Motorsport - SPORTUNION Österreich

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SAMMLUNG MAYER
Lokale Motorsportler forderten
Weltklassefahrer heraus
Alex Mayer (Jg. 1915)
Die Motorrad-Legende
Begonnen hat Alex Mayer als 16-Jähriger
mit dem Radsport. Bis 1940 zählte er in
Niederösterreich zu den Elitefahrern, ehe
der Zweite Weltkrieg seine sportlichen Ambitionen jäh unterbrach. Erst 1947 begann
seine motorsportliche Karriere. 1950 gab es
den ersten großen internationalen Erfolg:
Beim „Großen Preis von Österreich“ fuhr er
hinter Weltmeister (1953–1959) Fergus
Anderson aus England über die Ziellinie.
National holte sich der St. Pöltner neun
Staatsmeistertitel.
Noch während seiner Rennfahrer-Laufbahn
erfüllte er sich seinen Traum: Er richtete am
Neugebäudeplatz eine Reparaturwerkstätte
ein, übersiedelte in die Mariazeller Straße.
Danach eröffnete er im ehemaligen Domcafé
am Herrenplatz eine Renault-Vertretung.
Auch in Traisen hatte „Xadl“, wie ihn seine
Freunde nannten, eine Filiale. Das Unternehmen expandierte rasch und erbaute ein
Autohaus in der Porschestraße.
Einen Namen machte sich Mayer als Förderer von Rupert Hollaus aus Traisen, dem einzigen Motorrad-Weltmeister Österreichs.
Heinz Harauer, Dieter Peschl
ie Welt hatte zu Beginn des
zwanzigsten Jahrhunderts ein
neues Spielzeug: Das Auto!
Die Motorisierung der Gesellschaft
spiegelte sich in der Folge auch im St.
Pöltner Sportgeschehen wider.
Neben losen Gruppenausfahrten und
Ausflügen zu Rennveranstaltungen
wurden vom „Niederösterreichischen
Automobil Club, Ortsgruppe St. Pölten
(NOE A.C.)“ unter Obmann Hubert Harrand auch zunehmend Motorradrennen
auf der Sandbahn veranstaltet. Die
D
Trabrennbahn an der Rennbahnstraße
diente als Rennstrecke. Bereits am
5. Oktober 1924 wurden 10.000 Zuseher – darunter auch Prominenz wie
Fürst Auersperg oder die Brüder Rainer
und Wilhelm Habsburg – an so einem
Renntag begrüßt.
Bei den jährlich stattfindenden Wettbewerben kämpften natürlich auch St.
Pöltner Fahrer in den verschiedenen
Motorradklassen um den Sieg: Josef
Praher, Rudolf Polivka, Josef Sommer,
Karl Wildburger, Hans Nadlinger, Franz
Gaisberg-Sieger Karl Dasch (1932) mit seinem Auto – eine Leihgabe des Industriellen Hans Benker. SAMMLUNG PESCHL
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„Vickerl“ und seine Grete
Vickerl und Grete Pongratz in Korneuburg 1954 – großen Mut bewies Grete beim Kurvenfahren.
Fischer, Hans Hasenauer, Georg Becker, Karl Kickinger und Rudolf Piermayr.
Die Sandbahnrennen auf der St. Pöltner Rennbahn wurden innerhalb kurzer
Zeit zu einem Fixpunkt im österreichischen Motorradrennsport. Nationale
und auch internationale Motorradhelden wie Karl Abarth (wurde nach 1945
als Carlo Abarth mit seinen Autos weltberühmt), Leopold Killmeyer (so nebenbei der Erfinder der „Käs’wurst“),
Hans Bohmann, Martin Schneeweiss
(Europameister 1937) sowie Michael
Gayer waren gefeierte Sieger an der
Traisen.
1929 trug sich mit Maria Strunz sogar
eine Dame in die Siegerliste der 175erund 250er-Klasse ein.
Aber nicht nur auf zwei Rädern waren
die St. Pöltner zu dieser Zeit schnell
unterwegs. Josef Hansal, Werksfahrer
und Mechaniker bei den Steyr Werken
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Viktor Pongratz (1917–2005) war
neben Alex Mayer einer der bekanntesten Motorrad-Rennfahrer
St. Pöltens. Die größten sportlichen
Erfolge feierte er mit seiner zweiten
Gattin Margarete: mit ihr holte er
1954 und 1956 mit einer Seitenwagenmaschine je einen Staatsmeistertitel auf der Straße. Sein
erstes Rennen bestritt er 1948 mit
einer 250 ccm Moto Guzzi bei einem
Straßenrennen in St. Pölten. Seine
Karriere beendete er 1961.
