SchiedsamtsZeitung Aufsätze - Bund Deutscher Schiedsmänner

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SchiedsamtsZeitung Aufsätze - Bund Deutscher Schiedsmänner
SchiedsamtsZeitung
Online-Archiv
59. Jahrgang 1988, Heft 07
Seite 97-98
Organ des BDS
Bund Deutscher Schiedsmänner und
Schiedsfrauen e.V. -BDSPostfach 100452 ‹ 44704 Bochum
www.schiedsamt.de ‹ [email protected]
Aufsätze
Auf gute Nachbarschaft
Vom Anspruch auf Ruhe und vom Recht auf Lärm
Dr. O. Weidermann, Direktor des AG, Hattingen
1. Der Lärm nimmt zu. Die Hälfte aller Petitionen an den Bundestag betreffen Lärmstörungen. Die Hälfte der Lärmbeschwerden beziehen sich auf Freizeitlärm im Haus
und aus der privaten Nachbarschaft. Mit steigendem Wohlstand und wachsender
Rücksichtslosigkeit hat die Belästigung durch sogenannten Partylärm zugenommen.
Im August 1986 wurde in Hamburg der wegen nächtlichen Musiklärms um Ruhe
bittende Nachbar erstochen. Akustischer Umweltschutz ist unterentwickelt.
2. Rein technische Pegelwerte, wie das Dezibel (= dB) oder Richtlinien berücksichtigen nicht die soziale Störwirkung von Lärm. Marschmusik etwa hat
Aufforderungscharakter. Unfreiwillig muss der Nachbar Musik des Hauses und seiner
Bewohner aufnehmen. Die Lärmbewertung allein durch technische Werte bleibt
Orientierungshilfe; die besondere Störwirkung der konkreten Geräusche muss
differenzierter berücksichtigt werden.
3. Es gibt kein Recht auf unbegrenzten Lärm. In der Mietwohnung gilt einstündiges
Klavierspiel pro Tag als obere Grenze. Auch tagsüber darf der von der
Nebenwohnung herüberkommende Lärm einer Stereoanlage in der eigenen
Wohnung mit höchstens 35 dB (A) wahrnehmbar sein. Notfalls sind Bässe
auszubauen, um Störungen durch eine in einer Gaststätte befindlichen Musikbox zu
unterbinden. Eine Diskothek ist notfalls um 21.30 Uhr zu schließen. Das gilt auch für
Gemeinschaftshäuser von Vereinen, Kirchen, Verbänden. Es stimmt auch nicht, daß
jedem Mieter einmal im Jahr, im Monat oder gar in der Woche Partylärm gestattet ist.
Im Extremfall würde an jedem Tag ein anderer seine Party feiern, zu keiner Zeit gäbe
es Ruhe.
4. Jeder Wohnungsmieter hat einen Anspruch auf ungestörten, also lärmfreien
Gebrauch der Mietsache. Wird er durch laut feiernde oder musizierende Nachbarn im
Besitz gestört, hat er ein Mietminderungsrecht nach § 537 BGB gegenüber dem
Vermieter. Der Wohnungseigentümer hat ein Recht auf ordnungsgemäße Nutzung
nach § 13 WEG.
In den Abendstunden besteht ein erhöhtes Ruhebedürfnis. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bildet ab 20.00 Uhr ein Lautstärkepegel
von 35 Phon (also 35 dB (A) eine Obergrenze. Auch tagsüber darf die vom Nachbarn
herübertönende Musik diesen Wert nicht übersteigen. Dem Diskothekennachbarn
Nachdruck und Vervielfältigung
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Nachdrucke, auch auszugsweise, sowie fototemechanische Vervielfältigungen, auch von Teilen eines Heftes, gleichgültig in welcher Anzahl,
auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die
veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der
Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung der ausdrücklichen Einwilligung
des Carl Heymanns Verlages.
