mit dem Auftreten von mehreren (mindestens 2) Anfällen einhergeht. Dabei kann das Bewusstsein erhalten oder getrübt sein. Einen einmalig aufgetretenen Anfall bezeichnet man als Gelegenheitsanfall, wenn Anfallsauslöser in der Vorgeschichte zu finden sind. Im Kindesalter sind als bekanntes Beispiel die Fieberkrämpfe zu nennen. Damit liegt noch keine Epilepsie vor. Mögliche Auslöser für einen Anfall sind beispielsweise: • Schlafmangel • Alkohol und Alkoholentzug • Lichtreize (insbesondere das Flickerlicht, z.B. in Diskotheken) • Fieber • Sauerstoffmangel 4-5% aller Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens einen Gelegenheitsanfall. Nur 0,5% aller Menschen erkranken an einer Epilepsie. Familiäre Häufungen werden für manche Epilepsiearten beschrieben. Eine genaue Vererbungsfolge ist jedoch nicht bekannt. Eine Epilepsie kann sich in jedem Alter manifestieren. Wie entsteht ein epileptischer Anfall? Generell kann jedes Gehirn Krampfanfälle produzieren. Im Gehirn spielen sich ständig Vorgänge mit Erregung und Hemmung von Nervenzellbahnen ab. Damit steuert das Gehirn vielfältige Körperfunktionen, wie Bewegungen, Atmung, nimmt Gefühle wahr und vieles mehr. Bei der Epilepsie wird die entstehende Erregung im Gehirn nicht oder nur unvollständig gehemmt und breitet sich damit auf andere Nervenfasern aus. Man vermutet ursächlich Störungen im Zellstoffwechsel, wodurch krankhafte Erregungszustände produziert werden. Einige Anfallsarten Anfälle mit Bewegungs- und Gefühlsstörungen Betrifft die Erregung die Hirnrinde oder unmittelbar unter der Hirnrinde liegende Strukturen, kommt es zu motorischen (Bewegungs-) und/oder sensiblen (Gefühls-) Störungen. Bewegungsstörungen können z.B. ein Verkrampfen, Zucken oder ein plötzlicher Kraftverlust von Armen und Beinen sein. Gefühlsstörungen äußern sich beispielsweise in Kribbeln, Ameisenlaufen oder Taubheitsgefühl. Anfälle mit Bewusstseinsstörungen Das Bewusstsein kann ebenfalls verändert sein. Unter Bewusstseinsveränderung versteht man eine Aufmerksamkeitsstörung im Anfall sowie eine eingeschränkte Kontakt- oder Rapportfähigkeit während des Anfalls. Das Erinnerungsvermögen fehlt für den Anfall; man spricht von Amnesie. Anfälle mit tageszeitlicher Bindung Es gibt einige Anfallsarten, die an bestimmte Tageszeiten, so z.B. an den Schlaf oder das Aufwachen, gebunden sind. Eine solche Zuordnung kann wichtige Hinweise auf die Anfallsart und deren Behandlung liefern. Sonderformen epileptischer Anfälle Absencen (Absence – die Abwesenheit) Absencen gehen mit Bewusstseinstrübungen einher. Sie zählen zu den generalisierten Anfällen. Der Betroffene hält in seiner Bewegung inne, „stiert“ vor sich hin und kann keine Aufforderungen ausführen. Teilweise treten sog. Automatismen, also Schmatzen, Kauen, Mümmeln oder ähnliche Störungen der mimischen Muskulatur auf. Meist dauert dieser Zustand nur Sekunden und wird vom Betroffenen nicht bemerkt. Im EEG (Hirnstrombild) zeigt sich ein typisches Muster. Status epilepticus (Status - der Zustand) Hierunter versteht man eine ununterbrochene Folge von Anfällen, zwischen denen der Betroffene das Bewusstsein nicht wiedererlangt oder einen Anfallszustand, der länger als 5 Minuten dauert. Es kann sich dabei sowohl um fokale oder generalisierte Anfälle handeln. Der Status epilepticus ist als lebensbedrohlich anzusehen. Die Sterblichkeit wird mit 25% angegeben. Je länger der Status anhält, umso höher ist das Risiko, daran zu versterben. Der Betroffene muss umgehend antiepileptisch und intensivmedizinisch behandelt werden, um diesen Anfallszustand zu unterbrechen. Ggf. muss eine Beatmung erfolgen. Nach ca. 30 min Anfallsdauer tritt eine Hirnsubstanzschädigung ein. Als Ursache werden am häufigsten Sauerstoffmangel im Blut, Durchblutungsstörungen des Gehirns, Hirnblutungen oder eine bekannte Anfallskrankheit verantwortlich gemacht. Epileptischer Dämmerzustand Unter dieser Bezeichnung wird ein Anfallszustand verstanden, bei dem der Betroffene scheinbar wach und orientiert erscheint, zum Teil auch geordnete Handlungen ausführt. Den Angehörigen fällt auf, dass er anders als sonst ist. Das Erinnerungsvermögen ist für diesen Zeitraum erloschen. Dieser Zustand kann nur mit dem EEG (Hirnstrombild) erkannt werden. Er entspricht einem Status epilepticus. Die entsprechende Behandlung erfolgt mit anfallshemmenden Mitteln. 