Courage und Mut bewies die
St. Pöltner Legende aber nicht nur
am Motorrad. 1956 hatte er deshalb
auch sein schlimmstes Erlebnis: Er
lieferte während des Ungarn-Aufstandes Medikamente nach Budapest – und wurde prompt von den
Russen gefangen genommen und
zum Tode verurteilt. Nur sein österreichischer Pass rettete Pongratz
das Leben!
SAMMLUNG WÖLL
AG, nahm an vielen internationalen
Rennen teil. Seine größten Erfolge waren Siege beim Klausen Bergrennen
1926 und beim Semmering Bergpreis
1928 – jeweils in der Kategorie Sportwagen.
Der Flugzeugmechaniker Karl Dasch
feierte am 24. Juli 1932 mit einem vom
Industriellen Hans Benker zur Verfügung
gestellten Steyr-Rennwagen den Sieg
beim Gaisbergrennen in Salzburg in der
Klasse über 3000 ccm.
Weltmeister am Start
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der
Motorradsport eine nie wieder erreichte
Blütezeit. Helden wie Rupert Hollaus,
Hans Baltisberger, Gerold Klinger oder
Lokalmatador Alex Mayer zogen bei den
Rennen die Besuchermassen an. Gefahren wurde – heute unvorstellbar – auf einem Straßenkurs mitten durch die Stadt:
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Die kleinen Meister
20.000 Zuschauer staunten und applaudierten am 14. Mai 1950, als
Günther (damals 8) und Peter Huber
(6) auf einer Eigenbau-Beiwagenmaschine mit bis zu 47 km/h durch
die Kurven der Rennbahn sausten.
Vater Friedrich Huber hat in mühevoller Handarbeit eine Beiwagenmaschine für seine beiden Kinder
gebaut. Ausgerüstet mit Teleskopgabel und Hinterradfederung, die
1950 noch nicht selbstverständlich
waren.
„Wie ihr Motorrad gleichen auch
sie in jeder ihrer Gesten ihren großen Kollegen“, schrieb die St. Pöltner Zeitung damals.
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Motorradmuseum
Leider schon fast vergessen ist das
legendäre Motorradmuseum von
Walter Brandstetter in der Brunngasse. Über 60 ausgesuchte Rennmotorräder befanden sich in seinem
Besitz. Sie sind heute im Motorsportmuseum Hockenheim am Formel-1-Ring zu bewundern.
Günther und Peter Huber (1950).
SAMMLUNG HUBER
Schulring, Mayer-Mühle bis zur Kreuzung
Josefstraße, dann bis zur Theodor-KörnerStraße (damals die Schubertstraße) und
über die Rennbahnstraße (mit Bau des
Landhauses „verschwunden“) wieder
zurück zum Schulring.
Viktor Pongratz und seine Gattin Grete
(beide zweifache Staatsmeister) siegten
bei den Motorrädern mit Beiwagen, und
sogar Motorradweltmeister H. P. Müller
jagte seine NSU Sportmax über den Straßenkurs.
1953 zeigte der spätere MotorradWeltmeister Rupert Hollaus aus Traisen
auch in St. Pölten sein unglaubliches Talent.
Heute unvorstellbar, mit welchen Sicherheitsstandards damals gefahren wurde:
Zuschauerabsperrungen mit Schnürl und
Strohballen an den Mauerkanten …
Natürlich gab’s auch wieder viele Speedwayrennen auf der Trabrennbahn. Größen wie Pepi Chalupa, die Brüder Leopold und Karl Killmeyer oder Josef Kamper duellierten sich mit dem damaligen
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Speedway-Ass Fritz Dirtl (1949).
SAMMLUNG PESCHL
„Superstar“ auf der Sandbahn, Fritz Dirtl.
Er dominierte die Klassen und war der
Liebling der Massen. Oftmaliger Teilnehmer: der St. Pöltner Sepp Brandstetter.
Mit dem Niedergang des Speedwaysports verschwanden aber Mitte der
70er-Jahre auch die Speedwayfahrer
von der traditionellen St. Pöltner Rennbahn.
