Die Ente ist eine Zicke

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Die Ente ist eine Zicke
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Nenad kocht
6. März 2016 | sonntagszeitung.ch
Die Ente ist eine Zicke
Viele haben ihre liebe Mühe mit der Ente, dabei hat sie sehr viel mehr zu bieten als nur die Brust.
Nenad Mlinarevic über einen Vogel, der selbst als «Hot Duck» begeistern kann
Wenn man in einem Restaurant
Ente auf dem Menü hat, ist die
Zahl der Gäste, die lieber etwas
anderes bestellen möchten, erfahrungsgemäss hoch. Denn die Ente
ist eine Zicke. Sie jedes Mal perfekt hinzubekommen, ist selbst
für sehr erfahrene Köche nicht
leicht. Denn jede Ente ist anders,
deshalb muss man sie mit Gefühl
zubereiten. Wahr ist nämlich
auch: So fein und zart eine perfekt rosa gebratene Brust mit
knuspriger Haut schmecken kann,
so ungeniessbar wird sie, wenn
das Fleisch zäh und die Haut lodrig ist. Eine Pouletbrust hingegen kann man praktisch mit der
Stoppuhr braten, die wird immer
etwa gleich zart aus der Pfanne
kommen.
Die Qualität der Ente ist also
entscheidend, bekannt sind hochwertige Produkte wie die Labels
aus Frankreich: Challans, Barbarie oder Miéral und einige mehr.
Aber das Gute liegt näher, als man
denkt. In Mörschwil am Bodensee
gibt es eine hervorragende Schweizer Geflügelzucht, die Enten, Perlhühner oder Alpgänse in gleich
bleibender höchster Qualität anbietet. Für ihre Arbeit wurden die
Brüder Gregory, Robin und Pascal
Geisser von der Geflügel Gourmet
AG übrigens mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem «Culinarium
König 2016». Für das Rezept
(s. Kasten) ist es empfehlenswert,
das Fleisch bei dem Ententrio zu
bestellen, die Ware wird per Post
nach Hause geliefert.
desto mehr Geschmack; empfehlenswert sind etwa zwei Kilogramm Fleisch und Knochen auf
zwei Liter Wasser.
Im vergangenen Jahr habe ich
mich für eine Veranstaltung intensiver mit der Ente auseinandergesetzt. Die Aufgabenstellung lautete, ein Gericht zum Thema «Stadt
– Land – Fluss» zu kochen. In Zürich bin ich gewissermassen mit
Enten aufgewachsen, sie begegnen
einem überall, in der Stadt auf dem
See, wenn sie an Land watscheln
und wenn sie ihre Eier irgendwo
am Rand des Flusses ausbrüten.
Aus dieser Erinnerung entstand
ein Enten-Zvieri mit Entenei, -Paté,
-Wurst und gebeizter, geräucherter Brust. Aus der Entenwurst wurde der «Hot Duck», eine Variante
des Hot Dogs, die ich unter anderem an der Feier zur Ernennung
zum «Koch des Jahres 2016» serviert habe, wo die besten Köche
der Schweiz mit dem Chefredaktor des «Gault Millau» am Tisch
sassen.
Aussergewöhnliche Räucherund Wurstspezialitäten
Und hier kommt ein weiterer Spezialist ins Spiel: Patrick Marxer,
der mit seinem Label «DasPure»
aussergewöhnliche Räucher- und
Wurstspezialitäten herstellt. Marxers über Buchenholz geräucherte Entenbrust etwa ist ein wunderbarer Begleiter für ein einfaches
Nachtessen aus Brot, Fleisch und
Salat. Und aus dem Familienbetrieb mit ökologischer Grundhaltung kam eben auch die Entenwurst sowie die –Paté, ein Brotaufstrich, den man mit ein wenig
Engagement auch zu Hause herstellen kann. Das ist zugegebenermassen nicht ganz einfach, es
braucht die richtigen Zutaten und
idealerweise einen Fleischwolf (siehe Kasten), aber ganz ehrlich: Ein
richtig gutes Spiegelei zu braten,
ist auch nicht ganz einfach.
