Helfen konkret 2/2011

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Helfen konkret 2/2011
Helfenkonkret
Foto: Markus Taglieber
Mit Spenden verantwortungsvoll umgehen
Zwei humanitäre Katastrophen beherrschen aktuell die Medien: der Bürgerkrieg in Libyen
und die Situation in Japan, das durch Erdbeben, Tsunami und Atom-Gau gleich dreifach
getroffen wurde. Die Johanniter beobachten die Lage und stehen für Hilfe bereit.
„Wir Johanniter sind tief berührt von der
katastrophalen Situation in Japan“, sagte der
Präsident der Johanniter-Unfall-Hilfe, HansPeter von Kirchbach. „Unsere Gedanken sind
bei den Menschen, die durch das Erdbeben,
den Tsunami und den atomaren Gau betroffen sind.“ Dr. Arnold von Rümker, der die Auslandshilfe der Johanniter verantwortet ,
erklärt: „Wir sind bereit, zu helfen, wo wir
können. Allerdings hat Japan noch keine
medizinische Unterstützung angefordert. Das
respektieren wir selbstverständlich.“
Was nicht heißt, dass die Johanniter die Hände in den Schoß legen. Sie beobachten die
Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.
Foto: AlertNet / Reuters
Hilfe, die ankommt
Die Bilder sind um die Welt gegangen:
schwankende Wände, aufgerissene Straßen,
Trümmerlandschaften – Japan, getroffen vom
schwersten Erdbeben seiner Geschichte.
Gleich danach die Flutwelle, die mit ihrer
Wucht noch weit größere Zerstörungen hinterließ und Tausende Menschen tötete.
Schließlich die dramatischen Störfälle bei
mehreren Atomreaktoren, deren radioaktive
Folgen noch nicht absehbar sind.
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Entwicklung in Japan sehr genau und werden
Hilfe leisten, wenn Japan Bedarf meldet.
Doch es nütze niemandem, wenn Hilfsgüter,
die auf den Weg gebracht werden, am Ende
vom betroffenen Land abgelehnt würden,
erklärt von Rümker. „Unser Grundsatz ist es,
die Spendengelder, die uns erreichen, verantwortungsvoll einzusetzen. Deshalb prüfen
wir in jedem Fall sehr sorgfältig, ob unsere
Hilfe nötig ist und dort ankommt, wo sie
gebraucht wird. Das sind wir unseren Spendern schuldig.“
Die Situation in Tunesien, wohin Zehntausende vor dem Bürgerkrieg im Nachbarland
Libyen geflohen sind, wurde im März vor Ort
geprüft. Fazit: Die Situation in den Flüchtlingslagern ist zwar schwierig, aber nicht
katastrophal. Ein Einsatz der Johanniter ist
dort deshalb vorerst nicht geplant. Dennoch
halfen die Johanniter: Ein Krankenhaus in
Grenznähe erhielt Überwachungsgeräte für
die Intensivmedizin sowie sterile Einwegmaterialien. Damit ist das Hospital für ein
erhöhtes Patientenaufkommen gerüstet. Denn
die Flüchtlingsströme aus Libyen halten an.
| Themen
Winterhilfe in Pakistan
Die Johanniter haben die
Flutopfer mit Übergangshäusern und wärmender
Kleidung versorgt. So
konnten sie mehreren
Tausend Menschen helfen,
berichtet der Programmkoordinator der Johanniter vor Ort.
| Seiten 2 und 3
Gegen Kinderarmut
Kinder trifft Armut am schwersten. Manchen fehlt es am Nötigsten. Für sie bieten
die Johanniter kostenlose Frühstücks- und
Mittagstische an. Auch gemeinsames
Kochen steht auf dem Programm.
| Seiten 2 und 3
Gut vorbereitet
Erdbeben und atomare Katastrophe in
Japan sind allgegenwärtig. Auch in
Deutschland kommen die Menschen ins
Nachdenken. Wie wären die Katastrophenschützer der Johanniter nach einem
schweren Erdbeben oder einem atomaren
Gau aufgestellt?
