Bericht lesen… - Reissner Stiftung

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Bericht lesen… - Reissner Stiftung
Bericht über mein Auslandssemester an der
Kungliga Tekniska Högskolan (KTH), Stockholm, Schweden
im Wintersemester 2015/2016
von Dennis Hartmann
Schon seit einem Jugendaustausch während der Schulzeit in die schwedische Partnerstadt meiner
Heimatstadt Hannover hatte ich mir vorgenommen, einmal für längere Zeit nach Schweden zu gehen.
Fasziniert hatte mich nicht nur die idyllische Landschaft und die Sprache sondern auch die herzliche,
gastfreundliche aber zugleich zurückhaltende Art der Schweden. Gerne hatte ich das Land, die
Menschen und Kultur genauer kennen lernen wollen, abseits von den mich bisher prägenden
Urlaubseindrücken. Diesen Wunsch mit einem Auslandssemester zu kombinieren war für mich also die
ideale Kombination.
Zum Ende meines Masterstudiums der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart bat
sich für mich letztmalig die Gelegenheit für eine Bewerbung für das ERASMUS-Programm, die ich
aufgrund eines straffen Stundenplans, finanziellen und organisatorischen Bedenken immer weiter
aufgeschoben hatte. Umso größer war die Freude, als ich die Zusage für meine Erstwahl bekommen
habe und ich mit den Planungen für das Semester anfangen konnte.
Meinen Aufenthalt in Stockholm begann ich Anfang August mit einem Intensiv-Sprachkurs in
Schwedisch. Das bedeutete, dass drei Wochen lang vor Semesterbeginn immer vormittags Unterricht
war. Nachmittags hat die Studentenunion (so ähnlich wie Fachschaft) täglich Ausflüge
organisiert, sodass man die
Stadt und Umgebung und
natürlich
eine
Menge
Menschen aus der ganzen
Welt kennen lernen konnte.
Dies stand oft im Konflikt mit
den vielen Hausaufgaben, die
wir bekamen, weshalb die
Tage oft sehr lang wurden. Ich
Blick auf Riddarholmen
war sehr beeindruckt, von dem
organisatorischen Aufwand, der betrieben wurde, um uns internationale Studenten willkommen zu
heißen. So wurde mir der Einstieg sehr leicht gemacht. Und der schwedische Sommer hat ebenfalls
dazu beigetragen, da man viel Zeit draußen und vor allem am Wasser verbringen konnte.
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Nach dem Intensivkurs konnte ich dann endlich mein Wohnheimzimmer beziehen, das ich erst im
Nachhinein bekommen hatte. Für die erste Zeit hatte ich ein Zimmer über Airbnb gebucht. Es war ein
neues Wohnheim außerhalb von Stockholm, in dem nur internationale Studenten wohnten. Schweden
gab es dort nicht, was eigentlich ein bisschen schade war, denn es ist unabhängig davon ebenfalls
schwer, Kontakt zu den Einheimischen zu bekommen. Aber sonst war es dort super. Es waren
Einzelapartments mit eigener Küchenzeile und eigenem Bad, aber es gab einen Gemeinschaftsraum
mit Sitzmöglichkeiten, Tischtennisplatte etc. Alle zwei Wochen veranstalteten wir dort ein
internationales Dinner, bei dem jeder etwas zu Essen beigetragen hatte und wir dann ein Buffet
aufgebaut haben. Außerdem wurden dort auch ab und zu Partys gefeiert.
Die freie Woche zwischen Sprachkurs und Vorlesungszeit nutzten viele um erste Reisen zu
unternehmen. Ich bin mit ein paar Freunden mit der Fähre für zwei Tage nach Tallinn gefahren. Von
Stockholm aus kann man neben Tallinn auch mit der Fähre nach Riga oder Helsinki gelangen und das
alles zu studentenfreundlichen Preisen.
Die
haben
regulären
dann
Vorlesungen
im
September
begonnen. Diese sind generell
etwas verschulter mit vielen
Hausaufgaben, Präsentationen,
Labors usw. Aber so bleibt man
natürlich
während
der
Vorlesungszeit am Ball. Ebenso
nahm
Gruppenarbeit
einen
großen Teil der Arbeitszeit ein,
Im Innenhof des Hauptgebäudes der KTH
sodass man sich von Anfang an selber kritisch mit dem Vorlesungsstoff auseinander setzen musste und
auch, mit Menschen anderer Kulturen zu arbeiten und deren Herangehensweise an Probleme zu
verstehen und zu respektieren. Da ich Schwierigkeiten hatte, mir die gewünschten Kurse im
Luftfahrtbereich anrechnen zu lassen, hatte ich mich entschieden ein bisschen über den Tellerrand
hinaus zu blicken. Daher habe ich eine Fahrzeugtechnik-Vorlesung und eine darauf aufbauende
Schienenfahrzeugtechnik-Vorlesung besucht.
Außerdem habe ich natürlich noch weiter den Schwedisch-Kurs besucht, der mich ebenfalls durch viele
Hausaufgaben gut beschäftigt hielt. Außerdem bin ich regelmäßig zum Sprachcafé gegangen. Dort hat
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man die Möglichkeit, sich zweimal die Woche in der Mittagspause in der Bibliothek zu treffen und mit
anderen, die gerade Schwedisch lernen, auf Schwedisch zu unterhalten.
Vermissen werde ich die mit meinen Freunden zum Montagsritual gewordene „Fika-“ Kaffeepause
zwischen Vorlesungen und Schwedischkurs, der immer erst um 17:00 begann.