Übrigens: Auf dem St. Pöltner Straßenkurs wurden mehrere Jahre hindurch auch
Autorennen durchgeführt. Friedrich Huber, Erich Degen, Kurt Koresch oder auch
der mit nur einem Arm fahrende Innsbrucker Otto Mathe fuhren in den diversen Klassen um den „Großen Preis von
St. Pölten“.
In den 60er-Jahren bekam der Autorennsport durch den Formel-1-Helden Jochen
Rindt eine neue Dynamik. Etwa zur gleichen Zeit begann auch die MotorsportÄra von Günther Huber. 1963 stieg der
St. Pöltner mit einem VW-Käfer in den
Rallye-Sport ein. Nach drei Jahren wechselte er in die gerade neu entstandene
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Europameister Günther Huber 1966 in Aspern mit Weltmeister Jochen Rindt.
Formel Vau, wo 1966 auf den Bahamas
die erste große Herausforderung wartete: Huber hatte hier Jochen Rindt zum
Gegner. Beim Rennen gab es einen
österreichischen Dreifacherfolg: Rindt
siegte vor Huber und Wallecek. 1967
wurde Günther Huber Formel Vau-Europameister. 1968 und 1969 bestritt er
auch einige F2-Rennen, darunter auch
auf dem legendären Flughafenkurs von
Langenlebarn.
1970 gab es noch zwei spektakuläre Ergebnisse: Huber gewann die 24 Stunden
von Spa auf einem BMW-Alpina 2800 CS
Coupé und holte sich damit auch den
dritten Platz bei der Europameisterschaft
für Tourenwagen in der Klasse über 1600
ccm. 1971 beendete Huber seine Karriere auf einem Porsche 911 mit dem dritten
Platz beim weltweiten Porsche Privatfahrer-Cup.
Die „Wilden“ greifen an
Im gleichen Jahr, in dem Huber seine
Karriere beendete, wird der „Racing
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SAMMLUNG HUBER
Corporation Motorklub“ (RCM St. Pölten) von Jörg T. Selan und Gerhard Kalnay gegründet.
Eines der ersten Mitglieder war Franz
Wittmann, dessen sportlicher Höhenflug in St. Pölten begann. Wittmann bestritt sein Premierenrennen auf einem
VW-Käfer, den ersten seiner insgesamt
zwölf Staatsmeistertitel holte er sich
noch beim RCM. 1985 schrieb der
Ramsauer dann Motorsportgeschichte:
Er triumphierte in Neuseeland – bis
2007 der einzige WM-Lauf, den ein
Österreicher gewinnen konnte.
Auch Gerhard Kalnay trug sich in die
Siegerliste ein: 1982 gewann er auf
Opel Ascona 400 den Rallye-Staatsmeistertitel. Ein Kunststück, das ihm in späterer Folge noch zwei andere St. Pöltner
nachmachten – Christoph Dirtl und Kris
Rosenberger.
Jörg T. Selan ließ schon 1970 aufhorchen: Den Slalom-Staatsmeistertitel gewann er noch als Mitglied des Rallye
Renn Team (RRC) Krems, die Titelvertei-
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Allrounder Rudi Frömel
Seit 1958 fährt Rudolf Frömel alles,
was sich auf zwei oder vier Rädern
bewegt und einen Motor hat. Begonnen hatte er mit Wertungsfahrten auf einer 350 AJS, 1960 wechselte er zu Motocross, „weil es dort
Geld für mein Hobby gab“. Startete
in der 500er-Klasse bei neun WMLäufen in Sittendorf, wechselte 1973
zu den Slalombewerben und fuhr
1975 gleichzeitig Rallyecross und
Autocross. Schon ein Jahr später
war er Autocross-Staatsmeister auf
BMW und 1977 auf Porsche Carerra
OSK-Pokalsieger.
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Fühlte sich am LERU-Ring in Melk wie zuhause: Rudolf Frömel.
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Sport & Business-Erfolge
Mit Siegen bei Bosch Rallye, Saturnus Rallye, Castrol Krappfeld Rallye
und OMV Rallye holte sich Kris Rosenberger (Jg. 1969) 1997 den bisher einzigen Staatsmeistertitel.
Nach dem Tod seines Vaters Heinz
übernahm er 1999 die Rosenberger
Restaurant GmbH. 2007 startet er
für das VW-Team Golf IV KitCar bei
der Österreichischen Staatsmeisterschaft in der Gruppe A.