| Seite 4
| Armut in Deutschland
Damit Kinder satt werden
„Unser tägliches Brot gib uns heute“: In dieser Bitte im Vater Unser steht
Brot für all das, was wir zum Leben brauchen. Auch für Zuwendung, eine
helfende Hand, Ansprache. Doch für manche Menschen bedeutet Brot in
erster Linie tatsächlich Essen, denn ihnen fehlt es am Nötigsten. Kinder
trifft Armut am schwersten. Für sie haben die Johanniter kostenlose Frühstücks- und Mittagstische geschaffen.
Es ist viertel nach zehn am Vormittag in der Erich-Kästner-Förderschule in
Altenburg, Thüringen. Johanniter Janek Rochner-Günther öffnet die Türen zum
Essenssaal. Sofort stürmen rund 40 Kinder zwischen sieben und 15 Jahren
herein. Sie lachen, setzen sich an die gedeckten Tische, greifen nach Käsebroten, Gurkenschnitten und Möhren. Es wird gescherzt und geschmatzt. 20
Minuten später sind die Teller leer.
„Für viele der Kinder ist das die einzige vollwertige Mahlzeit am Tag“, weiß
Rochner-Günther. Er organisiert den Johanniter-Frühstückstisch in Altenburg,
ein ehrenamtliches Projekt des örtlichen Kinder- und Jugendhauses der Johanniter. „Die Eltern schicken ihre Kinder ohne Frühstück in den Unterricht und
können oft auch nicht für die Mittagsverpflegung in der Schule bezahlen“, sagt
er. Umso wertvoller ist das rein aus Spenden finanzierte Angebot.
Viele der Frühstückskinder kommen auch am Nachmittag in die Einrichtung
der Johanniter. Dort können die Vierjährigen unter Anleitung basteln oder
malen, die bis zu 14-Jährigen erlernen Trommeln oder Gitarrespielen, gehen
Fußballspielen oder nehmen an der Kinderkirche teil. Bei den Hausaufgaben
hilft eine Mitarbeiterin. Auch hier muss kein Magen knurren, für kostenlose
Verpflegung ist gesorgt. Donnerstags wird gemeinsam gekocht. Zehn bis 15
kleine Köche beteiligen sich daran, 40 teilweise bedürftige Kinder lassen es sich
am Ende schmecken.
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Gemeinsames Kochen im Kinder- und Jugendhaus der Johanniter.
| Winterhilfe in Pakistan
Übergangshäuser und wärmende
Kleidung für die Flutopfer
Die Johanniter sind seit Beginn
der Fluten Ende Juli 2010 im
Einsatz und unterstützen die
Flutopfer mit medizinischer
Versorgung und lebensnotwenFoto: JUH
digen Hilfsgütern. Über die
aktuelle Lage in den Flutgebieten und die Situation der Betroffenen während der Winterzeit berichtet Naseer Kakar, Programmkoordinator der
Johanniter in Pakistan.
Helfenkonkret Wie ist die Situation für die Menschen in den
Flutgebieten acht Monate nach der Katastrophe?
| Helfenkonkret 2 | 11
Naseer Kakar Seit dem Rückgang der Flutmassen verbessert sich
die Situation täglich. Internationale und lokale Organisationen
arbeiten mit Hochdruck, um die entstandenen Schäden zu beseitigen. Auch wir Johanniter sind landesweit im Einsatz, um
Hilfe zu leisten. Besonders während der Wintermonate benötigten die mehr als elf Millionen Obdachlosen Unterstützung.
Helfenkonkret Wie haben die Johanniter die Menschen vor
der kalten Witterung geschützt?
