Melbourne MedPraktikum 2013
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Melbourne MedPraktikum 2013
Freiformulierter Erfahrungsbericht Praktikum im Ausland Grunddaten Name: Fakultät/ Fach: Jahr/Semester: Land: Betrieb/ Institution: Dauer des Aufenthaltes: Karsten Hollander Medizin 12. Semester Australien Royal Children’s Hospital, University of Melbourne 8 Wochen Austausch-/Stipendienprogramm und Auswahlrunde Stipout, Promos, Mai 2013 Vorbereitung und Anreise Schon zu Beginn meines Studiums, war mir klar, dass ich auch gerne Einblicke in die Ausbildungs- und Gesundheitssysteme anderer Länder bekommen wollte. Nachdem ich die Chance hatte für zwei Semester in einem weniger entwickelten Land studieren zu können, wollte ich gerne das praktische Jahr (PJ) dazu nutzen in ein angloamerikanisches System zu schauen und auch mein medizinisches Englisch zu verbessern. Im Rahmen meiner Doktorarbeit (Bereich Sportmedizin/Kinderorthopädie) bin ich auf mehrere interessante Studien aus dem Royal Children’s Hospital (RCH) in Melbourne, die ich auch zitiert habe. Da mich deren Forschung in diesem Gebiet sehr interessiert hat und ich auch viel gutes von Melbourne gehört hatte, begann ich ca. 12 Monate vor meinem PJ mit den Bewerbungen. Zuerst bewarb ich mich direkt bei der University of Melbourne, die Austauschstudenten aufnehmen und koordinieren. Von dort bekam ich leider relativ zeitnah eine Absage mit dem Verweis auf fehlende Vakanzen. Daraufhin bewarb ich mich direkt in dem Department of Orthopaedics im RCH mit dem Hinweis auf meine Doktorarbeit und meine Interesse in deren Forschungsschwerpunkte. Auf diese Bewerbung bekam ich einen positiven Bescheid von der Sekretärin des Direktors des Departments und die organisatorischen Formalitäten wurden dann über sie erledigt. Im letzten Jahr haben sich die Visabestimmung in Australien geändert. Mittlerweile muss man einen Antrag auf ein elektronisches Visum stellen. Da man in einem Krankenhaus tätig sein wird genügt weder Touristen- noch Work-Visa, sondern man muss zu einer ausführlichen (und teuren) Untersuchung zu einem „Panel-Doktor“ gehen. Dieser nimmt für eine simple körperliche Untersuchung, ein Röntgen Thorax (TBC) und eine HIV/Hepatis-Serologie sportliche 250€. Ein Verweis auf das eigene medizin-studentische Dasein, knappes Budget oder bereits Seite 2 von 7 vorher durchgeführte Untersuchungen haben bei mir zu keinem Erfolg geführt und ich war genötigt das Geld zu bezahlen. Die Zusage der Gasthochschule bekam ich ungefähr ein halbes Jahr vor dem Beginn meines Auslandsaufenthaltes. Das Visum hat ca. 8 Wochen gebraucht bis zur Genehmigung. Die Anreise gestaltete sich entspannt mit Zwischenstopp in Dubai (Emirates, ca. 1100€). In Melbourne gibt es ein gutes und unkompliziertes öffentliches Verkehrsnetz. Am Flughafen wurde ich nur kurz gefragt, was ich vorhabe und wurde dann freundlichst Empfangen. Am Ausgang gab es sogar eine Person, die jeden Ankömmling mit „Glad you’re here“ begrüßt hat – das habe ich mir eine Weile angeschaut und der schien tatsächlich keine andere Aufgabe zu haben. Finanzierung des Auslandsaufenthaltes/ Kosten vor Ort Die Studiengebühren für diesen Aufenthalt lagen bei 800 AUD. Das klingt erstmal sehr viel, aber wenn man schaut, wieviel die australischen Studenten für Ihre Ausbildung zahlen müssen (um die 30.000 AUD pro Jahr), können wir uns in Deutschland ziemlich glücklich schätzen. Diese Studiengebühren wurden ungefähr von der Höhe des