Weil das Semester in Schweden zweigeteilt ist,
man nach der ersten Hälfte schon Prüfungen hat
und die Vorlesungsmodule generell größer sind,
hat man während der Vorlesungszeit meist nur
zwei Vorlesungen gleichzeitig. Dies fand ich sehr
positiv, da man sich auf diese beiden Fächer
konzentrieren kann und die Prüfung dann direkt
Nach der ersten Prüfungsphase auf Gotland
im Anschluss abgehakt hat. Einige Zeit hat es gedauert, bis ich mich an das akademische Viertel
gewöhnt hatte, welches an der KTH noch in fast jeder Vorlesung praktiziert wird. So saß ich anfangs
oft pünktlich um acht im Vorlesungssaal und wunderte mich, dass ich alleine war. Nach den ersten
Prüfungen bin ich mit ein paar Freunden auf Gotland gewesen, die größte Insel Schwedens. Nach ein
paar sonnigen Herbsttagen ging es in die zweite Vorlesungsrunde.
Schnell wurde es darauf dunkel in Stockholm. Zwar ließ der Winter auf sich warten, jedoch war es
Anfang Dezember schon um 14 Uhr recht düster draußen, was bei einem inzwischen zur Gewohnheit
gewordenen Studienalltag schon manchmal auf die Stimmung drücken konnte. Allerdings wussten die
Schweden wie man dem entgegen wirken kann. Schon viel früher als in Deutschland wird in Schweden
die Weihnachtsbeleuchtung herausgeholt und so erstrahlen alle Straßen in Stockholm schon bald in
anderem Licht. Am 13. Dezember wird in Schweden das Luciafest gefeiert. Auch an der KTH gab es eine
Feier, die allerdings schon um sieben Uhr morgens in der Bibliothek angefangen hatte, um die
Dunkelheit zu nutzen. Zunächst gab es ein traditionelles „Fika“, mit Kaffee, Glögg, Lussekatter
(Saffrangebäck) und Pfefferkuchen. Anschließend sind Lucia mit brennenden Kerzen auf dem Kopf und
ihr Gefolge, allesamt in weiße Gewänder gekleidet, in die Bibliothek eingezogen, während sie typische
schwedische Lucia Lieder sangen. Nach einem kleinen Konzert sind sie wieder ausgezogen und mit
Sonnenaufgang war die kleine Feier vorbei. Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt, dafür so früh
aufzustehen. Es war eine sehr schöne und besinnliche Erfahrung.
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Ein weiteres Highlight im Dezember war sicherlich
auch der Besuch der Nobel-Vorlesungen. Jedes Jahr
vor der Verleihung der Nobelpreise im Stockholmer
Konserthuset
halten
alle
Preisträger
an
der
Universität Stockholm, die nicht allzu weit entfernt
ist von der KTH, eine öffentliche Vorlesung. So
machten ein paar Freunde und ich uns auch an einem Bei der Nobelvorlesung
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Tag auf in die Aula der Stockholmer Universität um uns die Vorträge der Nobelpreisträger in Physik
und Chemie anzusehen.
Schon bald hieß es vorerst Abschied nehmen. Denn über Weihnachten und Silvester bin ich nach
Deutschland geflogen. Jedoch bin ich im neuen Jahr noch einmal nach Stockholm gefahren, dieses Mal
mit dem Zug. Inzwischen war der Winter gekommen, mit tagsüber -18° in Stockholm. Im Anschluss an
meine Prüfungen bin ich zum Abschluss mit ein paar Freunden mit dem Nachtzug nach Kiruna in der
schwedischen Provinz Lappland
gefahren. Hier haben wir in einer
kleinen
Hütte
zugefrorenen
an
Fluss
einem
gewohnt.
Natürlich war es hier deutlich
kälter. -36°C führten bei einer
Freundin gleich am ersten Tag zu
einer Frostbeule im Gesicht. Die
Temperatur war also nicht zu
unterschätzen. An einem Tag
haben
wir
eine
Tour
mit
Motorschlitten gemacht, was eine
Nordlichter über unserem Camp in Kiruna
sehr spaßige Angelegenheit war. Am Tag darauf haben wir einen Ausflug mit einem Hundeschlitten
gemacht. Zunächst waren wir enttäuscht, dass die Tour
auf 17 Uhr angesetzt war, also in völliger Dunkelheit.
Jedoch war es eine sehr klare Nacht die vom Mond und
dem reflektierenden Schnee erhellt wurde. Die an diesem
Abend dann auftauchenden Polarlichter haben uns dann
vollends
entschädigt und
diese Tour zu
einem
unvergesslichen Erlebnis gemacht.
Bei der Hundeschlittentour
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Alles in allem hat sich mein Aufenthalt in Schweden sehr gelohnt. Der organisatorische Aufwand hielt
sich trotz anfänglicher Befürchtungen in Grenzen. Ich habe durch die vielen Aktionen zu Beginn des
Semesters und die gute Gemeinschaft im Wohnheim schnell Anschluss gefunden und viele
interessante Menschen aus der ganzen Welt kennen gelernt. Ich habe viel über die schwedische
Gesellschaft, Eigenarten und Bräuche der Schweden und letztendlich eine neue Sprache gelernt.
Einen großen Dank möchte ich der Reissner Stiftung aussprechen, dass sie nach einer kurzfristigen
Kürzung des ERASMUS Stipendiums finanziell eingesprungen ist und diese Lücke im Budget
geschlossen hat. Somit war es mir möglich mein Vorhaben dennoch mit der nötigen finanziellen
Sicherheit durchzuführen.
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