Spitzenleistungen aus St. Gallen

Transcrição

Spitzenleistungen aus St. Gallen
TA
GES
LEBEN 501 27.12.2008
501
24.12.08 11:01:33
LEBEN
Tages-Anzeiger · Samstag, 27. Dezember 2008
Spitzenleistungen aus St. Gallen
Was Miuccia Prada in die Hand
nimmt, wird zu Gold, diesmal
zur Freude des St. Galler
Stickereiunternehmens
Forster Rohner.
Von Sonja Hugentobler-Zurflüh
Wenn Miuccia Prada zweimal jährlich auf
dem Mailänder Laufsteg ihre Visionen für
die nächste Modesaison präsentiert, ist
das ein Ereignis, bei dem Einkäufer und
Modepresse ihren Atem anhalten.
Denn Miuccia Prada ist die Pfadfinderin der Branche, und
nach ihrer Show weiss
man, wo es langgeht. Pradas kontroverse Ideen lösen in der Modebranche
immer Beben zwischen
Stärke+ 7 und 10 auf der
Richterskala aus. Die
meistkopierte Designerin
der Welt und Doktorin
der Politikwissenschaftlerin will nicht gefällig sein.
Das überlässt sie dem
Mainstream. Wenn dieser
dabei ist, ihre Trends der
vergangenen Saison zu
verwerten und damit
Kasse zu machen, ist
Prada bereits wieder auf
einem neuen Pfad. Doch
einfach etwas Schönes zu
machen, wäre ihr zu simpel. Vielmehr ist ihre
Spezialität, das Publikum
zu konsternieren mit Entwürfen so neu und verstörend, dass sie gelegentlich so unvereinbar
wirken wie Sauerkraut
und Pralinés. Ratlos
strömt das Modevolk
dann aus der Prada-Zentrale an der Via Fogazzaro hinaus auf den Mailänder Asphalt und versucht zu verdauen, was
es da eben gesehen hat.
Raffiniert verfremdet
Nachdem man der
fremden Bildsprache
Zeit gelassen hat, sich
zu setzen, realisiert
man, dass Prada wieder einmal die Mode
vorwärtsgetrieben und
nicht wie die meisten ihrer Kollegen Rückgriffe in
irgendwelche Mottenkisten
gemacht hat. Auch die aktuelle
Winterkollektion wurde mit gemischten Rezensionen bedacht, mit
Begeisterten und Befremdeten. Ihr
Defilee war dominiert von Ätzstickereien aus St. Gallen und Webspitzen aus
Calais und mutete an wie der Trauerzug bei einem Mafiabegräbnis. Das alte
und weiblichste aller Materialien sah
nicht verspielt aus wie an Salondamen
des 18. Jahrhunderts, hatte nichts Pompöses wie an schwergewichtigen Operndiven. Und es wirkte schon gar nicht sexy
wie an Victoria’s Secrets Supermodels.
Trotz der floralen Arabeskenmuster mutet es nicht romantisch an, sondern unfassbar und sonderbar herb und, je nach
Farbe, zeremoniell. Für eine starke,
selbstsichere Frau, die Stickerei trägt,
weil sie sich darin gefällt und nicht, weil
sie damit Männer umgarnen will.
Prada hatte die bourgeoise Ätzstickerei
verfremdet – mit grobem, modernem
Schmuck und Schnürstiefeln. Sie hat
aus dem altertümlichen Material
mit schlichten Schnitten einen
ultramodernen, züchtigen Look
geschaffen; Kleider und Blusen
in Schwarz und den vier prägnanten Farben Gold, Orange,
Himmelblau und Nude. Schon
während der Show spürte
man, dass man einem sogenannten
Fashion-Moment
beiwohnte.
Andere zogen nach
Welche Konsequenzen
der «Fashion-Moment» haben würde, war an diesem
Februarabend jedoch noch
nicht abzusehen. Jetzt,
eine Saison später, hängt
die Mode in den Läden,
und Spitzen sind das
Spitzenmaterial der Saison. Weil die Zeit reif
war für weibliche Materialien, haben gleichzeitig auch andere Luxuslabels wie Balmain, Dolce
&
Gabbana,
Stella
McCartney, Akris, Givenchy,
Jean
Paul
Gaultier oder Chloé
Stickereistoffe eingesetzt, jedoch konventionell und gefällig.
Mit dem Trend für
durchbrochene Materialien ist auch
die spitzengemusterte Strumpfhose
wieder
zurück,
von Chanel prominent
inszeniert. Burberry
setzt das feminine
Material
sogar für Herrenhemden ein.