Stipout-Stipendiums abgedeckt. Weiterhin bekam ich, da ich weiterhin an meiner Uni eingeschrieben war und es sich bei dem Praktischen Jahr um ein Pflichtpraktikum handelte, Unterstützung in Form von Bafög. Zusätzlich habe ich während meines Studiums immer Nachtdienste im Krankenhaus gemacht und für die Zeit des PJ noch einen Studienkredit (KfW) aufgenommen. Unterbringung und Verpflegung Um Geld zu sparen, habe ich die zwei Monate gecouchsurft. Ohne ein eigenes wirkliches Zimmer, ist es natürlich nicht so bequem, aber so konnte ich einiges an Geld sparen. Die durchschnittlichen Mieten liegen zwischen 700-1200AUD (500-800€) pro Monat in Melbourne. Kostenloses Essen gab es leider keines im Krankenhaus für PJler und im Foodcourt des Kinderkrankenhauses (in dem es sogar einen McDonalds gab) konnte man selten etwas sättigendes unter 12 AUD finden. Ein Cafe (die aber auch ziemlich gut sind) schlägt nochmal mit ca. 4-5AUD zu Buche. Allerdings wurde ich häufiger von den Ärzten meiner Station eingeladen, was ich sehr nett fand und bei ihrem Verdienst auch ganz angebracht. Die sonstigen Lebenserhaltungskosten waren deutlich höher als in Deutschland. Es gibt in Melbourne (auch in Sidney) mittlerweile einige Aldi-Märkte, die verhältnismäßig günstige Grundnahrungsmittel anbieten. Es gibt auch ein veganes Restaurant (Lentils) in dem man so viel Essen kann wie man möchte und dann ebenfalls soviel bezahlen kann, was es einem wert ist. Meist war das Essen aber ziemlich gut, sodass ich auch gerne um die 10AUD gezahlt habe. Alkohol und Feierei sind ungefähr um den Faktor 2-3 teurer als in Deutschland. Seite 3 von 7 Ablauf des Praktikums Es gibt zwei MedSchools in Melbourne. Monash University und die University of Melbourne. Mein PJ-Aufenthalt wurde über letztere organisiert. Im Krankenhaus waren auch ca. 40 Medizinstudenten, die gerade ihre Pädiatrie-Unterricht absolviert haben. Von denen war aber niemand auf meiner Station. Trotzdem habe ich die anderen Studenten regelmäßig beim Unterricht (jeden Mittwoch gab es ca. 4 Vorlesungen und Seminare zu verschiedenen Themen) getroffen und konnte viel über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ausbildung erfahren. An meinem ersten Tag wurde ich von der Organisatorin der Austauschabteilung begrüßt und alles organisatorische wurde erledigt. Dann bekam ich eine Krankenhausführung und wurde meinem Supervisor vorgestellt. Dieser hat mich dann dem Team vorgestellt und mich gleich mit in eine längere Operation genommen. Das RCH ist in 2012 fertig gebaut worden und somit das mit Abstand modernste Klinikum, in dem ich bisher gearbeitet habe. Da gerne in Australien und besonders für Kinderkrankenhäuser gespendet wird, ist die Ausstattung des Krankenhauses ziemlich beeindruckend. In der großen und freundlichen Eingangshalle empfängt die Kinder erstmal ein großes, über drei Stockwerke gebautes Aquarium, in dem neben kleinen und großen bunten Fischen auch zwei Haie herumschwimmen. Diese werden auch einmal täglich von einem Taucher gefüttert und die Kinder stehen dann immer Schlange. Weiterhin gibt es überall Spielplätze und in einem zentralen Innenhof ein großes Erdmännchen-Gehege, dass die Kinder während ihrer Wartezeiten belustigt. Im gesamten Krankenhaus gibt es nur Einzelzimmer, die auch einen Schlafplatz für die Eltern beinhalten. Jedes Zimmer ist mit einem Flachbildschirm ausgestattet und die verschiedenen Station sind nach australischen Tieren benannt (z.B. Chirugie=Platypus, Innere=Kockatoo