Entenherzen mit Zwiebeln,
Knoblauch und Geflügeljus
Aber wer Ente mag, muss nicht
nur die Brust essen, der Vogel gibt
viel mehr her: gebratene Entenherzen schmecken fein, wenn man
sie mit Zwiebeln, Knoblauch und
Geflügeljus anbrät. Ausgelassenes Entenfett eignet sich gut, um
darin Pommes frites zu frittieren,
und geschmorte Entenschenkel
kann man mit kurz gebratener Entenleber, Cognac, Portwein und
Dörrbirnen zu einem grossen
Sonntagsessen aufrüsten. Und
falls man mal ein paar Enten aufs
Mal im Hause hat, lohnt es sich,
aus den nicht verwendeten Knochen und Karkassen eine Bouillon
zu machen: je mehr Karkassen,
Aussergewöhnlich: Nenad Mlinarevic mit dem Enten-Paté
Enten-Paté nach Patrick Marxer (für etwa 7 kleine Einmachgläser)
2 Entenschenkel mit Haut
(400 g Fleisch ohne Knochen)
100 g Entenleber (ungestopft)
9 g Salz
3 Stängel Koriander
4 Zweige Thymian
2 Stängel Majoran
15 g weiche Dörrbirne
(Weichspeckbirne)
20 g schwarzer Trüffel (frisch
oder aus dem Glas)
25 ml trockener Rotwein
1ml Birnenschnaps
Das Fleisch der Entenschenkel mit einem
scharfen, spitzen Messer auslösen (oder die
Arbeit den Metzger erledigen lassen); in 2 cm
grosse Würfel schneiden. Entenleber ebenfalls in Würfel schneiden. Tipp: Falls keine
ungestopfte Entenleber aufzutreiben ist, geht
es auch mit Hühnerleber.
Birne und Trüffel würfeln, unter das Fleisch
Fotos: Nico Schaerer
Nenad Mlinarevic ist Küchenchef
des Restaurant Focus
im Park Hotel Vitznau
(2 Michelin-Sterne,
18 Gault-Millau-Punkte) und
«Koch des Jahres 2016».
Er kocht nur mit Schweizer
Produkten und schreibt hier
monatlich über seine Arbeit
Der Fleischwolf
mischen und alles durch die kleine Scheibe
(2 mm) des Fleischwolfs drehen. Das Fleisch
sollte dafür sehr kalt oder leicht angefroren
sein.
Die Kräuter von den Stängeln zupfen, fein
hacken und mit Salz, Wein und Schnaps
gründlich unter die Fleischmasse mischen.
Die Einmach- oder Weckgläser sterilisieren
und je rund 80 g der Fleischmasse auf die
Gläser verteilen. Das geht am saubersten mit
einem Einweg-Spritzbeutel. Die Gläser luftdicht verschliessen.
Die Gläser in einem Wasserbad oder Steamer bei 76 Grad während 90 Minuten pasteurisieren.
Alternativ den Ofen auf 100 Grad vorheizen
und ein tiefes Blech mit Wasser hineinstellen. Mit einem Thermometer die Wassertemperatur überprüfen, sie sollte 76 Grad betragen.
Die Paté kühl aufbewahren und etwa 30 Minuten vor der Verwendung aus dem Kühlschrank nehmen. Auf geröstetes Brot
streichen und nach Belieben mit Kräutern
garnieren.
Seit Hackfleisch in Kunststoffboxen geordnet im Kühlregal jedes Supermarkts ausliegt, hat der Fleischwolf
an Popularität eingebüsst. Dabei ist es ein simples kleines Küchengerät mit grosser Wirkung. Es gibt entweder Modelle mit Handkurbel (etwa 80 Fr.) oder solche,
die als Zubehör zu Küchenmaschinen wie die legendäre Kitchen Aid erhältlich sind (ab ca. 120 Fr.). Damit
kann man sich nicht nur seinen eigenen Hackbraten
oder Hamburger herstellen, sondern auch Fleischmischungen für Würste, Terrinen oder Pasteten. Reibkäse, Gemüse oder Brot für Paniermehl lässt sich mit
dem Wolf natürlich auch zerkleinern.