Wie es dazu kam, dass
Prada ihr Augenmerk auf eine Ätzstickerei legte, vertraute sie der «New
York Times»-Modejournalistin Lisa
Armstrong an: In ihrem Atelier lag ein
Stück Ätzspitze herum. Es war staubig
und alt und stand für alles, was sie
nicht mochte, vor allem für Spiessigkeit und Pomp. Nach dem Motto «Stell
dich deinem Feind» wollte sie es ergründen. So fand Prada ihren eigenen
Zugang zu dem Material. Sie sandte ihre
Stoff-Scouts aus zu Forster Rohner in
LESER FRAGEN
Paul Imhof
So entsteht die
Ätzstickerei
Ätzstickerei wird im Fachjargon
Guipure genannt. Das Wort stammt
vom französischen Verb «guiper»
und bedeutet «umwindeln». Das
Stickmuster wird auf ein Grundgewebe gestickt, das anschliessend in
einem Acetonbad weggeätzt oder
durch Hitze- und mechanische Einwirkung weggebrannt wird. Was zurückbleibt, sind die Stiche, die aussehen, als ob sie in die Luft gestickt
worden wären. Der Preis einer Ätzstickerei hängt nicht nur vom Material ab, welches Lurex, Lamé, Wolle,
Viskose, Seide oder Baumwolle sein
kann, sondern von der Anzahl Stiche, die über die Produktionsdauer
entscheiden. Bei kostbaren Guipures
sind die Stiche so zahlreich, dass die
Motive dreidimensional wirken. Sie
werden in schmalen Breiten von bis
zu 90 cm erstellt. Der Meter kostet
ab 300 Franken und ist nach oben offen. (hug)
die Stickereimetropole St. Gallen, mit dem
Auftrag, das Potenzial des Materials zu erforschen. Im Archiv der Traditionsfirma
konnten sie aus dem Vollen schöpfen,
denn es enthielt Prototypen aller Muster,
die seit der Firmengründung 1904 produziert wurden. Eines der schönsten Dessins, eine Ätzstickerei, welche die damals
Forster Willi genannte Firma im Jahr 1950
für Cristobal Balenciaga produzierte,
stach dem dreiköpfigen Team besonders
ins Auge. Eiligst wurde ein Coupon produziert und an Prada geschickt, damit sie
damit experimentieren konnte. Es handelte sich um ein Couture-Material, bei
dem der Preis keine Rolle spielt. Nachdem es modifiziert wurde, um es bezahlbar zu machen für das Prêt-à-porter, stand
fest, dass diese Ätzstickerei das Leitmotiv
der neuen Prada-Kollektion werden sollte.
Spitzenboom hat erst begonnen
Forster Rohner ist sich gewöhnt, für
Luxuslabels Stickereien zu produzieren,
in jeglicher Dosierung. Als jedoch im
März die Balenciaga-Prada-Spitze auf allen Titelblättern der Glanzmagazine erschienen war, hagelte es derart Aufträge,
dass Sonderschichten eingelegt werden
mussten, um die Termine einhalten zu
können. Die ganze Prada-Lieferung
wurde, wie alle hochwertigen Stickereien, im St. Galler Hauptsitz produziert.
Doch die Stickmaschinen rattern nun
ebenfalls in anderen Textilzentren bis
nach China, denn auch die Grossanbieter
haben in Windeseile reagiert. Spitzen
und Stickerei-Effekte sind omnipräsent,
von H & M über Zara bis zu Mango. Der
Spitzenboom hat eben erst begonnen. Er
wird im Sommer seinen Triumphzug
fortsetzen.
Forster-Rohner:
Immer in Mode
Das Traditionsunternehmen, 1904
gegründet von Conrad Forster Willi,
hat seinen internationalen Ruf als
modisch kompetente und qualitativ
hochstehende Stickereifirma in den
80er-Jahren, der Hoch-Zeit der Designermode, begründet. Heute ist es
eines der wenigen St. Galler Stickereiunternehmen, die die Textilkrise
in den Jahren 1995 bis 2005 erfolgreich überstanden haben. Die Brüder und damaligen Geschäftsführer
Ueli und Tobias Forster haben das
Unternehmen durch Globalisierung
in die Zukunft geführt. Heute werden noch 15% der Produktion in St.
Gallen hergestellt, der Rest seit 1994
in China, Rumänien und Österreich.
80% der Produkte gehen in den Dessous-Bereich und 20% ins Prêtà-porter. Der durch Prada ausgelöste Stickerei-Hype hat Forster
Rohner nicht nur wunderbare Umsätze beschert, sondern auch dem
Metier des Stickereientwerfers zu
neuem Ansehen verholfen. So bewerben sich Abgänger der renommierten Londoner Modeschule Central Saint Martins darum, bei Forster
Rohner arbeiten zu dürfen. CEO der
Firma ist heute U. Forsters Sohn
Emanuel, kreativer Direktor ist Hans
Schreiber. (hug)
beantwortet Fragen zum
leiblichen Wohl, zu
Völlereiund Fasterei, zu
festlichen und alltäglichen
Tafeln, Küche und Keller.
Welchen Reis braucht es
für Risotto?