etc.) und alles ist wirklich sehr freundlich und vorallem auch kindsgerecht gebaut. Die Kliniken in Australien sind anders aufgebaut als in Deutschland. Es gibt eine leitende Dreiteilung (Head of department, Associate Professor für Lehre, Professor für Forschung) und mehrere Consultants. Consultants sind nicht wirklich Chefärzte, aber autark wirkende Ärzte, die sich nach ihrer Facharztausbildung noch weiter spezialisiert haben. Weiterhin gibt es sogenannte Fellows, die sich gerade in ihre post-Facharzt-Spezialisierung befinden und Registrar, die in ihrer Facharztausbildung sind. Dann gab es noch Residents (eine Art jüngere Fachärzte) und mich. Meine Position des PJlers gibt es so in Australien nicht und kam am ehesten der eines Interns nahe. So habe ich mich dann auch meistens vorsgestellt,. Da ich der einzige Intern war, hatte ich große Freiheit meine Schwerpunkte und Interessen abzudecken und so habe ich in der Position zwischen Medizinstudium und Facharztweiterbildung eigentlich sehr gut aufgehoben gefühlt. Des normale Tag begann so um 6:45 auf Station, wo die Residents „on call“ vom Nachtdienst berichteten und sich danach eine Visite anschloss. Um 8.00 gab es immer ein Meeting mit den „Allied Health“ Mitarbeitern (Physio, Nurses, Ergotherapie, Orthosis ...) um die Pläne für den Tag zu besprechen. Danach schloss sich eine kurze Kaffeepause (falls ihr in Australien sein Seite 4 von 7 solltet unbedingt den „flat white“ probieren) an und um 8:30 begann die normale Arbeit. Für mich gab es die Möglichkeit mit in den OP zu gehen, Notaufnahme zu machen, Stationsarbeit zu erledigen oder bei den „Outpatient“-Clinics (entspricht ambulanten Patienten) dabei zu sein. Außerdem gab es noch eine Fracture-Clinic in der ich auch meine eigenen Patienten haben durfte. Da die verschiedenen Consultants auf sehr verschiedene Dinge spezialisiert waren, hatte ich beschlossen jede Woche mit einem anderen zu rotieren. Die verschiedenen Schwerpunkte lagen in der Orthopädieabteilung bei Skoliose- und Wirbelsäulenchirugie, Hüftdysplasie, infantile Cerebralparese, Beinlängenkorrekturen, pädiatrische Sporttraumatologie und congenitale orthopädische Pathologien. Die Consultants kommen aus der ganzen Welt und haben ihr Training in den größten Kinderkrankenhäusern der Welt (Boston, Toronto, London, Paris, SaoPaulo ... ) absolviert. Es war wirklich sehr beeindruckend einen kleinen Eindruck von dieser Expertise zu bekommen. Die Tage waren insgesamt sehr lang, oft bis 18:00. Aber mir wurde zwischendurch auch immer Zeit gegeben Sachen nachzulesen und mich in die gut ausgestattete Bibliothek des Krankenhauses zu setzen. Außerdem durfte ich einen Vortrag vor der Abteilung über meine Doktorarbeit halten und da es einige Parallelen zu den Forschungsgebieten des dortigen Professors gab, hatte ich das Glück in zwei Forschungsprojekte involviert zu werden. Das hieß natürlich noch etwas mehr Arbeit an den sowieso schon vollen Tagen, aber ich bin ich ziemlich zuversichtlich, dass wir aus der relativ kurzen Zeit noch 1-2 Paper publiziert werden. Jeden Mittwoch gab es eine Konferenz, in der zuerst die Operation der nächsten Woche geplant und dann die Operationen der vergangenen Woche besprochen wurden. Im Anschluss gab es für die Registrars eine Art Facharztprüfungssimulation, bei der schwierige Fälle vor großem Auditorium untersucht und besprochen wurden. Am Mittag gab es eine „Grand Round“, die eine Vorlesung zu verschiedensten