10.) Mehrfachbehinderung Von einer Mehrfachbehinderung sprechen wir, wenn bei einem Menschen mehrere Behinderungen zusammen auftreten. Ein Beispiel ist die Rötelnembryopathie. Rötelngeschädigte Kinder sind oft von Geburt an schwer geistig behindert, außerdem blind, gehörlos und zusätzlich körperbehindert („Primäres Schädigungssyndrom“). Die Ursache ist hier eine globale Schädigung des Zentralen Nervensystems (ZNS) beim Ungeborenen in der vorgeburtlichen Phase. Diese Schädigung kann auftreten, wenn sich das Ungeborene in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft mit dem Rötelnvirus infiziert hat. Eine „Sekundärschädigung“ ist dann gegeben, wenn z.B. ein Gehörloser durch einen Unfall zusätzlich körperbehindert wird. Je schwerer die geistige Behinderung ist, desto wahrscheinlicher sind Mehrfachbehinderungen zu beobachten. Die verschiedenen Behinderungen wirken sich gegenseitig erschwerend aus. (Thesing T.; Vogt M. 1999, S.191) Zum Abschluss des Kapitels Behinderungsarten möchte ich noch aus: der Ring 2/93 (Bethel) mitgeteilt von Dr. Dieter Lotz, Wiener Straße 19, 33649 Bielefeld, die „10 Gebote für den Umgang mit Behinderten“ wiedergeben: 1. Behandele einen Behinderten wie einen Nichtbehinderten. Sei aber im Umgang höflich und rücksichtsvoll und verstecke Deine gute Erziehung nicht. 2. Erspare dem Behinderten Dein Mitleid. Erspare ihm auch Floskeln (auch wenn sie noch so gut gemeint sind), zum Beispiel „wir sind alle behindert“. 3. Denke aber daran: Ein Körpergeschädigter muß immer physisch den vollen Einsatz geben. Was für andere eine Kleinigkeit ist, ist für einen Behinderten oft mit großer Anstrengung und großen Schmerzen verbunden. 4. Mache nicht die angeblichen Interessen der Behinderten zum Vehikel Deiner eigenen Interessen und erst recht nicht Deiner politischen Ideologien. 5. Denke bei der Kommunikation daran: Der Behinderte muß erst eine Barriere auf der Beziehungsebene durchbrechen. Sie ist bei vielen im Unterbewusstsein vorhanden. Habe daher Geduld und schalte das Gespräch nicht ab, bevor es begonnen hat. 6. Verschone einen Behinderten mit unqualifizierten Ratschlägen oder einer selbstgebastelten Gesundheitsphilosophie. Überlasse die Ratschläge den Fachleuten. 7. Habe nicht den Ehrgeiz, einen Behinderten olympiareif zu trainieren. Auch ein noch so gutgemeintes Training kann das Gegenteil von gut sein. 8. Dränge Dich in der Schlange nicht an ihm vorbei und entschuldige Dich dann mit der Floskel „es geht ganz schnell“ oder „bin sofort wieder weg“, sondern drücke Deine Solidarität durch Geduld aus. 9. Attackiere keinen Behinderten und dränge Dich nicht um einen Behinderten. Er kann oft nicht ausweichen wie andere. Auch der Wirbel um ihn herum kann bei ihm Ängste und Unsicherheit auslösen. 10. Parke nicht auf seinen Wegen, fahre nicht auf seinen Wegen. Auch Fahrräder können für ihn eine Bedrohung sein. Literaturhinweise ARBEITSUNTERLAGEN DER FACHSCHULE FÜR MOTOPÄDAGOGIK NEUMÜNSTER: IBAF gGmbH, Unterricht C. Schlick BLEIDICK, U.: Behinderung als pädagogische Aufgabe, Stuttgart 1999 BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT DER INTEGRATIONSÄMTER UND HAUPTFÜRSORGESTELLEN: Sozialgesetzbuch IX. Integrationsfirma, Walldorf, Juli 2007 GREVING, NIEHOFF: Praxisorientierte Heilerziehungspflege, Bildungsverlag EINS, Troisdorf 2002 HENSLE, U.: Einführung in die Arbeit mit Behinderten: psychologische, pädagogische und medizinische Aspekte, Heidelberg 1982 KOBI, E.: Heilpädagogik im Abriß, Winterthur 1977 KOBI, E.: Grundfragen der Heilpädagogik, BHP Verlag, Berlin 2004 OSKAMP, U.: Körperbehinderung und chronische Erkrankungen, in: Zeitschrift für Heilpädagogik 10/1994 SCHMEICEL, M.: Probleme der Förderung von Kindern und Jungendlichen mit progredienten Krankheiten, in: Handbuch der Sonderpädagogik. Pädagogik der Körperbehinderten, Berlin 1983 THESING, T., VOGT, M.: Pädagogik und Heilerziehungspflege. Lambertus - Verlag, Freiburg im Breisgau 1999 Trainieren, raufen, Spaß haben, G-Judoka auf dem Herbstlehrgang in Rotenburg Gedicht aus: „Sie nennen es Fürsorge“: „behindert“ die Minderwertigkeit haben sie mir eingeimpft als ich noch ein Kind war, voller Neugier und Lust auf mein leben irgendwann begriff ich: ich bin anders als andere Menschen und dann: damit können die anderen nicht leben ich aber lebe mit mir und den andern versuche mir Neugier und Lust zu bewahren und habe dabei den Schmerz die Bitterkeit, die Traurigkeit kennen gelernt und auch das verbissene Kämpfen: nicht wie es euch gefällt mein leben, wie es mir gefällt!“ (Petra F., Bielefeld, 25.04.1981)