Ich habe vor kurzem mit Langkornreis Risotto machen wollen, weil mir der ArborioReis ausgegangen war. Das Resultat war
suboptimal bis enttäuschend. Warum ist es
eigentlich so wesentlich, dass man für bestimmte Reisgerichte spezielle Reissorten
verwendet? Was hat Arborio, was Basmati
nicht hat? U.H.
Liebe Frau H.,
Warum passt Basmati nicht? Weil er
eben ein dünnes Langkorn ist und kein
Rundkorn, das die Hitze in der Pfanne besser und länger aushält als das zarte Sprenzelchen vom Fusse des Himalaya, das man
am besten ungewürzt wie Thai-Parfümreis
6 bis 8 Minuten «springend» in viel Wasser
kocht und dann in einem Sieb etwa 10 Minuten ausdampfen lässt. Für Risotto nehme
ich am liebsten Carnaroli (vorzugsweise
Acquerello, ein Bio-Reis aus dem Piemont). Weiter passen Arborio, Vialone
nano veronese, Loto aus dem Tessin sowie
spanischer Reis, den man für Paella
braucht (wer in diesem Reiseintopf besteht, überlebt auch in der Risotto-Pfanne).
Die Sorte Carnaroli produziert ein eher
dickliches Korn mit einem breiten Mehlkörper, der viel Stärke enthält. Stärke ist
wichtig für Risotto, sie gibt dem Gericht
die «Schmiere», die es unverwechselbar
sämig macht. Das Korn darf aber nicht zerfallen, es muss bissfest bleiben.
Aber in diesen festlichen Tagen möchte
ich nicht zu lange an technischen Details
hängen bleiben, sondern Ihnen eine Geschichte erzählen. Ich koche meinen Risotto nach einem Rezept, das ich von einem Freund erhalten habe, der es sich in einer Beiz im Tessin dank der Kraft von List
und Liebe ergattert hatte. Während seiner
Diensttage als Rekrut ass er hin und wieder
abends im Ausgang Risotto in besagtem
Restaurant. Das Gericht zeichnete sich
dort durch eine aparte, freilich nicht eindeutig identifizierbare Geschmacksnuance aus. Mein Freund wollte das Geheimnis dieser Freude herausfinden. Er schaffte
es nicht. Die Wirtin sah nicht nur aus wie
ein Granitblock, sie verhielt sich auch so.
Mein Freund gab nicht auf. Mit seinem
waidwunden Blick nahm er nun die seufzenden Augen der Tochter ins Visier.
Nachdem er mit einer List einen Konkurrenten in die Wüste geschickt hatte, der
nach einer Serenade seine Klampfe in Sicherheit bringen wollte, stieg er die Treppe
hoch, die Schuhe in der Hand, und enterte
das Schlafzimmer der Wirtstochter. Ob sie
überrascht war, ist nicht überliefert: Aber
sie hauchte Chéri. Der Schleier war gelüftet: Sherry.
Das Rezept: Hühnerbouillon kochen,
beiseite stellen; in einem Topf Butter und
etwas Olivenöl erhitzen, gehackte Zwiebel
anbraten, Reis hineingeben, mitbraten bis
die Körner glasig sind, mit einem satten
Schuss Sherry ablöschen; rühren, bis sich
Sämigkeit zeigt, in Etappen Bouillon dazugeben; nach etwa 10-15 Minuten Kochzeit
gepressten Knoblauch und Butter dazugeben, Safran darunter rühren, Pfeffer nach
Belieben; kurz vor Schluss (der Reis soll
bissfest sein) Topf vom Herd nehmen und
frisch geriebenen Parmesan unter den Risotto ziehen.
Fragen an [email protected]
ROSINENPICKER
Delikates per Post
BILDER TRENDSPOT/CRETA/GONZALEZ
Festliche Kleider mit modischen Stickereien: Modelle von Prada, Balmain und Chloé (v.l. n. r.).
Produkte der Fattoria La Vialla aus der Toscana
sind bei uns immer noch ein Geheimtipp. Die Familie Lo Franco hat sich in 30-jähriger Arbeit in der
Nähe von Arezzo ein Juwel geschaffen und ein
grosses, vernachlässigtes Landwirtschaftsgebiet
mit 23 verfallenen Bauernhäusern wieder zu einer
vielfältigen Kulturlandschaft umgewandelt. Die auf
den umliegenden Feldern frisch geernteten Produkte werden mit handwerklichen Fertigungsmethoden unmittelbar weiterverarbeitet. So entstehen Produkte mit einzigartigem Geschmack. Rotund Weissweine, Olivenöl, Käse, Salami und eine
grosse Auswahl an Teigwaren. Seit 1992 ist la Vialla dem italienischen Verband für biologische
Landwirtschaft angeschlossen. Der Versand der
Produkte erfolgt ohne Zollformalitäten durch die
Schweizer Post. Der Prospekt und weitere Informationen können, auch auf Deutsch, direkt angefordert werden. (uh)
Tel: 0039 0575 477 720, E-Mial: [email protected]