SchiedsamtsZeitung
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59. Jahrgang 1988, Heft 07
Seite 97-98
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kann aufgegeben werden, die Schallübertragung tags auf 35 und nachts in der Zeit
von 22.00- 6.00 Uhr auf 25 dB (A) zu reduzieren.
5. Bei Lärm aus der Nachbarschaft von Gärten und Terrassen gilt: Jeder
Wohnungsinhaber hat das Recht, die Wohnung in vollem Umfange zu nützen, also
auch Fenster oder Türen offen zu halten.
6. Jeder Lärmbeeinträchtigte hat die Möglichkeit, gemäß §§ 858 BGB ff. wegen der
Besitzstörung der Wohnung gegen den Lärmverursacher vorzugehen. Er kann aber
auch gemäß 537 BGB seinem Vermieter gegenüber die Miete mindern. Der
Vermieter wird seinerseits bei dem Lärmverursacher Rückgriff nehmen. Ist ein Haus
hellhörig, müssen die Bewohner umso mehr zur Ruhe und Rücksichtnahme
verpflichtet werden. Unbeachtlich sind Mieterabstimmungen, gegenseitig das
musizieren und feiern zu gestatten; vertragliche Verpflichtungen bestehen nur
zwischen Mieter und Vermieter.
7. Abwehrrechte bestehen auch gegenüber benachbarten Tennisplatzbenutzern.
Hier wird ein Grenzwert von 55 dB (A) für zulässig erachtet, bei dessen
Überschreitung zeitliche Benutzungsbeschränkungen von Fall zu Fall aufzustellen
sind. Das Oberlandesgericht Celle hat im Urteil vom 14. April 1987 – 4 U 302/85 –
DWW 1987, Seite 258 – folgende Regelung getroffen: Erreicht der 1,5 Meter vor dem
Wohnraum des Nachbarn gemessene Lärm eines von einem nahe gelegenen Platz
ausgehenden Tennisspiels den Beurteilungspegel von 59,2 dB (A), so kann der
Nachbar die Einhaltung einer Gesamtspielzeit von Maximal vier Stunden an
Werktagen und maximal einer Stunde an Sonn- und Feiertagen verlangen, die
jedoch nur innerhalb folgender Zeitspannen wahrgenommen werden darf: Montag –
Freitag: 7.00 – 13.00 Uhr und 15.00 – 19.00 Uhr. Samstag: 8.00 – 13.00 Uhr.
Sonntag: 9.00 — 13.00 Uhr. Innerhalb der sonstigen werktäglichen Zeiten von 6.00
bis 22.00 Uhr schöpft eine Stunde Spielzeit das vierstündige Kontingent aus.
Inwieweit solche Regelungen auf andere Lärmbeeinträchtigungen auszudehnen sind,
muss dem Einzelfall überlassen bleiben. Grundsätzlich gilt, daß es dem Störer
überlassen ist, welche Maßnahmen er zur Beseitigung einer rechtswidrigen
Beeinträchtigung ergreift. Eine bestimmte Maßnahme kann nur dann verlangt
werden, wenn eine andere nicht ernsthaft in Betracht kommt. Statt der Regulierung
des Spielbetriebes auf einem Tennis- oder sonstigen Sportplatz besteht die
Möglichkeit, eine Lärmschutzwand zu errichten oder den Spielbetrieb ganz zu
untersagen oder auf eine andere Fläche zu verlegen, wenn eine dieser Maßnahmen
für den Störer eine günstigere Lösung zur Behebung des Missstandes bedeutet. Das
heißt umgekehrt, der vom Lärm beeinträchtigte Nachbar hat das Abwehrrecht, er hat
nicht einen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme der Abwehr, wenn mehrere
Möglichkeiten in Frage stehen.
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auch für innerbetrieblichen Gebrauch, sind nicht gestattet. Die vorbehaltenen Urheber- und Verlagsrechte erstrecken sich auch auf die
veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ihre Leitsätze; sie sind vom Einsender oder von der Schriftleitung bearbeitet oder redigiert. Der
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