Themen für die gesamte Mitarbeiterschaft war. Im Anschluss gab es guten und sehr strukturierten Unterricht für die regulären Medizinstudenten der University of Melbourne , an dem ich auch teilnehmen durfte. An den Wochenenden hatte ich frei und Nachtdienste konnte ich freiwillig machen. Für mich war es der erste längere Aufenthalt in einem angloamerikanischen Krankenhaus, aber die Sprache war für mich kein Problem. Um mich auf die krankenhaustypischen Vokabeln vorzubereiten hatte ich vorab einige Folgen Emergency Room und Scrubs auf englisch geschaut. In mein mitgebrachtes „Medical English Dictionary“ habe ich nie schauen müssen. Alltag/ Freizeitmöglichkeiten Melbourne ist die zweitgrößte Stadt Australiens und Wege können lang sein. Das öffentiche Verkehrssystem ist gut ausgebaut und man kann überall mit Tram und Metro problemlos hinkommen. Ich hatte das Glück nicht zu weit vom RCH entfernt zu wohnen, so dass ich jeden Morgen mit dem Fahrrad (Helmpflicht in Australien – was ich sehr löblich finde) oder joggend zum Krankenhaus gelangen konnte. Es gibt dort einen großen Fahrradkeller und eine Umkleide mit mehreren Duschen und Handtüchern, so dass man auch mal in der Mittagspause für einen Seite 5 von 7 Dauerlauf aufbrechen konnte. Das sportliche Selbstverständnis ist sehr groß und die meisten Ärzten kommen mit ihren Rennrädern zur Arbeit. Gleich zu Beginn meines Aufenthaltes, schloss ich mich dem Leichtathletikteam der University of Melbourne an und konnte so schnell Anschluss finden und neben gutem Training auch einige Wettkämpfe bestreiten. Mit einem Auto konnte man schnell an das Meer und es gibt dort einige sehr gute Surfspots. Wir waren meistens in und um Torquay (dem Gründungsort von RipCurl und QuickSilver) zum Wellenreiten. Aber auch in Melbourne (St Kilda) gibt es gute Möglichkeiten zum Kitesurfen. Von Melbourne schnell erreichbar ist auch die Great Ocean Road und die Grampians zum wandern. Für ein Wochenende bin ich nach Sydney geflogen (Inlandsflüge sind ziemlich günstig, <100€) Zusammenfassung Insgesamt bin ich hoch zufrieden mit meinem Aufenthalt. Auch wenn es zu Beginn ein bisschen Mehraufwand ist, sich eine Praktikumsstelle im Ausland zu organisieren, ist es das absolut wert. In Australien konnte ich ein anderes, sehr gut funktionierendes Gesundheitssystem kennenlernen. Mir wurde die Chance geboten ein hochspezialisiertes Krankenhaus mit Forschung auf dem höchsten Niveau zu sehen. Besonders bin ich über die Vernetzung von Praxis und klinisch-praktisch orientierter Forschung begeistert und sehr glücklich darüber in zwei Forschungprojekte involviert zu sein. Am Ende wurde mir sogar angeboten einen PhD im Department of Pediatrics machen zu können, nachdem ich mein Studium im nächsten Jahr beendet habe. Außerdem konnte ich viel von den praktizierenden Ärzten lernen. Ich durfte einen Einblick in einige Operationstechniken bekommen, die nur an wenigen Orten der Welt durchgeführt werden. Neben diesen hochspezialisierten Tätigkeiten, gab es aber auch die Möglichkeit normale Stationsarbeit zu erledigen oder in der Notaufnahme an der Akuttherapie der Patienten involviert zu sein. Insgesamt war dies eine gute und lehrreiche Mischung und ich denke ich werde lange von diesen Eindrücken profitieren. Seite 6 von 7 Fotos/ weitere Anhänge Das Royal Children’s Hospital von vorne Ausblick über Melbourne auf meinem täglichen Weg zur Arbeit (Royal Park) Seite 7 von 7 Das Aquarium im Wartebereich der Notaufnahme