Naseer Kakar Unsere Teams in den Provinzen Khyber Pakhtoonkhwa und Punjab haben während der Wintermonate für 4500
Familien wärmende Kleidung zur Verfügung gestellt. Denn
durch die Flut hatten sie alles verloren und waren dankbar für
Ein Kinder- und Jugendhaus betreiben die Johanniter auch in Ramersdorf, im – laut Armutsbericht – größten sozialen Brennpunkt in
München. Die sechs- bis 15-jährigen Besucher kommen aus einem
schwierigen familiären Umfeld. Durch soziales Training sowie tägliche Begleitung und Förderung hilft das Fachpersonal zu verhindern,
dass die Kinder gewalttätig werden oder in Sucht und Kriminalität
abrutschen. Neben der Betreuung ist das warme Mittagessen im Johanniterhaus nicht mehr wegzudenken. Die Speisen und Getränke
werden zum Großteil durch Spenden finanziert.
Zum Lübecker Mädchentreff des Vereins „In Via“ kommen täglich
rund zwanzig Mädchen im Alter von zwölf bis 16 Jahren. Sie erhalten Hausaufgabenhilfe, Beratung und Unterstützung bei persönlichen Problemen. Bei vielen sind beide Eltern arbeitslos, die Situation
zu Hause angespannt. Seit September 2009 bieten die Johanniter
im Mädchentreff den täglichen „pädagogischen Mittagstisch“, der
durch Spendenmittel getragen wird. Die Mädchen beraten sich mit
zwei Ehrenamtlichen, was es zu essen geben soll. Eine kleine Gruppe
geht die nötigen Lebensmittel einkaufen, später wird zusammen gekocht und gegessen. Die Mädchen lernen dadurch, sich selbstständig zu versorgen, mit Geld umzugehen und sich gesund zu ernähren.
Altenburg, München-Ramersdorf, Lübeck – nur drei Beispiele, die zeigen, wie die Johanniter sich für sozial schwache Kinder einsetzen. Dies
können sie nur dank der Unterstützung ihrer Spender leisten. Dadurch
kann die Hilfe aufrecht erhalten und dort, wo es nötig ist, weiter ausgebaut werden. Denn das Interesse an den Mittagstischen wächst. Und
der Einsatz der Johanniter wird von den Betroffenen hoch geschätzt.
Fotos: Sascha Stolzenburg
Und Spass macht es auch!
die Pullover, Jacken, Socken, Unterwäsche, Mützen, Schals und
Handschuhe, die wir für jedes Familienmitglied ausgegeben haben. Die dafür nötigen 436.000 Euro stammten aus Spendenmitteln.
Helfenkonkret Neben der Bekleidung benötigen die Menschen
schnell wieder ein Dach über dem Kopf. Was tun die Johanniter dafür?
Naseer Kakar Gemeinsam mit der Internationalen Organisation
für Migration unterstützen die Johanniter insgesamt 2500 obdachlos gewordene Familien in Punjab und Sindh
bei dem Aufbau von Übergangshäusern.
Die betroffenen Familien erhalten von
uns finanzielle Unterstützung und technische Beratung beim Bau von sogenannten Ein-Raum-Häusern. Diese aus
Stein, Lehm, Holz und Wellblech gefertigten Häuser sollen den vertriebenen
Menschen die Rückkehr in ihre Dörfer erleichtern. Denn durch
die Zerstörung nach der Flut müssen die Flutopfer ganz neu beginnen. Durch unsere Hilfe haben sie nun erst einmal wieder ein
Dach über dem Kopf und können sich um neue Einnahmequellen und die Bestellung ihrer Felder kümmern. Die Ein-RaumHäuser sind innerhalb von zwei bis drei Wochen fertig gestellt
und kosten rund 200 Euro. Langfristig können die Bewohner die
Häuser dann um weitere Räume erweitern.
Fotos: Birgit Betzelt
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| Katastrophenschutz
Johanniter stehen für Ernstfall bereit
Auch wenn eine Katastrophe wie in Japan in Deutschland
unwahrscheinlich ist: Notfälle, die Leib und Leben bedrohen,
sind auch bei uns möglich. Die Johanniter sind ein wichtiger
Bestandteil eines funktionierenden Gefahrenabwehrsystems,
eines abgestimmten Netzes aus Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Der engagierte Einsatz vieler Ehrenamtlicher
macht dies möglich.