SAMMLUNG FRÖMEL
Spektakuläre Sprünge sieht man beim Seitenwagen-Motocross.
digung gelang ihm schon beim St. Pöltner Klub. Ein Jahr später wurde er ÖSKPokalsieger.
Aus der St. Pöltner Motorsportszene ist
auch Franz Hromas nicht wegzudenken.
Der Polizist fuhr von 1973 bis 1975 Autoslaloms, stieg mit einem NSU TT eher
glücklos in das Rallyecross-Lager ein.
Ein Umstieg auf einen Gruppe-1-BMW
1600 brachte ihm 1977 einen Klassensieg
bei der EM auf dem Rundkurs in Melk.
Noch 1987 „wedelte“ Hromas auf einem BMW bei Slaloms in Österreich
und Ungarn.
1973 stieg Andy Bentza in die Rallyecross-Szene ein. Begonnen hatte alles
am LERU-Ring in Melk, wo der heute
55-jährige Unternehmer aus St. Pölten
von Anfang an zu den Siegfahrern zählte. 1978 katapultierte er sich mit einem
Lancia Stratos an die europäische Spitze
und holte sich den EM-Titel. Niederösterreichische Freunde wie Herbert
Grünsteidl und Franz Wurz zählten zu den
Geschlagenen. 1988 beendete er seine
aktive Laufbahn.
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SAMMLUNG WANGER
Schnell auf zwei Rädern
Nach der Reihe schießen in den 70er-Jahren auch neue Motorradclubs aus dem
Boden. Franz Riesenhuber etwa ist jetzt
schon 32 Jahre Obmann des ÖMRC
St. Pölten. Erfolgreich: 1978 konnte sich
Anton Wanger mit „Schmiermax“ Georg Haumer über einen Staatsmeistertitel bei den Seitenwagen freuen, 2004
gewann Phil Karner die Kids-WM in
Deutschland.
„Didi“ Prohaska wiederum sammelte
1981 die Jugend um sich und bot Christian Stampfer, Karl Schagerl, Ernst Nowak,
Eduard Haumer, Ernst Weilguni und Robert Müller ein kameradschaftlich perfektes Umfeld. Aber kaum Sponsoren. Trotzdem war man (fast) überall dabei. Sauteuer, aber ein unbeschreibliches Erlebnis
waren die Starts für die LangstreckenWM 1987 in Spa, Monza, im Circuit Paul
Richard und am Österreichring. „Wir waren eine eingeschworene Gruppe“, erinnert sich Stampfer. „Wir“ – das waren
Stampfer, Nowak, Weilguni und auch
Müller. Das gilt auch 2007 noch!
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Christoph Dirtl
Das Multitalent
Nachdem Christoph Dirtl auf Fiat
Ritmo 1984 auf Anhieb Vize-Staatsmeister im Rallye-Cross wurde, gewann er in Belgien im gleichen Jahr
den europaweiten Ford-Talentewettbewerb, der ihm auf einem Escort
XR3i den Einstieg in die Rallye-Szene
ermöglichte. Seinen ersten Sieg feierte
Dirtl 1987 beim ARBÖ-Rallye-Cup
auf Renault 5 GT Turbo. Auf Lancia
holte er sich 1989 und 1990 den
Gruppe-N-Sieg. Ein Jahr später konnte sich das sportliche Allroundtalent
über seinen ersten Meistertitel freuen.
Nach einem schweren Unfall 1992
war die Motorsportkarriere jäh zu Ende. Einmal kam Dirtl trotzdem noch
zurück auf die Rennstrecke: beim 24Stunden-Rennen am Nürburgring.
Dort gewann er 2000 gemeinsam mit
Hans Geist die Alternativklasse.
Und ins Buch der Rekorde schaffte er
es auch: Dirtl fuhr Ex-Radprofi Gerhard Schöndorfer zum Weltrekord
mit Skiern auf dem Auto – das Duo
flog mit 233 km/h um den Österreichring (siehe Bild oben).
Schwanenstadt war einer der Lieblingskurse von Robert Müller. Im Bild ist der Harlander mit einer 374
Harris Yamaha unterwegs.
G. PAUMANN
Bei Bergrennen meistens schneller als auf der Rundstrecke: Christian Stampfer.
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F. KIESENHOFER
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