Die Niederrheinische Bucht, der Oberrheingraben, die Schwäbische Alb und das Vogtland haben etwas gemeinsam. Sie gelten
als Erdbebengebiete. Würde hier tatsächlich die Erde heftig
beben, wären mit der Lage vertraute Rettungskräfte umgehend
zur Stelle. „Trotz der geringen Wahrscheinlichkeit sind wir immer
auf das Schlimmste vorbereitet“, erklärt Kersten Enke, Leiter des
Bildungsinstituts Hannover der Johanniter-Akademie. „Unsere
Rettungs- und Katastrophenschutzkräfte werden umfassend
geschult und üben regelmäßig alle Handgriffe und Abläufe sowie
das Zusammenspiel mit Feuerwehr und Polizei“, so Enke.
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Wird in unseren Breiten der Rettungsdienst alarmiert, sind binnen einer Viertelstunde Helfer vor Ort. Sie versorgen Verletzte,
bringen sie, wenn nötig, in umliegende Krankenhäuser. Passieren
zeitgleich zwei Unglücke oder kommt es zu einem schweren
Unfall, sind zusätzlich die Schnell-Einsatz-Gruppen der Johanniter gefragt. Diese ehrenamtlichen Einheiten bilden das Bindeglied zu den Helfern des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes.
Letztere werden aktiv, wenn die Dimension eines Vorfalls immens
und eine Vielzahl von Menschen betroffen ist.
Denkt man an die nukleare Katastrophe in Japan, liegt die Frage
auf der Hand: Was würde in Deutschland in einem solchen Fall
passieren? Dass es auch bei uns zu einem Gau kommen kann,
da sind sich Sicherheitsexperten wie Umweltschützer einig. Bei
einem solchem Szenario wäre zuerst die Feuerwehr gefragt. Sie
ist mit Schutzanzügen und Masken ausgestattet und kann im
schlimmsten Fall kontaminierte Menschen aus dem Gefahrenbereich befreien. Die Johanniter würden anschließend bei der
Notfallversorgung der bereits dekontaminierten Personen zum
Einsatz kommen.
Mit räumlichem Abstand zum Ort der Katastrophe würden die
Johanniter Betreuungsstellen einrichten und Patienten sanitätsdienstlich versorgen. Ein psychosoziales Nachsorge-Team wäre
auch vor Ort. Die Betroffenen würden zudem durch Versorgungseinheiten des Katastrophenschutzes mit dem Nötigsten
wie Essen und Trinken versorgt. „Dies alles erfordert neben
Fachwissen und Erfahrung einen hohen logistischen Aufwand“,
erklärt Kersten Enke. „Es ist gut zu wissen, dass wir für ein
solch schweres Ereignis gut aufgestellt sind.“
Es kostet die Johanniter viel Geld, die Leistungsstärke ihrer Einsatzgruppen stets zu gewährleisten. Geld, das durch Spenden
und Beiträge von Fördermitgliedern der Johanniter aufgebracht
wird.
„In jüngster Vergangenheit konnten wir Johanniter gerade bei
Bombenentschärfungen, die mit der Evakuierung und Betreuung
einer Vielzahl von Menschen einhergingen, Expertise sammeln“,
berichtet Kersten Enke. So wurden für die evakuierten Personen
Betreuungsstellen eingerichtet, Helfer boten medizinische sowie
psychosoziale Unterstützung und sorgten für ausreichend Essen,
Trinken, aber auch für Babynahrung und Windeln.
Regelmäßige Großübungen – wie hier im Bild zusammen mit
der Freiwilligen Feuerwehr Düsseldorf 2010 – garantieren,
dass die Johanniter-Helfer die Praxis immer beherrschen.
Foto: Nils Walter
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